Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 19.11.1999, Az.: 4 W 296/99
Vorlage eines Erbscheins als Voraussetzung für die Eintragung ins Grundbuch; Privatschriftliches Testament im Widerspruch zum notariellen Testament ; Nachweis der Erbfolge im Grundbuchberichtigungsverfahren durch Vorlage eines Erbscheins; Nachweis der Erbfolge im Grundbuchberichtigungsverfahren durch Vorlage einer Verfügung von Todes wegen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 19.11.1999
- Aktenzeichen
- 4 W 296/99
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1999, 19663
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1999:1119.4W296.99.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Lüneburg - AZ: 1 T 122/99
Rechtsgrundlagen
- § 35 Abs. 1 S. 1 GBO
- § 35 Abs. 1 S. 2 GBO
Fundstelle
- OLGReport Gerichtsort 2000, 99-100
Verfahrensgegenstand
im Grundbuch von Lüneburg Blatt ... eingetragener Grundbesitz
In dem Rechtsstreit
betreffend den im Grundbuch von Lüneburg Blatt ... eingetragenen Grundbesitz
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 vom 4. Oktober 1999
durch
den Vorsitzenden Richter ... sowie
der Richter ... und ...
am 19. November 1999
beschlossen:
Tenor:
Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert beträgt 150.000 DM.
Gründe
Die gemäß § 78 GBO zulässige weitere Beschwerde ist unbegründet.
Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts lässt einen Rechtsfehler zum Nachteil der Beteiligten zu 1 und 2 nicht erkennen.
Im Grundbuch Blatt ... des Amtsgerichts Lüneburg sind in Abt. 1 T. und E. in Erbengemeinschaft als Eigentümer des Grundstücks ... in Lüneburg eingetragen. Nach dem Tode der T. und deren Ehemann W. hat E. mit Schreiben vom 9. Juli 1997 beim Grundbuchamt beantragt, sie als alleinige Eigentümerin des Grundstücks ... einzutragen. Der Testamentsvollstrecker hat sich dem Antrag mit Schreiben vom 9. Juli 1997 angeschlossen. Aus den beigezogenen Nachlassakten ergibt sich Folgendes:
Mit gemeinschaftlichem notariellen Testament vom 16. November 1957 (UR-Nr. ... des Notars ... in Lüneburg) setzten sich die Eheleute W. und T. gegenseitig als Erben ein. Mit notarieller Urkunde vom 14. April 1975 (UR-Nr. ... des Notars ... in Lüneburg) errichteten die Eheleute ein gemeinschaftliches Nachtrags-Testament. Hierin heißt es unter II.:
"Wir, die Erschienenen zu 1. und zu 2. bestimmen, dass das Grundstück, ... (...), bzw. der Hälfteanteil von Frau T. an diesem Grundstück nicht in die Regelung fallen soll, wonach Herr ... im Fall eines Vorversterbens von Frau ... zur uneingeschränkten Verfügung, auch Änderung von letztwilligen Verfügungen berechtigt sein soll. Die Verfügung des Überlebenden Herrn ... bezüglich dieses Grundstücks, und zwar nur bezüglich dieses Grundstücks, sind folgendermaßen eingeschränkt:
Der Überlebende Herr ... erbt dieses Grundstück als befreiter Vorerbe. Nacherben sind die Schwester von Frau T., Frau E. geborene ..., und ersatzweise ihre Abkömmlinge."
Mit notarieller Urkunde des Notars ... in Lüneburg vom 9. September 1975 (UR-Nr. ...) schlossen die Eheleute W. und T. sowie E. einen Erbvertrag. Unter Aufrechterhaltung des gemeinschaftlichen Testaments vom 14. April 1975 sollte eine Verstärkung der Rechte der E. bzw. ihrer Nachkommen bewirkt werden. In § 2 der notariellen Urkunde heißt es:
"In dem vorgenannten gemeinschaftlichen Testament ist das Grundstück von Lüneburg, ... (...) besonders geregelt. Der Hälfteanteil an diesem Grundstück steht im Eigentum der Erschienenen zu 1. (T.). Im Falle ihres Versterbens soll der Erschienene zu 2. (W.) nicht befreiter Vorerbe sein. Nacherben soll die Erschienene zu 3. (E.) und ersatzweise ihre Abkömmlinge werden.
