Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 22.08.2018, Az.: 1 A 340/17

Asylantrag; Asylgesuch; Beschäftigungserlaubnis; Beschäftigungsverbot; sicherer Herkunftsstaat; Kosovo

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
22.08.2018
Aktenzeichen
1 A 340/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 74401
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Bei der Anwendung der Stichtagsregelung in § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG ist auf das Datum des Nachsuchens um Asyl abzustellen und nicht auf das Datum der förmlichen Asylantragstellung im Sinne von § 14 AsylG. Dies folgt aus der teleologischen, historischen und systematischen Auslegung der Norm; der Wortlaut der Norm ist offen und steht einer entsprechenden Auslegung nicht entgegen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt eine Beschäftigungserlaubnis für Geduldete.

Der 56 Jahre alte Kläger ist kosovarischer Staatsangehöriger. Er und seine Frau reisten erstmals im Jahr 1994 in die Bundesrepublik Deutschland ein und betrieben erfolglos ein Asylerstverfahren sowie ein Asylfolgeverfahren. Ende 2000 verließen sie mutmaßlich das Bundesgebiet und kehrten in ihr Heimatland zurück.

Im Januar 2015 reiste der Kläger zusammen mit der Ehefrau und dem im Oktober 2001 geborenen Sohn H., der an Trisomie 21 (sog. Down-Syndrom) leidet, erneut in die Bundesrepublik Deutschland ein und meldeten sich als Asylsuchende. Die entsprechende Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchende (BüMA) wurde ihnen am 26. Januar 2015 ausgestellt. Die weiteren vier Kinder des Klägers sind erwachsen und leben seit einigen Jahren im Bundesgebiet. Am 12. Oktober 2015 stellten der Kläger und seine Frau durch ihren Anwalt beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) schriftlich einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeantrag), für ihren Sohn H. einen Asylerstantrag. Zur Begründung trugen sie schriftlich wie auch im Rahmen ihrer Anhörung am 18. Januar 2016 vor, der Sohn H. könne im Kosovo nicht angemessen medizinisch versorgt werden; auch die Frau des Klägers könne sich im Kosovo mit den zahlreichen Medikamenten, die sie benötige, nicht versorgen. Sie hätten den Kosovo verlassen, um sich in Deutschland medizinisch behandeln zu lassen.

Mit Bescheid vom 29. April 2016 nahm das Bundesamt die Asylverfahren des Klägers und seiner Ehefrau wieder auf, weil für die beiden zu keiner Zeit eine Entscheidung zum subsidiären Schutz aufgrund der EU-Qualifikationsrichtlinie getroffen worden war, lehnte in der Sache aber den Antrag als offensichtlich unbegründet ab und drohte dem Kläger und seiner Ehefrau die Abschiebung in den Kosovo an. Das hiergegen gerichtete Eilverfahren hatte keinen Erfolg (Beschluss des erkennenden Gerichts vom 19. Mai 2016 - 4 B 251/16 -). Der Bescheid ist nach einem erfolglosen Klageverfahren, das mit dem Urteil des erkennenden Gerichts vom 7. Februar 2017 (- 4 A 250/17 -) abschloss, bestandskräftig geworden.

Die Beklagte forderte den Kläger und seine Ehefrau im September 2016 zur Ausreise auf. Der Kläger bat darum, noch bis März oder April 2017 in Deutschland bleiben zu dürfen, weil er im Winter im Kosovo schlecht eine Beschäftigung finde, seine Frau krank und sein Sohn behindert sei. Im Februar 2017 ergab eine Untersuchung durch den Sozialpsychiatrischen Dienst der Beklagten, dass die Ehefrau des Klägers nicht reisefähig sei. Der Kläger und seine Ehefrau sowie der Sohn H. werden seit dem 20. März 2015 von der Beklagten fortlaufend geduldet.

Der Kläger war seit September 2016 bei einer Zeitarbeitsfirma beschäftigt und wird als Produktionshelfer eingesetzt. Die Beklagte gestattete dem Kläger – verbunden mit den ausgestellten Duldungsbescheinigungen – zunächst nur unbeständige Beschäftigungen für zustimmungsfreie Tätigkeiten nach § 30 Nr. 2 BeschV.

Am 11. August 2017 beantragte der Kläger durch Vorlage einer Stellenbeschreibung einer Zeitarbeitsfirma für eine Stelle als Produktionshelfer im Metallbau konkludent eine Erlaubnis zur Aufnahme einer Beschäftigung. Die Bundesagentur für Arbeit erteilte zwar gemäß § 39 AufenthG in Verbindung mit § 60a AufenthG am 6. September 2017 für den Zeitraum vom 5. September 2017 bis zum 4. September 2020 ohne Vorrangprüfung die Zustimmung zur Beschäftigung als Produktionshelfer nach § 32 Abs. 5 Nr. 2 BeschV. Den Antrag lehnte die Beklagte gleichwohl mit Bescheid vom 25. September 2017, zugestellt am 27. September 2017, ab. Zur Begründung führte sie aus, einem Ausländer aus einem sicheren Herkunftsstaat im Sinne von § 29a AsylG dürfe nach § 61 Abs. 2 AsylG während der gesamten Dauer des Asylverfahrens eine Beschäftigungserlaubnis nicht erteilt werden, wenn er nach dem 31. August 2015 einen Asylantrag gestellt habe. Das sei hier der Fall. Außerdem habe die Agentur für Arbeit auch ihre Zustimmung versagt, so dass die Voraussetzung nach § 39 Abs. 1 AufenthG nicht vorliege.

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 26. Oktober 2017 Klage erhoben. Er macht im Wesentlichen geltend, § 61 Abs. 2 AsylG sei nicht einschlägig. Es komme nicht auf die Asylantragstellung an, sondern auf das Asylgesuch. Im Übrigen gelte die Regelung nur während des Asylverfahrens, dieses sei aber abgeschlossen. Das ihm unterbreitete Beschäftigungsangebot bestehe fort; er könne die Arbeit jederzeit aufnehmen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 25. September 2017, zugestellt am 27. September 2017, zu verpflichten, ihm eine Erlaubnis zur Aufnahme einer Beschäftigung zu erteilen,

hilfsweise

die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des vorgenannten Bescheides zu verpflichten, ihn erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung stimmt sie zunächst dem Kläger darin zu, dass nicht § 61 AsylG einschlägig sei. Vielmehr stehe der Erteilung der begehrten Beschäftigungserlaubnis der in Regelung und Rechtsfolge identische § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG entgegen. Dieser gelte nach Abschluss des Asylverfahrens. Es sei zwar umstritten, ob es bei der Anwendung der Regelung auf das Asylgesuch oder die Asylantragstellung ankomme. Sie gehe aber davon aus, dass der Zeitpunkt der förmlichen Asylantragstellung maßgeblich sei. Im Übrigen sei auch § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 AufenthG einschlägig. Der Umstand, dass der Kläger im Jahr 2000 aus dem Bundesgebiet ausgereist und erst 2015 zum Höhepunkt der sogenannten Flüchtlingskrise in das Bundesgebiet eingereist sei, sei ein Indiz dafür, dass er zur Erlangung von Sozialleistungen eingereist sei. Schließlich lägen auch die Voraussetzungen des Ausschlussgrundes nach § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG vor. Es sei auffällig, dass der Kläger keine Bemühungen zeige, für sein Kind H. einen Nationalpass zu beschaffen. Dies könnte die Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht hindern.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie des Bundesamtes und auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 22. August 2018 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und im Umfang des Hilfsantrags begründet; der Kläger hat einen Anspruch auf Neubescheidung seines Antrags auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Soweit der Kläger darüberhinausgehend die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis begehrt, ist die Klage unbegründet; ihm steht ein entsprechender gebundener Anspruch nicht zu, weil keine Gründe für eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegen.

Nach § 4 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 1 AufenthG i.V.m. § 32 BeschV kann (auf Antrag) einem Ausländer, der im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung seit über drei Monaten im Besitz einer Duldung war, eine Beschäftigungserlaubnis erteilt werden, soweit kein Versagungsgrund nach § 60a Abs. 4 AufenthG vorliegt und die Bundesagentur für Arbeit nach § 32 Abs. 1 BeschV ihre Zustimmung erteilt hat.

Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis liegen hier vor.

Der Kläger war seit März 2015 und damit zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung seit 41 Monaten im Besitz einer Duldung. Die Bundesagentur für Arbeit erteilte am 6. September 2017 nach § 32 Abs. 5 Nr. 2 BeschV ihre Zustimmung zur Beschäftigung des Klägers als Produktionshelfer im Metallbau (BA 003, Bl. 147). Insoweit trifft die gegenteilige Annahme im streitgegenständlichen Bescheid nicht zu.

Der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis steht auch eine gesetzliche Verbotsnorm nicht entgegen.

a.

Das Verbot des – mit dem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 20. Oktober 2015 (BGBl. I S. 1722) eingeführten – § 61 Abs. 2 Satz 4 AsylG, auf das sich die Beklagte in der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids berufen hat, ist hier nicht anwendbar. Nach der genannten Regelung darf einem Ausländer aus einem sicheren Herkunftsstaat, der nach dem 31. August 2015 einen Asylantrag gestellt hat, während des Asylverfahrens die Ausübung einer Beschäftigung nicht gestattet werden. Sie steht in ihrem Anwendungsbereich der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis nach § 4 Abs. 3 Satz 3 AufenthG i.V.m. § 61 Abs. 2 Satz 1 AsylG für Asylbewerber mit einer Aufenthaltsgestattung nach § 55 AsylG entgegen. Der Kläger ist indes zu keinem Zeitpunkt seit seiner Wiedereinreise in das Bundesgebiet Inhaber einer asylrechtlichen Aufenthaltsgestattung gewesen, weil sein Asylfolgeverfahren im Ergebnis nicht erfolgreich war. Zwar hat das Bundesamt auf den Asylfolgeantrag des Klägers vom 12. Oktober 2015 das Verfahren unter dem 29. April 2016 nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG mit der Begründung wieder aufgenommen, für ihn sei bis dahin noch keine Entscheidung zum subsidiären Schutz aufgrund der EU- Qualifikationsrichtlinie getroffen worden. Zeitgleich beschied es den Antrag aber in der Sache als offensichtlich unbegründet; Eilantrag und Klage dagegen waren erfolglos.

b.

Auch § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG steht der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis an den Kläger nicht entgegen. Die Regelung ist wie § 61 Abs. 2 Satz 4 AsylG mit dem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 20. Oktober 2015 (vgl. Art. 3 Nr. 10) eingeführt worden und ergänzt diese. Danach darf einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt wurde.

aa.

Die Kammer teilt nicht die in der Literatur vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG wegen eines Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgebot. Gegen die Verfassungsmäßigkeit der Regelung wird eingewandt, Ausreisepflichtige aus den sicheren Herkunftsstaaten, deren Abschiebung aus Gründen unmöglich sei, die sie nicht zu vertreten hätten, würden ohne ersichtlichen Grund anders behandelt als Personen aus anderen Herkunftsstaaten (Keßler in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 60a AufenthG, Rn. 61). Einen solchen verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Grund für die Unterscheidung nach Herkunftsländern hat der Gesetzgeber indes herangezogen, als er auf die äußerst niedrige Anerkennungsquote von Asylantragstellern aus diesen Herkunftsländern und die allgemeine Lage in den Ländern abstellte (so auch Nds. OVG, Beschl. v. 19.09.2018 - 13 ME 355/18 -, juris Rn. 9 ff.; Werdermann, Die Vereinbarkeit von Sonderrecht für Asylsuchende und Geduldete aus sicheren Herkunftsstaaten mit Art. 3 GG, ZAR 2018, S. 11; vgl. Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes, BT-Drs. 18/6185, S. 25 f., S. 40 ff. (zu Kosovo); Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes, BR-Drs. 446/15, S. 33 f., S. 52 ff. (zu Kosovo)).

Die Regelung ist auch unter dem Gesichtspunkt des aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Rückwirkungsverbots verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie knüpft tatbestandlich an Asylanträge an, die nach dem Stichtag 31. August 2015 gestellt wurden, und entfaltet in Bezug auf diejenigen Asylanträge, die bis zur Verkündung des Gesetzes am 20. Oktober 2015 gestellt wurden, eine sogenannte „unechte“ Rückwirkung (vgl. zum Begriff der unechten Rückwirkung BVerfG, Beschl. v. 10.10.2012 - 1 BvL 6/07 -, BVerfGE 132, 302 Rn. 43). Eine echte Rückwirkung, die dann vorläge, wenn die Rechtsfolge der Norm – hier das Beschäftigungsverbot – für bereits vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung am 20. Oktober 2015 abgeschlossene Sachverhalte gälte, kommt praktisch nicht vor. In solchen (hypothetischen) Fällen müsste zudem eine Widerrufsentscheidung nach § 49 Abs. 1, 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG ergehen.

Eine „unechte“ Rückwirkung (tatbestandliche Rückanknüpfung) ist grundsätzlich zulässig. Grenzen der Zulässigkeit können sich aus den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit ergeben. Diese Grenzen sind dann überschritten, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (BVerfG, Beschl. v. 10.10.2012 - 1 BvL 6/07 -, BVerfGE 132, 302 Rn. 43 m.w.N.).

Nach dieser Maßgabe ist die Regelung des § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG jedenfalls dann verfassungskonform, wenn man davon ausgeht, dass mit dem Begriff des Asylantrags das Asylgesuch gemeint ist. Dieser Auffassung ist die Kammer (dazu unten unter b.cc.). Sinn und Zweck der Regelung ist es, Fehlanreize für unberechtigte Asylanträge zu beseitigen (Ergebnisprotokoll der Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder zur Asyl- und Flüchtlingspolitik am 24. September 2015, S. 1, 4, abrufbar unter https://www.bundesregierung.de/resource/blob/976072/432086/a0892e3d6adfceffbefc537c19c25d99/2015-09-24-bund-laender-fluechtlinge-beschluss-data.pdf?download=1; Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes, BT-Drs. 18/6185, S. 1 und S. 25; Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes, BR-Drs. 446/15, S. 2, S. 45). Ein Fehlanreiz für einen unberechtigten Asylantrag kann denklogisch nur in Bezug auf ein Asylverfahren beseitigt werden, das zum Zeitpunkt der Verkündung des Gesetzes am 20. Oktober 2015 noch nicht förmlich durch einen Asylantrag eingeleitet worden war und somit nach damaliger Rechtslage noch nicht zu einer Aufenthaltsgestattung und die daran anknüpfende Möglichkeit zur Erwerbstätigkeit geführt hat. Nur in Bezug auf derartige Asylanträge kann der in die Zukunft gerichtete Sinn und Zweck des Gesetzes erreicht werden. Zum Zeitpunkt der Verkündung des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes waren die beteiligten Behörden und insbesondere das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge durch die hohe Zahl der Schutzsuchenden so überlastet, dass der Gesetzgeber berechtigterweise davon ausgehen konnte, dass Asylgesuche, die nach dem 31. August 2015 und bis zur Verkündung des Gesetzes geäußert wurden, bis dahin noch nicht in ein förmliches Asylverfahren gemündet waren, das mit der förmlichen Asylantragstellung seinen Beginn nimmt.

Bei einem dem streitgegenständlichen Versagungstatbestand zugrunde gelegten Verständnis, wonach für den Stichtag auf das formlos geäußerte Asylgesuch abzustellen ist, erscheint der in § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG genannte Stichtag verfassungsrechtlich unbedenklich. Die verfassungsrechtliche Beurteilung von Übergangs- und Stichtagsvorschriften ist auf die Prüfung beschränkt, ob der Gesetzgeber den ihm zukommenden Spielraum in sachgerechter Weise ausgeübt sowie die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt hat und ob die gefundene Lösung sich im Hinblick auf den Sachverhalt und das System der Gesamtregelung durch sachgerechte Gründe rechtfertigen lässt und insbesondere nicht willkürlich erscheint (BVerfG, Beschl. v. 14.06.2016 - 2 BvR 290/10 -, juris Rn. 42 m.w.N.). Die Norm wird diesen Anforderungen jedenfalls in der von der Kammer vertretenen Auslegung gerecht. Eine effektive Verhinderung von unberechtigten Asylanträgen konnte in erster Linie ab Verkündung des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes erwartet werden. Aber auch diejenigen Schutzsuchenden aus den neuen sicheren Herkunftsstaaten Albanien, Montenegro und Kosovo, die zuvor bereits eingereist waren und nur ein Asylgesuch bis zur Verkündung des Gesetzes geäußert hatten, konnten im Hinblick auf die dargestellten engen zeitlichen Abläufe von der gesetzgeberischen Signalwirkung des Beschäftigungsverbots wirksam erreicht werden. Diese Personengruppe musste etwa ab Mitte August 2015 mit deutlichen Verschärfungen der asylverfahrensrechtlichen Stellung von Asylbewerbern rechnen. Zu diesem Zeitpunkt wurde in der Presse darüber berichtet, dass die Regierungsfraktionen CDU/CSU und SPD eine nochmalige Ausweitung des Kreises der sicheren Herkunftsstaaten auf die genannten drei Länder forderten und hierin die Unterstützung der Bundesregierung hatten (s. dpa-Meldung vom 16.08.2015: „Merkel will sichere Herkunftsstaaten auf EU-Ebene festlegen“, abrufbar unter https://www.sueddeutsche.de/news/politik/fluechtlinge-merkel-will-sichere-herkunftsstaaten-auf-eu-ebene-festlegen-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-150816-99-05263). Die Wahl des Stichtags 31. August 2015 wird damit im Hinblick auf das Vertrauen der Schutzsuchenden aus den neuen sicheren Herkunftsstaaten, als Asylbewerber auch Zugang zum Arbeitsmarkt in Deutschland zu erhalten, vertretbar.

Da die Kammer auf das Asylgesuch und nicht den förmlichen Asylantrag abstellt, kann dahingestellt bleiben, ob die Stichtagsregelung in § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG den Anforderungen insbesondere an Willkürfreiheit auch dann entspräche, wenn auf ab dem 1. September 2015 förmlich gestellte Asylanträge abgestellt würde. Fehlanreize konnten für Asylbewerber, die vom Balkan kommend bereits zu Beginn des Jahres 2015 in das Bundesgebiet eingereist waren, durch die streitgegenständliche Neuregelung jedenfalls nicht mehr verhindert werden, weil diese Personengruppe nach dreimonatigem gestatteten Aufenthalt im Bundesgebiet zur Ausübung einer Beschäftigung mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit berechtigt waren.

bb.

Der persönliche Anwendungsbereich der Regelung ist eröffnet, weil der Kläger Staatsangehöriger des Kosovo und damit eines sicheren Herkunftsstaates i.S.d. § 29a AsylG in Verbindung mit Anlage II ist.

cc.

Der sachliche Anwendungsbereich von § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG ist nicht eröffnet.

(1)

Mit der Beklagten ist zur Beantwortung der Frage, ob § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG einer Erwerbstätigkeit des Klägers entgegensteht, nicht auf den Asyl(erst)antrag des Klägers aus dem Jahr 1994 abzustellen, sondern auf den Asyl(folge)antrag nach erneuter Einreise im Januar 2015. Der Kläger äußerte zusammen mit seiner Ehefrau am 26. Januar 2015 ein Asylgesuch und richtete (anwaltlich vertreten) am 12. Oktober 2015 einen schriftlichen Asylfolgeantrag an das Bundesamt. Die Vorschrift erfasst grundsätzlich auch Asylfolgeantragsteller, sofern diese – wie der Kläger – nach erfolglos durchgeführtem Asylerstverfahren aus dem Bundesgebiet ausgereist und zu einem späteren Zeitpunkt zum Zwecke der Stellung eines Asylfolgeantrags wieder in das Bundesgebiet eingereist sind.

§ 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG knüpft an den Begriff des Asylantrags in den §§ 13 Abs. 1, 14 AsylG an. Ein Asylantrag im Sinne von § 13 AsylG ist auch ein wiederholt geäußertes Schutzgesuch, mithin ein Asylfolgeantrag im Sinne des § 71 AsylG. Nur in Bezug auf Personen aus den sicheren Herkunftsstaaten des Balkan, die nach einem erfolglosen Asylverfahren im Bundesgebiet verblieben sind und als abgelehnte Asylbewerber weitere Asylfolgeverfahren geführt haben, kommt im Hinblick auf die Besonderheiten von § 71 AsylG in Betracht, allein auf den Asyl(erst)antrag abzustellen (vgl. VG Düsseldorf, Beschl. v. 20.12.2017 - 22 L 4570/17 -, juris Rn. 20 ff.; Nds. OVG, Beschl. v. 30.08.2018 - 13 ME 298/18 -, juris Rn. 7). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.

(2)

Nach Überzeugung der Kammer ist für die Frage, ob § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG hier Anwendung findet, der Zeitpunkt des Asylgesuchs des Klägers entscheidend, das diesem am 26. Januar 2015 von der ZAST I. mit Ausstellung der sogenannten BüMA bescheinigt wurde (BA 003, Bl. 9).

Ob für die Anwendung der Stichtagsregelung in § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG maßgeblich auf das Datum des Asylgesuchs oder auf das Datum der förmlichen Asylantragstellung nach § 14 AsylG abzustellen ist, ist in der Rechtsprechung umstritten.

Nach Auffassung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts, der sich das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen und das Hamburgische Oberverwaltungsgericht angeschlossen haben, kommt es maßgeblich auf den Zeitpunkt der förmlichen Asylantragstellung an (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 08.12.2016 – 8 ME 183/16 -, juris Rn. 6; Hbg. OVG, Beschl. v. 15.11.2017 – 3 Bs 252/17 -, juris Rn. 9; OVG NW, Beschl. v. 18.08.2017 – 18 B 792/17, juris Rn. 5; zuletzt Nds. OVG, Beschl. v. 19.09.2018 - 13 ME 355/18 -, juris Rn. 5). Dies ergebe sich aus dem Wortlaut von § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG („gestellter Asylantrag“). Diesem Normverständnis folgt auch das Bundesministerium des Innern in seinen – die Kammer nicht bindenden – Allgemeinen Anwendungshinweise zur Duldungserteilung nach § 60a Aufenthaltsgesetz vom 30. Mai 2017 (abrufbar unter https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/themen/migration/anwendungshinweise-duldungsregelung.html). Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport hat sich in seinem Erlass vom 27. September 2017 (14.12 - 12230/ 1-8 (§ 60a) n.v.) diese Anwendungshinweise mit hier nicht entscheidungserheblichen Ergänzungen zu eigen gemacht; das Ministerium hat damit zugleich seinen früheren Runderlass vom 16. Februar 2017 (14.11 – 12230/ 1-8 (§ 60a), Nds. MBl. 2017, 218, Voris 26100) aufgehoben. In diesem Erlass hatte das Niedersächsische Ministerium für Inneres die niedersächsischen Ausländerbehörden noch angewiesen, bei der Anwendung von § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG auf das Datum der Registrierung in der Erstaufnahmeeinrichtung abzustellen.

Demgegenüber sieht in Einklang mit der früheren Erlasslage in Niedersachsen der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Beschl. v. 09.10.2017 - 11 S 2090/17 -, juris Rn. 6 ff.) den Wortlaut von § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG als offen an. Das Gericht folgert aus dem Sinn und Zweck des § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG, zukünftige Einreisen zu verhindern, dass es auf das Asylgesuch ankomme, wenn dieses vor dem gesetzlichen Stichtag gestellt worden sei (zustimmend zu VG Freiburg, Beschl. v. 20.01.2016 - 6 K 2967/15 -, juris Rn. 10 ff.; Huber/Eichenhofer/Endres de Oliveira, Aufenthaltsrecht, 2017, Rn. 1239). Die Einreise von Asylbewerbern aus sicheren Herkunftsländern, die bereits ein Asylgesuch gestellt hatten, könne – so das Gericht – durch die Neuregelung nicht mehr verhindert werden.

Die Kammer schließt sich der Auffassung an, nach der der Wortlaut von § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG nicht eindeutig an den förmlichen Asylantrag anknüpft. Aus teleologischen sowie aus historischen und systematischen Gründen ist auf das Asylgesuch abzustellen; die Wortlautgrenze steht dieser Auslegung nicht entgegen.

Der Wortlaut von § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG ist nach Überzeugung der Kammer offen. Das Asylgesetz unterscheidet zwischen dem geäußerten Asylgesuch und dem förmlich gestellten Asylantrag; dieselbe Unterscheidung findet sich der Sache nach in Art. 6 RL 2013/32/EU (Asylverfahrens-Richtlinie) wieder, der zwischen dem Antrag auf internationalen Schutz und der förmlichen Antragstellung bei den zuständigen Behörden unterscheidet. Der Begriff des Asylantrags ist inhaltlich in § 13 Abs. 1 AsylG legaldefiniert. Mit dem formlos geäußerten „Asylantrag“ ist dieser Antrag aber noch nicht förmlich gestellt. Wann das der Fall ist, regelt § 14 AsylG. Erst mit der förmlichen Antragstellung im Sinne von § 14 AsylG liegt ein Asylantrag im engeren Sinne vor; im Übrigen handelt es sich um ein bloßes Asylgesuch (BVerwG, Beschl. v. 03.12.1997 - 1 B 219.97 -, juris Rn. 3). Das Asylgesetz in seiner aktuellen Fassung differenziert an mehreren Stellen zwischen dem Begriff des „Nachsuchens um Asyl“ (vgl. §§ 16 Abs. 1 Satz 1, 18 Abs. 1, 18a Abs. 1, 19 Abs. 1, 63a Abs. 1 Satz 1, 87c Abs. 2 AsylG) und der „Asylantragstellung“ (vgl. §§ 23 Abs. 1 und 2, 24 Abs. 1 Satz 2 AsylG). Diese für sich genommen sprachlich klare Unterscheidung hält der Gesetzgeber im Asylgesetz allerdings nicht stringent durch. Das Asylgesetz verwendet bezüglich der in § 13 AsylG legal als „Asylantrag“ definierten und als „Nachsuchen um Asyl“ beschriebenen Handlung eines Schutzsuchenden etwa in § 20 Abs. 2 Satz 1 AsylG unter anderem auch den Begriff der „Stellung eines Asylgesuchs“ (vgl. VG Freiburg, Beschl. v. 17.08.2017 - 3 K 5875/17 -, juris Rn. 12). Insbesondere jedoch im Aufenthaltsgesetz finden sich vermehrt Regelungen, die nach ihrem Wortlaut nicht trennscharf zwischen dem formlosen Asylgesuch und dem förmlich gestellten Asylantrag unterscheiden. So ist § 15 Abs. 4 Satz 2 AufenthG („… der einen Asylantrag gestellt hat“) inhaltlich so zu verstehen, dass das an der Grenze geäußerte Asylgesuch im Sinne von § 13 AsylG gemeint ist (Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, AsylG, § 15 Rn. 36). Daneben knüpft § 10 Abs. 1 Satz 1 AufenthG inhaltlich an das formlos geäußerte Asylgesuch an (Maor in: Beck-OK Ausländerrecht, Kluth/Heusch, 20. Ed. Stand 01.11.2018, AufenthG § 10 Rn. 3). Dies zeigt, dass im gesamten Aufenthaltsgesetz weder der Begriff des Asylantrags für sich genommen noch der Begriff der Asylantragstellung klar und eindeutig als förmlich gestellter Asylantrag im Sinne von § 14 AsylG zu verstehen ist. Vielmehr muss für jede einzelne Norm des Asylgesetzes wie des Aufenthaltsgesetzes durch Auslegung bestimmt werden, ob die betreffende Regelung inhaltlich auf das formlos geäußerte Asylgesuch oder die förmliche Asylantragstellung abstellt.

