Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 10.04.2015, Az.: 5 A 1688/14

Blutrache

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
10.04.2015
Aktenzeichen
5 A 1688/14
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 44818
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand:

Der am 20. April 1992 geborene Kläger ist kosovarischer Staatsangehöriger albanischer Volkszugehörigkeit. Er reiste im Januar 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 3. Februar 2014 seine Anerkennung als Asylberechtigter. Zur Begründung gab er im Wesentlichen an, er habe im April 2013 bei ihm zuhause mit einem Mädchen aus dem Dorf Geschlechtsverkehr gehabt und sei dabei von seinem Vater und dem Vater des Mädchens ertappt worden. Als sein Vater ihn habe schlagen wollen, sei er geflohen. Er habe zwei Wochen lang in einem verlassenen Haus in seinem Dorf gelebt und sei dann zurückgekehrt. Sein Vater habe ihm gesagt, dass er Schande über die Familie gebracht habe und er - der Vater - ihn daher umbringen wolle. Daraufhin sei er geflüchtet. Der Vater des Mädchens wolle ihn ebenfalls umbringen. Sein jüngerer Bruder habe ihm erzählt, dass sein Vater sehr wütend und enttäuscht sei und dass er ihn - den Kläger - verstoßen habe. Er habe versucht, sich mit seinem Vater zu versöhnen, aber der sei so aufgebracht gewesen, dass er flüchten musste und bereits im April 2013 ausgereist sei. Seitdem habe er keinen Kontakt mehr zu seinem Vater gehabt.

Mit Bescheid vom 29. April 2014 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet ab, erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht gegeben sind und drohte dem Kläger die Abschiebung in den Kosovo an. Das vorgetragene Verfolgungsschicksal sei nicht glaubhaft. Im Kosovo sei es in einer Situation, wie sie geschildert worden sei, üblich, dass die jungen Erwachsenen zur Wiederherstellung der Familienehre dazu gebracht werden, zu heiraten. Ansonsten habe ein solches Verhalten im Wesentlichen Auswirkungen für die Frauen. Der Vortrag sei auch detailarm und nicht lebensecht gewesen. Bei kriminellen Übergriffen bestehe die Möglichkeit, sich an die Polizei zu wenden oder in einen anderen Landesteil zu ziehen.

Der Kläger hat am 14. Mai 2014 Klage erhoben. Der von ihm begangene Verstoß gegen die Gesellschaftsordnung gelte als schwerer, wenn nicht sogar schwerster Verstoß mit der Folge, dass er nach dem albanischen Gewohnheitsrecht „vogelfrei“ geworden sei und sein „Blut“ verloren habe und ungestraft getötet werden könne.

Mit Beschluss vom 13. Juni 2014 - 5 B 1689/14 - hat das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung angeordnet.

Auf ein Amtshilfeersuchen des Gerichts vom 27. Juni 2014 hat das Auswärtige Amt den behaupteten Vorfall vor Ort überprüft und Fragen zum Kanun beantwortet (Auswärtiges Amt an VG O. vom 6. August 2014, Bl. 44 der Gerichtsakte). Nach dieser Auskunft hat ein Mitarbeiter der Botschaft Pristina am 31. Juli 2014 die Familie des Klägers unangekündigt aufgesucht. Die anwesenden Familienmitglieder - die Mutter, ein Bruder, eine Schwester, eine Schwägerin und eine Nichte des Klägers, haben danach angegeben, der Kläger sei aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland gegangen. Der Familie seien keinerlei Streitigkeiten, insbesondere auch nicht mit anderen Familien bekannt. Der Kläger könne sich überall frei bewegen, und auch im Falle einer Rückkehr drohe ihm keine Gefahr. Man lebe in dem Dorf nicht nach dem Kanun. Gemäß der Auskunft existiert im Kosovo eine rechtsstaatliche Strafverfolgung. Eine Tötung des Klägers würde jedenfalls durch kosovarische Behörden geahndet. Eine derart strenge Auslegung sei im Kosovo nicht üblich. Wahrscheinlich wäre, dass der Vater des Mädchens auf einer Eheschließung bestehen würde. Allgemein spiele die Ehre der Familie in Teilen der kosovarischen Gesellschaft noch eine große Rolle.

