Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 10.10.2013, Az.: 2 B 47/13

Aufnahmebedingungen; Aufnahmeverfahren; Blutrache; Dokumentation; Erkenntnismittelliste; ernstliche Zweifel; Frist; Polen; Prüfungsmaßstab; systemische Mängel; Wiederaufnahmeverfahren

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
10.10.2013
Aktenzeichen
2 B 47/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 64391
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Gründe

Der am 27. September 2013 gestellte Antrag der Antragsteller, die aufschiebende Wirkung der in der Hauptsache erhobenen Klage gegen den eine Abschiebungsanordnung nach Polen gemäß §§ 27 a, 34 a AsylVfG aussprechenden Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. September 2013 anzuordnen, ist gemäß § 80 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO – in Verbindung mit §§ 34a Abs. 2, 75 Satz 1 Asylverfahrensgesetz – AsylVfG – in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), geändert durch den insoweit gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG seit dem 6. September 2013 anwendbaren Artikel 1 des Gesetzes vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3474), zulässig.

Insbesondere ist die einwöchige Antragsfrist des § 34 a Abs. 2 AsylVfG eingehalten.

Der Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.

Bei der Entscheidung darüber, ob die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen ist, ist das öffentliche Interesse an einer alsbaldigen Vollziehung des Verwaltungsaktes gegenüber dem Interesse des Betroffenen an einer Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzuwägen. Insoweit finden die in den Fällen der vorliegenden Art in der Vergangenheit geltenden Einschränkungen, die darauf gründeten, dass aufgrund der bislang geltenden gesetzlichen Bestimmungen eine angeordnete Abschiebung in einen anderen EU-Mitgliedstaat kraft Gesetzes nicht nach §§ 80, 123 VwGO ausgesetzt werden durfte, keine Anwendung mehr, so dass die allgemeinen Grundsätze gelten, zumal der Gesetzgeber insoweit die für offensichtlich unbegründete Asylanträge geltende Bestimmung des § 36 Abs. 4 AsylVfG, der zufolge eine Aussetzung der Abschiebung nur bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes angeordnet werden darf, nicht für entsprechend anwendbar erklärt hat und die Gesetzesmaterialen keine Anhaltspunkte für eine abweichende Gesetzauslegung bieten (vgl. zum Prüfungsmaßstab ausführlich VG Trier, Beschluss v. 18.9.2013 – 5 L 1234/13.TR – in juris).

Der angefochtene Bescheid der Antragsgegnerin erweist sich nach derzeitiger Aktenlage als rechtmäßig, das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt das Interesse der Antragsteller am vorläufigen Verbleib im Bundesgebiet.

Die Abschiebungsanordnung beruht auf § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Soll danach der Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27 a AsylVfG) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in den Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Die Anordnung ist auszusprechen, wenn die Zuständigkeit zur Prüfung des Asylantrags abschließend auf den betreffenden Mitgliedsstaat übergegangen ist und der Abschiebung keine im Rahmen der Grenzen des Konzepts der normativen Vergewisserung relevanten Hindernisse entgegenstehen. Davon ist hier auszugehen.

a) Nach derzeitigem Kenntnisstand des Gerichts ist die Republik Polen für die Prüfung des Asylantrags nach Art. 16 Abs. 1 a, Art. 5 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 343/2003  („Dublin -II-Verordnung“), als der Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag zum ersten Mal gestellt wurde, zuständig.

Die Antragsteller können sich auch nicht auch die Zuständigkeitsregelung des Art. 17 Abs. 2 der Verordnung berufen, nach der, wenn das Aufnahmegesuch nicht innerhalb der Frist von drei Monaten unterbreitet wird, der Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig ist.

Im Hinblick auf die jeweils maßgeblichen Fristen ist nämlich zwischen der Überstellung des Asylsuchenden in einem Aufnahmeverfahren gemäß den Art. 16 bis 19 der Dublin II-Verordnung und einer Überstellung des Asylsuchenden im Wiederaufnahmeverfahren - wie es hier vorliegt - gemäß Art. 20 Dublin II-Verordnung zu differenzieren.

