Staatsgerichtshof Niedersachsen
Beschl. v. 11.10.2006, Az.: StGH 2/06

Antragsbefugnis von Samtgemeinden; Antragsberechtigung von Samtgemeinden; Aufgaben im übertragenen Wirkungskreis; Einstweilige Anordnung; Garantie der kommunalen Selbstverwaltung; Kommunale Selbstverwaltung; Selbstverwaltungsgarantie; Übertragener Wirkungskreis

Bibliographie

Gericht
StGH Niedersachsen
Datum
11.10.2006
Aktenzeichen
StGH 2/06
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 53403
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.

Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe

A.

I.

Die Antragstellerinnen, zwei Samtgemeinden sowie acht ihrer Mitgliedsgemeinden, bestreiten mit einer bei dem Niedersächsischen Staatsgerichtshof anhängigen Kommunalverfassungsbeschwerde (StGH 1/06) die Vereinbarkeit des § 4 des Gesetzes zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung im Landkreis Lüchow-Dannenberg (Lüchow-Dannenberg-Gesetz) vom 23. Mai 2006 (Nds. GVBl. S. 215) mit Art. 57 NV. Die Vorschrift des § 4 Lüchow-Dannenberg-Gesetz sieht in ihrem ersten Absatz den Übergang der Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises der Mitgliedsgemeinden von den Samtgemeinden auf den Landkreis Lüchow-Dannenberg vor, soweit nicht Bundesrecht ausdrücklich die Zuständigkeit der Gemeinden bestimmt, und regelt in ihrem zweiten Absatz, dass die den bisherigen Samtgemeinden von ihren Mitgliedsgemeinden übertragenen Aufgaben des eigenen Wirkungskreises auch den nach § 1 Lüchow-DannenbergGesetz neu zu bildenden Samtgemeinden verbleiben. Im vorliegenden Verfahren beantragen die Antragstellerinnen den Erlass einer einstweiligen Anordnung, durch die der Vollzug des § 4 Lüchow-Dannenberg-Gesetz bis zur Entscheidung über die Kommunalverfassungsbeschwerde ausgesetzt werden soll.

 Zur Begründung führen die Antragstellerinnen im verfassungsgerichtlichen Hauptsacheverfahren aus, § 4 Lüchow-Dannenberg-Gesetz verstoße gegen Art. 57 Abs. 3 NV. Durch diese Verfassungsbestimmung seien die Gemeinden für die “gesamten öffentlichen Aufgaben“ und damit auch für die “staatlichen“ Aufgaben im Sinne des Art. 57 Abs. 4 NV zuständig. Dieses von Verfassungs wegen vorgesehene und vom Bundesverfassungsgericht für Art. 28 Abs. 2 GG bestätigte Aufgabenverteilungsprinzip zu Gunsten der Gemeinden werde durch § 4 Lüchow-Dannenberg-Gesetz verletzt. Gemeindliche Aufgaben dürften nur unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf eine höhere Verwaltungsebene übertragen werden. Die Voraussetzungen einer solchen “Hochzonung“ lägen hier nicht vor. Weder sei die Aufgabenübertragung auf den Landkreis geeignet, dessen Finanzprobleme zu lindern, noch sei die Aufgabenübertragung erforderlich. Es handele sich um einen weit reichenden Eingriff in die Garantie kommunaler Selbstverwaltung, der allenfalls zu geringfügigen Einsparungen führe und daher unangemessen sei. Es sei auch widersprüchlich, einerseits die Samtgemeindeebene durch den Zusammenschluss von Samtgemeinden gemäß § 1 Lüchow-DannenbergGesetz zu stärken, andererseits genau diese Ebene durch den Entzug von Aufgaben gemäß § 4 Lüchow-Dannenberg-Gesetz wieder zu schwächen. Zudem würden durch § 4 Lüchow-Dannenberg-Gesetz die Antragstellerinnen anders behandelt als alle anderen Gemeinden im Lande Niedersachsen, ohne dass für diese Ungleichbehandlung sachliche Gründe erkennbar seien.

