Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 19.04.2012, Az.: 6 A 63/10

Einfuhr; Erlaubnis; Hund; Tierschutz; Vermittlung

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
19.04.2012
Aktenzeichen
6 A 63/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2012, 44294
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

Der Kläger ist ein eingetragener gemeinnütziger Tierschutzverein, der sich u.a. darin betätigt, Hunde aus Süd- und Osteuropa nach Deutschland zu bringen und hier zu vermitteln. Er begehrt im Rahmen einer Klage die Feststellung, dass er für diese Tätigkeit keine tierschutzrechtliche Erlaubnis nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3b Tierschutzgesetz (TierSchG) bedarf und diese Tätigkeit auch nicht der Anzeige- und Registrierungspflicht nach § 4 Binnenmarkt-Tierseuchenschutzverordnung (BmTierSSchV) unterliegt.

Satzungsmäßiger Zweck des klagenden Vereins ist die Förderung des Tierschutzes und hierbei insbesondere das Streben, Hunde und Katzen aus Süd- und Osteuropa vor Misshandlungen und Tötungen zu bewahren, ihnen ein artgerechtes Leben zu ermöglichen und sie, falls und solange es erforderlich ist, in die europäischen Staaten zu transportieren, wo ihnen keine Gefahren drohen und wo sie Lebensbedingungen vorfinden, die ihrer Art entsprechen. Soweit der Kläger nach seiner Satzung u.a. auch eine tierheimähnliche Einrichtung "B. " in C., Landkreis Heidekreis, betrieben hat, ist diese Einrichtung nach Erklärung des Klägers geschlossen und eine hierfür erteilte tierschutzrechtliche Erlaubnis damit gegenstandslos geworden. Die nach Deutschland verbrachten Tiere werden ausschließlich in privaten Pflegestellen bzw. bei Vereinsmitgliedern in deren Privatwohnungen versorgt und dann vermittelt.

Nachdem der Kläger im November 2009 zwei Hunde aus D. über den Flughafen E. in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten gebracht hatte, wandte sich der Beklagte mit Schreiben vom 6. Januar 2010 an den Kläger und führte darin aus, dass er letztmalig darauf hinweise, dass diese Einfuhr von Tieren aus dem Ausland zum Zwecke der Weitergabe aus seiner Sicht eine nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3b TierSchG erlaubnispflichtige Tätigkeit darstelle. Aus diesem Grund sei vom Kläger umgehend beim Beklagten ein Antrag auf Erteilung einer solchen tierschutzrechtlichen Erlaubnis zu stellen. Ein Antragsformular fügte der Beklagte bei. Ohne diese Erlaubnis stelle diese Art der Einfuhr von Tieren eine Ordnungswidrigkeit dar. Darüber hinaus unterliege diese Einfuhr von Tieren aus dem Ausland der Anzeige- und Registrierungspflicht gemäß § 4 Binnenmarkt-Tierseuchenschutzverordnung (BmTierSSchV). Der Beklagte hatte sich zuvor darüber informiert, dass ähnliche Probleme auch in anderen Landkreisen und anderen Bundesländern auftreten, da diverse Tierschutzorganisationen vor allem Hunde und Katzen aus ost- und südeuropäischen Ländern, etwa aus der Türkei, Rumänien und Spanien mittels Flugpaten einzeln nach Deutschland verbringen und hier vermitteln.

Der Kläger trat mit anwaltlichem Schreiben vom 11. Februar 2010 der Rechtsauffassung des Beklagten entgegen. Der Verein sei ausschließlich gemeinnützig tätig und würde nicht gewerbsmäßig handeln. Die Tiere würden nicht eingekauft und auch nicht verkauft. Der Verein finanziere sich aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen. Die für die Vermittlung der Tiere erhobenen Schutzgebühren würden nicht annähernd die Aufwendungen des Vereins decken. Es werde daher um Bestätigung gebeten, dass diese Art der Einfuhr und Vermittlung von Tieren nicht nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3b TierSchG erlaubnispflichtig sei.

Der Beklagte änderte seine Rechtsauffassung nicht. Der Kläger sei handelsgewerblicher Tierimporteur und deswegen erlaubnispflichtig sowie anzeige- und registrierungspflichtig.