Die Dublin II-Verordnung regelt die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Asylstaates zur Behandlung des Asylbegehrens nach Maßgabe des Verursacherprinzips. Zielsetzung der Verordnung ist es, dass immer nur ein Staat für die Prüfung des Asylbegehrens zuständig ist. Damit soll verhindert werden, dass der Asylsuchende von einem Mitgliedsstaat in den anderen abgeschoben wird, ohne dass sich einer dieser Staaten für zuständig erklärt (vgl. zum Ganzen Marx, AsylVfG, 7. Aufl. 2009, § 27 a RdNr. 14).

Das Aufnahmeverfahren der Art. 16 bis 19 Dublin II-Verordnung ist dadurch gekennzeichnet, dass ein Mitgliedsstaat, in dem ein Asylantrag gestellt wird, einen anderen Mitgliedsstaat für zuständig erachtet. In diesem Fall kann der Mitgliedsstaat, in dem Asylantrag gestellt wurde, den anderen für zuständig erachteten Mitgliedsstaat ersuchen, den Asylbewerber aufzunehmen (Art. 17 Abs. 1 Dublin II-Verordnung). Dies hat sobald wie möglich, jedenfalls innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Einreichung des Asylantrages zu erfolgen. Nach Art. 4 Abs. 2 Dublin II-Verordnung gilt dieser Antrag als gestellt, wenn den zuständigen Behörden des ersuchenden Mitgliedsstaates ein vom Antragsteller eingereichtes Formblatt oder ein behördliches Protokoll zugegangen ist. Die Frist beginnt danach in der Bundesrepublik Deutschland spätestens mit der Asylantragstellung nach § 23 AsylVfG. Wird das Gesuch um Aufnahme nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten unterbreitet, so ist der Mitgliedsstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für die Prüfung des Asylantrages zuständig geworden. Diese Zuständigkeitsfiktion im Aufnahmeverfahren tritt jedoch nur ein, wenn der Asylsuchende nicht bereits - wie hier - in einem anderen Mitgliedsstaat ein Asylgesuch gestellt hat. Im letztgenannten Fall handelt es sich nämlich nicht mehr um ein Aufnahmeersuchen, sondern um ein Wiederaufnahmeverfahren, welches in Art. 20 der Dublin II-Verordnung geregelt ist. Dieses Wiederaufnahmeverfahren nach Art. 20 Dublin II-Verordnung wird u.a. eingeleitet, wenn der Antragsteller sich während der Prüfung seines Antrages im zuständigen Mitgliedsstaat unerlaubt im Mitgliedsstaat eines anderen Mitgliedsstaates aufhält (Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin II-Verordnung). Dieses Wiederaufnahmeersuchen ist nicht an eine Frist seitens des ersuchenden Mitgliedsstaates gebunden (vgl. VG Augsburg, Gerichtsbescheid vom 9.5.2011 – Au 3 K 10.20468 – in juris). Daher führt der Umstand, dass die Antragsgegnerin erst knapp sieben Monate nach dem am 27. Februar 2013 gestellten Asylantrag, nämlich am 13. September 2013, ein Wiederaufnahmeersuchen an Polen richtete, nicht zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides.

Die Antragsgegnerin hat zu Recht die Verpflichtung zum Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Verordnung (EG) Nr. 343/2003 abgelehnt. Sie ist insbesondere nicht allein wegen der Anhörung der Antragsteller zum Selbsteintritt verpflichtet. Die Anhörung der Antragsteller am 9. April 2013 zu ihrem Asylbegehren bringt nicht zum Ausdruck, dass die Bundesrepublik Deutschland den Entschluss gefasst habe, von ihrem Recht Gebrauch zu machen, das Asylverfahren abweichend vom Regelfall in seiner „Gesamtheit“ in eigener Verantwortung durchzuführen. Die Anhörung dient ausschließlich der ordnungsgemäßen Abwicklung des gestellten Asylantrags, bietet jedoch keinen Anlass, von einer Ausübung des Selbsteintrittsrechts auszugehen (vgl. VG Augsburg, Beschluss v. 29.8.2013 – Au 6 S 13.30252 –; Bayr. VGH, Beschluss v. 3.3.2010- 15 ZB 10. 30005 -  in juris).

b) Nach dem Art. 16 a Abs. 2 GG, §§ 26 a, 27 a, 34 a AsylVfG zu Grunde liegenden Konzept der sog. normativen Vergewisserung ist davon auszugehen, dass u.a. in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (sog. sichere Drittstaaten) die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention – GFK) vom 28. Juli 1951 (BGBl 1953 II S. 560) und der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten (EMRK) vom 4. November 1950 (BGBl 1952 II S. 685, 953) sichergestellt ist und daher dort einem Asylsuchenden keine politische Verfolgung droht oder unzumutbare Bedingungen herrschen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (grundlegend Urteil vom 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – BVerfGE 94, 49 ff.) ergeben sich Hinderungsgründe für eine Abschiebung in einen derartigen Drittstaat ausnahmsweise dann, wenn der Asylsuchende individuelle konkrete Gefährdungstatbestände geltend machen kann, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des Konzepts der normativen Vergewisserung von Verfassungs und Gesetzes wegen berücksichtigt werden können und damit von vorneherein außerhalb der Grenzen liegen, die der Durchführung eines solchen Konzepts aus sich heraus gesetzt sind. Dies ist – bezogen auf die Verhältnisse im Abschiebezielstaat – etwa dann der Fall, wenn sich die für die Qualifizierung des Drittstaats als sicher maßgeblichen Verhältnissen schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion der Bundesregierung darauf noch aussteht oder wenn der Aufnahmestaat selbst gegen den Schutzsuchenden zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung zu greifen droht und dadurch zum Verfolgerstaat wird. An die Darlegung eines solchen Sonderfalls sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts allerdings hohe Anforderungen zu stellen. Parallel dazu ist der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 - NVwZ 2012, 417 [EuGH 21.12.2011 - Rs. C-411/10; C-493/10]) zu entnehmen, dass Asylbewerber dann nicht an einen nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 an sich zuständigen Mitgliedsstaat überstellt werden dürfen, wenn nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedsstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-GR-Charta ausgesetzt zu werden.

Die Antragsteller sind nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismittel und unter Berücksichtigung ihres Vortrages nicht von einem solchen Sonderfall betroffen. Durchgreifende Anhaltspunkte für erhebliche systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Polen bestehen nach aktueller Rechtsprechung nicht (so auch VG Schleswig, Beschl. v. 27.8.2013 – 1 B 43/13- mit ausführlicher Würdigung der Erkenntnismittel; VG Kassel, Beschluss v. 26.8.2013 – 9 L 984/13.KS.A -  in juris).

Das VG Kassel hat dazu ausgeführt:

„Die rechtlichen Regelungen des vergemeinschafteten Asyl- und Flüchtlingsrechts der europäischen Union hat Polen in den wesentlichen Grundzügen in nicht zu beanstandender Weise umgesetzt (UNHCR, Submission by the United Nations High Commissioner for Refugees for the Office of the High Commissioner for Human Rights‘ Compilation Report - Universal Periodic Review: Poland, vom November 2011, abrufbar unter www.refword.org).

Die Entscheidungen in Asylverfahren sollen innerhalb von 6 Monaten getroffen werden; im Schnitt dauert ein Asylverfahren 18 Monate (Dublin Transnational Project, General information on asylum and Dublin in Poland, www.dublin-project.eu/dublin/Poland).

