Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 29.09.2015, Az.: 2 Ws 173/15
Zulässigkeit der Beschwerde gegen die Zurückweisung der Ablehnung eines Sachverständigen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 29.09.2015
- Aktenzeichen
- 2 Ws 173/15
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2015, 37764
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2015:0929.2WS173.15.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Lüneburg - 09.09.2015 - AZ: 22 KLs 19/15
Rechtsgrundlagen
- StPO § 74 Abs. 1 S. 1
- StPO § 74 Abs. 2 S. 1
- StPO § 304 Abs. 1
- StPO § 305 S. 1
Fundstelle
- KfZ-SV 2018, 30
Amtlicher Leitsatz
1. Die Entscheidung über die Ablehnung eines Sachverständigen dient der Vorbereitung des Urteils und ist eine der Urteilsfällung vorausgehende Entscheidung im Sinne des § 305 Satz 1 StPO.
2. Eine Beschwerde gegen die Entscheidung des erkennenden Gerichts über ein den Sachverständigen betreffendes Ablehnungsgesuch ist deshalb gemäß § 305 Satz 1 StPO unzulässig.
Tenor:
Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss der 2. großen Strafkammer des Landgerichts Lüneburg vom 9. September 2015 wird als unzulässig verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gegen diese Entscheidung ist keine Beschwerde gegeben (§ 304 Abs. 4 StPO).
Gründe
I.
Die Staatsanwaltschaft Lüneburg hat am 5. August 2015 gegen den Beschwerdeführer Anklage wegen des Verdachts des schweren Raubes und des Diebstahls zur großen Strafkammer des Landgerichts Lüneburg erhoben. Bereits im Ermittlungsverfahren hatte die Staatsanwaltschaft den Sachverständigen S., Chefarzt und Vollzugsleiter der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie L., mit der Erstattung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens zur Frage der Schuldfähigkeit gemäß §§ 20, 21 StGB und der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) oder einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) beauftragt.
Mit Schriftsatz vom 27. August 2015 lehnte der Angeklagte den Sachverständigen Sch. wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Da der Sachverständige bereits während der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt in der Zeit von September 2006 bis Juli 2009 als Oberarzt für ihn zuständig gewesen sei und dieser sich damals für die Erledigung der Unterbringung eingesetzt habe, bestehe die Befürchtung der Voreingenommenheit.
Mit Beschluss vom 9. September 2015 wurde die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren vor der 2. großen Strafkammer des Landgerichts Lüneburg eröffnet. Die Hauptverhandlung beginnt am 5. Oktober 2015. Mit weiterem Beschluss vom 9. September 2015 wies die Strafkammer das Ablehnungsgesuch des Angeklagten als offensichtlich unbegründet zurück. Gegen diesen Beschluss richtet sich die mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 17. September 2015 eingelegte Beschwerde des Angeklagten. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
II.
Die Beschwerde ist bereits unzulässig.
Der angefochtene Beschluss der 2. großen Strafkammer vom 9. September 2015, mit dem das Ablehnungsgesuch des Angeklagten zurückgewiesen wurde, ist gemäß § 305 Satz 1 StPO kraft Gesetzes einer Anfechtung ausdrücklich entzogen. Nach dieser Vorschrift unterliegen Entscheidungen der erkennenden Gerichte, die der Urteilsfällung vorausgehen, nicht der Beschwerde.
Die angefochtene Entscheidung ist von dem erkennenden Gericht erlassen worden. Erkennendes Gericht ist das Gericht, bei dem das Hauptverfahren anhängig ist. Auch Entscheidungen, die zugleich mit der Eröffnung des Hauptverfahrens erlassen werden, sind schon solche des erkennenden Gerichts (KK-Zabeck, StPO, 7. Aufl.; § 305, Rn. 2; M-G/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 305, Rn. 2 jeweils mwN). So liegt der Fall hier. Der von dem Angeklagten angefochtene Beschluss vom 9. September 2015 über die Zurückweisung seines Ablehnungsgesuchs ist zeitgleich mit dem Beschluss über die Eröffnung des Hauptverfahrens ergangen.
Der angefochtene Beschluss stellt auch eine der Urteilsfällung vorausgehende Entscheidung dar. Dies sind nach der gebotenen einschränkenden Auslegung Entscheidungen, die in innerem Zusammenhang mit der Urteilsfällung stehen, nur der Vorbereitung des Urteils dienen, vom Revisionsgericht unter bestimmten Voraussetzungen überprüft werden können und keine darüber hinausgehenden Rechtswirkungen erzeugen (KK-Zabeck, aaO., Rn. 5). Ein die Ablehnung eines Sachverständigen betreffender Beschluss dient der Vorbereitung des Urteilsspruchs, geht der Urteilsfällung voraus und steht mit ihr in innerem Zusammenhang. Er ist daher einer Anfechtung durch die Beschwerde entzogen (OLG Köln, Beschl. v. 15.11.2010, 2 Ws 738/10; KG Berlin, Beschl. v. 4.5.1998, 4 Ws 91/98; KK-Zabeck, aaO., Rn. 6; M-G/Schmitt, aaO., § 74, Rn. 20).
Ein in § 305 Satz 2 StPO normierter Ausnahmefall liegt nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.