Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 06.09.2001, Az.: 12 A 1930/00

Flughafen; Genehmigungspflicht; Krankenrücktransport; Krankentransport; Luftrettung; Rettungsdienst

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
06.09.2001
Aktenzeichen
12 A 1930/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 40309
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Krankentransporte mit einem Krankenkraftwagen, bei denen ein Patient an einem niedersächsischen Flughafen aufgenommen wird, sind auch dann nach § 19 NRettDG genehmigungspflichtig, wenn sie sich als Fortsetzung eines mit einem Luftfahrzeug durchgeführten Krankenrücktransports darstellen.

Tatbestand:

1

Die Klage der Kl., festzustellen, dass qualifizierte Krankentransporte oder Transporte im Sinne des § 2 II 1 Nr. 2 NRettDG ohne ärztliche Verordnung im Sinne der Krankentransport-Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 17.6.1992 (BAnz. Nr. 183 b S. 19) mit einem Krankenkraftwagen (Krkw), die sie vom Flughafen H aus durchführt und die sich als Fortsetzung eines mit einem Luftfahrzeug durchgeführten Krankenrücktransports darstellen, keiner Genehmigung durch den Bekl. nach § 19 NRettDG bedürfen, hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

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Die Feststellungsklage ist gemäß § 43 I VwGO zulässig. Die Kl. hat ein berechtigtes Interesse an der baldigen Klärung der Frage, ob sie für die von ihr beabsichtigten Krankentransporte der behördlichen Genehmigung nach § 19 NRettDG bedarf. In einem solchen Fall ist es ihren Verantwortlichen nicht zuzumuten, den Ausgang eines vom Bekl. angedrohten Ordnungswidrigkeitenverfahrens mit dem Vorwurf des Verstoßes gegen § 31 I NRettDG abzuwarten (vgl. BVerwG NJW 1983, 2584 [BVerwG 22.10.1981 - BVerwG 7 C 77/80]; Kopp/Schenke, VwGO, 11. Aufl., § 43 Rdnr. 24 mwN).

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Die Feststellungsklage ist jedoch nicht begründet. Die Kl. bedarf für qualifizierte Krankentransporte oder Transporte im Sinne des § 2 II 1 Nr. 2 NRettDG ohne ärztliche Verordnung im Sinne der Krankentransport-Richtlinien mit einem Krkw, die sie vom Flughafen H aus durchführt und die sich als Fortsetzung eines mit einem Luftfahrzeug durchgeführten Krankenrücktransports darstellen, der Genehmigung durch den Bekl. nach § 19 NRettDG.

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1.Der Genehmigung nach § 19 S. 1 NRettDG bedarf, wer Krankentransport im Sinne von § 2 II 1 Nr. 2 NRettDG geschäftsmäßig durchführen will, ohne Träger des Rettungsdienstes oder Beauftragter zu sein. Die Kl., die geschäftsmäßig tätig wird, ist weder Trägerin des Rettungsdienstes im Gebiet des Bekl. im Sinne von § 3 I Nr. 2 NRettDG noch dessen Beauftragte nach § 5 NRettDG.

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Sie will auch Krankentransporte im Sinne von § 2 II 1 Nr. 2 NRettDG durchführen. Denn sie will Kranke, Verletzte oder Hilfsbedürftige befördern, die während der Beförderung einer fachgerechten Betreuung oder der besonderen Einrichtung des von ihr bereit gehaltenen Krkw als Rettungsmittel im Sinne von § 9 NRettDG bedürfen oder bei denen dies aufgrund ihres Zustandes zu erwarten ist. Andernfalls machte die Bereitstellung eines Krkw durch die Kl. auch keinen Sinn. Denn bei der Beförderung von Kranken, Verletzten oder Hilfsbedürftigen, die nicht in einem Krkw, sondern in einem Pkw erfolgt, handelt es sich regelmäßig um genehmigungspflichtigen Verkehr mit Taxen oder Mietwagen nach §§ 47, 49 IV PBefG. Die Kl. will jedoch die Patienten mit ihrem Krkw befördern, und unterfällt deshalb gemäß §§ 1 II Nr. 2, 4 VI PBefG nicht den Vorschriften des PBefG, sondern gemäß Art. 3 des 6. Gesetzes zur Änderung des PBefG i.d.F.v. 16.6.1998 (BGBl. I S. 1291, 1296) den Regelungen des NRettDG.

