Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 10.10.2013, Az.: 1 B 72/13

Fahrzeugzulassung; Gebühren für Fahrzeugzulassung; Insolvenzverfahren

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
10.10.2013
Aktenzeichen
1 B 72/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 64392
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Fahrzeugzulassung darf in Niedersachsen grundsätzlich auch dann von der Zahlung von Gebühren und Auslagen aus vorangegangenen Zulassungsvorgängen abhängig gemacht werden, wenn über das Vermögen des Fahrzeughalters ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde.

Gründe

Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung des Antragsgegners, ihren Abschleppwagen (LG-FF 1111) sowie einen PKW-Anhänger (LG-FF 3333) umgehend zuzulassen.

Die Antragstellerin betreibt einen Reparaturbetrieb für Kraftfahrzeuge. Mit Beschluss vom 27. August 2013 (46 IN 63/13) eröffnete das Amtsgericht Lüneburg über das Vermögen der Antragstellerin das Insolvenzverfahren. Der Insolvenzverwalter gab die selbständige Tätigkeit der Antragstellerin im Bereich Kfz-Reparatur und die damit verbundenen Dauerschuldverhältnisse aus der Insolvenzmasse mit Schreiben vom 2. September 2013 frei.

Die von der Antragstellerin am 30. August 2013 bei dem Antragsgegner beantragte Zulassung des Abschleppwagens und des Anhängers lehnte der Antragsgegner mit Schreiben vom 30. August 2013 ab, weil aus vorausgegangenen Zulassungsvorgängen noch Gebührenrückstände in Höhe von 60,00 EUR beständen.

Am 13. September 2013 hat die Antragstellerin bei dem erkennenden Gericht den Erlass der oben genannten einstweiligen Anordnung begehrt. Der Abschleppwagen und der Fahrzeugtransportanhänger seien für ihre freiberufliche Tätigkeit dringend erforderlich. Ohne diese würden ihr wesentliche Einnahmen verloren gehen. Die Insolvenzordnung verbiete ihr eine Zahlung der rückständigen Gebühren, da diese Forderung gegen die Insolvenzmasse gerichtet und auch zur Insolvenztabelle angemeldet worden sei. Der Antragsgegner verstoße gegen die Insolvenzordnung, wenn er die Zulassung des Fahrzeugs und des Anhängers von einer vorherigen Begleichung der angemeldeten Gebührenrückstände abhängig mache.

Der Antragsgegner tritt dem Vorbringen der Antragstellerin entgegen. Die Insolvenzordnung verbiete der Antragstellerin eine Zahlung der Gebühren aus insolvenzfreiem Vermögen nicht. Die auf § 1 Abs. 1 des niedersächsischen Gesetzes zur Verminderung des Erhebungs- und Vollstreckungsaufwandes bei Kosten für die Zulassung von Fahrzeugen (FahrzVollstrVermG ND) vom 21. Juni 2006 gestützte Verweigerung der Zulassung, solange die rückständigen Gebühren aus vorausgegangenen Zulassungsvorgängen nicht beglichen seien, verstoße nicht gegen die Insolvenzordnung. Es handele sich hierbei nicht um eine Anspruchsverfolgung im Sinne von § 87 InsO noch um eine Zwangsvollstreckung im Sinne von § 89 InsO. Dies sei vom Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 14. Januar 2010 (IX ZR 93/09, juris) bestätigt worden, das die Klage einer Insolvenzverwalterin gegen einen Landkreis auf Rückzahlung der vom Schuldner für die Zulassung eines Fahrzeuges geleisteten rückständigen Zulassungsgebühren zum Gegenstand gehabt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

II.

Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hat keinen Erfolg.

Das Gericht kann gemäß § 123 Abs. 1 VwGO eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO - Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes zulässig, wenn die Regelung - insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen - zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO - Regelungsanordnung). Beide Formen der einstweiligen Anordnung setzen voraus, dass sowohl ein Anordnungsgrund als auch ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht werden (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 123 Rn. 8). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Die Antragstellerin erstrebt mit ihrem Verpflichtungsbegehren nicht nur eine vorläufige, sondern eine endgültige Regelung, die sie grundsätzlich nur in einem Hauptsacheprozess erreichen könnte. Eine solche regelmäßig unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache im Verfahren auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO wäre nur ausnahmsweise unter dem Gesichtspunkt des verfassungsrechtlichen Gebotes effektiver Rechtsschutzgewährung dann zulässig, wenn ein Antragsteller einerseits Nachteile geltend machen könnte, die nach einem Obsiegen in einem Hauptsacheverfahren nicht mehr ausgeglichen werden können und die hinzunehmen ihm nicht zuzumuten sind, und wenn andererseits ein Obsiegen in dem Hauptsacheverfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erwartet werden kann. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist hier nicht glaubhaft gemacht.

Es ist bei der im vorliegenden Verfahren nur gebotenen summarischen Prüfung der Sachlage nicht erkennbar, dass die Antragstellerin mit ihrem Begehren im Hauptsacheverfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit obsiegen wird.

Der Antragsgegner ist nach § 6 a Abs. 8 StVG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 FahrzVollstrVermG ND berechtigt, die Zulassung von Fahrzeugen von der Entrichtung rückständiger Gebühren und Auslagen aus vorausgegangenen Zulassungsverfahren abhängig zu machen, wenn diese mehr als 10,00 EUR betragen. Diese Voraussetzungen liegen im Fall der Antragstellerin vor. Die Insolvenzordnung steht dieser gesetzlichen Regelung für Forderungen, die zur Insolvenzmasse anzumelden sind, nicht entgegen. Zur Begründung nimmt das Gericht auf die zutreffenden Ausführungen des Antragsgegners in seiner Antragserwiderung Bezug, denen es folgt (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog). Der Antragsgegner stütz sich dabei in nicht zu beanstandender Weise auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14. Januar 2010 (a.a.O.). Der Bundesgerichtshof hat darin überzeugend dargelegt, dass die Anwendung dieser Vorschriften auch gegenüber Schuldnern, die sich im Insolvenzverfahren befinden, weder gegen die Insolvenzverordnung noch gegen die guten Sitten verstoße, auch wenn der Schuldner dadurch in eine gewisse Zwangslage gerate (ebenso Michael App, Zur Fahrzeugzulassung für hessische Vollstreckungsschuldner im Verbraucherinsolvenzverfahren, in: Kommunal-Kassen-Zeitschrift - KKZ -, 2009, 220-221). Dieser Rechtsauffassung folgt die Kammer. Dass der Antragstellerin die Bezahlung der rückständigen 60,00 EUR aus dem insolvenzfreien Vermögen unzumutbar wäre, hat sie nicht hinreichend glaubhaft gemacht und ist auch sonst nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG.