Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 09.08.2018, Az.: 2 A 297/15
auswärtig; Bedarfsplan; Förderung; Institutionelle Förderung; Kindergarten; Kindertagesstättenbedarfsplan; Planung; Planungsverantwortung
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 09.08.2018
- Aktenzeichen
- 2 A 297/15
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2018, 74350
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- KJHGAG ND
- § 13 KTagStG ND
- § 74a SGB 8
- § 79 SGB 8
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Eine Kindertagesstätte, die mit allen Plätzen im Bedarfsplan des gebietszuständigen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe geführt wird, kann nicht verlangen, zugleich in den Bedarfsplan eines auswärtigen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe aufgenommen zu werden.
Einem Anspruch auf Aufnahme in den Kindertagesstättenbedarfsplan eines auswärtigen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe steht auch entgegen, dass die dort wohnenden Kinder die Kindertagesstätte nicht in planbarer Größe besuchen oder nachfragen. In dieser Konstellation kann der auswärtige Träger der öffentlichen Jugendhilfe zudem ermessensfehlerfrei eine finanzielle Förderung jenseits seiner Bedarfsplanung ablehnen.
Tatbestand:
Der Kläger ist Träger der freien Jugendhilfe und betreibt im Gebiet der Stadt E. einen Kindergarten, seit 2014 mit angeschlossener Krippe. Hierfür begehrt er von dem beklagten Landkreis dem Grunde nach eine institutionelle Förderung.
Die Einrichtung wird als Verein in Eltern-Eigeninitiative betrieben. Das pädagogische Konzept hebt hervor, es sei beabsichtigt, die Kinder so zu begleiten, dass sie befähigt seien, Glück zu empfinden, sich selbst bewusst zu sein und sich gestaltend in die Umwelt einzubringen. Ausgangspunkt dafür seien die individuellen Bedürfnisse und Empfindungen des einzelnen Kindes. Die pädagogische Arbeit sei beeinflusst von der Kibbuz-Erziehung in Israel, der antiautoritären basisdemokratischen Bewegung der 1960er und 70er Jahre und der norditalienischen Reggio-Pädagogik. Erkenntnisse der Entwicklungspsychologie würden ebenso in die Arbeit einfließen wie Ansätze der Theater- und Umweltpädagogik. Außerdem würden die Betreuerinnen und Betreuer mit den Kindern im freien Rollenspiel spielen.
Der Kindergarten verfügt über zwei Gruppen mit je 23 Plätzen, die Krippe über eine Gruppe mit 15 Plätzen. Die Kindertagesstätte ist mit allen Plätzen in den entsprechenden Bedarfsplan der Stadt E. aufgenommen. Sie ist nicht in einem Kindertagesstättenbedarfsplan des Beklagten enthalten. Finanziert wird sie durch einen Leistungs- und Budgetvertrag mit der Stadt E., Finanzhilfen des Landes für Personalausgaben und Elternbeiträge bzw. – da die Elternbeiträge nach Einkommen gestaffelt sind – ersatzweise Landesmittel, die vom Träger der Jugendhilfe aufgestockt werden. Die Stadt E. leistet einen Zuschuss nur für Plätze, die tatsächlich von Kindern aus ihrem Bezirk belegt sind, nicht für unbesetzte oder von Kindern aus dem Landkreis in Anspruch genommene Plätze. Frei blieben Plätze in der Vergangenheit nur in Einzelfällen, beispielsweise wenn ein Kind wegzog.
Die Kindertagesstätte des Klägers nahm in den letzten Jahren aus dem Bezirk des Beklagten keine Kinder neu auf, weil sie insoweit die Finanzierung als nicht gesichert ansah. Angefragt wurden Plätze für etwa drei Kinder pro Jahr von Eltern aus dem Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Aktuell werden zwei Kinder aus dem Bezirk des Beklagten betreut, die in der Gemeinde L. wohnen. Für diese Plätze zahlt die kreisangehörige Wohnsitzgemeinde einen Zuschuss. Beide Kinder wurden aufgenommen, als sie noch im Zuständigkeitsbereich der Stadt E. wohnten. Sie sind später in die Landkreisgemeinde verzogen, der nicht ausreichend Betreuungsplätze zur Verfügung standen bzw. stehen.
