Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 01.08.2000, Az.: 2 A 2523/97

Verpflichtung zur Erstattung von Beerdigungskosten durch den Träger der Sozialhilfe; Durchführung der Bestattung bereits vor Unterrichtung des Sozialhilfeträgers; Zahlung aus dem Nachlass der Verstorbenen; Ausschlagung der Erbschaft; Vollständige Übernahme der nicht von der Krankenkasse gedeckten Bestattungskosten; Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
01.08.2000
Aktenzeichen
2 A 2523/97
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 22682
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGGOETT:2000:0801.2A2523.97.0A

Fundstellen

  • ZfF 2001, 207-208
  • info also 2002, 38

Verfahrensgegenstand

Sozialhilfe (Übernahme von Bestattungskosten)

Prozessgegner

Landkreis Göttingen

Redaktioneller Leitsatz

Bei der Übernahme von Bestattungskosten durch den Sozialhilfeträger handelt es sich um Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt, die nur in der Höhe erforderlich sind, wie sie üblicherweise von Angehörigen der geringverdienenden Bevölkerungsschicht - die solche Kosten selbst aufzubringen haben - erbracht werden. Hierzu zählen auch die Kosten für eine bescheidene Todesanzeige in der örtlichen Zeitung.

In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Göttingen - 2. Kammer -
ohne mündliche Verhandlung am 01. August 2000
durch
die Richterin am Verwaltungsgericht Schneider als Einzelrichterin
für Recht erkannt:

Tenor:

Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin 458,39 DM Beerdigungskosten zu erstatten. Insoweit werden der Bescheid der Stadt Duderstadt vom 23.11.1995 und der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 14.10.1997 aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den außergerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin 6/7 und der Beklagte 1/7. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Jeder Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Gegenstandswert wird auf 3.047,15 DM festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Klägerin ist die Tochter der am 1995 verstorbenen A. E. Die Erbschaft von Frau E. haben die Klägerin und ihre Schwester ausgeschlagen. Frau E. wurde am ... 1995 bestattet. Die Bestattung kostete 5.147,15 DM. Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 03.11.1995 am 04.11.1995 bei der Stadt Duderstadt die Übernahme der von der Krankenkasse nicht gedeckten Bestattungskosten in Höhe von 3.047,15 DM.

2

Mit Bescheid vom 23.11.1995 lehnte die Stadt Duderstadt die Kostenübernahme mit der Begründung ab, die Erstattung sei zu spät beantragt worden. In der Regel könnten Bestattungskosten nur dann übernommen werden, wenn deren Übernahme vor der Bestattung beantragt werde. Ausnahmen von diesem Grundsatz seien nur möglich, wenn der entsprechende Antrag in einer angemessenen Frist nach der Beisetzung gestellt werde. Dies sei hier nicht der Fall, weil die Klägerin den Erstattungsantrag erst ca. drei Monate nach der Beisetzung von Frau E. gestellt habe, obwohl die Rechnung des Bestattungsinstitutes vom 1995 stamme. Auf die weitere Frage, ob der Klägerin die Übernahme der Bestattungskosten gem. § 15 BSHG nicht zumutbar sei, komme es daher nicht mehr an.

3

Gegen den ablehnenden Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie behauptet, sie habe die Rechnung des Bestattungsinstitutes vom 1995 ca. vier Wochen nach der Beerdigung ihrer Mutter 1995 dem Sozialamt vorgelegt. Dort sei ihr "bedeutet worden", dass es Sache der Erben sei, für die Beerdigungskosten aufzukommen und eine Übernahme durch das Sozialamt nicht erfolgen könne. Darauf hin habe sich die Klägerin an einen Mitarbeiter des Beklagten gewandt, der ihr den Rat gegeben habe, dennoch einen Antrag auf Übernahme der ungedeckten Bestattungskosten zu stellen. Dies habe die Klägerin mit Schreiben vom 03.11.1995 getan, so dass ihr eine verspätete Antragstellung nicht entgegengehalten werden könne. Es sei vielmehr Aufgabe des Sozialamtes gewesen, die Klägerin bereits bei ihrer ersten Vorsprache darauf hinzuweisen, dass sie sofort einen entsprechenden Erstattungsantrag hätte stellen müssen.