§ 4 Lüchow-Dannenberg-Gesetz erfordere umfangreiche verwaltungsorganisatorische Maßnahmen. Werde der Vollzug dieser Vorschrift durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht bis zur Entscheidung des Staatsgerichtshofs in der Hauptsache ausgesetzt, sei in der Zwischenzeit die ordnungsgemäße Erfüllung der Verwaltungsaufgaben gefährdet. Denn dem Landkreis Lüchow-Dannenberg fehle das notwendige Personal, die auf ihn übergehenden Aufgaben wahrzunehmen. Von den mit der Erledigung dieser Aufgaben bisher betrauten Mitarbeitern der Samtgemeinden könne nicht verlangt werden, diese Aufgaben bis zum Erfolg der Antragstellerinnen in der Hauptsache bei dem Landkreis zu erfüllen. Den Bürgern der antragstellenden Gemeinden könne nicht zugemutet werden, für alltägliche Verwaltungsgeschäfte die Kreisverwaltung in Lüchow aufzusuchen. Würde bei einem Erfolg der Antragstellerinnen in der Hauptsache die ursprüngliche Kompetenzzuweisung auf die Samtgemeindeebene wieder aufleben, riefe dieses “Hin und Her“ von Verwaltungszuständigkeiten bei den Bürgern erhebliche Rechtsunsicherheit hervor.

II.

Der Staatsgerichtshof hat dem Niedersächsischen Landtag und der Niedersächsischen Landesregierung gemäß § 15 StGHG Gelegenheit gegeben, zu dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung Stellung zu nehmen. Der Landtag hat beschlossen, eine Stellungnahme nicht abzugeben. Die Landesregierung ist dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung entgegengetreten. Sie hat ausgeführt:

§ 4 Lüchow-Dannenberg-Gesetz werde sich im Hauptsacheverfahren als verfassungsgemäß erweisen. Art. 57 Abs. 3 NV gewährleiste den Gemeinden in gleicher Weise wie Art. 28 Abs. 2 GG lediglich die Aufgaben des eigenen, nicht aber die des übertragenen Wirkungskreises. Dies ergebe sich aus der Entstehungsgeschichte sowie aus dem systematischen Zusammenhang mit Art. 57 Abs. 4 NV, der ersichtlich von einem dualistischen Aufgabenmodell ausgehe und bei einem anderen Verständnis leer liefe. Selbst wenn man aber auch die Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises in die Garantie des Art. 57 Abs. 3 NV einbezöge, sei der dann durch § 4 Lüchow-DannenbergGesetz erfolgende Eingriff gerechtfertigt. Die von der regulären Aufgabenverteilung abweichende Sonderregelung für die Gemeinden im Landkreis Lüchow-Dannenberg sei durch die außergewöhnliche Situation dieses Landkreises gerechtfertigt. Diese werde gekennzeichnet durch eine geringe Einwohnerzahl bei großer Fläche und daher eine sehr niedrige Bevölkerungsdichte. Zugleich sei die Verwaltungsstruktur besonders kleinräumig und deshalb sehr kostenintensiv. Nur durch den Aufgabenübergang auf den Landkreis könnten die Verwaltungskosten dauerhaft gesenkt werden. Die Kommunalverfassungsbeschwerde verspreche daher keine Aussicht auf Erfolg, weshalb der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung schon aus diesem Grunde abgelehnt werden müsse. Im Übrigen träfe die Antragstellerinnen - wie jeden anderen Rechtsunterworfenen auch - lediglich das normale Vollzugsrisiko, das immer bei der Verabschiedung eines neuen Gesetzes bestehe. Dies allein rechtfertige aber nicht den Erlass einer einstweiligen Anordnung, weil andernfalls bei jeder gegen ein Gesetz gerichteten Kommunalverfassungsbeschwerde der Vollzug des Gesetzes bis zur Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen sei.

B.

I.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig. Der Staatsgerichtshof ist gemäß Art. 54 Nr. 5 NV i.V.m. §§ 8 Nr. 10, 36 StGHG zur Entscheidung in der Hauptsache berufen, ob § 4 Lüchow-Dannenberg-Gesetz mit Art. 57 NV vereinbar ist.

Die Antragstellerinnen haben beantragt, den Vollzug des § 4 Lüchow-DannenbergGesetz bis zur Entscheidung über die Kommunalverfassungsbeschwerde auszusetzen. Der Staatsgerichtshof versteht diesen Antrag in der Weise, dass er sich lediglich gegen § 4 Abs. 1 Lüchow-Dannenberg-Gesetz richtet, wonach der Übergang der Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises der Antragstellerinnen zu 2) bis 8) und 10) von den Antragstellerinnen zu 1) und 9) auf den Landkreis Lüchow-Dannenberg angeordnet wird. Denn § 4 Abs. 2 Lüchow-Dannenberg-Gesetz schreibt vor, dass die Aufgaben des eigenen Wirkungskreises von den gemäß § 1 Lüchow-Dannenberg-Gesetz neu zu bildenden Samtgemeinden Lüchow und Elbtalaue wahrgenommen werden. Es ist nicht ersichtlich, dass die Antragstellerinnen durch diese Übergangsregelung beeinträchtigt sein könnten. So haben auch die Antragstellerinnen in ihrem letzten Schriftsatz selbst betont, dass sich ihre Rechtsverfolgung ausschließlich gegen den sofortigen Übergang der Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises auf den Landkreis richte.