Der Beklagte hat seine Kindertagesstättenbedarfsplanung mit Wirkung zum 01.01.2018 grundlegend geändert. Bis Ende des Jahres 2017 galt zwischen dem beklagten Landkreis und den kreisangehörigen Gemeinden und Samtgemeinden für die Wahrnehmung von Aufgaben nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung aus dem Jahr 1994, ergänzt 2006. Auf dieser Grundlage ging der Beklagte bei der Ermittlung des „Bedarfs“ an Kindertagesstätten so vor, dass er die vorhandenen Krippen- und Kindergartenplätze und den Bedarf dafür durch die kreisangehörigen Gemeinden und Samtgemeinden in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich ermitteln und sich berichten ließ. Einheitliche Vorgaben für die Bestands- und Bedarfsermittlung gab es nicht. Die gemeldeten Daten fasste der Beklagte für den gesamten Landkreis tabellarisch zusammen. Im Jahr 2015 führte der Niedersächsische Landesrechnungshof in 30 Landkreisen eine überörtliche Kommunalprüfung zur Planung der Versorgung mit Kindertagesstättenplätzen durch. Dabei beanstandete er auch die Planung des Beklagten. Laut Prüfungsmitteilung vom 08.12.2015 stelle der Beklagte lediglich das vorhandene Angebot fest, nicht aber den Bedarf an Plätzen. Mit Wirkung zum 01.01.2018 schloss der Beklagte mit seinen kreisangehörigen Gemeinden und Samtgemeinden eine neue Vereinbarung über die Wahrnehmung von Aufgaben im Zusammenhang mit der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen. An den Kosten für die Förderung in den Tageseinrichtungen im Landkreis beteiligt er sich jährlich mit einer festen Summe. Infolge dieser Vereinbarung erstellte der Beklagte einen Leitfaden zu der Planung der Kindertagesbetreuung. Er definiert nunmehr einheitliche Standards für die Feststellung des Bestands und des Bedarfs an Plätzen. Die auf dieser Grundlage von den Gemeinden gemeldeten Daten für das Jahr 2018 hat der Beklagte bislang nicht ausgewertet.
Mit Schreiben vom 03.09.2013, eingegangen am 16.09.2013, beantragte der Kläger bei dem Beklagten, ihn in den Kindertagesstättenbedarfsplan aufzunehmen und institutionell zu fördern.
Nach Einholung einer Stellungnahme seiner Fachberaterin für Kindertagesstätten zum pädagogischen Konzept des Klägers für den Kindergarten und die Krippe lehnte der Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 11.11.2015, abgesandt am selben Tag, ab. Zur Begründung gab er an, nach pflichtgemäßem Ermessen habe er entschieden, die Kindertagesstätte nicht in die Bedarfsplanung aufzunehmen und zu fördern. Bei der Entscheidung nach Art. 3 Abs. 1 GG habe er - der Beklagte - im wesentlichen dieselben Gesichtspunkte berücksichtigt, die im Rahmen des § 74 SGB VIII zu beachten gewesen seien. Er habe seine Bedarfsplanung darauf ausgerichtet, allen Kindern aus dem Kreisgebiet, die einen Anspruch auf einen Kindergarten- oder Krippenplatz hätten, möglichst ortsnah eine Regelbetreuung zu ermöglichen. Zusätzliche Bedarfe würden ortsnah gesteuert. Die Aufnahme der Einrichtung des Klägers in die Bedarfsplanung würde zu einer Überversorgung im Kindergartenbereich führen. Der Bedarf sei gedeckt. Außerdem bestehe kein Anspruch auf eine bestimmte Grundrichtung der Erziehung. Das pädagogische Konzept des Klägers zeichne sich insbesondere durch den großen Freiraum der Kinder im sogenannten Freispiel durch eine individuelle Gestaltung des Mitspielens der Betreuerinnen und Betreuer aus, außerdem durch die hohe Elternbeteiligung und deren Eigeninitiative. Projekte in der Kindertagesbetreuung würden durch das Engagement der Eltern jedoch in vielen Einrichtungen im Landkreis umgesetzt. Wichtig sei, eine möglichst große Vielfalt an Betreuungsformen unterschiedlicher konzeptioneller Ausrichtungen vorzuhalten - und dies nahe am Betreuungsbedarf der Familien. Diese Vielfalt werde im Landkreis über ein möglichst großes Spektrum unterschiedlicher Träger gewährleistet. Die im Konzept des Klägers beschriebenen besonderen Herangehensweisen würden sich vielerorts unterschiedlich gewichtet wiederfinden. Die institutionelle Förderung einer Kindertagesstätte setze ferner eine regelmäßige Nachfrage nach Plätzen in einer nicht zu vernachlässigenden Größenordnung voraus. Diese sei vorliegend nicht gegeben, weil die im Stadtgebiet liegende Kindertagesstätte des Klägers im Kindergartenjahr 2015/2016 nur von einem Kind aus dem Landkreis (aus der Gemeinde M.) besucht werde. Insoweit bestehe zwischen dieser Gemeinde und der Stadt E. eine Übereinkunft zur Übernahme der Kosten. Es sei ferner nicht erkennbar, dass eine erhebliche Anzahl von Kindern die Aufnahme in die Kindertagesstätte des Klägers anstrebe.