Der Kläger macht hierzu geltend: Nach Bekanntgabe des Berichts habe er mit seiner Mutter und seinem Bruder hierüber gesprochen. Beide hätten mitgeteilt, der Vater befürchte seine strafrechtliche Verfolgung, nach dem er - der Kläger - den Sachverhalt im Rahmen seines Asylverfahrens bekannt gemacht habe. Daher habe der Vater auch den übrigen Familienmitgliedern bei Strafe verboten, den Sachverhalt Fremden mitzuteilen und ihnen aufgetragen, gegenüber Fremden anzugeben, alles sei in bester Ordnung und der Sohn sei nach Deutschland gegangen, um dort ein besseres Leben zu haben. Der Vater habe nach Auskunft seiner Mutter und seinen Bruders auch angekündigt, ihm - dem Kläger - den Kopf mit der Axt abzuschlagen. Dass die Familie meine, man lebe in dem Dorf nicht nach den Regeln des Kanun, sei ohne Belang, da man sich dies nicht aussuchen könne. Durch die Verbannung sei er gesellschaftlich, nicht strafrechtlich schutzlos. Er sei nach Deutschland gekommen, um einem Tötungsdelikt zu entgehen. Dass sein Vater im Falle seiner Tötung strafrechtlich verfolgt werde, nütze ihm dann nichts mehr. Er gehöre keinem Stamm an und könne auch von keinem aufgenommen werden.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,

hilfsweise, ihm subsidiären Schutz nach § 4 AsylVfG zuzusprechen,

weiter hilfsweise, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach §§ 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf den Kosovo vorliegen,

und - hinsichtlich des Hauptantrags sowie beider Hilfsanträge - den Bescheid des Bundesamtes vom 29. April 2014 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.

Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die angefochtene Entscheidung und auf die eingeholte Auskunft des Auswärtigen Amtes,

die Klage abzuweisen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang und die Erkenntnismittel Bezug genommen, die in der den Beteiligten bekannt gemachten Liste des Gerichts aufgeführt bzw. auf die sie mit Schriftsatz vom 8. April 2014 hingewiesen worden sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offensichtlich keinen Anspruch auf die Zuerkennung seiner Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter und auch keinen Anspruch auf die hilfsweise begehrte Gewährung von subsidiärem Schutz nach § 4 AsylVfG bzw. die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich der Republik Kosovo und auf einen Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt das Gericht gem. § 77 Abs. 2 AsylVfG auf die Begründung des angefochtenen Bescheides Bezug, der es im Ergebnis mit den folgenden Einschränkungen und Ergänzungen folgt:

Ein Asylantrag ist gem. § 30 Abs. 1 AsylVfG offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht vorliegen. Eine Offensichtlichkeit ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 bis 5 oder des § 29a AsylVfG erfüllt sind oder wenn nach vollständiger Erforschung des Sachverhalts an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen keine Zweifel bestehen und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung (nach dem Stand der Rechtsprechung und Lehre) sich eine Ablehnung des Antrages geradezu aufdrängt (BVerfG, Beschlüsse vom 20. April 1988 - 2 BvR 1506/87 -, NVwZ 1988, 717, und vom 8. November 1991 - 2 BvR 1351/91 - InfAuslR 1992, 72 [BVerfG 04.12.1991 - 2 BvR 657/91]). Dies wird bei Geltendmachung einer kollektiven Verfolgungssituation in der Regel nur bei gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung in Betracht kommen und ausnahmsweise bei Erkenntnissen, die auf regelmäßig eindeutigen und widerspruchsfreien Auskünften und Stellungnahmen sachverständiger Stellen beruhen (BVerfG, Beschlüsse vom 12. Juli 1983 - 1 BvR 1470/82 -, BVerfGE 65, 76, und vom 13. Oktober 1983 - 2 BvR 888/93 - InfAuslR 1993, 390 [BVerfG 13.10.1993 - 2 BvR 888/93]). Bei der Geltendmachung von Einzelverfolgungsmaßnahmen kann sich eine Ablehnung des Asylantrages als offensichtlich aufdrängen, wenn die im Einzelfall geltend gemachte Gefährdung des Asylsuchenden den von Art. 16a Abs. 1 GG vorausgesetzten Grad der Verfolgungsintensität nicht erreicht, die behauptete Verfolgungsgefahr allein auf nachweislich gefälschten oder widersprüchlichen Beweismitteln beruht oder sich das Vorbringen des Asylbewerbers insgesamt als unglaubhaft oder als unschlüssig erweist (BVerfG, Beschlüsse vom 12. Juli 1983, a.a.O., und vom 27. Februar 1990 - 2 BvR 186/89 -, InfAuslR 1990, 199).

