Landgericht Oldenburg
Urt. v. 26.10.1988, Az.: 9 S 130/88
Obhutsverpflichtung und Verwahrungsverpflichtung des Werkunternehmers; Sicherungspflicht des Werkunternehmers bei Annahmeverzug des Bestellers
Bibliographie
- Gericht
- LG Oldenburg
- Datum
- 26.10.1988
- Aktenzeichen
- 9 S 130/88
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1988, 19776
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOLDBG:1988:1026.9S130.88.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Wilhelmshaven - 19.01.1988 - AZ: 6 C 561/87 (1721)
Rechtsgrundlagen
- § 631 BGB
- § 293 BGB
- § 300 Abs. 1 BGB
- § 249 S. 1 BGB
Fundstelle
- VersR 1990, 288-289 (Volltext mit red. LS)
Verfahrensgegenstand
Forderung von Schadensersatz
In dem Rechtsstreitverfahren
hat die 9. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 14. September 1988
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden ...
des Richters ...
des Richters ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 19. Januar 1988 verkündete Urteil des Amtsgerichts Wilhelmshaven wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Tatbestand
Der Kläger verlangt von der Beklagten im Wege des Schadensersatzes Lieferung von vier Reifen und dazu passenden Felgen für einen Pkw VW Golf.
Er ließ einen im Juli 1986 erlittenen Unfallschaden an seinem Pkw VW Golf bei der Beklagten reparieren. Diese händigte dem Kläger nach Durchführung der Reparatur das Fahrzeug nicht wieder aus, weil sie ein Zurückbehaltungsrecht wegen Nichtzahlung der Reparaturkosten gegenüber dem Kläger geltend macht.
Die Beklagte stellte den Wagen auf dem zur Straßenfront hin offenen Gelände ihres Betriebes ab.
In der Nacht vom 22. zum 23. Juli 1987 entwendeten unbekannte Täter von dem Pkw des Klägers vier Reifen nebst Felgen.
Er hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihm vier Hochgeschwindigkeitsreifen für einen Pkw VW Golf, Baujahr 1986 Flair, in einer Breite von 195 neuwertig, fahrbereit zu liefern, desgleichen vier dazu passende LM-Felgen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgebracht:
Die Folgen des Diebstahls lägen im Risikobereich des Klägers, da er trotz Aufforderung die Reparaturkosten nicht gezahlt habe.
Das Amtsgericht Wilhelmshaven hat der Klage stattgegeben. Auf die Entscheidungsgründe des am 19. Januar 1988 verkündeten Urteils dieses Gerichts wird Bezug genommen.
Die Beklagte hat frist- und formgerecht Berufung eingelegt.
Sie beantragt,
unter Änderung des angefochtenen Urteils
die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird nach § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet.
Sie ist verpflichtet, dem Kläger aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen positiver Vertragsverletzung vier Hochgeschwindigkeitsreifen sowie vier dazu passende Felgen zu liefern, weil die Beklagte schuldhaft gegen ihre Verpflichtung verstoßen hat, den Pkw VW Golf des Klägers hinreichend gegen Diebstahl zu sichern.
Der Beklagten oblag als Werkunternehmer die vertragliche Nebenpflicht, mit dem Eigentum des Klägers, das sich in ihrem Gewahrsam befand, pfleglich umzugehen (vgl. u.a. BGH, NJW 1983, 113). Diese Nebenpflicht der Beklagten bestand auch fort nach Beendigung der Reparaturarbeiten. Sie bezieht sich nämlich ebenfalls auf bereits fertiggestellte, aber dem Besteller noch nicht abgelieferte Sachen (vgl. Münchener Kommentar, BGB, 2. Aufl. 1988, Rn. 145 zu § 631 BGB). Daran ändert der Annahmeverzug des Klägers - abgesehen von der Einschränkung der Haftung der Beklagten nach § 300 Abs. 1 BGB - nichts.
Welche Sicherungspflichten mit dieser Obhuts- und Verwahrungsverpflichtung der Beklagten konkret verbunden waren, bestimmt sich nicht allgemein, sondern ist auf Grund der besonderen Umstände des Einzelfalles zu beurteilen (vgl. BGH a.a.O.). Was danach erforderlich ist, richtet sich nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (§ 157 BGB).
Die Beklagte hatte dafür zu sorgen, daß der Wagen des Klägers gegen Diebstahlsgefahr gesichert wurde. Das ist nicht ausreichend geschehen. Der Abstellort des Pkw's war von einer Seite her für jedermann zugänglich. Der Wagen des Klägers stand zwischen zwei alten Schrottfahrzeugen. Der Pkw war deshalb als vermeintliches weiteres Schrottfahrzeug in bezug auf die Demontage von Teilen besonders gefährdet.
Daß nach dem Vorbringen der Beklagten andere Reparaturwerkstätten von Kraftfahrzeugen in Wilhelmshaven ihre Wagenabstellplätze ebenfalls nicht genügend sichern, ist unerheblich. Auf eine allgemein eingerissene Unsitte könnte sich die Beklagte mit Erfolg nicht berufen. Ihr Abstellplatz hätte wenigstens von allen Seiten her abgeschlossen sein müssen.
Die Sicherungspflicht der Beklagten gegen Diebstahl war nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (§ 157 BGB) nicht dadurch eingeschränkt, weil der Kläger sich in Annahmeverzug (§ 293 BGB) mit der Abnahme (§ 640 BGB) seines Pkw's befand.
Nach § 300 Abs. 1 BGB hat zwar die Beklagte während des Annahmeverzugs des Klägers nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Insoweit ist sie aber darlegungs- und beweispflichtig (vgl. Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht Band 1, 1981, Rn. 1 zu § 300 BGB). Es steht jedoch nicht fest, daß die Beklagte nicht grob fahrlässig bei der pflichtwidrigen Verletzung ihrer Sicherungspflicht hinsichtlich des Eigentums des Klägers gehandelt hat.
Die Beklagte hat das Vorbringen des Klägers nicht bestritten, schon einige Zeit nach dem Abstellen seines Pkw's seien von diesem Fahrzeug Teile (Scheibenwischer u.a.) gestohlen worden, sie sei darüber informiert gewesen und habe dennoch nichts veranlaßt. Dieser Vorfall hätte der Beklagten Anlaß geben müssen, den Standort des Wagens zu wechseln und ihn an einer Stelle abzustellen, wo das Fahrzeug gegen Diebstahl besser gesichert war. Vor allem war die Beklagte nunmehr gehalten, den Pkw des Klägers von den in seiner unmittelbaren Nachbarschaft abgestellten Schrottfahrzeugen zu trennen. Das hat sie nicht getan.
Das Vorbringen der Beklagten, sie verfüge selbstverständlich über einen regelmäßig kontrollierenden Wachdienst, ist nicht substantiiert. Sie hat nicht vorgetragen, in welchen zeitlichen Abständen welche Teile des Abstellplatzes von Fahrzeugen in welcher Form von dem Wachdienst überprüft werden.
Das Amtsgericht hat daher zu Recht nach § 249 S. 1 BGB der Klage stattgegeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.