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Die Rechtsauffassung der Kl., es läge gleichwohl kein genehmigungspflichtiger qualifizierter Krankentransport im Sinne von § 2 II 1 Nr. 2 NRettDG vor, weil die von ihr beabsichtigten Beförderungen nicht ärztlich verordnet seien, ist bereits deshalb unzutreffend, weil die ihr zugrunde liegende Tatsachenbehauptung nicht zutrifft. Zwar trifft zu, dass der Gesetzeswortlaut von ärztlicher Verordnung spricht und damit begrifflich an die für Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung nach Nr. 3 der aufgrund § 92 I SGB V erlassenen Krankentransport-Richtlinien (s.o.) erforderlichen ärztlichen Verordnung anknüpft. Zutreffend ist auch, dass die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 60 IV SGB V mit Ausnahme des in § 18 SGB V geregelten Falles die Kosten eines Rücktransports ihrer Mitglieder in das Inland nicht übernehmen und diese deshalb darauf angewiesen sind, dieses Risiko bei Rückholversicherern privatrechtlich zu versichern, wollen sie im Schadensfall die sehr hohen Kosten nicht selbst tragen. Jedoch erfolgt die Kostenübernahme eines Rücktransports durch Rückholversicherer nach deren Versicherungsbedingungen auch nur im Falle der ärztlichen Anordnung des Rücktransports (s. im einzelnen: Linden, Rechtliche Aspekte weltweiter Krankenrücktransporte [Repatriierung], Diss. 1998, S. 137 ff. unter Darstellung der jeweiligen Versicherungsbedingungen und mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung, S. 383, 387, 390, 403). Zur Überzeugung der Kammer ist die ärztliche Anordnung nach den Versicherungsbedingungen der Rückholversicherer mit der ärztlichen Verordnung eines Krankentransports im Sinne von § 2 II 1 Nr. 2 NRettDG gleichzusetzen. Denn die ärztliche Anordnung nach den Versicherungsbedingungen der Reiserückholversicherer erfolgt nicht ohne eine Überprüfung der medizinischen Notwendigkeit des Rückholtransports (s. im einzelnen Linden, aaO, S. 32 ff., 163 ff.; 344 ff.). Deshalb trifft auch die Behauptung der Kl. nicht zu, es genüge die soziale Indikation für einen Rückholtransport. Ausschlaggebend ist vielmehr die von einem Arzt festgestellte medizinische Indikation. Die Gleichsetzung von ärztlicher Verordnung und ärztlicher Anordnung folgt auch aus dem offenkundigen Sinn und Zweck der landesrechtlichen Vorschrift, das Vorliegen der Voraussetzungen eines qualifizierten Krankentransports und damit das Entstehen der Beförderungspflicht nach § 25 NRettDG nicht vom alleinigen Willen des Patienten, sondern regelmäßig von der ärztlichen Einschätzung der Erforderlichkeit eines solchen Transports abhängig zu machen. Insoweit besteht zwischen der ärztlichen Anordnung nach den Versicherungsbedingungen der Rückholversicherer und der ärztlichen Verordnung, die begrifflich an sozialversicherungsrechtliche Vorschriften anknüpft, kein Unterschied. Dessen ungeachtet werden in der Lebenswirklichkeit qualifizierte Krankentransporte nicht ausschließlich von Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch genommen. Käme es ausschließlich auf die ärztliche Verordnung im Sinne der Krankentransport-Richtlinien an, wäre ein qualifizierter Krankentransport im Sinne von § 2 II 1 Nr. 2 NRettDG von Privatpatienten begrifflich ausgeschlossen. Würde der Rechtsauffassung der Kl. gefolgt, entstünde zudem eine weder vom Bundes- noch vom Landesgesetzgeber beabsichtigte Lücke zwischen dem Anwendungsbereich des PBefG einerseits und den Landes-Rettungsdienstgesetzen andererseits, die es ermöglichen würde, Krankentransporte ohne Genehmigung und damit auch ohne jegliche staatliche Kontrolle und ohne definierte Standards durchzuführen. Dies würde den Gesetzesmotiven des 1989 verabschiedeten 6. Änderungsgesetzes zum PBefG, mit der Herausnahme der Regelungsmaterie aus dem verkehrswirtschaftlich geprägten PBefG u.a. zu einer Verbesserung des Versorgungsstandards beim Krankentransport zu gelangen (vgl. BR-Drs 544/87), widersprechen.