Im Jahr 2012 wurden die Asylanträge von 2.435 Asylbewerbern beschieden. In 3,5% der Fälle wurde Flüchtlingsschutz, in 5,7% der Fälle wurde subsidiärer Schutz und in 10,3% der Fälle wurde humanitärer Schutz gewährt (insgesamt 19,5% Schutzgewährungen; zum Vergleich: das Bundesamt hat in 14,9% der Fälle Flüchtlingsschutz gewährt, in 11,9% der Fälle subsidiären Schutz und in 2,4 % der Fälle humanitären Schutz, insgesamt in 29,2% der Fälle Schutzgewährungen; vgl. zu all diesen Zahlen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge <BAMF>, Das Bundesamt in Zahlen 2012, www.bamf.de). Auf Asylbewerber aus der Russischen Föderation entfielen dabei 1072 entschiedene Asylanträge. 41 Asylbewerber aus der Russischen Föderation erhielten einen Flüchtlingsstatus (3,8%,), 104 subsidiären Schutz (9,7%) und 137 humanitären Schutz (12,7%), insgesamt also 26,2% einen Schutzstatus, wohingegen 790 Asylanträge abgelehnt wurden (UDSC, Polish Asylum Procedure, 2012, www.ekiba.de/download/Polish_Asylum_Procedure.pdf; zum Vergleich: das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat im Jahr 2012 in 1.208 Fällen über Asylanträge von Asylsuchenden aus der Russischen Föderation mit einer Schutzquote von 14,4% entschieden; dabei wurde in 0,9 % der Fälle eine Asylanerkennung ausgesprochen, in 10,4 % der Fälle die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt und in 3,1 % der Fälle ein Abschiebungsverbot festgestellt <s. BAMF, Das Bundesamt in Zahlen 2012, a.a.O., S. 48>). Insgesamt lässt sich mit den Jahren der Zuwachs ablehnender Entscheidungen feststellen (Gesellschaft für bedrohte Völker <GfbV>, Die Situation tschetschenischer Flüchtlinge in Polen, 2011, S. 8). In diesem Zusammenhang wird eine restriktive Auslegung und Handhabung der Flüchtlingsanerkennung beklagt (Comité Belge d‘Aide aux Refugiés <CBAR>, Polish asylum procedure and refugee status determination, 2011, S. 15 ff., 33).

Schwierigkeiten macht der Zugang zur rechtlichen Beratung und Vertretung im Asylverfahren. Ein staatliches System der Rechtshilfe gibt es nicht. Allerdings sind in diesem Feld NGOs tätig, die aber den Bedarf nicht decken können. Dies gilt insbesondere für die Gewahrsamszentren (GfbV, Flüchtlinge in Polen. Mangelnder Schutz an EU-Außengrenze, progrom 2012, Heft 4, S. 41 f.; UNHCR, Submission, 2011, a.a.O., S. 3; insgesamt The Jusuit Refugee Service <JRS>, Protection interrupted. The Dublin regulation’s impact on asylum seekers’ protection, 2013, abrufbar unter www.refworld.org). In diesem Zusammenhang ist auch problematisch, dass die Übersetzung durch qualifizierte Dolmetscher nur unzureichend gewährleistet ist. In vielen Fällen erfolgt eine Übertragung mit Hilfe informeller Kontakte (UNHCR, Submission, 2011, a.a.O., S. 3; Helsinki Foundation for Human Rights, Migration Is Not a Crime, 2013, S.19, www.intervencjaprawna.pl/wp.content/uploads/migration-is-not-a-crime.pdf).

Insgesamt ist deshalb zur rechtlichen Regelung und der Praxis der Asylverfahren festzustellen, dass grundsätzlich von einem ordnungsgemäßen und nicht übermäßig langen  Verfahren gesprochen werden kann. Anhaltspunkte dafür, dass der Einzelfall nicht geprüft wird, gibt es nicht. Insbesondere bei der Information der Asylantragsteller und bei der Ausgestaltung der rechtlichen Beratung gibt es aber Mängel.

