Landgericht Oldenburg
Urt. v. 13.06.1988, Az.: 4 O 474/88

Ersatz entgangenen Gewinns bei Nachweis einer gewissen Wahrscheinlichkeit für dessen Annahme; Ersatzfähigkeit entgangenen Gewinns durch Einnahmen aus Schwarzarbeit

Bibliographie

Gericht
LG Oldenburg
Datum
13.06.1988
Aktenzeichen
4 O 474/88
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1988, 19754
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOLDBG:1988:0613.4O474.88.0A

Fundstellen

  • NJW-RR 1988, 1496-1497 (Volltext mit red. LS)
  • VersR 1988, 1246 (red. Leitsatz)

Verfahrensgegenstand

Schadensersatz

In dem Rechtsstreit
hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 25. April 1988
durch
die Richterin am LG Kopka-Paetzke als Einzelrichterin
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Beklagte wird verurteilt,

    1. a)

      an den Kläger ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 3.500,- DM zu zahlen,

    2. b)

      an den Kläger einen Verdienstausfall für den Zeitraum vom 21.4.1986 bis 14.7.1986 in Höhe von 1.124,07 DM zu zahlen.

    Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

  2. 2.

    Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 3/4 und die Beklagte trägt 1/4.

  3. 3.

    Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.500,- DM und für die Beklagte in Höhe von 2.200,- DM vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Ersatz materiellen Schadens und restlichen immateriellen Schadens aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, der am 13.4.1986 von einer Versicherungsnehmerin der Beklagten allein verschuldet wurde. Dabei erlitt der zum Zeitpunkt des Unfalls arbeitslose Kläger eine Oberschenkelprellung, ein HWS-Schleudertrauma und im zweiten Lendenwirbelkörper eine Absprengungsfraktur. Der Kläger wurde zunächst ambulant, dann, als sich herausstellte, daß der Lendenwirbelkörper angebrochen war, in der Zeit vom 23.4. bis 23.5.1986 stationär behandelt. Die Beklagte hat den Anspruch auf Schmerzensgeld dem Grunde nach anerkannt und an den Kläger vorprozessual einen Betrag in Höhe von 6.500,- DM gezahlt.

2

Der Kläger behauptet, er werde Zeit seines Lebens nie wieder in gewohntem Umfang reiten und deshalb seinen Beruf als Bereiter oder Reitwart nicht mehr ausüben können. Durch den Unfall habe er auch die Vereinbarung mit seiner Vermieterin, Frau ..., nicht einhalten können, wonach er statt der Zahlung von 650,- DM für Miete und Verpflegung Beritt und Verpflegung ihrer Pferde leistete. Daraus sei ihm von Juni 1986 bis Januar 1987 ein Schaden in Höhe von 5.200,- DM entstanden. Auch habe er aufgrund des Krankenhausaufenthaltes eine Stelle als landwirtschaftlicher Gehilfe bei dem Bauern Josef ... am 14.4.1986 nicht antreten können. Mit dem Landwirt ... sei ein Lohn von 2.000,- DM brutto und 1.330,- DM netto vereinbart worden, was abzüglich der von der Krankenkasse und dem Arbeitsamt geleisteten Beträge für die Zeit vom 14.4.1986 bis 23.2.1987 einen Verdienstausfallschaden in Höhe von 5.012,08 DM ergebe.

3

Der Kläger beantragt,

  1. 1.

    die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 8.500,- DM zu zahlen,

  2. 2.

    die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von den Mietzinsansprüchen der Frau ... für den Zeitraum von Juni bis Januar in Höhe von insgesamt 5.200,- DM freizuhalten,

  3. 3.

    die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger den Verdienstausfall für den Zeitraum vom 14.4.1986 bis 23.2.1987 in Höhe von 5.012,08 DM zu zahlen.

4

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

5

Sie führt aus:

6

Der Kläger hätte zum einen vor dem 14.4.1986 noch gar nichts von der Arbeitsmöglichkeit beim Landwirt ... wissen können, da das Schreiben vom Arbeitsamt erst vom 14.4.1986 datierte. Im übrigen habe der Landwirt ... auch keinen Bereiter gesucht, sondern einen landwirtschaftlichen Gehilfen. Selbst für den Fall, daß der Kläger die Stelle beim Landwirt ... erhalten hätte, wäre er jedoch nicht mehr in der Lage gewesen, die Pferde seiner Vermieterin zu reiten.

