Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 25.10.2013, Az.: 4 B 57/13

Abschiebungsandrohung eines syrischen Staatsangehörigen nach Ungarn i.R.e. Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
25.10.2013
Aktenzeichen
4 B 57/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 53094
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGLUENE:2013:1025.4B57.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Lüneburg - 03.04.2013 - AZ: 4 B 19/13

Fundstellen

  • InfAuslR 2014, 36
  • ZAR 2013, 51

In der Verwaltungsrechtssache
des Herrn A.,
Staatsangehörigkeit: syrisch,
Antragstellers,
Proz.-Bev.: Rechtsanwälte Lerche und andere,
Blumenauer Straße 1, 30449 Hannover, - B. -
gegen
die Bundesrepublik Deutschland,
vertreten durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge,
- Außenstelle Oldenburg -,
Klostermark 70-80, 26135 Oldenburg, - C. -
Antragsgegnerin,
Streitgegenstand: (Syrien) Asylrecht,
hat das Verwaltungsgericht Lüneburg - 4. Kammer - am 25. Oktober 2013 durch den Einzelrichter
beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss der Kammer vom 3. April 2013 im Verfahren 4 B 19/13 wird geändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage 4 A 65/13 gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 7. März 2013 wird angeordnet.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.

Gründe

Der Antragsteller ist seinen Angaben zufolge kurdische Volkszugehöriger yezidischen Glaubens aus Syrien. Er hat im Bundesgebiet einen Asylantrag gestellt und wendet sich gegen seine Überstellung nach Ungarn.

Der Antrag, den Beschluss der Kammer vom 3. April 2013 (4 B 19/13) abzuändern und die aufschiebende Wirkung der Klage 4 A 65/13 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 7. März 2013 anzuordnen, ist gemäß §§ 26a, 34, 34a Abs. 2, 75 AsylVfG i.V.m. § 80 Abs. 5 und 7 VwGO statthaft und begründet.

Nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO kann das Gericht Beschlüsse über Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO jederzeit ändern oder aufheben und nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO kann jeder Beteiligte die Änderung oder Aufhebung solcher Beschlüsse wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen. Bei der vom Gericht zu treffenden Entscheidung, ob es gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung einer Klage anordnet, sind die einander widerstreitenden beiderseitigen Interessen gegeneinander abzuwägen. Dabei sind der Zweck des Gesetzes und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen. Im Rahmen der Abwägung kommt dem voraussichtlichen Ausgang des Hauptsacheverfahrens besondere Bedeutung zu. Je größer die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren sind, desto geringer sind die an das Aussetzungsinteresse des Antragstellers zu stellenden Anforderungen. Das öffentliche Interesse wiegt demgemäß umso schwerer, je größer die Wahrscheinlichkeit ist, dass der angefochtene Verwaltungsakt rechtmäßig ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 80 Rdnr. 158 m.w.N.).

Dieser Maßstab gilt nunmehr auch für sog. Dublin II-Verfahren, denn nach der Neufassung des Asylverfahrensgesetzes durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU (BGBl. I 2013, 3474) ist § 34a Abs. 2 AsylVfG mit Wirkung zum 6. September 2013 geändert worden. Nunmehr können gegen entsprechende Abschiebungsandrohungen Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt werden. Eine Beschränkung des gerichtlichen Rechtsschutzes dahingehend, dass in sog. Dublin II-Verfahren vorläufiger Rechtsschutz nur dann in Anspruch genommen werden kann, wenn die allgemein europaweit vereinbarten Mindeststandards aufgrund von innerstaatlichen systemischen Mängeln des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen in einem Mitgliedstaat nicht mehr gewährleistet sind, ist nicht mehr gegeben.

Bei Anwendung dieser Maßstäbe überwiegt vorliegend das Interesse des Antragstellers, bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorläufig von einer Abschiebung nach Ungarn verschont zu bleiben. Der Antragsteller und sein Bruder, der ebenfalls einen Asylantrag gestellt hat, haben in ihren Klageverfahren nunmehr durch eidesstaatliche Versicherung und Konkretisierung ihres Vorbringens zum Fluchtweg glaubhaft gemacht, dass die Familie sich nach der erfolgten Abschiebung nach Ungarn und vor erneuter Wiedereinreise nach Deutschland für länger als drei Monate außerhalb der EU aufgehalten hat, nämlich zunächst in der Türkei und dann ab dem 26. April 2012 bis zum 31. Juli 2012 in Syrien. Die Wiedereinreise in das EU-Gebiet sei von der Türkei aus nach Griechenland erfolgt. Damit würde es sich bei dem Asylantrag des Antragstellers um einen neuen Asylantrag i.S.d. Art. 4 EG-AsylZustVO handeln. Zwar haben die ungarischen Behörden gleichwohl ihre Zuständigkeit für die Durchführung auch des neuerlichen Asylverfahrens erklärt und sich nicht auf die Vorschrift des Art. 16 Abs. 3 EG-AsylZustVO berufen haben. Ob diese Erklärung aufgrund einer falschen Sachverhaltswertung erfolgte, etwa in der Annahme, dass der Antragsteller Ungarn nie verlassen hat oder erneut über Ungarn in das EU-Gebiet eingereist ist, könnte jedoch entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin von entscheidungsrechtlicher Bedeutung sein. Das Vorbringen zum Fluchtweg, den der Antragsteller und seine beiden Geschwister in der Anhörung beim Bundesamt geschildert haben, sie hätten Ungarn nach der Zurückschiebung auf Dauer verlassen und sich dann länger als drei Monate in der Türkei und anschließend in Syrien und damit außerhalb des EU-Gebietes aufgehalten, ist den spanischen Behörden im Rahmen des Übernahmeersuchens nicht mitgeteilt worden. Dieses könnte verfahrensfehlerhaft gewesen sein (vgl. hierzu VG Aachen, Urt. v. 18.12.2012 - 2 K 669/11.A - zitiert nach [...]).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylVfG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.

Ludolfs