Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 25.01.2005, Az.: 13 K 373/04

Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; Ausgangskontrolle eines Steuerberaters bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze; Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Gewährung einer Eigenheimzulage; Anforderungen an die Ausgangskontrolle bei einer Versendung eines Schriftsatzes per Post; Vorlage von Unterlagen über den Abgang eines Telefaxes zur Glaubhaftmachung vor Gericht

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
25.01.2005
Aktenzeichen
13 K 373/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 11821
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2005:0125.13K373.04.0A

Fundstellen

  • DStR 2005, XII Heft 33 (Kurzinformation)
  • DStRE 2005, 1107-1108 (Volltext mit amtl. LS)
  • EFG 2005, 800-801
  • KP 2005, 109

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Zu den Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 56 FGO.

  2. 2.

    Wie bei einer Versendung von Schriftstücken durch die Post trifft den Prozessbevollmächtigten auch bei einer Versendung per Telefax die Pflicht der Ausgangskontrolle. Bei der Versendungsart per Telefax sind keine geringeren Anforderungen an die Ausgangskontrolle zu stellen als bei einer Versendung zur Post.

  3. 3.

    Die Pflicht des Steuerberaters zur Ausgangskontrolle bei Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax endet erst dann, wenn feststeht, dass der Schriftsatz wirklich an den richtigen Empfänger übermittelt worden ist. Mit Rücksicht auf die Risiken beim Einsatz eines Telefaxgerätes erfordert eine wirksame Ausgangskontrolle, dass der Steuerberater sich einen Einzelnachweis ausdrucken lässt, auf dessen Grundlage er die Vollständigkeit und Richtigkeit der Übermittlung prüfen kann und er die Notfrist erst nach Kontrolle des Sendeberichts löscht. Das gilt insbesondere auch für die Verwendung von Zielwahltasten, bei denen die Telefaxnummer abgespeichert ist.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt unter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die Gewährung von Eigenheimzulage.

2

Der Kläger beantragte ab 1999 beim Beklagten Eigenheimzulage. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 12.11.2003 ab. Den dagegen erhobenen Einspruch wies er durch Einspruchsbescheid vom 15.06.2004, der dem Prozessbevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis am 30.06.2004 zugestellt wurde, als unbegründet zurück.

3

Mit Schriftsatz vom 29.07.2004, der am 02.08.2004 bei Gericht einging, erhob der Prozessbevollmächtigte namens des Klägers Klage wegen der Versagung von Eigenheimzulage. Die Geschäftsstelle des Senats teilte dem Prozessbevollmächtigten mit Verfügung vom 10.08.2004, Eingang beim Prozessbevollmächtigten am 21.08.2004, das Eingangsdatum der Klage mit. Daraufhin bat der Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 26.08.2004 um Überprüfung des Eingangsdatums, da er die Klage vorab per Telefax übersandt habe. Auf die Mitteilung des Berichterstatters, dass ein Telefax nicht zu den Akten gelangt sei, beantragte der Kläger mit Schreiben vom 31.08.2004, Eingang 01.09.2004, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung führt er aus, dass er die Klageschrift am 30.07.2004 etwa zwischen 15.00 Uhr und 15.30 Uhr persönlich an das Gericht gefaxt habe. Die Fax-Nr. sei unter einer Zielwahltaste hinterlegt, die entsprechend beschriftet sei. Er sei sich absolut sicher, dass er diese Taste verwendet habe. Das Faxgerät sei so eingerichtet, dass eine mehrfache Wahlwiederholung durchgeführt werde, wenn der Zielanschluss besetzt sei. Für den Fall, dass die Übermittlung fehlschlage, werde vom Faxgerät eine Fehlermeldung ausgedruckt. Eine derartige Fehlermeldung sei nicht ausgegeben worden. Deshalb sei er davon ausgegangen, dass das Fax ordnungsgemäß beim Gericht angekommen sei. Auf dem Aktenexemplar der Klageschrift habe er die Absendung des Telefaxes durch einen Haken an dem Aufdruck "Vorab per Fax!", das Datum und ein Namenskürzel vermerkt.

4

Auf Anforderung des Gerichts, ob noch weitere Nachweise über die Absendung des Faxes vorgelegt werden könnten, wurden keine weiteren Unterlagen zur Glaubhaftmachung des Abgangs vorgelegt.

5

Zur Begründung des Rechtsstreits in der Sache wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 26.09.2004 (Bl. 33 ff. FGA) verwiesen.

6

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Bescheids vom 12.11.2003 in Gestalt des Einspruchsbescheids vom 15.06.2004 - zugestellt am 30.06.2004 - die Eigenheimzulage auf jährlich DM 1.250,00 zzgl. Kinderzulage DM 1.500.00 = DM 2.750,00 festzusetzen.

7

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Er ist der Auffassung, die Klage sei unzulässig. Wegen des Vortrags im Einzelnen wird auf den Schriftsatz vom 30.09.2004 (Bl. 30 ff. FGA) verwiesen.

Gründe

9

I.

Die Klage ist unzulässig.

10

1.