Der Kläger hat darauf hin am 15. März 2010 Klage erhoben. Er ist der Ansicht, dass eine gewerbsmäßige Betätigung i.S.d. Tierschutzgesetzes und i.S.d. Binnenmarkt-Tierseuchenschutzverordnung nicht vorliege und hat hierzu umfänglich ausgeführt. Er treibe mit den Hunden auch keinen Handel noch eine sonstige wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des § 4 Binnenmarkt-Tierseuchenschutzverordnung. Er werde ausschließlich im Interesse der Tiere tätig und sei steuerrechtlich als gemeinnütziger Verein anerkannt. Er habe vom Finanzamt für die Jahre 2007 bis 2009 einen entsprechenden Freistellungsbescheid erhalten. Pro Jahr würden etwa 50 Hunde nach Deutschland gebracht und vermittelt. Der Verein stelle den Pflegestellen das Futter und erstatte den Pflegestellen die anfallenden Tierarztkosten. Bei der Vermittlung werde eine Schutzgebühr von 200,- EUR/Hund erhoben, doch diese Kosten würden nicht ansatzweise die tatsächlichen Kosten decken. Es sei ihm nicht zumutbar ein ordnungsrechtliches Einschreiten des Beklagten abzuwarten, was dieser schon konkret angedroht habe. Die unterschiedlichen Rechtspositionen müssten im Rahmen der Feststellungsklage geklärt werden. Nach der Verwaltungsrechtsprechung und der Rechtsprechung des EuGH sei eine Tätigkeit ohne Gewinnerzielungsabsicht nichtgewerblicher Art, so dass das in § 11 TierSchG und § 4 BmTierSSchV geforderte Tatbestandsmerkmal "gewerbsmäßig" vorliegend nicht gegeben sei.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass das Verbringen oder Verbringenlassen von Hunden vom Ausland nach Deutschland durch den Kläger und die Vermittlung der Hunde durch den Kläger an Pflegestellen oder Hundehalter im Inland nicht erlaubnispflichtig nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3b TierSchG ist und dass diese Tätigkeit nicht der Anzeige- und Registrierungspflicht nach § 4 Binnenmarkt-Tierseuchenschutzverordnung unterliegt.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Ansicht des Klägers entgegen getreten und hat auf Rechtsäußerungen anderer Behörden (Landwirtschaftsministerium, Länderarbeitsgemeinschaft gesundheitlicher Verbraucherschutz) verwiesen, wonach eine derartige Betätigung tierseuchenrechtlich anzeigenpflichtig und tierschutzrechtlich erlaubnispflichtig sei. Es handele sich nicht um einen nach EU-Recht erleichterten Reiseverkehr von Heimtieren (Hunden, Katzen), denn dort werde im Einzelfall ein Tier bekannter Herkunft vom Eigentümer oder einer anderen von diesem bestellten Vertrauensperson während des Transportes begleitet, ohne dass anschließend eine Eigentumsübertragung oder ein Besitzerwechsel geplant sei. In den vorliegenden Fällen handele es sich um Tiere unbekannter Herkunft und die Tierschutzvereine würde diese Heimtiere in größerer Anzahl u.a. mittels Flugpaten nach Deutschland bringen, um anschließend die Tiere in Deutschland an Dritte abzugeben, die hierfür Schutzgebühren zahlen müssten. Damit würden die Tierschutzvereine im Sinne des EU-Rechtes Handel betreiben und sich gewerbsmäßig betätigen. Der Europäische Gerichtshof habe in einer Entscheidung vom 10. Januar 2006 (C-222/04) seine Rechtsprechung bestätigt, dass eine wirtschaftliche Tätigkeit jede Tätigkeit sei, die darin bestehe, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten. Daran ändere auch die Auslegung des Begriffes "gewerbsmäßig" in Ziffer 12.2.1.5 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Tierschutzgesetzes nichts, so dass schon alleine das Anbieten einer Ware (hier Hunde) als gewerbsmäßige Tätigkeit anzusehen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat Erfolg.