7

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß dem Beweisbeschluß vom 22.3.1988 (Bl. 35 d.A.). Ferner wurde die Akte 4 O. 2991/86 zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

8

Die Klage ist teilweise begründet.

9

Die Beklagte ist verpflichtet, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 1.124,07 DM als Verdienstausfallschaden zu zahlen und ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 3.500,- DM.

10

Das Gericht sieht es zunächst als erwiesen an, daß der Unfall und die damit verbundene Körperverletzung des Klägers ursächlich dafür war, daß der Kläger seine Arbeit bei dem Zeugen Wienken nicht antreten konnte. Nach § 252 Satz 2 BGB genügt bereits der Nachweis einer gewissen Wahrscheinlichkeit für die Annahme eines entgangenen Gewinns. Die Wahrscheinlichkeit muß sich nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen ergeben (vgl. Wussow/Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschäden, S. 12 Rdnr. 34). Im vorliegenden Fall ist nach den beiden übereinstimmenden Aussagen der Zeugen ... und ... der Kläger aufgrund eines Schreibens des Arbeitsamts Cloppenburg vom 14.4.1986 mit dem Zeugen ... in Verhandlung getreten. Dieser suchte einen landwirtschaftlichen Gehilfen. Den Kläger hielt er aufgrund eingeholter Erkundungen, nachdem dieser vom Arbeitsamt vorgeschlagen worden war, für die Arbeit auf dem Hof für gebrauchsfähig. Es wurde aber zwischen beiden nicht nur eine bloße Kontaktaufnahme getätigt, vielmehr ist zwischen dem Kläger und dem Zeugen Wienken im Hause der Zeugin ..., bei der der Kläger zur Miete wohnte, bereits ein Gehalt ausgehandelt und der Termin des Arbeitsanfangs festgelegt wurden. Soweit der Kläger nach der Aussage der Zeugin ... vor seiner Zustimmung zur Arbeitsaufnahme zunächst noch eine Besichtigung des Hofes Wienken vornehmen wollte, so geschah dieses wenige Tage nach dem Verhandlungsgespräch, wie die Zeugin bekundet hat. Für das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses spricht im vorliegenden Fall auch die Tatsache, daß der Zeuge Wienken ein paar Tage nach dem festgelegten Beginn des Arbeitsverhältnisses bei der Zeugin Grüßing anrief, um sich nach dem Ausbleiben des Klägers zu erkundigen. Damit ging auch der Zeuge ..., wie der Aussage der Zeugin ... zu entnehmen ist, von dem Abschluß eines Arbeitsvertrages aus.

11

Zwar hat die Beweisaufnahme nicht ergeben, daß der Arbeitsantritt bereits am 14.4.1986 erfolgen sollte, so daß der Kläger ab diesem Datum noch keinen Verdienstausfall geltend machen kann. Denn das Schreiben des Arbeitsamtes, in dem dem Zeugen ... der Kläger als Arbeitsuchender anvisiert wurde, datiert erst vom 14.4.1986. Berücksichtigt man in diesem Zusammenhang, daß der 14.4.1986 auf einen Montag fiel, so kann der Kläger allenfalls am Dienstag, dem 15.4.1986, Kenntnis vom Schreiben des Arbeitsamtes erlangt haben. Berücksichtigt man in diesem Zusammenhang weiter, daß nach der Aussage der Zeugin ... der Kläger nach den Kontaktgesprächen mit dem Landwirt ... ihr gegenüber erklärt hat, er könne am Montag nächster Woche anfangen, so ist dies frühestens der 21.4.1986.