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2.Zuständig für die Genehmigung des Krankentransports mit KTW ist gemäß § 20 I 1 NRettDG der kommunale Träger nach § 3 I Nr. 2 NRettDG, in dessen Rettungsdienstbereich im Sinne von § 4 I 1 NRettDG die Kl. tätig werden will. Dies ist hier der Bekl., in dessen Rettungsdienstbereich der Flughafen H gelegen ist. Die Kl. will - wie bereits oben dargestellt - auch einen Krkw in Gestalt eines KTW (§§ 4 VI PBefG , 52 III 1 Nr. 4 StVZO, 9 NRettDG) einsetzen und Patienten am Flughafen H aufnehmen, um sie von dort an Zielorte im Inland zu transportieren.

8

Im Gegensatz zur Rechtsauffassung der Kl. ist der Bekl. auch für die Genehmigung der von der Kl. beabsichtigten Krankentransporte zuständig. Die Kl. ist gemäß § 25 I 3 NRettDG zum Krankentransport nur berechtigt, wenn der Einsatzort in ihrem Betriebsbereich liegt, der hier nach dem Willen der Kl. den Flughafen H umfasst. Einsatzort ist nach der gesetzlichen Definition in § 4 III 1 Nr. 1 NRettDG der Ort, an dem der Verletzte, Kranke oder Hilfebedürftige erstmalig versorgt oder aufgenommen werden soll. Dies ist hier im Gegensatz zur Rechtsauffassung der Kl. der Flughafen H und nicht der im Ausland gelegene Abreiseort oder der im Ausland gelegene Abflugort. Zwar trifft der Vortrag der Kl. zu, dass sich die Rückholleistung (Repatriierung) eines Patienten in verschiedene Transportabschnitte aufteilt, von denen die Beförderungsleistung der Kl. nur die letzte ist. Der Patient muss nämlich regelmäßig mit einem Krkw von seinem ausländischen Krankenhaus zum im Ausland gelegenen Flughafen transportiert werden, möglicherweise sogar einmal zwischenlanden und das Fluggerät wechseln und wird erst für den letzten Beförderungsabschnitt vom Flughafen H zu dem inländischen Krankenhaus von der Kl. übernommen. Sämtliche Teilbeförderungen müssen dabei sorgsam aufeinander abgestimmt sein und erfordern die verzögerungsfreie Übergabe des Patienten an den jeweils nachfolgenden Unternehmer. Dies rechtfertigt es jedoch nicht, dem Bekl. die Zuständigkeit als Genehmigungsbehörde für den Krankentransport mit KTW abzusprechen, zumal andernfalls auch insoweit ein rechtsfreier Raum entstünde, der es der Kl. ermöglichen würde, ohne jegliche staatliche Kontrolle die letzte Beförderungsleistung mit ihrem Krkw, für den keine Genehmigung besteht, im Rahmen eines Rückholtransportes durchzuführen.

9

Die Kl. kann sich für ihre Rechtsauffassung nicht auf die Rechtsprechung des OVG Münster (VRS 96 [1999] 300) und des OVG Lüneburg (Beschluss v. 6.7.2000 - 11 L 4906/99 -) berufen. Ersteres hat zu der Vorschrift des § 23 III 1 des nordrhein-westfälischen RettG (nunmehr in der Fassung v. 15.6.1999, GV. NRW. S. 386), die § 25 I 3 NRettDG ähnelt, entschieden, dass es für (innerdeutsche) Rücktransporte und Verlegungen weder einer Ausnahmeregelung noch einer Genehmigung bedarf, wenn zwischen dieser und dem vorausgegangenen Hintransport eine beide Fahrten erfassende Beförderungsvereinbarung mit dem Patienten geschlossen worden ist. Sieht diese von Anfang an oder spätestens bis zur Beendigung der Hinfahrt auch den Rücktransport vor, handele es sich bei natürlicher Betrachtungsweise um einen einheitlichen Beförderungsvorgang. Weitere Voraussetzung sei nicht nur, dass dieselbe Person befördert, sondern auch, dass sowohl der Hin- als auch der Rücktransport von demselben Unternehmer durchgeführt werde. Das OVG Lüneburg hat sich dieser Rechtsprechung für Dialysefahrten und vergleichbare Fahrten angeschlossen. Vorliegend mangelt es jedoch bereits an einem Hintransport oder einem vorausgegangenen Transport des Patienten durch die Kl.. Vielmehr wird die Rückholleistung insgesamt von verschiedenen Unternehmen und Dienstleistern erbracht. Außerdem besitzt die Kl. im Gegensatz zu den von den Oberverwaltungsgerichten entschiedenen Fällen für den von ihr bereitgehaltenen Krkw keine Genehmigung nach dem Rettungsdienstgesetz eines Bundeslandes.