Dagegen hat der Kläger am 14.12.2015 fristgerecht Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, der Beklagte habe die Besonderheiten seines pädagogischen Konzepts nicht hinreichend berücksichtigt. Eltern würden die Entscheidung für seine Kindertagesstätte aus pädagogischen und weltanschaulichen Gründen treffen, die Wohnortnähe sei weniger entscheidend. Dass es im Landkreis vielfältige Konzepte gebe, die Elemente seines Konzeptes enthielten, habe der Beklagte nicht belegt. Er verfüge allenfalls über mengenmäßige Informationen zu den Platzangeboten der Krippen und Kindergärten, habe jedoch keine Informationen hinsichtlich der jeweiligen pädagogischen Ausrichtung. Da er die Bedarfsplanung in der Vergangenheit zu Unrecht allein seinen kreisangehörigen Gemeinden überlassen habe, sei die Ablehnung des Förderantrags ermessensfehlerhaft. Dass im Bezirk des Beklagten durch die Aufnahme des klägerischen Kindergartens eine Überversorgung eintrete, bestreite er mit Nichtwissen. Hingegen bestehe im Gebiet der Stadt E. aktuell eine Überversorgung an Kindergartenplätzen (100,7%). Zudem hänge eine institutionelle Förderung nicht von der Anzahl der Kinder ab, die die Kindertagesstätte besuchen würden. Sie müsse vielmehr bereits dann erfolgen, wenn ein Bedarf möglich erscheine. Fehle eine institutionelle Förderung, könnten viele Eltern nicht die hohen monatlichen Kosten auf sich nehmen und ihr Kind in die gewünschte Einrichtung schicken. Schließlich vermute er – der Kläger –, dass es einen gemeinsamen Fördertopf des Beklagten und der Stadt E. gebe. Es spreche daher nichts gegen eine Förderung von Plätzen für Landkreiskinder durch den Beklagten.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheids vom 11.11.2015 zu verpflichten, ihn in Zukunft in einen Kindertagesstättenbedarfsplan aufzunehmen und institutionell zu fördern.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf seinen Bescheid und trägt ergänzend vor, seine Fachberaterin für Kindertagesstätten, auf deren Einschätzung der Bescheid basiere, habe einen Überblick über die in seinem Zuständigkeitsbereich vorhandenen Kindertagesstättenkonzepte. Zudem sei seine bisherige Praxis, sich der Planungen der kreisangehörigen Gemeinden zu bedienen und sich diese zu eigen zu machen, nicht zu beanstanden. Der Empfehlung des Landesrechnungshofs, verbindliche Standards zu setzen sowie die Ergebnisse der gemeindlichen Planungen zusammenzuführen und zu plausibilisieren, komme er ab dem Jahr 2018 nach. In Einzelfällen, in denen Kinder aus dem Landkreis aus besonderen Gründen die Kindertagesstätte des Klägers besuchten, zahlten die kreisangehörigen Wohnsitzgemeinden dafür. Im Übrigen habe er Kindergärten und Krippen, die nicht auch Teil der gemeindlichen Planungen gewesen seien, bislang nicht gefördert.