Diese testamentarische Regelung zwischen den Ehegatten wird hiermit zur erbvertraglichen Regelung und Bindung zwischen allen drei Erschienenen erhoben, wobei auch die Abkömmlinge als Ersatzerben unmittelbare Ansprüche erlangen sollen (Vertrag zu Gunsten Dritter)."
Am 11. Dezember 1989 verfassten die Eheleute ... ein gemeinschaftliches privatschriftliches Testament, das mit "Nachtrag zur Erbfolge" überschrieben ist. Hierin heißt es:
"Zu unserer alleinigen Erbin berufen wir die Schwester meiner Frau E. (...). Das Testament Nr. ... der Urkundenrolle für ... Abs. IV soll dementsprechend geändert werden."
Zur Urkunde des Notars ... in Lüneburg vom 22. Februar 1990 (UR-Nr. ...) erklärten die Eheleute ... in einer gemeinschaftlichen Verfügung von Todes wegen unter Klarstellung, dass Abschnitt 1 des wechselseitigen Testaments vom 16. November 1957 nach wie vor gelte. Im Übrigen verfügten sie in Ziffer 2 der Urkunde:
"Zur Erbin setzen wird ein, die Schwester der Erschienenen zu 2., Frau E. (...) wohnhaft ... in 2120 Lüneburg, mit der Maßgabe, dass ihr nur der halbe Anteil an dem genannten Grundstück zufallen soll. Im Übrigen werden Erben zu gleichen Teilen deren Kinder Annegret ... (...) und Renate ... (...)."
Am 11. April 1994 ergänzten die Eheleute ... zusammen mit E. den am 9. September 1975 zur UR-Nr. ... (Notar ... in Lüneburg) geschlossenen Erbvertrag mit weiterer notarieller Urkunde (UR-Nr. ... Notar ... in Lüneburg). Hierin wurde im Hinblick auf die Abkömmlinge von Frau ... eine ergänzende Regelung dahingehend getroffen, dass Nacherbe nach dem Tode von W. die E. als befreite Vorerbin sei, wobei diese auch letztwillig verfügen könne. Im Falle des Todes der E. bzw. nach deren Tode seien weitere Nacherben, diese aber nicht befreite Nacherben, ihre beiden Töchter Annegret und Renate je zur Hälfte. Nach deren Tod sind als weitere Nacherben eingesetzt nach Stämmen, die Tochter/Enkeltochter Eßter nach der Mutter Annegret und die Kinder Jan-Arend und Christina je zur Hälfte nach ihrer Mutter Renate (...).
Auf die Grundbuchberichtungsanträge der Beteiligten zu 1 und 2 wies das Grundbuchamt zunächst mit Verfügung vom 18. März 1997 darauf hin, dass die Vorlage eines Erbscheins erforderlich sei. Nachdem der Testamentsvollstrecker mit Schreiben vom 28. April 1999 die Ansicht vertreten hat, ein Erbschein nach der am 31. Dezember 1995 verstorbenen T. sei nicht erforderlich, wies der Grundbuchrechtspfleger mit Verfügung vom 10. Mai 1999 darauf hin, das privatschriftliche Testament der Eheleute ... vom 11. Dezember 1989, in dem beide E. zu ihrer alleinigen Erbin bestimmt haben, stehe im Widerspruch zum notariellen Testament vom 14. April 1975, in dem beide Erblasser sich gegenseitig zu Erben eingesetzt hätten. Der Grundbuchrechtspfleger teilte zugleich mit, er teile die Auffassung des Testamentsvollstreckers, die Eheleute ... hätten sich gegenseitig zu Erben eingesetzt, nicht. Deshalb werde ein Erbschein nach T. gemäß § 35 GBO verlangt.
Mit Schreiben vom 4. August 1999 legte der Testamentsvollstrecker Erinnerung gegen die Verfügung des Grundbuchamts vom 10. Mai 1999 ein, der der Grundbuchrechtspfleger nicht abgeholfen hat.