12

Ein Verdienstausfallschaden konnte dem Kläger jedoch nur bis zum 14.7.1986 zugesprochen werden, da nach seinem eigenen Vortrag er nur bis zu diesem Zeitpunkt arbeitsunfähig war. Auch wenn dem Kläger entsprechend einer Bescheinigung seines Hausarztes vom 24.3.1987 bis zum 31.12.1986 Reitverbot erteilt worden war, so hat dies keinen Einfluß auf die Berechnung des Verdienstausfalls. Denn der Kläger sollte bei dem Landwirt ... nur als landwirtschaftlicher Gehilfe tätig sein, nicht aber als Bereiter seiner Pferde. Denn Pferde besaß der Landwirt ... zur damaligen Zeit nicht, wie die Beweisaufnahme ergeben hat. Daß der Kläger auch daran gehindert war, landwirtschaftliche Gehilfentätigkeit auszuüben, hat er bisher nicht substantiiert vorgetragen. Auch unmittelbar vor dem Unfall war der Kläger nicht als Bereiter tätig. Denn nachdem er im Jahre 1984 die Prüfung als Reitwart abgelegt hatte, war er bis zum Unfall arbeitslos. Daß der Kläger nach dem Abklingen seiner 100 %igen Erwerbsunfähigkeit sich um eine andere Stelle bemüht hat, hat er ebenfalls nicht schlüssig vorgetragen.

13

Auf das monatlich seitens des Klägers beim Landwirt ... zu erzielende Nettoeinkommen von 3.620,75 DM für die Zeit vom 21.4. bis 14.7.1986 ... muß sich der Kläger das für diesen Zeitraum erzielte Verletztengeld der AOK und des Arbeitsamtes von insgesamt 2.496,68 DM anrechnen lassen, was den ausgeurteilten Verdienstschaden ergibt.

14

Als Ausgleich für seine erlittene körperliche Beeinträchtigung hielt das Gericht ein Gesamtschmerzensgeld in Höhe von 10.000,- DM für angemessen. Das Gericht hat dabei berücksichtigt, daß der Kläger bei dem Unfall eine Obeschenkelprellung, ein HWS-Schleudertrauma und eine Absprengung im 2. Lendenwirbel erlitten hat, was eine einmonatige stationäre Krankenhausbehandlung notwendig machte. Ferner ist weiter zu berücksichtigen, daß den Kläger an dem Unfall keinerlei Verschulden traf. Des weiteren ist entscheidend, daß der Kläger längere Zeit nicht reiten konnte, er andererseits sich jedoch vor dem Unfall freie Kost und Logier erritt. Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Beklagte bereits vorprozessual 6.500,- DM gezahlt hat, steht dem Kläger noch ein restlicher Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe von 3.500,- DM zu.

15

Dem Anspruch des Klägers auf Freistellung der seitens der Zeugin ... erhobenen Mietzinsansprüche konnte das Gericht nicht stattgeben. Denn dabei handelt es sich um Ansprüche, die aus einer Verrechnung der vom Kläger geleisteten Arbeit als Bereiter und Pfleger der Pferde der Zeugin ... mit Ansprüchen aus einem Mietverhältnis mit derselben stammt. Es handelt sich dabei um Lohn aus einer rechtswidrigen Tätigkeit, nämlich Schwarzarbeit. Für entgangenen Gewinn, der durch rechtswidrige Tätigkeit erlangt wurde, besteht jedoch kein Schadensersatzanspruch (vgl. Palandt § 252 Anm. 1 b). Und zu dem rechtswidrigen Gewinn zählen auch die Einnahmen aus Schwarzarbeit (vgl. LG Saarbrücken, ZfS 1983, 229). Der Kläger hat nämlich im vorliegenden Fall gegen § 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit verstoßen. Vor dem Unfall war der Kläger, wie er selbst einräumt, arbeitslos und erhielt vom Arbeitsamt Arbeitslosengeld. Gleichwohl hatte er die Tätigkeit bei der Zeugin ... dem Arbeitsamt nicht gemeldet. Er zahlte dafür weder Lohnsteuer noch sonstige Sozialabgaben, obwohl der Lohn in Höhe von 650,- DM über der Steuerfreigrenze von seinerzeit 410,- DM lag. Dieser Beschäftigung ging der Kläger auch regelmäßig nach. Der Kläger kann sich im vorliegenden Fall auch nicht auf § 1 Abs. 2 des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit berufen, da er keine reinen Gefälligkeitsdienste ausübte, wie sich aus dem Unfang der Arbeit und der Höhe des Lohnes entnehmen läßt. Wegen des vorgenannten Verstoßes ist auch der zwischen ihm und der Zeugin ... geschlossene Vertrag gem. § 134 BGB nichtig (vgl. BGH NJW 83, 109, 110 m.w.N.). Aus einem solchen Vertrag kann daher kein Verdienstausfallschaden geltend gemacht werden.

16

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.