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (BA 001-005) Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat (I.) keinen Anspruch auf zukünftige Aufnahme in den Bedarfsplan des Beklagten, er hat ferner (II.) keinen Anspruch auf anderweitige institutionelle Förderung seiner Kindertagesstätte (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der dieses Begehren ablehnende Bescheid vom 11.11.2015 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Maßgeblich ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung.
I.
Der Kläger kann keine Aufnahme in den zukünftigen Kindertagesstättenbedarfsplan des Beklagten oder ermessensfehlerfreie Neuentscheidung darüber unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verlangen.
Gemäß § 13 Abs. 1 des niedersächsischen Gesetzes über Tageseinrichtungen für Kinder (KiTaG) stellen die örtlichen Träger das vorhandene Angebot an Plätzen in u.a. Krippen und Kindergärten sowie den entsprechenden Bedarf an Plätzen in diesen Einrichtungen für die nächsten sechs Jahre fest. Die Bedarfszahlen sind jährlich fortzuschreiben. Bei der Feststellung des Bedarfs ist eine möglichst ortsnahe Versorgung anzustreben. Zum Verfahren enthält § 13 Abs. 2 bis 6 KiTaG weitere Vorgaben. Beispielsweise sind bei der Planung der Ausgestaltung des Angebots die Träger der freien Jugendhilfe zu beteiligen (Abs. 5, 1. Hs.).
Örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe sind die Landkreise und kreisfreien Städte (§ 1 Abs. 1 des Ausführungsgesetzes zum Achten Buch des Sozialgesetzbuchs - Nds. AG SGB VIII). Sie haben nach Maßgabe des § 80 SGB VIII die Jugendhilfeplanung zu erstellen und fortzuschreiben (§ 1 Abs. 3 Nds. AG SGB VIII) und tragen die Gesamtverantwortung (§ 79 Abs. 1 SGB VIII i.V.m. § 13 Abs. 3 Nds. AG SGB VIII). Die Kindertagesstättenplanung ist eine besondere Art der Jugendhilfeplanung. Für den Zuständigkeitsbereich des Beklagten ist zu berücksichtigen, dass er grundsätzlich nicht für das Gebiet der Stadt E. zuständig ist. Sie wird wie eine kreisfreie Stadt behandelt (§ 16 Abs. 2 Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz - NKomVG).
Allerdings endet die Planungs- und Förderungsverantwortung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe nicht an der Kreis- oder Stadtgrenze. Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist zwar nur für die Kinder mit gesetzlichem Anspruch auf einen Kindergartenplatz verantwortlich, die in seinem Gebiet ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, er ist es aber auch dann, wenn sie eine Tageseinrichtung jenseits der Grenze seines Gebiets besuchen, weil sie zum Beispiel ortsnäher ist als die nächstgelegene Einrichtung mit der gewünschten Erziehungsrichtung innerhalb seines Gebiets. Voraussetzung für eine grenzüberschreitende Planung ist allerdings, dass eine Zahl von Kindern in „planbarer Größe“ Einrichtungen jenseits der Grenze besuchen. Eine solche „planbare Größe“ ist nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts jedenfalls dann gegeben, wenn regelmäßig (Jahr für Jahr) 20 bis 25 Kinder, also in Gruppengröße, aus dem Gebiet des einen Trägers eine Einrichtung im benachbarten Gebiet eines anderen Trägers besuchen (Nds. OVG, Urteil vom 17.05.2000 – 4 L 869/00 –, juris, Rn. 16).
Bei der Bedarfsermittlung hat der Jugendhilfeträger als Ausprägung des allgemeinen Wunsch- und Wahlrechts (§ 5 Abs. 1 SGB VIII) die Wünsche, Bedürfnisse und Interessen der jungen Menschen und deren Personensorgeberechtigten zu berücksichtigen (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII). Dies setzt eine regelmäßige Nachfrage nach Kindergartenplätzen in einer nicht zu vernachlässigenden Größenordnung voraus. Eine zukunftsorientierte Planung des Kindergartenbedarfs ist auf gesicherter Grundlage nur möglich, wenn aufgrund einer zeitlichen und zahlenmäßigen Verfestigung der Nachfrage erkennbar ist, dass es sich bei dem Bedürfnis nach einer Erziehung in einer besonderen pädagogischen Grundrichtung nicht nur um ein flüchtiges Interesse („Modeerscheinung“) handelt, sondern um einen ernsthaften und bestimmten Wunsch eines zahlenmäßig nicht zu vernachlässigenden Teils der Berechtigten (VG Oldenburg, Urteil vom 06.08.2010 – 13 A 2512/08 –, juris, Rn. 30).