Was die Aufnahmebedingungen angeht, so kann man davon ausgehen, dass Asylbewerber in Polen entweder in einem der sog. Aufnahmezentren, in einer der geschlossenen Gewahrsamszentren oder in einem Abschiebezentrum aufgenommen werden. Dabei erfolgt die Aufnahme regelmäßig in einem der Aufnahmezentren (GfbV, Situation, a.a.O., S. 4). Dort wird den Asylbewerbern die erforderliche Verpflegung zur Verfügung gestellt, außerdem bekommen sie ein kleines Taschengeld und ggf. Reisegeld für erforderliche Fahrten. Kinder können die örtliche Schule besuchen; ihnen steht Schulmaterial kostenlos zur Verfügung (GfbV, Situation, a.a.O., S. 6, JRS, Protection, a.a.O., S. 186). Eine medizinische Basisversorgung ist in der Regel gewährleistet. Schwierigkeiten macht allerdings der Zugang zu einer zufriedenstellenden medizinischen Versorgung insbesondere für Kinder und traumatisierte Asylbewerber (GfbV, Situation, a.a.O., S., 5; Huma network, Access to healthcare and living conditions of asylum seekers and undocumented migrants in Cyprus, Malta, Poland and Romania, www.ec.europa.eu/ewsi/UDRW/-imgaes/items/doc_20498_605665099.pdf).

Soweit sie gegen die Bestimmungen des Aufenthaltsrechts während ihres laufenden Asylverfahrens verstoßen haben, werden Asylbewerber teilweise in einem der 5 geschlossenen Gewahrsamszentren untergebracht. Das wäre auch bezüglich der Antragsteller nicht ausgeschlossen, da sie Polen entgegen den bestehenden aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen verlassen und in das Bundesgebiet eingereist sind. Die Unterbringung dort beträgt im Durchschnitt 2 Monate. Im November 2012 waren dort 391 Personen untergebracht, davon 34 Kinder. In diesen geschlossenen Gewahrsamszentren ist das Regime strikter, manchmal werden Familien auseinandergerissen und die Möglichkeit, adäquate medizinische Behandlung zu erhalten, ist teilweise schwierig. Auch rechtliche Beratung ist jedenfalls nicht gewährleistet (GfbV, Situation, a.a.O., S. 12; Dublin Transnational Project, a.a.O., Die Zeit, Grenzen der Barmherzigkeit, www.zeit.de/2013/24; Helsinki Foundation for Human Rights, Migration, a.a.O.; S. 23 und 28; UNHCR, Submission, a.a.O., S. 2 - jeweils mit im Einzelnen abweichender Beurteilung des Ausmaßes der Mängel).

Soweit Asylbewerber abgeschoben werden sollen, werden sie in einer der Abschiebezentren festgehalten (GfbV, Situation, a.a.O., S. S. 4 f.). Hierzu bedarf es einer richterlichen Entscheidung. Die Haft kann bis zu einem Jahr betragen (CBAR, Procedure, a.a.O., 13 f.).

Problematisch sind die Integration und die Wohnsituation für anerkannte Flüchtlinge und für solche, die subsidiären Schutz genießen oder geduldet werden. Ein Drittel von ihnen ist obdachlos (UNHCR, Where is my home?, 2012, www.unhcr.centraleurope.org/pdf/where-we-work/poland/where-is-my-home).

In der Vergangenheit hat es vereinzelt auch Berichte über fremdenfeindliche Vorfälle bei einigen der Aufnahmezentren gegeben (UNHCR, Submission, a.a.O., S. 4).