Die gemäß § 47 FGO einen Monat betragende Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage ist nicht eingehalten worden. Die Frist beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf, im Streitfall mit Ablauf des Tages der Zustellung, dem 30.06.2004, also am 01.07.2004. Dementsprechend lief die Klagefrist am Freitag, den 30. Juli 2004 ab. Das Schreiben des Prozessbevollmächtigten, durch das er Klage erhoben hat, ist jedoch erst am 2. August 2004 beim Finanzgericht eingegangen.

11

2.

Dem Kläger ist keine Wiedereinsetzung in der vorigen Stand gemäß § 56 FGO zu gewähren. Gemäß § 56 Abs. 1 FGO ist demjenigen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt, weil der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht ohne Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten. Der Kläger muss sich das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO).

12

3.

Den Prozessbevollmächtigten trifft ein Verschulden bei der Ausgangskontrolle der Telefaxversendung. Zur Organisationspflicht eines Steuerberatungsbüros gehört es, eine Ausgangskontrolle zu schaffen, die ausreichende Gewähr dafür bietet, dass fristwahrende Schriftstücke nicht über den Fristablauf hinaus im Büro liegen bleiben. Bei einer Versendung durch die Post ist für eine ordnungsmäßige Endkontrolle die Anweisung erforderlich, Fristen erst dann zu löschen, wenn das fristwahrende Schriftstück tatsächlich gefertigt und abgesandt ist oder zumindest postausgangsbereit vorliegt. Dementsprechend dürfen Fristen erst nach der Bereitstellung der Schriftstücke für die Mitnahme zur Post gelöscht werden. Bei einer Versendung durch die Post gehört zu einem zuverlässigen Kontrollsystem, dass zwischen dem Fristenkalender und dem Postausgangsbuch eine Übereinstimmung in der Weise sichergestellt wird, dass die Fristen im Kalender auf der Grundlage der Eintragungen im Postausgangsbuch gelöscht werden (vgl. BFH-Urteil vom 07.12.1988 X R 80/87, BFHE 155, 275, BStBl. II 1989, 266).

13

a)

Im Streitfall sollte nach dem Vorbringen des Prozessbevollmächtigten die Klageschrift zwar nicht per Post, sondern per Telefax übermittelt werden. Es besteht aber kein Grund, bei dieser Versendungsart geringere Anforderungen an die Ausgangskontrolle als bei einer Versendung per Post zu stellen. Demgemäß endet die Pflicht des Steuerberaters zur Ausgangskontrolle bei Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax erst dann, wenn feststeht, dass der Schriftsatz wirklich an den richtigen Empfänger übermittelt worden ist. Mit Rücksicht auf die Risiken beim Einsatz eines Telefaxgerätes kommt der Steuerberater seiner Verpflichtung zu einer wirksamen Ausgangskontrolle nur dann nach, wenn er sich einen Einzelnachweis ausdrucken lässt, auf dessen Grundlage er die Vollständigkeit und Richtigkeit der Übermittlung prüfen kann und die Notfrist erst nach Kontrolle des Sendeberichts löscht (vgl. BGH-Beschluss vom 21.07.2004 XII ZB 27/03, juris). Denn nur in diesem Fall kann durch die Kontrolle des Ausdrucks ausgeschlossen werden, dass eine Übermittlung nicht fehlerhaft erfolgte oder versehentlich an einen falschen Adressaten übermittelt wurde.

14

b)

Dies gilt insbesondere auch für die Verwendung von Zielwahltasten, bei denen - wie im Streitfall - die Telefaxnummer abgespeichert sind, da hierdurch zwar im Regelfall eine Falscheinwahl durch Vertippen ausgeschlossen ist, indes das Verwechseln der Zielwahltasten gleichwohl erfolgen kann. Erst mit der Kontrolle des Telefaxausdrucks oder einem Anruf beim Empfänger des Telefaxes kann sichergestellt werden, dass eine ordnungsgemäße Übermittlung erfolgte. Nach Angaben des Prozessbevollmächtigten fehlt es an einer derartigen Kontrolle. Er hat sich ausschließlich darauf verlassen, dass er die richtige Zielwahlnummer gewählt hat und dass das Telefaxgerät eine fehlerhafte Übermittlung ordnungsgemäß anzeigte. Eine Kontrolle, die ein mögliches Versehen aufdeckt, konnte bei diesem Vorgehen nicht erfolgen, so dass die Ausgangskontrolle unzureichend war.

15

c)

Im Übrigen konnte der Kläger auch nicht hinreichend glaubhaft machen, dass er das Telefax tatsächlich an den richtigen Empfänger innerhalb der Klagefrist abgesandt hat. Der Vermerk auf der Kopie der Klageschrift reicht hierfür nicht aus, da er keinen Nachweis darüber erbringt, dass die richtige Verbindung hergestellt und das Telefax ordnungsgemäß versendet wurde. Zudem kann bei derartigen Vermerken nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass sie nachträglich angebracht wurden. Vielmehr hätte es zur Glaubhaftmachung der Vorlage eines Versendungsprotokolls oder des Postausgangsbuch mit der Eintragung der Versendung bedurft. Der Prozessbevollmächtigte hat jedoch trotz Aufforderung keine derartigen Nachweise vorgelegt. Demzufolge war dem Kläger keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

16

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.