Diese Grundsätze gelten auch für das Verhältnis zwischen dem beklagten Landkreis und der Stadt E..
Für Krippen- und Kindergartenplätze, die in der Kindertagesstättenbedarfsplanung enthalten sind, besteht dem Grunde nach ein Anspruch auf institutionelle Förderung (Nds. OVG, Urteil vom 07.02.2006 – 4 LB 389/02 –, juris, Rn. 38; Kern, in: Schellhorn u.a., SGB VIII Kinder- und Jugendhilfe, 5. Aufl. 2017, § 80 Rn. 7).
Den Bedarf an Plätzen in Krippen und Kindergärten wird der Beklagte erstmals im Jahr 2018 feststellen. Bisher hatte er dies ausweislich der Prüfungsmitteilung des Niedersächsischen Landesrechnungshofs vom 08.12.2015 (N. sowie Anlage 1) nicht getan. Vielmehr hatte er sich auf die von den Gemeinden gemeldeten Bedarfe verlassen und die gemeldeten Daten nicht auf ihre Plausibilität geprüft (O.). Wie der Beklagte in seinem „Leitfaden zur Planung der Kindertagesbetreuung im Landkreis“ (S. 2) selbst ausführt, fehlte es bis zum Jahr 2018 an einer systematischen Erhebung und Zusammenfassung der Bedarfe.
Ein Anspruch des Klägers auf Aufnahme in den für das Jahr 2018 noch zu erstellenden Kindertagesstättenbedarfsplan des Beklagten oder ermessensfehlerfreie Neuentscheidung scheidet vorliegend aus zwei jeweils selbstständig tragenden Gründen aus.
1. Der Aufnahme der Einrichtung des Klägers – mit wie vielen Plätzen auch immer – in den Kindertagesstättenbedarfsplan des beklagten Landkreises steht bereits entgegen, dass sie mit allen Plätzen in den Kindertagesstättenbedarfsplan der Stadt E. aufgenommen ist. Es ist auch nichts dafür vorgetragen oder ersichtlich, dass die klägerische Einrichtung künftig mit weniger Plätzen im Bedarfsplan der Stadt E. geführt werden könnte.
Ein und derselbe Kindertagesstättenplatz kann nicht in die Bedarfsplanung zweier verschiedener örtlicher Träger aufgenommen werden.
Die Kindertagesstättenplanung soll insbesondere sicherstellen, dass rechtzeitig ausreichend Kindergarten- und Krippenplätze zur Verfügung stehen, um den Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege (§ 24 Abs. 2 und 3 SGB VIII) zu erfüllen (vgl. § 79 Abs. 2 SGB VIII). Sie ist außerdem Grundlage für ein regional ausgeglichenes Angebot an Kindertagesstättenplätzen, ermöglicht eine Förderung aller Kinder im Vorschulalter, bietet mehr Chancengleichheit und fördert die Vereinbarkeit von Familie und Beruf (vgl. Prüfungsmitteilung des Landesrechnungshofs, S. 6).
Im Rahmen der Planungen stellen die örtlichen Träger das vorhandene Angebot an Plätzen in Krippen und Kindergärten fest (§ 13 Abs. 1 KiTaG). Ein örtlicher Träger, der einen Platz in seine Bedarfsplanung aufnimmt, der bereits andernorts als vorhandenes Angebot berücksichtigt ist, kann nicht mit hinreichender Sicherheit davon ausgehen, dass der Platz im Bedarfsfall einem Kind aus seinem Bezirk zur Verfügung steht. Eine Kindertagesstätte kann insgesamt nur so viele Plätze anbieten und an die örtlichen Träger melden, wie ihr zur Verfügung stehen. Wenn der Beklagte die Einrichtung des Klägers mit allen oder einigen Plätzen auch in seinen Bedarfsplan aufnehmen würde, könnte er dadurch nicht mit Gewissheit seine Verpflichtung aus § 24 Abs. 2 und 3 SGB VIII absichern (s.a. VG Oldenburg, Urteil vom 06.08.2010 – 13 A 2512/08 –, juris, Rn. 46). Damit würde der Hauptzweck der Bedarfsplanung verfehlt.