Vorliegend streitet entscheidend der Sinn und Zweck des § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG dafür, auf das formlos geäußerte Asylgesuch abzustellen. Wie oben ausgeführt, ist es Sinn und Zweck dieser Norm (wie von § 61 Abs. 2 Satz 4 AsylG), Fehlanreize für unberechtigte Asylanträge zu beseitigen und einen weiteren Anstieg der Zahl der Asylbewerber vom Balkan zu vermeiden. Er ist mithin in die Zukunft gerichtet (so auch VGH BW, Beschl. v. 09.10.2017 - 11 S 2090/17 -, juris Rn. 8) und kann nur in Bezug auf ein Asylverfahren erreicht werden, das zum Zeitpunkt der Verkündung des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes am 20. Oktober 2015 noch nicht durch einen förmlich gestellten Asylantrag beim Bundesamt anhängig war, nicht jedoch durch die Streichung von Beschäftigungsmöglichkeiten bezüglich bereits eingereister und im Asylverfahren befindlicher Antragsteller aus sicheren Herkunftsstaaten des Balkan. Anhaltspunkte für ein zusätzliches Motiv des Gesetzgebers, durch den Entzug des bestehenden Arbeitsmarktzugangs die Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise unter den im Verfahren befindlichen Asylbewerbern vom Balkan zu erhöhen, mithin eine zusätzliche Sanktionsnorm zu schaffen, lassen sich in den Gesetzesmaterialien nicht finden.

Auch die Gesetzgebungsgeschichte spricht dafür, dass im Rahmen des § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG keinesfalls zwingend auf eine – im Jahr 2015 teilweise Monate nach dem Asylgesuch erfolgte (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke, BT-Drs. 18/4581 vom 10.04.2015, S. 3 f.) – förmliche Asylantragstellung abzustellen ist; vielmehr streitet auch sie für die von der Kammer vertretene Lesart. Der Referentenentwurf aus dem CDU-geführten Bundesministerium des Innern zu einem Gesetzentwurf der Bundesregierung (Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Asylverfahrensgesetzes, des Asylbewerberleistungsgesetzes und weiterer Gesetzes – Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz –) vom 21. September 2015 (abrufbar unter https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/gesetzgebungsverfahren/DE/Downloads/referentenentwuerfe/asylverfahrensbeschleunigungsgesetz-refe.pdf?__blob=publicationFile&v=1) sah in Art. 3 Nr. 10 c) noch ein in zeitlicher Hinsicht grenzenloses Beschäftigungsverbot für Geduldete vor, deren Asylantrag nach § 29a AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Eine zeitliche Beschränkung auf im Asylverfahren befindliche Schutzsuchende aus den sogenannten sicheren Herkunftsstaaten war darin noch nicht vorgesehen. Erst im Zuge des bereits genannten Asylgipfels vom 24. September 2015 wurde ersichtlich unter Einfluss insbesondere der SPD-regierten Länder die Stichtagsregelung geschaffen, die später Gesetz geworden ist. Die dort gewählte, im politischen Kompromiss gefundene Formulierung („Für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten, die ab dem 1. September 2015 einen Asylantrag gestellt haben, wird ein Beschäftigungsverbot eingeführt. Dies gilt während des Asylverfahrens und wenn der Asylantrag abgelehnt ist.“, s. Ergebnisprotokoll der Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder zur Asyl- und Flüchtlingspolitik am 24. September 2015, S. 4) wurde ohne inhaltliche Änderung in den Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD vom 29. September 2015 (BT-Drs. 18/6185), dort § 61 Abs. 2 Satz 4 AsylG und § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG, überführt. Die knappe zur Verfügung stehende Zeit für die gesetzestechnische Umsetzung der Ergebnisse des Asylgipfels führte zu der schlichten Übernahme des Wortlauts des Ergebnisprotokolls in die Gesetzesbegründung, mithin einer wortkargen Begründung zu § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG (vgl. BT-Drs. 18/6185, S. 51), ohne dass hierin eine juristisch exakte Klarstellung der Wendung „gestellter Asylantrag“ erfolgt und der gewählte Stichtag sachlich begründet wird: „Für Geduldete aus sicheren Herkunftsstaaten, deren ab dem 1. September 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt wurde, wird ein Beschäftigungsverbot eingeführt.“ Auch die Begründung zu § 61 AsylG (BT-Drs. 18/6185, S. 34) leidet an diesem Mangel. Es heißt hier in Übernahme des Ergebnisses des Asylgipfels schlicht: „Mit dem angefügten Satz wird für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten, die ab dem 1. September 2015 einen Asylantrag gestellt haben, ein über § 61 hinausreichendes Beschäftigungsverbot während des Asylverfahrens eingeführt. Im Fall der Ablehnung des Asylantrags gilt die Versagungsregelung von § 60a Absatz 6 des Aufenthaltsgesetzes.“ Unter Berücksichtigung der Zielsetzung des Ergebnisses des Asylgipfels vom 24. September 2015 und des Gesetzentwurfs vom 29. September 2015, Fehlanreize für unberechtigte Asylanträge von Asylbewerbern aus den neuen sicheren Herkunftsstaaten zukünftig zu beseitigen, aber auch unter Beachtung des erst kurz zuvor erzielten Kompromisses der damaligen Großen Koalition zur Ausweitung von Beschäftigungsmöglichkeiten für Asylbewerber und Geduldete, die durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl. I, 1386) geschaffen und nicht wieder vollständig zurückgenommen werden sollten, kann es sich nach Auffassung der Kammer bei der sprachlichen Fassung von § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG und von § 61 Abs. 2 Satz 4 AsylG nur um eine – wie ausgeführt auch an anderen Stellen im Asylgesetz und Aufenthaltsgesetz unterlaufene – Ungenauigkeit handeln; der Gesetzesklarheit wäre es dienlich gewesen, von vornherein ausdrücklich auf das Datum der Äußerung des Asylgesuchs abzustellen. Insoweit ist die ursprüngliche Erlasslage in Niedersachsen vom zutreffenden Normverständnis wie von der Normgenese informiert gewesen und widersprach nach Auffassung der Kammer gerade nicht der Gesetzeslage (so aber Nds. OVG, Beschl. v. 08.12.2016 - 8 ME 183/16 -, juris Rn. 7).