4

Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.10.1997 zurück. Zur Begründung beruft er sich im Wesentlichen auf den ablehnenden Bescheid der Stadt Duderstadt und führt ergänzend aus: entgegen ihrer Darstellung habe die Klägerin nicht bereits vier Wochen nach der Bestattung ihrer Mutter im Sozialamt der Stadt Duderstadt vorgesprochen und dort um Übernahme der Bestattungskosten gebeten. Dies sei nach Aktenlage vielmehr erst am 03.11.1995 der Fall gewesen. Dem Beklagten selbst sei erstmalig durch das Schreiben vom 03.11.1995 am 04.11.1995 bekannt geworden, dass die Klägerin die Übernahme der Bestattungskosten wünsche. Auch der Inhalt des Antragsschreibens - "... da ich jetzt erst die Zeit hatte ... ." - spreche dafür, dass sich die Klägerin nicht vor dem 04.11.1995 wegen Übernahme der Bestattungskosten an die zuständigen Stellen gewandt habe.

5

Die Klägerin hat am 05.11.1997 Klage erhoben.

6

Sie hält an ihrer Behauptung fest, sie habe bereits ca. vier Wochen nach Bestattung ihrer Mutter bei den zuständigen Stellen um Übernahme der Bestattungskosten gebeten.

7

Darüber hinaus ist sie der Auffassung, den preiswertesten Sarg beim Bestattungsinstitut ausgewählt zu haben. Alle weiteren vom Bestattungsinstitut in Rechnung gestellten Kosten seien ortsüblich und angemessen, soweit man die Durchführung einer Beerdigung auf das nötigste reduziere. Lediglich bezüglich der beiden Kränze und des Harmoniumsspiels könnte eine andere Beurteilung gerechtfertigt sein. Wie sich aus Kontoauszügen der Verstorbenen ergebe, hätten die Beerdigungskosten auch nicht aus deren Nachlass bestritten werden können.

8

Die Klägerin beantragt,

den Ablehnungsbescheid der Stadt Duderstadt vom 23.11.1995 und den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 14.10.1997 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr die Bestattungskosten für ihre am 1995 verstorbene Mutter in Höhe von 3.047,15 DM zu erstatten.

9

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

10

Zur Begründung bezieht er sich auf die ablehnenden Bescheide. Darüber hinaus hält er aufgrund einer entsprechenden Umfrage aus dem Jahr 1994 über die Durchschnittskosten einer Bestattung in den Landkreisen und kreisfreien Städten des Regierungsbezirks Braunschweig sowie der Stadt Hannover lediglich Bestattungskosten in Höhe von 3.248,00 DM für erforderlich, die sich gegenüber den für Frau E. tatsächlich entstandenen Bestattungskosten wie folgt zusammensetzten:

vom Beklagten für erforderlich gehaltene Bestattungskostentatsächlich entstandene Kosten laut Rechnung des Bestattungsinstitutesvom 08.08.1995
Friedhofsgebühren der Stadt Duderstadt1.835,00 DMFriedhofsgebühren1.835,00 DM
Sarg750,00 DMSarg1.850,00 DM
+ 15 % MwSt
2.175,50 DM
Trägerlohn zum Einsargen und Überführung zum Friedhof302,00 DMEinsargung im Krankenhaus:80,00 DM
Überführung Krankenhaus - Friedhof Duderstadt:+ 120,00 DM
2 Träger zur Überführung:+60,00 DM
+ 15 % MwSt
insgesamt 299,00 DM
Erledigung von Formalitäten70,00 DMErledigung der Papiere60,00 DM
+ 15 % MwSt
69,00 DM
Blumenschmuck60,00 DMBlumenschmuck450,00 DM
Deckengarnitur93,00 DM
Harmoniumspiel70,00 DMHarmoniumspiel25,00 DM
Totenhemd68,00 DMSterbewäsche95,00 DM
+ 15 % MwSt
109,25 DM
Sterbeurkunden30,00 DM
Todesanzeige202,00 DM
insgesamt 3.248,00 DMinsgesamt: 5.147,15 DM
11