Sämtliche Antragstellerinnen sind antragsberechtigt. Die Antragsberechtigung bei der einstweiligen Anordnung bemisst sich nach der Beschwerdeberechtigung in der Hauptsache. Eine Kommunalverfassungsbeschwerde kann gemäß Art. 54 Nr. 5 NV, §§ 8 Nr. 10, 36 StGHG von “Gemeinden und Gemeindeverbänden“ erhoben werden. Die Antragstellerinnen zu 2) bis 8) als Mitgliedsgemeinden der Antragstellerin zu 1) sowie die Antragstellerin zu 10) als Mitgliedsgemeinde der Antragstellerin zu 9) sind geeignete Beschwerdeführerinnen einer kommunalen Verfassungsbeschwerde. Dasselbe gilt für die Antragstellerinnen zu 1) und 9), die als Samtgemeinden den Status eines Gemeindeverbandes i.S.d. Art. 54 Nr. 5 NV haben (vgl. Nds. StGHE 3, 199 (212)).

Sowohl die Antragstellerinnen zu 1) und 9) als auch die Antragstellerinnen zu 2) bis 8) und 10) sind antragsbefugt. Die Antragstellerinnen zu 1) und 9) sind Samtgemeinden, die bisher gemäß § 72 Abs. 2 Satz 1 NGO die Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises ihrer Mitgliedsgemeinden erfüllt haben. Durch den in § 4 Abs. 1 Lüchow-Dannenberg-Gesetz angeordneten Aufgabenübergang auf den Landkreis Lüchow-Dannenberg wird ihnen kraft Gesetzes die Zuständigkeit für diese Aufgabe entzogen. Die Antragstellerinnen zu 2) bis 8) und 10) sind Mitgliedsgemeinden von Samtgemeinden. Zwar nehmen sie schon nach der derzeitigen Rechtslage gemäß § 72 Abs. 2 Satz 1 NGO im Unterschied zu den nicht in Samtgemeinden zusammengeschlossenen (Einheits-)Gemeinden die Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises nicht mehr selbst wahr. Auf der anderen Seite macht es für eine Mitgliedsgemeinde durchaus einen Unterschied, ob die Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises von der Samtgemeinde wahrgenommen werden, auf deren Bildung und deren Organisation eine Mitgliedsgemeinde unmittelbar Einfluss nehmen kann (vgl. § 73 Abs. 2 NGO), oder ob die Wahrnehmung dieser Aufgaben dem Landkreis obliegt, gegenüber dem eine Mitgliedsgemeinde keine rechtlich gesicherten Einflussmöglichkeiten hat. Für die Antragstellerinnen zu 2) bis 8) und 10) ist es deshalb von Bedeutung, auf welcher ihnen übergeordneten Ebene die Aufgaben angesiedelt werden.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist jedoch nicht begründet. Nach § 12 Abs. 1 StGHG i.V.m. § 32 Abs. 1 BVerfGG kann der Staatsgerichtshof im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Wegen der meist weittragenden Folgen, die eine einstweilige Anordnung in einem verfassungsgerichtlichen Verfahren auslöst, ist - wie schon der Wortlaut des § 32 Abs. 1 BVerfGG ausweist - bei der Prüfung der Voraussetzungen ein strenger Maßstab anzulegen. Dieser Maßstab verschärft sich aus Achtung vor dem unmittelbar demokratisch legitimierten Gesetzgeber dann, wenn die Aussetzung des Vollzugs eines Gesetzes beantragt wird (st. Rspr.; vgl. BVerfGE 82, 310 (312 f.); LVerfGE 14, 175 (177)). Zwar ist selbst in einem solchen Fall der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht schlechthin ausgeschlossen, es bedarf aber besonders schwerwiegender Gründe, die den Erlass dringend geboten erscheinen lassen.

Bei der Entscheidung haben die Gründe, die die jeweiligen Antragsteller für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Vorschrift anführen, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben. Denn es wäre nicht angängig, den Erlass einer einstweiligen Anordnung von etwas Ungewissem, der summarischen Abschätzung der Erfolgschancen der Hauptsache, abhängig zu machen.