Eine Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter scheitert gem. Art.16a GG in Verbindung mit § 26a AsylVfG offensichtlich bereits daran, dass er auf dem Landweg über Ungarn und die Schweiz und damit über sichere Drittstaaten in die Bundesrepublik eingereist ist.

Eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG kommt ebenfalls offensichtlich nicht in Betracht. Soweit der Kläger insoweit geltend macht, er befinde sich in einer von einer möglichen Blutrache ausgehenden Todesgefahr ist bereits nicht erkennbar, dass die von ihm behauptete Bedrohungssituation an asylerhebliche Merkmale angeknüpft hat oder er Verfolgungshandlungen ausgesetzt war, die im Sinne des § 3a Abs. 3 AsylVfG mit Verfolgungsgründen im Sinne des § 3 Abs. 1, § 3b AsylVfG verknüpft sind und er in seiner Heimat gezielten und systematischen Verfolgungsmaßnahmen nach § 3, 3a AsylVfG durch Akteure im Sinne von § 3c AsylVfG ausgesetzt war oder im Falle einer Rückkehr sein wird (vgl. BayVGH, Beschluss vom 22. Juli 2014 - 13a ZB 14.30059 -).

Die hilfsweise begehrte Gewährung von subsidiärem Schutz nach § 4 AsylVfG kommt ebenfalls nicht in Betracht. Zwar dürfte der Anspruch nicht - wie das Bundesamt meint - daran scheitern, dass der Kläger nicht im Rahmen einer Blutrache mit dem Tode bedroht wird bzw. die Tötung oder eine unmenschliche Behandlung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten hat. Allerdings setzt die Gewährung von subsidiärem Abschiebungsschutz voraus, dass für den Ausländer eine Fluchtalternative gemäß § 4 Abs. 3, § 3e AsylVfG nicht besteht, was hier jedoch anzunehmen ist.

Anders als das Bundesamt geht der Einzelrichter davon aus, dass der Kläger aufgrund des mit der B. vollzogenen Geschlechtsverkehrs mit einer Verfolgung zu rechnen hat, da es sich hierbei um eine die Ehre seiner Familie verletzende und die Blutrache auslösende Handlung handelt. Die Blutrache ist ein zentrales Element des Gewohnheitsrechts der Nordalbaner, wie es im sog. Kanun tradiert ist (vgl. Elsie, Der Kanun - Das albanische Gewohnheitsrecht nach dem sogenannten Kanun des Lekë Dukagjini, 2001, S. X f.). Die Anwendung des Kanun ist teilweise auch im Kosovo verbreitet und spielt, insbesondere im Hinblick auf die Ehre der Familie in Teilen der kosovarischen Gesellschaft, insbesondere in muslimischen-konservativen Familien, die auf dem Lande in dörflichen Gemeinschaften leben, eine große Rolle (vgl. BAMF, Albanien - Blutrache, April 2014 -, Seite 9, 10; Auskunft des Auswärtigen Amtes an VG Oldenburg vom 6. August 2014). Die Blutrache stellt eine Form der Selbstjustiz dar und basiert auf Regelungen des traditionellen albanischen Gewohnheitsrechtes. Sie dient in erster Linie der Wiederherstellung der Familienehre, die durch einen Mord, eine Vergewaltigung, eine Grenzverletzung oder eine Ehrverletzung anderer Art beschädigt worden ist. Die Familie, der die Verletzung oder Entehrung zugefügt wurde, ist verpflichtet, sich von der Verletzung oder Entehrung zu reinigen (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 19. März 2013 - 8 ME 44/13 -, Rn. 8, juris).

Den Regelungen des Kanun lässt sich entnehmen, dass es eine schwere Ehrverletzung darstellt, wenn zwei Personen, die - wie hier - miteinander verwandt sind, Geschlechtsverkehr miteinander ausüben.