Da von den für erforderlich gehaltenen Bestattungskosten i. H. v. 3.248,00 DM 2.100,00 DM durch Leistungen der Krankenkasse abgedeckt seien, verblieben lediglich 1.148,00 DM ungedeckte Kosten, die von der Klägerin zumindest in Höhe von 196,24 DM selbst getragen werden könnten. Dies folge daraus, dass die Klägerin in eheähnlicher Gemeinschaft lebe und nach sozialhilferechtlichen Maßstäben mit dem gemeinsam zu berücksichtigenden Einkommen 392,48 DM über der Einkommensgrenze nach § 79 BSHG läge, 50 % dieses Betrages, also 196,24 DM, seien der der Klägerin zumutbare Eigenanteil an den Bestattungskosten.

12

Darüber hinaus sei noch offen, inwieweit der Nachlass der verstorbenen Frau E. für die ungedeckten Bestattungskosten herangezogen werden könne. Auch die wirtschaftlichen Verhältnisse der Schwester der Klägerin, Frau ..., würden geprüft.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen; diese Unterlagen waren Gegenstand der Urteilsfindung.

Gründe

14

Die Klage, über die im Einverständnis der Beteiligten gem. § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann, hat in dem tenorierten Umfang Erfolg.

15

Unerheblich ist, dass die Klägerin ihre Erstattungsforderung beim Beklagten erst drei Monate nach der Beerdigung ihrer Mutter geltend gemacht hat. Insoweit folgt die Kammer der Rechtsprechung des BVerwG (Urteil des BVerwG vom 05.06.1997 - 5 C 13.96 -, FEVS 48, 1 f). Danach handelt es sich bei dem Anspruch auf Übernahme von Bestattungskosten durch den Träger der Sozialhilfe gem. § 15 BSHG um einen sozialhilferechtlichen Anspruch eigener Art, dem nicht entgegenstehe, dass die Bestattung bereits vor Unterrichtung des Sozialhilfeträgers durchgeführt worden ist und die Kosten vor dessen Entscheidung beglichen worden sind. Nach seinem Wortlaut setze § 15 BSHG allein voraus, dass es sich um "erforderliche" Kosten handele, und dass dem Verpflichteten die Kostentragung nicht "zugemutet" werden könne. Damit erkenne aber das Gesetz Kraft spezieller Normierung in § 15 BSHG ausnahmsweise eine Verbindlichkeit als sozialhilferechtlichen Bedarf an.

16

Das Gericht geht auch nicht davon aus, dass die ungedeckten Beerdigungskosten aus dem Nachlass der Verstorbenen hätten bezahlt werden können. Dies geht weder aus den dem Gericht vorliegenden Kontoauszügen der Verstorbenen noch aus dem Vortrag des Beklagten hervor.

17

Die Klägerin zählt auch zu den nach § 15 BSHG "Verpflichteten". Zwar hat sie nach ihren eigenen Angaben die Erbschaft nach ihrer Mutter ausgeschlagen, so dass die Vorschrift des § 1968 BGB, wonach der Erbe die Kosten der Beerdigung des Erblasserst trägt, nicht einschlägig ist. Sie war aber gem. § 1615 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1601 BGB zur Übernahme der Bestattungskosten verpflichtet. Nach § 1601 BGB sind Verwandte in gerader Linie - und damit auch Kinder gegenüber ihren Eltern - verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren. Nach § 1615 Abs. 2 BGB hat im Falle des Todes des Berechtigten - hier der Mutter der Klägerin - der Verpflichtete die Kosten der Beerdigung zu tragen, soweit ihre Bezahlung nicht von dem Erben zu erlangen ist. Letzteres ist hier der Fall, da auch die Schwester der Klägerin als weitere in Betracht kommende Erbin die Erbschaft ausgeschlagen hat.