2. An dieser Einschätzung vermag auch die vom Kläger behauptete Überversorgung an Kindergartenplätzen im Gebiet der Stadt E. nichts zu ändern.
Selbst wenn die vom Kläger behauptete Überversorgung im Stadtgebiet von 100,7 % zutrifft, ist sie lediglich minimal. Zudem stellt die Zahl eine Momentaufnahme dar. Gewisse Schwankungen des Bedarfs sind üblich. Abgesehen davon konnten die Krippe und der Kindergarten des Klägers bisher grundsätzlich alle Plätze belegen, so dass sich die behauptete Überversorgung für ihn bisher nicht ausgewirkt hat. Dass ein Platz im laufenden Kindertagesstättenjahr beispielsweise durch Umzug des Kindes frei wird, stellt eine normale Fluktuation dar.
3. Darüber hinaus scheidet ein Anspruch des Klägers auf Aufnahme in den Kindertagesstättenbedarfsplan des Beklagten auch deshalb aus, weil keine Zahl von Landkreiskindern in planbarer Größe die im Gebiet der Stadt E. gelegene Einrichtung des Klägers besucht. Die diesbezügliche Feststellung des Beklagten im angefochtenen Bescheid erweist sich auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung als zutreffend.
Derzeit besuchen lediglich zwei Kinder aus dem Bezirk des Beklagten die Einrichtung des Klägers. Für sie besteht zusätzlich die Besonderheit, dass sie aufgenommen wurden, als sie noch im Stadtgebiet wohnten. Zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses im November 2015 wurde in der Tagesstätte des Klägers ein Landkreiskind aus der kreisangehörigen Gemeinde M. betreut. Auch in den Kindergartenjahren 2010/2011 und 2011/2012 besuchte ein Kind aus dem Landkreis (Gemeinde L.) die Einrichtung (vgl. Urteil der Kammer vom 24.11.2011 – 2 A 307/10 –).
Die Kammer folgt der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Oldenburg (Urteil vom 06.08.2010 – 13 A 2512/08 –, juris, Rn. 45, 30), wonach ein Besuch in „planbarer Größe“, eine „Nachfrage in einer nicht zu vernachlässigenden Größenordnung“ oder eine „anhaltende Nachfrage“ dann nicht vorliegen, wenn – wie hier – jährlich maximal drei Kinder aus dem Kreisgebiet betreut werden. In dieser Größenordnung handelt es sich um Einzelfälle, die vom Beklagten bzw. dessen kreisangehörigen Gemeinden und Samtgemeinden entsprechend bewältigt werden. Im Rahmen der landkreisweiten Kindertagesstättenplanung können diese Sonderfälle vernachlässigt werden.
Die Kammer braucht nicht zu entscheiden, ob statt des tatsächlichen Besuchs auch eine erfolglos gebliebene Nachfrage nach Plätzen für Kinder aus dem Landkreis den Beklagten verpflichten würde, die Kindertagesstätte des Klägers in seine Bedarfsplanung aufzunehmen. Denn auch eine Nachfrage lag bislang nicht in einer planbaren Größe vor. Nach den unbestrittenen Angaben des Klägers wurden in den letzten Jahren nur Plätze für etwa drei Kinder jährlich von Eltern aus dem Zuständigkeitsbereich des Beklagten angefragt. Damit ist keine planbare Größenordnung erreicht. Darüber hinaus ist der Vortrag des Klägers zu diesen Anfragen auch nicht hinreichend substantiiert, um sie als relevant einzustufen. Es ist nämlich nicht erkennbar, ob die anfragenden Eltern ihre Kinder ernsthaft und verbindlich in der Kindertagesstätte des Klägers anmelden wollten oder ob sie sich nur informatorisch nach freien Kapazitäten erkundigt haben.
4. Bei der derzeitigen Sachlage wäre daher jede andere Entscheidung als die Ablehnung der Aufnahme in den Bedarfsplan ermessensfehlerhaft.
II.
Dem Kläger steht ferner kein Anspruch auf institutionelle Förderung durch den Beklagten außerhalb der Bedarfsplanung oder diesbezügliche ermessensfehlerfreie Neuentscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu.