Das Landgericht hat durch den angefochtenen Beschluss die Beschwerde zurückgewiesen mit der Begründung, die Antragstellerin habe den grundsätzlich durch Vorlage eines Erbscheins zu führenden Nachweis ihrer Erbfolge nicht geführt. Das Erbrecht der Antragstellerin ergebe sich nicht zweifelsfrei aus den vorgelegten öffentlichen Urkunden, da neben den öffentlichen Verfügungen von Todes wegen auch eine privatschriftliche Verfügung der Erblasser existiere und möglicherweise widersprechende Verfügungen getroffen worden seien. Auch im Wege der Auslegung lasse sich nicht zweifelsfrei klären, ob eine Erbeinsetzung auf einzelne Nachlassgegenstände als Vermächtnis oder Erbquote nach dem Wert der Gegenstände gewollt sei. Diese Fragen könnten nur durch Ermittlung der tatsächlichen Verhältnisse beantwortet werden, die das Grundbuchamt nicht zu erheben habe.
Die Entscheidung des Landgerichts ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, der Nachweis der Erbfolge könne im Grundbuchberichtigungsverfahren grundsätzlich nur durch Vorlage eines Erbscheins geführt werden (§ 35 Abs. 1 Satz 1 GBO). Nach § 35 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz GBO reicht ausnahmsweise die Vorlage einer Verfügung von Todes wegen, wenn in einer öffentlichen Urkunde die Erbfolge enthalten ist, sowie die Niederschrift über die Eröffnung der Verfügung aus. Jedoch ist das Grundbuchamt befugt, gleichwohl die Vorlegung eines Erbscheins zu verlangen, wenn es die Erbfolge durch diese Urkunde nicht für nachgewiesen erachtet (§ 35 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz GBO). Grundsätzlich hat das Grundbuchamt die letztwilligen Verfügungen selbstständig auszulegen und rechtlich zu würdigen, auch wenn es sich um rechtlich schwierige Fragen handelt (Haegele/Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 11. Auflage, Rdnr. 787). Das Grundbuchamt ist aber nicht berechtigt und verpflichtet, eigene Ermittlungen anzustellen. Bei Vorliegen einer in öffentlicher Urkunde errichteten Verfügung von Todes wegen kann das Grundbuchamt daher nur dann einen Erbschein verlangen, wenn sich bei der Prüfung des Erbrechts begründete Zweifel ergeben, die nur durch weitere Ermittlungen über den tatsächlichen Willen des Erblassers oder sonstige tatsächliche Verhältnisse geklärt werden können. Abstrakte Zweifel und bloße Vermutungen allgemeiner Art. rechtfertigen nicht das Verlangen nach Vorlage eines Erbscheins. Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist die Ansicht des Landgerichts, das Erbrecht der Beteiligten zu 1 könne sich nicht zweifelsfrei aus den vorgelegten Urkunden ergeben, weil neben den öffentlichen Verfügungen von Todes wegen auch eine privatschriftliche Verfügung der Erblasser existiere, möglicherweise widersprechende Verfügungen getroffen seien und eine Erbeinsetzung auf einzelne Nachlassgegenstände zu der Frage führen könne, ob Vermächtnisse vorlägen oder Erbquote nach dem Wert der Gegenstände gewollt seien. Für die Frage, ob Erbquote nach dem Wert der Gegenstände gewollt sind, sind tatsächliche Ermittlungen über den Wert des im Grundbuch von Lüneburg Blatt 21196 eingetragene Grundstück anzustellen, die das Grundbuchamt jedoch nicht zu erheben hat.
Das Grundbuchamt hat hier aber auch deswegen zu Recht die Vorlage eines Erbscheins verlangt, weil die Antragstellerin zu 1 möglicherweise auf Grund der Ergänzung des Erbvertrages vom 9. September 1975 durch die notarielle Urkunde vom 11. April 1974 nur befreite Vorerbin geworden ist. Die Antragstellerin zu 1 hat mit Schreiben vom 9. Juli 1997 aber ihre einschränkungslose Eintragung als Alleineigentümerin beantragt. Einen Erbschein hat das Grundbuchamt aber auch dann zu verlangen, wenn es die Erbfolge oder das Vorliegen von Beschränkungen des Erben (Vor- und Nacherbfolge) anders beurteilt als der Antragsteller. Ebenso wie im Erbscheinsverfahren der Erbschein nur entsprechend dem Antrag, nicht aber abweichend vom Antrag erteilt werden darf, kann das Grundbuchamt im Berichtigungsverfahren nach § 35 Abs. 1 GBO nur dem Antrag stattgeben oder, wenn es von der Auffassung des Antragstellers abweicht, einen Erbschein verlangen, nicht aber etwas gegen den Willen des Antragstellers eintragen (Haegele, a. a. O., Rdnr. 788 m. w. N.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 131 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 30 KostO.