Insgesamt ergibt für Polen danach das Bild eines asylverfahrensrechtlichen Regimes und von Aufnahmebedingungen, das den Maßgaben der Genfer Flüchtlingskonvention und des asylrechtlichen System der Europäischen Union in den Grundlinien genügt. So wird das Refoulement-Verbot im Grundsatz eingehalten, es werden geordnete Asylverfahren geführt und in überschaubarer Zeit Entscheidungen getroffen, die Einzelfallentscheidungen darstellen und es werden den Asylbewerbern während des Asylverfahrens im Großen und Ganzen auch ausreichende Lebensgrundlagen (Unterkunft, Verpflegung, medizinische Hilfe) zur Verfügung gestellt. Allerdings gibt es, wie dargestellt, nach wie vor nicht unerhebliche Mängel. Die Vorgaben der Aufnahmerichtlinie (RL 2003/9/EG, jetzt RL 2013/33/EU vom 26.06.2013) werden in einer Reihe von Punkten (Information, juristische Beratung, medizinische Versorgung) in der Praxis nicht immer eingehalten. Legt man aber die in der Rechtsprechung des EuGH aufgeführten Gründe für die Zuständigkeitsregelungen der Dublin II-VO und den sich daraus ergebenden strengen Maßstab an die Qualifizierung als systemische Mängel an, so stellen sich die aufgeführten Mängel im Asylverfahren und bei den Aufnahmebedingungen in Polen auch in der Summe nicht als systemische Mängel in dem oben dargestellten Sinn dar und es gibt auch keine entsprechenden Anhaltspunkte dafür, die einer Prüfung im Hauptsacheverfahren bedürften (wie hier auch VG Saarland, Beschluss vom 26.06.2013 - 6 L 839/13 -, juris; VG Ansbach, Beschluss vom 20.03.2012 - AN 10 E 11.30140 -, juris; a.A. VG Meinigen, Beschluss vom 26.04.2013 - 8 E 20075/13 Me).“

Das erkennende Gericht schließt sich nach Durchsicht der o.g., im internet zugänglichen Erkenntnisquellen dieser Bewertung an wie auch die überwiegende Mehrheit der deutschen Verwaltungsgerichte; insoweit wird auf die im Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 7. Oktober 2013 ohne Fundstelle genannten Entscheidungen wie auch die in juris zu den Stichwörtern Dublin II und Polen gelisteten Entscheidungen aus dem Jahr 2013 Bezug genommen.

Das Gericht ist nach eigenem Verständnis der Dublin II –Regelungen auch nicht verpflichtet, für alle jeweiligen Vertragsstaaten eine Erkenntnismittelliste vorzuhalten und diese dem jeweiligen Antragsteller vor einer Entscheidung zu übermitteln; vielmehr ist es Sache der Antragsteller, die sich auf systemische Mängel im jeweiligen Aufnahmestaat berufen, diese unter Angaben von Quellen darzulegen (so auch Bergmann in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 27 a Rn. 5).

Soweit die Antragsteller darauf verweisen, dass sie in Polen der Blutrache ausgesetzt seien, haben die Antragsteller für eine entsprechende Praxis und ihnen konkret drohende Gefahr keinerlei Belege vorgelegt. Verwertbare Anhaltspunkte, die eine entsprechende Gefährdung begründen würden, finden sich auch nicht in den oben aufgeführten Berichten. Nach den vagen Äußerungen des Antragstellers zu 1., der bei seiner Anhörung selbst erklärt hat, er habe niemanden getötet, ist für das Gericht nicht nachvollziehbar, von welchen konkreten Personen Blutrache geübt werden sollte und warum sich die Unterstützer des aktuellen Regimes Kadyrows, gegen die er gekämpft haben will, in polnischen Flüchtlingseinrichtungen, nicht aber in den entsprechenden Einrichtungen im Bundesgebiet befinden sollten.

Soweit der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller vorträgt, die Antragsteller hätten in Polen keinen Asylantrag gestellt, kann das Gericht diesen Angaben nicht folgen, zumal der Antragsteller zu 1. bei seiner Anhörung in Braunschweig am 9. April 2013 auf Seite 2 des Anhörungsprotokolls ausdrücklich erklärte: In Polen haben wir Asylanträge gestellt. Die Republik Polen hat im Hinblick darauf mit Schreiben vom 16. September 2013 ihre Bereitschaft zur Aufnahme der Antragsteller erklärt.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist nach §§ 166 VwGO, 114 ZPO mangels hinreichender Erfolgsaussichten abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.