1. Zu Gunsten des Klägers geht die Kammer davon aus, dass er die institutionelle Förderung bezogen auf eine bestimmte Anzahl von Kindergartenplätzen für Landkreiskinder begehrt und keine Förderung der Kindertagesstätte „als Einheit“. Denn für die Förderung von Krippen und Kindergartenplätzen in einer außerhalb seines Gebietes gelegenen Kindertagesstätte ist der Beklagte zuständig, wenn er damit Kindern aus seinem Gebiet, die ihm gegenüber einen Anspruch nach § 24 Abs. 2 oder 3 SGB VIII haben, Plätze anbieten will (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.04.2002 – 5 C 18/01 –, BVerwGE 116, 226 = juris, Rn. 10-15). Die diesbezügliche Voraussetzung, dass sich die Betriebskosten kindergartenplatzbezogen errechnen lassen, ist erfüllt. Denn die Stadt E. zahlt einen Zuschuss nach einer bestimmten Berechnungsformel nur für tatsächlich von Stadtkindern in Anspruch genommene Plätze. Für eine Förderung der klägerischen Kindertagesstätte als Einheit wäre der Beklagte nach Auffassung der Kammer nicht zuständig, weil sie nicht in seinem Zuständigkeitsbereich liegt, sondern im Gebiet der Stadt E.. Mit dieser besteht ein Leistungs- und Budgetvertrag.
2. Ein Anspruch des Klägers auf institutionelle Förderung oder ermessensfehlerfreie Neuentscheidung über die Förderung folgt nicht aus § 74 SGB VIII. Denn insoweit besteht eine Sperrwirkung des Landesrechts.
Die mit Wirkung vom 01.01.2005 eingeführte Vorschrift des § 74a SGB VIII verweist für die Finanzierung von Tageseinrichtungen für Kinder auf entsprechende landesrechtliche Vorschriften. Tageseinrichtungen sind insbesondere Kindertagesstätten, die der Betreuung von Kindern bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres (Krippen), von der Vollendung des dritten Lebensjahres bis zur Einschulung (Kindergärten) und von der Einschulung bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres (Horte) dienen (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII und § 1 Abs. 2 KiTaG).
Die Förderung der Kindertagesstätten ist Aufgabe der öffentlichen Jugendhilfe und durch das Nds. AG SGB VIII und das KiTaG geregelt. Danach können die in § 15 Abs. 1 KiTaG genannten Träger und juristischen Personen einerseits Landesleistungen in Form von Zuschüssen für Personalausgaben (§ 16 KiTaG) sowie Investitionsförderung (§ 17 KiTaG) erhalten. Daneben können die örtlichen Träger der Jugendhilfe und die kreisangehörigen Gemeinden im Einvernehmen mit den Trägern (§ 13 Abs. 1 Nds. AG SGB VIII) Leistungen für Kindertagesstätten gewähren. Weder aus der Gesetzgebungsgeschichte zu § 74a SGB VIII noch den sonstigen Vorschriften des Gesetzes kann entnommen werden, dass die Förderansprüche nach § 74 SGB VIII entgegen dem eindeutigen Wortlaut des § 74a SGB VIII auch über den 01.01.2005 hinaus noch Anwendung finden sollen. Insoweit folgt die Kammer der ausführlichen Begründung des Verwaltungsgerichts Oldenburg (Urteil vom 06.08.2010 – 13 A 2512/08 –, juris, Rn. 17-27 m.w.N.), auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (ebenso: VG Stade, Urteil vom 28.02.2013 – 4 A 983/11 – V.n.b., UA S. 14 f.; Bayerischer VGH, Urteil vom 23.10.2013 – 12 BV 13.650 –, juris, Leitsatz und Rn. 24 f.; Kern, in: Schellhorn u.a., SGB VIII Kinder- und Jugendhilfe, 5. Aufl. 2017, § 74a Rn. 3 f. und 11, m.w.N.; a.A. ohne Begründung: VG Braunschweig, Urteil vom 15.04.2010 – 3 A 122/09 –, juris).