18

Der Klägerin steht jedoch kein Anspruch auf vollständige Übernahme der nicht von der Krankenkasse gedeckten Bestattungskosten zu. Bei der Übernahme von Bestattungskosten durch den Sozialhilfeträger gem. § 15 BSHG handelt es sich um Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt, die nur in der Höhe erforderlich sind, wie sie üblicherweise von Angehörigen der geringverdienenden Bevölkerungsschicht - die solche Kosten selbst aufzubringen haben - erbracht werden. Hierzu zählen neben den vom Beklagten dem Gründe nach anerkannten Rechnungsposten auch die Kosten für eine bescheidene Todesanzeige in der örtlichen Zeitung, die auf Nachfrage des Gerichts beim Göttinger Tageblatt 5 cm × 9 cm groß ist und im Jahr 1995 ca. 92,00 DM kostete. Von den tatsächlich entstandenen Kosten für die Todesanzeige i.H.v. 202,40 DM sind daher 92,00 DM anzuerkennen. Weitere Abzüge sind für den Sarg und den Blumenschmuck vorzunehmen. Nach schriftlicher Auskunft des von der Klägerin beauftragten Bestattungsinstituts vom 10.09.1999 an das Gericht lagen im Jahre 1995 die Kosten für einen Sarg einfachster Ausstattung bei 897,00 DM. Mit einem Sarg einfachster Ausstattung muss die Klägerin sich aber für ihre Mutter zufrieden geben. Auch die Kosten für den Blumenschmuck von insgesamt 450,00 DM sind unangemessen hoch. So hat die Kammer bereits in einem früheren Verfahren, wo es ebenfalls um einen Anspruch nach § 15 BSHG ging, für das Jahr 1995 230,00 DM für Blumenschmuck als angemessen betrachtet. Sie sieht keinerlei Anhaltspunkte dafür, hiervon im vorliegenden Verfahren abzuweichen. Überhaupt nicht anzuerkennen sind die Kosten für "fünf bezahlte und freie Sterbeurkunden in Höhe von 30,00 DM (so Rechnung des Bestattungsinstituts an die Klägerin vom ... 1995). Es ist nicht nachvollziehbar, wofür die Klägerin, die die Erbschaft ausgeschlagen hat, neben den gebührenfreien weitere kostenpflichtige Sterbeurkunden benötigt(e).

19

Im Ergebnis sind von den tatsächlich entstandenen Bestattungskosten in Höhe von 5.147,15 DM daher folgende Beträge abzuziehen:

  • 1.377,50 DM (Differenz zwischen den tatsächlich entstandenen Sargkosten und dem günstigsten Sarg)
  • 220,00 DM (Differenz zwischen den tatsächlich entstandenen Kosten für Blumenschmuck und den angemessenen Kosten hierfür)
  • 110,40 DM (Differenz zwischen den tatsächlich entstandenen Kosten für eine Todesanzeige und den angemessenen Kosten hierfür)
  • 30,00 DM (Sterbeurkunden)

20

Die im Sinne des § 15 BSHG erforderlichen Bestattungskosten belaufen sich somit auf 3.409,25 DM. Abzüglich des von der Krankenkasse gezahlten Sterbegeldes in Höhe von 2.100,00 DM und abzüglich des von der Schwester der Klägerin zu tragenden hälftigen Anteils der dann noch verbleibenden Kosten in Höhe von 654,63 DM (1.309,25 DM: 2) und abzüglich des vom Beklagten errechneten und von der Klägerin nicht beanstandeten zumutbaren Eigenanteils der Klägerin in Höhe von 196,24 DM verbleibt für die Klägerin ein Erstattungsanspruch in Höhe von 458,39 DM. Nur in dieser Höhe ist ihrem Klagebegehren zu entsprechen. Einer anteiligen Beteiligung der Schwester der Klägerin an den Bestattungskosten steht nicht entgegen, dass die Schwester - nach Angaben der Klägerin - zum Todeszeitpunkt ihrer Mutter nicht über eigene Einkünfte verfügte. Sie war vielmehr gem. § 1601 i.V.m. § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB in gleicherweise wie die Klägerin anteilig zur Übernahme der Bestattungskosten verpflichtet, deren Erstattung sie - bei entsprechenden Einkommensverhältnissen - gem. § 15 BSHG gegenüber dem Beklagten hätte geltend machen können.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 S. 1, 188 S. 2 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Der Gegenstandswert wird auf 3.047,15 DM festgesetzt.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf §§ 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 BRAGO i.V.m. § 13 Abs. 2 GKG.

Schneider