Für die Entscheidung kommt es deshalb in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, Urt. vom 10.7.1990, BVerfGE 82, 310; Beschl. vom 3.5.1994, BVerfGE 91, 70 [BVerfG 03.05.1994 - 2 BvR 2760/93]; Beschl. vom 26.3.2003, BVerfGE 108, 45 [BVerfG 26.03.2003 - 1 BvR 112/03]; Beschl. vom 25.1.2005, BVerfGE 112, 216 [BVerfG 25.01.2005 - 2 BvR 2185/04]) und der Verfassungsgerichte der anderen Länder (z.B. Bbg. VerfG, Urt. vom 22.12.1993, LVerfGE 1, 214; Beschl. vom 20.3.1997, LVerfGE 6, 101; Beschl. vom 19.6.2003, LVerfGE 14, 175; LVerfG LSA, Beschl. vom 24.7.2001, LVerfGE 12, 387; Thür. VerfG, Urt. vom 20.12.1997, LVerfGE 6, 373) auf eine Abwägung der Folgen an, die einträten, wenn die begehrte einstweilige Anordnung nicht erlassen würde, die Kommunalverfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entständen, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erginge, der Verfassungsbeschwerde der Erfolg aber versagt bliebe. Dabei muss das normale Vollzugsrisiko des angegriffenen Gesetzes freilich außer Betracht bleiben. Denn mit dem Vollzug von Gesetzen, die in die Aufgaben-, Personal- und Verwaltungsstruktur kommunaler Verwaltungen eingreifen, sind regelmäßig gewichtige finanzielle und organisatorische Folgen verbunden. Wenn sich ein solches Gesetz als verfassungswidrig erweist, wird der durch seinen vorausgegangenen Vollzug nutzlos vertane Aufwand zunächst fast immer nachteiliger erscheinen als ein vorübergehendes Hinausschieben des Vollzugs des Gesetzes. Würde die vor Erlass einer einstweiligen Anordnung vorzunehmende Abwägung dadurch bestimmt, wäre die Aussetzung des Vollzugs eines solchen Gesetzes praktisch die Regel. Die Berücksichtigung des Vollzugsrisikos im Rahmen der Folgenabwägung würde mithin der Verfassungsbeschwerde in diesen Fällen stets zu einem Suspensiveffekt verhelfen, den sowohl das Bundesverfassungsgerichtsgesetz als auch das Gesetz über den Staatsgerichtshof - im Unterschied etwa zu § 80 Abs. 1 VwGO - ersichtlich nicht gewollt haben. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 12 Abs. 1 StGHG i.V.m. § 32 Abs. 1 BVerfGG setzt deshalb ein erhebliches Mehr an Nachteilen voraus als die Abwendung des normalen Risikos, das der Vollzug eines mit der Kommunalverfassungsbeschwerde angegriffenen Gesetzes stets mit sich bringt (vgl. Nds. StGHE 1, 307 (315); 3, 128 (134)).

Schwerwiegende Nachteile, die über das normale Vollzugsrisiko des § 4 Abs. 1 Lüchow-Dannenberg-Gesetz hinausgehen und deswegen die Suspendierung dieser Bestimmung aus Gründen des Gemeinwohls unabweisbar geboten erscheinen lassen, haben die Antragstellerinnen nicht darlegen können. Solche Nachteile sind mit dem Vollzug dieser Vorschrift auch nicht verbunden.

Soweit die Antragstellerinnen geltend machen, der ordnungsgemäße Verwaltungsvollzug sei gefährdet, falls bis zur Entscheidung des Staatsgerichtshofs in der Hauptsache die Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises auf den Landkreis Lüchow-Dannenberg übergingen, beschreiben sie lediglich das normale Vollzugsrisiko, welches mit jedem Gesetz verbunden ist, das den Übergang von Verwaltungszuständigkeiten anordnet. Auch beim Vollzug anderer kompetenzverlagernder Gesetze können sowohl für die aufgabenabgebende als auch für die aufgabenaufnehmende Stelle zunächst Umstellungsschwierigkeiten entstehen, ohne dass dies schon die Aussetzung der Vollziehung des Gesetzes zu rechtfertigen vermag. Es ist nicht ersichtlich, dass § 4 Abs. 1 Lüchow-Dannenberg-Gesetz sich insoweit von anderen kompetenzverlagernden Gesetzen unterscheidet.