3. Greift danach § 74 SGB VIII unmittelbar nicht ein, kann sich der Kläger allein darauf berufen, dass seitens des Beklagten eine Förderpraxis betrieben wurde, die dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG widerspricht (vgl. VG Oldenburg, Urteil vom 06.08.2010 – 13 A 2512/08 –, juris, Rn. 28 unter Bezugnahme auf BVerwG, Urteil vom 21.01.2010 – 5 CN 1/09 –, juris, Rn. 21; VG Stade, Urteil vom 28.02.2013 – 4 A 983/11 – V.n.b., UA S. 15; Bayerischer VGH, Urteil vom 23.10.2013 – 12 BV 13.650 –, juris, Rn. 26).
Bei der Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes sind die Strukturentscheidung des Jugendhilferechts für ein plurales, bedarfsgerechtes Leistungsangebot und das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern zu beachten (BVerwG, Urteil vom 21.01.2010 – 5 CN 1/09 –, juris, Rn. 30 f.). Außerdem setzt die Förderung eine Jugendhilfeplanung nach § 80 SGB VIII nicht voraus. Liegt eine derartige Planung vor, ist sie Grundlage einer Förderungsentscheidung und bei der Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit zu berücksichtigen. Liegt eine Jugendhilfeplanung dagegen nicht vor, hindert das die Förderung nach § 74 SGB VIII nicht. Eine Förderungsentscheidung kann somit auf der Grundlage einer vorliegenden Jugendhilfeplanung, aber auch einzelfallbezogen getroffen werden (Nds. OVG, Urteil vom 07.02.2006 – 4 LB 389/02 –, Rn. 38; BVerwG, Urteil vom 25.04.2002 – 5 C 18/01 –, BVerwGE 116, 226 ff., Rn. 16; VG Braunschweig, Urteil vom 15.04.2010 – 3 A 122/09 –, Rn. 35; jeweils juris und unmittelbar zu § 74 SGB VIII).
Ein Anspruch des Klägers aus Art. 3 Abs. 1 GG auf Förderung außerhalb der Bedarfsplanung besteht nicht. Selbst wenn regelmäßig Kinder aus dem Landkreisgebiet in einer relevanten Größenordnung seine Kindertagesstätte besuchen würden, wäre dadurch das Ermessen des Beklagten nicht dahingehend gebunden, den Kläger institutionell fördern zu müssen (BVerwG, Urteil vom 25.04.2002 – 5 C 18/01 –, BVerwGE 116, 226 ff. = juris, Rn. 17; Nds. OVG, Urteil vom 07.02.2006 – 4 LB 389/02 –, juris, Rn. 49). Andere Anhaltspunkte für eine Ermessensreduzierung bestehen vorliegend nicht.
Ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Neuentscheidung über die Förderung außerhalb der Bedarfsplanung steht dem Kläger nicht zu, weil keine Anzahl von Kindern in „planbarer Größe“ aus dem Landkreisgebiet seine Kindertagesstätte besucht bzw. „anhaltend nachfragt“ (s.o.). Dies wäre jedoch Mindestvoraussetzung für einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Förderungsantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 07.02.2006 – 4 LB 389/02 –, juris, Rn. 50; BVerwG, Urteil vom 25.04.2002 – 5 C 18/01 –, BVerwGE 116, 226 ff. = juris, Rn. 26; im Parallelverfahren vorangehend: Nds. OVG, Urteil vom 17.05.2000 – 4 L 869/00 –, juris, Rn. 16). Für eine gleichheitswidrige Förderpraxis zum Nachteil des Klägers ist hier nichts ersichtlich. Wie im vorliegenden Verfahren vorgetragen und dem Gericht aus anderen Verfahren zu Kindertageseinrichtungen im Gebiet der Stadt E. bekannt ist, lässt der Beklagte durch seine kreisangehörigen Gemeinden durch individuelle Regelungen den monatlichen Betriebskostenzuschuss übernehmen, wenn besondere Gründe dafür anerkannt werden, dass Landkreiskinder Tageseinrichtungen im Stadtgebiet besuchen. Im Übrigen erfolgt keine Förderung. Diese Praxis steht nicht im Widerspruch zum allgemeinen Gleichheitssatz. Ihr entspricht es, dass aktuell auch für die beiden in der Einrichtung des Klägers betreuten Kinder aus L. der jeweilige Betriebskostenzuschuss übernommen wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gem. § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.