Nach den Regelungen des Kanun werden weder Verlöbnis noch Ehe geduldet, wenn ein Ehehindernis besteht, das insbesondere im Fall einer Blutsverwandtschaft oder Familienzusammengehörigkeit anzunehmen ist, auch wenn diese Verwandtschaft oder  Zusammengehörigkeit nur eine weit entfernte ist („und sei es im Viertausendsten Grad“, zitiert nach Elsie, a.a.O., Seite 27, - 3. Buch „Die Heirat“, 3. Kapitel „Die Vermittlung, das Verlöbnis“, Unterkapitel 2 „Das Verlöbnis“ -). Dies legt auch die Regelung des Kanun nahe, nach der sich ein Albaner auch dann nicht mit einem anderen verschwägern kann, wenn „400 Herdstellen“ zwischen ihnen liegen (zitiert nach Elsie, Seite 134 - 8. Buch, „Die Ehre“, 3. Kapitel „Das Blut und die Verwandtschaft, die Bruderschaft und Patenschaft im Kanun der Berge“, 1. Unterkapitel „Die Geschlechterfolge“ -). Der Einzelrichter hält es für nachvollziehbar, dass auch ohne eine entsprechende ausdrückliche Regelung - der Kanun ist ohnehin nur eine teilweise verschriftlichte Darstellung mündlich überlieferten Gewohnheitsrechts - entsprechend auch der Geschlechtsverkehr in einem solchen Verwandtschaftsverhältnis ausgeschlossen ist. Der Kläger hat - möglicherweise weil er diese Besonderheit bei seiner Anhörung gegenüber dem Bundesamt nicht für wichtig erachtet hat - erstmals in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass sein Vater und der Vater des Mädchens Cousins sind und damit ein entsprechendes Verwandtschaftsverhältnis besteht, das nach dem Kanun die Annahme einer Ehrverletzung rechtfertigt, die - so legt es jedenfalls das 10. Buch „Der Kanun gegen das Verbrechen“, 3. Kapitel „Der Mord“, 11. Unterkapitel „Das Blut für die schlechte Tat“ (Seite 165 nach Elsie) nahe  - dazu führt, dass der Täter („Ehebrecher und ähnliche“) „sein Blut verliert“, d.h. erschlagen werden kann. Dabei kommt es dem Vater zu, Ungehorsam zu bestrafen (zitiert nach Elsie, Seite 46 - 4. Buch, „Die Hochzeit“, 4. Kapitel „Stellung der Familienmitglieder: Die Eltern, der Vater, die Mutter, das Kind“, 1. Unterkapitel „Stellung des Mannes und Vaters“ -).

Der Einzelrichter teilt auch nicht die Auffassung des Bundesamtes, dass der Kläger sein Verfolgungsschicksal nicht lebensnah, unsubstantiiert und detailarm geschildert habe. Die Darstellung erfolgte vielmehr umfassend und in der zu erwartenden Ausführlichkeit und mit genügendem Detailreichtum, lebensnah, nachvollziehbar und zudem widerspruchsfrei. Die auf Nachfragen des Anhörenden vom Kläger gegebenen Antworten fügten sich auch in den geschilderten Gesamtkomplex ein. Auch in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger im Rahmen der informatorischen Anhörung den Sachverhalt vollständig und widerspruchsfrei dargestellt und ebenfalls Nachfragen im Wesentlichen ausreichend beantwortet und vermutete Widersprüche ausgeräumt, so dass das geschilderte Verfolgungsschicksal durchaus als glaubhaft erachtet wird.

Daran ändert auch das Ergebnis des an das Auswärtige Amt gerichteten Amtshilfeersuchens (Auskunft des Auswärtigen Amtes an VG Oldenburg vom 6. August 2014, Bl. 44 der Gerichtsakte) nichts. Danach haben die anwesenden Familienmitglieder (ohne den Vater des Klägers) dem Mitarbeiter der Botschaft Pristina am 31. Juli 2014 im Rahmen eines unangekündigten Besuchs mitgeteilt, der Kläger sei aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland gegangen, ihm drohe auch bei Rückkehr keinerlei Gefahr und Streitigkeiten, auch mit anderen Familien, seien nicht bekannt bekannt.