Wenn die Antragstellerinnen sich darauf berufen, dem Landkreis Lüchow-Dannenberg fehle das notwendige Personal, die auf ihn übergehenden Aufgaben wahrzunehmen, rügen sie die Verletzung fremder, nicht eigener Rechte. Sähe der Landkreis Lüchow-Dannenberg sich tatsächlich nicht in der Lage, diese Aufgaben wahrzunehmen, wäre es dessen Sache - nicht die der Antragstellerinnen - dies gerichtlich geltend zu machen.

Im Hinblick auf die Mitarbeiter der Antragstellerinnen zu 1) und 9), die bisher mit der Wahrnehmung der Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises beschäftigt waren, kann dahin stehen, ob die Antragstellerinnen als Dienstherren bzw. Arbeitgeber überhaupt deren Rechte in diesem Verfahren geltend machen können (dagegen: Berl. VerfG, Beschl. vom 9.2.1995, LVerfGE 3, 16 (20)) oder ob die Mitarbeiter nicht selbst um - gegebenenfalls fachgerichtlichen - Rechtsschutz nachsuchen müssten. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass die Mitarbeiter durch den Übergang der Aufgaben auf den Landkreis bis zum Ende des Hauptsacheverfahrens unzumutbar belastet würden. Vielmehr gehört es zum Risiko jedes Beschäftigten in der öffentlichen Verwaltung, dass der von ihm bisher wahrgenommene Aufgabenbereich Wandlungen unterworfen wird und dies sogar bis zum vollständigen Verlust dieser Aufgabe bei dem bisherigen Dienstherrn bzw. Arbeitgeber führen kann. Die sich daraus möglicherweise im Einzelfall ergeben den beamten- oder arbeitsrechtlichen Folgen sind aber nicht geeignet, den Vollzug des Gesetzes insgesamt in Frage zu stellen.

Es kann ebenfalls dahinstehen, ob die Antragstellerinnen in diesem Verfahren Belange ihrer Bürger geltend machen können (dagegen auch: Berl. VerfG, Beschl. vom 9.2.1995, LVerfGE 3, 16 (20)) oder ob diese bei möglichen Beeinträchtigungen nicht vielmehr selbst zur gerichtlichen Verteidigung ihrer Rechtspositionen aufgerufen wären. Jedenfalls sind keine solchen Belastungen der Bürger zu erkennen, die es rechtfertigten, bis zur Entscheidung in der Hauptsache den Vollzug des § 4 Abs. 1 Lüchow-Dannenberg-Gesetz auszusetzen. Die Tatsache, dass die Bürger künftig zur Erledigung von Verwaltungsangelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises den Sitz der Kreisverwaltung in Lüchow aufzusuchen haben, mag für die Betroffenen lästig sein - einen Grund, den Gesetzesvollzug auszusetzen, stellt dieses Erschwernis nicht dar.

Soweit die Antragstellerinnen bei Vollzug des § 4 Abs. 1 Lüchow-DannenbergGesetz darüber hinaus einen immateriellen Nachteil dergestalt befürchten, dass das Rechtsverständnis ihrer Bürger leiden könne, wenn ein Gesetz vollzogen werde, dem verfassungsrechtliche Bedenken entgegen stehen, oder wenn sich ein bereits vollzogenes Gesetz nachträglich als nicht mit der Verfassung vereinbar erweise, so machen sie damit auf ein außerrechtliches Risiko aufmerksam, dass nicht sie als Gesetzesunterworfene, sondern den Gesetzgeber trifft. Denn es liegt im Verantwortungsbereich des Gesetzgebers, ob er trotz der im Gesetzgebungsverfahren geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken bereit ist, ein solches Risiko in Kauf zu nehmen. Die Antragstellerinnen dürfen ihre eigene Risikobewertung nicht an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzen.

Auch im Übrigen haben die Antragstellerinnen nichts vorgebracht, was über das reguläre Vollzugsrisiko hinausginge. Es ist nicht ersichtlich, dass die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung der Antragstellerinnen durch den Übergang der Aufgaben auf den Landkreis Lüchow-Dannenberg für die Dauer des Hauptsacheverfahrens ausgehöhlt würde. Es sind auch keine anderen Gründe von vergleichbarem Gewicht für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erkennbar. Das Vollzugsrisiko, welches den Antragstellerinnen durch den Übergang von Aufgaben auf den Landkreis Lüchow-Dannenberg zum 1. November 2006 auferlegt wird, hält sich deshalb innerhalb des normalen Maßes.

 Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war daher abzulehnen. Das Verfahren ist gemäß § 21 Abs. 1 StGHG gerichtskostenfrei. Auslagen sind gemäß § 21 Abs. 2 S. 2 StGHG nicht zu erstatten.