Systematische Gründe sprechen ebenfalls dafür, den Anwendungsbereich des § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG eng zu fassen. Die Regelung ist ein durch das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz neu eingeführtes Beschäftigungsverbot, während § 60a Abs. 6 Satz 1 Nrn. 1 und 2 AufenthG aus § 33 BeschV a.F. hervorgegangen sind. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis hinsichtlich des Zugangs von Geduldeten zum Arbeitsmarkt ergibt sich auch nach dem Inkrafttreten des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes aus § 32 BeschV. Auch das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz hat die Grundaussage des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl. I, 1386) nicht beseitigt, nach der gut integrierte Geduldete (auch bei fehlendem rechtmäßigen Aufenthalt) grundsätzlich unabhängig von ihrer Herkunft oder Staatsangehörigkeit weitestgehend Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten sollen. Vielmehr zeigt sich auch im Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz das widerstreitende Interesse an der Eindämmung der Zuwanderung über das Asylverfahren einerseits und der Einbeziehung von Schutzsuchenden in den Arbeitsmarkt andererseits. § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG stellt sich in diesem Gefüge als eine Ausnahmevorschrift dar; sie ist damit eng auszulegen (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.02.1956 - V C 169.54 -, juris Rn. 17 a. E.).

Der Regelungszusammenhang mit der Beschäftigungsverordnung führt zu einem weiteren systematischen Argument für das Verständnis der Wendung „gestellter Asylantrag“ als Nachsuchen um Asyl im Sinne des § 13 AsylG. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg weist in seiner Entscheidung vom 9. Oktober 2017 (- 11 S 2090/17 -, juris Rn. 9) zutreffend auf das Zusammenspiel des Beschäftigungsverbots in § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG, § 61 Abs. 2 Satz 4 AsylG mit § 26 Abs. 2 BeschV hin, der mit dem Asylpaket I ebenfalls neu gefasst wurde. Nach § 26 Abs. 2 BeschV können für Staatsangehörige von Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Serbien in den Jahren 2016 bis einschließlich 2020 Zustimmungen zur Ausübung jeder Beschäftigung erteilt werden. Die Zustimmung darf allerdings nur erteilt werden, wenn der Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels bei der jeweils zuständigen deutschen Auslandsvertretung im Herkunftsstaat gestellt wurde. Die Zustimmung darf nicht erteilt werden, wenn der Antragsteller in den letzten 24 Monaten vor Antragstellung Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bezogen hat. Letzteres gilt nicht für die – insoweit privilegierten – Antragsteller, die nach dem 1. Januar 2015 und vor dem 24. Oktober 2015 einen Asylantrag gestellt haben, sich am 24. Oktober 2015 gestattet, mit einer Duldung oder als Ausreisepflichtige im Bundesgebiet aufgehalten haben und unverzüglich ausreisen (§ 26 Abs. 2 Satz 3 BeschV). Der Verwaltungsgerichtshof macht richtigerweise eine willkürliche Benachteiligung von Schutzsuchenden aus den sicheren Herkunftsstaaten aus, wenn der Begriff des Asylantrags in § 26 Abs. 2 Satz 3 BeschV im Sinne des förmlich gestellten Antrags verstanden würde: Diejenigen Schutzsuchenden aus den sicheren Herkunftsstaaten, die zwischen dem 1. Januar und 23. Oktober 2015 nur ein Asylgesuch eingereicht hätten und aufgrund der herrschenden Umstände keinen förmlichen Asylantrag stellen konnten, wären von der Privilegierung durch § 26 Abs. 2 Satz 3 BeschV ausgeschlossen, den alle anderen genössen, deren Verfahren weiter fortgeschritten gewesen seien. Sie würden zugleich aber vom Beschäftigungsverbot aus § 61 Abs. 2 Satz 4 AsylG, § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG getroffen, wenn man bei der Anwendung dieser Vorschriften ebenfalls auf den förmlichen Asylantrag abstellte und diejenigen in den Blick nähme, die bis zum 31. August 2015 keine Gelegenheit hatten, einen förmlichen Asylantrag zu stellen. Demgegenüber besteht dann, wenn man jeweils auf das Datum des Asylgesuchs abstellt, keine willkürliche Benachteiligung von Schutzsuchenden aus den neuen sicheren Herkunftsstaaten. Betroffen vom Beschäftigungsverbot sind nach dieser Auslegung nur diejenigen, die ab dem 1. September 2015 ein Asylgesuch geäußert haben; ihnen steht dann aber noch die privilegierte Arbeitsmigration aus ihrem Heimatland offen, wenn sie bis zum 24. Oktober 2015 das Asylgesuch geäußert und sich im Bundesgebiet aufgehalten haben und unverzüglich ausgereist sind. Nur in dieser Auslegung ist der Normzusammenhang von § 61 Abs. 2 Satz 4 AsylG, § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG und § 26 Abs. 2 BeschV in sich schlüssig und widerspruchsfrei.

dd.