Der Einzelrichter hält es nicht für ausgeschlossen, dass, wie der Kläger nach Rücksprache mit seiner Mutter und seinem Bruder angegeben hat, diese - an eine für die Familie unbekannte Person erteilte - Auskunft der Familienangehörigen auf eine entsprechende Weisung des Vaters des Klägers erfolgt ist, die entweder vor dem Hintergrund einer vom Vater - wenn auch zu Unrecht - angenommenen, ihm wegen der ausgesprochenen Morddrohung gegen seinen Sohn drohenden strafrechtlichen Verfolgung oder - vielleicht sogar eher - aufgrund einer mit der tiefen Ehrverletzung empfundenen Scham ausgesprochen worden ist.

Soweit die vorgenannte Auskunft des Auswärtigen Amtes eine derartig strenge Auslegung des Kanun im vorliegenden Fall für nicht üblich hält und es danach wahrscheinlicher wäre, dass der Vater des Mädchens auf eine Eheschließung bestehen würde, steht dem entgegen, dass - was zuvor nicht bekannt war - zwischen dem Mädchen und dem Kläger ein - wenn auch entfernteres - Verwandtschaftsverhältnis besteht, das - wie bereits ausgeführt - eine Eheschließung nicht zulässt.

Die Zuerkennung internationalen Schutzes scheitert jedoch daran, dass für den Kläger eine Fluchtalternative gemäß § 4 Abs. 3, § 3e AsylVfG besteht. Danach wird dem Ausländer subsidiärer Schutz nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Hiervon ist im Fall des Klägers auszugehen.

Dem Kläger steht durch Umzug in einen anderen Landesteil des Kosovo eine inländische Fluchtalternative offen (vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo vom 25. November 2014, S. 17). Insoweit ist auch nicht anzunehmen, dass er von seinem Vater oder dem Vater des Mädchens im ganzen Kosovo auffindbar wäre, zumal diese ihn selbst unmittelbar nach dem Vorfall, als er sich zwei Wochen lang in einem nur einen Kilometer vom elterlichen Haus entfernten verlassenen Haus versteckt gehalten hat, nicht gefunden haben, wobei vom Kläger nicht einmal dargelegt ist, dass die beiden Väter sich überhaupt auf die Suche nach ihm begeben hätten. Daher ist auch nicht damit zu rechnen, dass die beiden Väter - ein entsprechendes Interesse vorausgesetzt - in der Lage wären, den Kläger zu finden und ihn ihrer Drohung entsprechend umzubringen, wenn er sein Heimatdorf verlässt und in einen entfernt liegenden Landesteil umzieht. Dabei geht das Gericht davon aus, dass der Kläger insbesondere in größeren und damit anonymeren Städten, etwa im Bereich der Hauptstadt Pristina, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vor einer etwaigen Verfolgung sicher wäre, zumal sein Nachname im Kosovo sehr häufig und daher nicht ohne Weiteres damit zu rechnen ist, dass sich im Falle von Nachfragen nach seiner Herkunft eine Verbindung zu seiner Familie herstellen lässt, insbesondere wenn sich der Kläger hierzu eine entsprechende Legende zurechtlegte. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass Pristina. mit mehr als 160.000 Einwohnern eine Großstadt ist und auch die zweitgrößte Stadt, Prizren, knapp 100.000 Einwohner besitzt. Die Begründung eines neuen Wohnsitzes im Kosovo ist dem - arbeitsfähigen - Kläger auch zumutbar. Es ist nämlich davon auszugehen, dass er unter der Voraussetzung, dass er sich am neuen Wohnort registrieren lässt, dort sowohl Zugang zu einer nötigenfalls das Existenzminimum sichernden Sozialhilfe als auch zur erforderlichen medizinischen Versorgung hat. Insoweit besteht auch keine begründete Befürchtung, dass der Kläger bei seiner Rückkehr in einen anderen Landesteil des Kosovo gleichsam „vor dem Nichts“ stünde, zumal ihm unmittelbar nach seiner Rückkehr auch Unterstützungsleistungen des Rückkehrprojektes URA II zustehen. (http://www.bamf.de/DE/Rueckkehrfoerderung/ ProjektKosovo/projektkosovo-node.html, Stand: 15. April 2015).

Das Gericht vermag auch keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit (§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) des Klägers bei Rückkehr in den Kosovo zu erkennen. Insbesondere hat er krankheitsbedingte Abschiebungsverbote nicht geltend gemacht.