Die Voraussetzungen der weiteren Ausschlussgründe für die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis liegen ebenfalls nicht vor.

Ein Beschäftigungsverbot zu Lasten des Klägers ergibt sich nicht aus § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Danach darf einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen. Das Verbot der Erwerbstätigkeit nach § 60a Abs. 6 SatzNr. 1 ist unter derselben Voraussetzung wie eine Anspruchseinschränkung nach § 1 a Nr. 1 AsylbLG möglich, so dass auf die hierzu in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden kann (Kluth/Breidenbach in: BeckOK Ausländerrecht, Kluth/Heusch, 20. Ed. Stand 01.11.2018, AufenthG, § 60a Rn. 52). Eine Einreise ins Bundesgebiet zum Zwecke des Bezugs von Sozialhilfe ist dann anzunehmen, wenn der Wille, Sozialhilfe zu erlangen, der einzige Einreisegrund war, aber auch, wenn die Einreise des Ausländers auf verschiedenen Motiven beruhte, der Zweck der Inanspruchnahme von Sozialhilfe für den Einreiseentschluss aber von prägender Bedeutung war (Hailbronner, Ausländerrecht, Bd. 2, 102. Nachl., Stand Mai 2017, § 60a Rn. 131; VG Cottbus, Beschl. v. 24.05.2017 - 4 L 244/17 -, juris Rn. 31). Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 04.06.1992 - 5 C 22.87 -, BVerwGE 90, 212 Rn. 11) zum inzwischen außer Kraft getretenen § 120 BSHG jedenfalls dann der Fall, wenn das Asylbegehren des Ausländers nicht ernstgemeint, sondern vorgeschoben sei, um Sozialhilfe zu erlangen.

Dass dies hier der Fall ist, ergibt sich nicht aus den beigezogenen Verwaltungsvorgängen der Beklagten und des Bundesamtes. Der Kläger hat vielmehr seine Einreise in seiner Anhörung durch das Bundesamt am 18. Januar 2016 (BA 002, Bl. 53 ff.) damit begründet, dass er im Kosovo die medizinische Versorgung seines am Down-Syndrom leidenden Sohnes H. nicht sicherstellen könne, obwohl er die Geldmittel für die Versorgung auch mithilfe seiner Familie habe aufbringen können. Auch gehe es seiner Frau nach einem Schlaganfall, durch den sie auf dem linken Auge nahezu erblindet sei, schlecht. Dazu lebten seine vier älteren Kinder seit Jahren in Deutschland; mit diesen bestünden Besuchskontakte. Dem Kläger ging es nach seinen eigenen Angaben um die medizinische Versorgung der Mitglieder seiner Kernfamilie und – nachrangig – um den Beistand bei deren Versorgung durch seine erwachsenen Kinder. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger diese medizinische Versorgung durch Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erzielen wollte. Dass der Kläger selbst arbeitsfähig und -willig ist und eine sozialversicherungspflichtige Arbeit ausführen möchte, hat er bereits unter Beweis gestellt.

Soweit die Beklagte anführt, es sei auch der Ausschlussgrund des § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG erfüllt, weil der Kläger keine Bemühungen zeige, für seinen noch minderjährigen Sohn einen Nationalpass zu beschaffen, ist dieser Umstand nicht kausal für die Duldung des Klägers. Ob die Beklagte für den Sohn H. ein Laissez Passer beschaffen könnte, kann offenbleiben. Denn jedenfalls die aufgrund des Gutachtens des Sozialpsychiatrischen Dienstes der Beklagten vom 15. Februar 2017 (BA 003, Bl. 73) festgestellte Reiseunfähigkeit der Ehefrau des Klägers stellt einen mindestens weiteren Grund dar, den Kläger nicht abzuschieben, den dieser nicht zu vertreten hat.

c.

Die Erteilung der Beschäftigungserlaubnis steht im Ermessen der Ausländerbehörde, welches, da die Bundesagentur für Arbeit hier der Beschäftigung des Klägers zugestimmt hat, nicht an arbeitsmarktpolitischen, sondern allein an einwanderungspolitischen Erwägungen auszurichten ist (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 14.12.2018 - 13 ME 480/18 -, juris Rn. 12 unter Bezugnahme auf Hamburgisches OVG, Beschl. v. 5.9.2017 – 1 Bs 175/17 -, juris Rn. 23). Die Beklagte hat dabei ihr Ermessen an dem sie bindenden Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport gemäß E-Mail vom 13. März 2017 u.a. über den Arbeitsmarktzugang von Asylsuchenden und geduldeten Personen auszurichten, der der Kammer vorliegt. Danach ist das eröffnete Ermessen bei der Entscheidung über den Arbeitsmarktzugang dieses Personenkreises in der Regel zu Gunsten eines Beschäftigungszugangs auszuüben. Gründe für die Annahme, das Ermessen der Beklagten sei im vorliegenden Fall wegen des Grundsatzes der Selbstbindung der Verwaltung auf Null reduziert, konnte die Kammer nicht feststellen; sie war daher gehindert, dem Antrag in der Hauptsache stattzugeben. Der Hilfsantrag hat hingegen Erfolg, da die Beklagte im angefochtenen Bescheid das ihr zustehende Ermessen nicht ausgeübt hat; es liegt insoweit ein Ermessensausfall vor.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Berufung ist gemäß § 124 Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3, Nr. 4 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache sowie wegen Abweichung von den Entscheidungen des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 8. Dezember 2016 - 8 ME 183/16 -, vom 30. August 2018 - 13 ME 298/18 - und vom 19. September 2018 - 13 ME 355/18 - in der im vorliegenden Fall entscheidungserheblichen Frage der Auslegung des Begriffs der Asylantragstellung in § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG zuzulassen.