Die Klage ist als Feststellungsklage zulässig. Der Kläger kann nicht darauf verwiesen werden, dass er sich gegen entsprechende spätere ordnungsrechtliche Maßnahmen des Beklagten zur Wehr setzen könnte und die Feststellungsklage daher nach § 43 Abs. 2 VwGO subsidiär wäre. Denn der Beklagte hat dem Kläger bereits konkrete Maßnahmen (Untersagung des gewerbsmäßigen Handels mit Wirbeltieren, Einleitung eines Bußgeldverfahrens) angekündigt, um eine weitere Einfuhr von Hunden zu unterbinden, falls der Kläger nicht eine tierschutzrechtliche Erlaubnis beantragt und der geforderten Melde- und Registrierungspflicht nachkommt. Bei einer derartigen Sachlage kann der betroffene Tierschutzverein die gegensätzlichen Rechtspositionen im Wege einer Feststellungsklage gerichtlich klären lassen (vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 21.9.1998 - 23 K 6776/04 -; OVG Münster Urt. v. 8.11.2007 - 20 A 3908/06 - zitiert nach Juris).

Die Klage ist auch begründet.

Der Kläger bedarf für die im Streit stehende Tätigkeit (Verbringen oder Verbringenlassen von Hunden vom Ausland nach Deutschland und die Vermittlung der Hunde an Pflegestellen oder Hundehalter im Inland) weder eine tierschutzrechtliche Erlaubnis gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3b TierSchG, noch unterliegt er der tierseuchenrechtlichen Anzeige- und Registrierungspflicht nach § 4 BmTierSSchV.

Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3b TierSchG bedarf einer Erlaubnis, wer gewerbsmäßig mit Wirbeltieren handelt. Außerdem hat derjenige, der gewerbsmäßig Tiere innergemeinschaftlich verbringen oder einführen will, dies gemäß § 4 BmTierSSchV vor Aufnahme der Tätigkeit der zuständigen Behörde anzuzeigen und sich registrieren zu lassen. Beide Vorschriften setzen mithin ein gewerbsmäßiges Tätigwerden voraus. Gewerbsmäßigkeit liegt vor, wenn eine Tätigkeit selbständig, planmäßig, fortgesetzt und mit der Absicht der Gewinnerzielung ausgeübt wird (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 11.7.2011 - 11 ME 152/11 - Veröffentlichung nicht bekannt; Hirt u.a., TierSchG, 2. Aufl. 2007, § 11 Rndr. 9). Eine entsprechende Definition enthält im Übrigen auch Ziffer 12.2.1.5. der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Tierschutzgesetzes. Die Auffassung des Beklagten, für die Gewerbsmäßigkeit im Tierschutzrecht und im Tierseuchenrecht sei es ausreichend, dass eine selbständige, dauerhafte und planmäßige Tätigkeit vorliege, deren Umfang erhöhte tierschutzrechtliche bzw. tierseuchenrechtliche Anforderungen notwendig mache, eine Gewinnerzielungsabsicht daher nicht Tatbestandsvoraussetzung einer gewerbsmäßigen Tätigkeit sei, wird vom Gericht nicht geteilt (so wohl aber VG Schleswig, Urt. v. 17.8.2011 - 1 A 31/10 - Veröffentlichung nicht bekannt). Soweit in § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TierSchG und § 4 BmTierSSchV der Begriff der Gewerbsmäßigkeit verwandt worden ist, zielt der Gesetzgeber darauf ab, einen angemessen Ausgleich herzustellen zwischen den gewerblichen Interessen, die ihrem Wesen nach auf die Erzielung wirtschaftlicher Vorteile ausgerichtet sind, und den hierdurch potentiell nachteilig betroffenen tierschutzrechtlichen und tierseuchenrechtlichen Belangen. Eine generelle Erlaubnispflicht für Personen, die mit Wirbeltieren handeln, oder eine generelle Anzeige- und Registrierungspflicht für Personen, die Heimtiere nach Deutschland verbringen, sieht § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TierSchG bzw. § 4 BmTierSSchV dagegen nicht vor. Gegen eine erweiternde Auslegung des Tatbestandsmerkmals "gewerbsmäßig" spricht insbesondere auch, dass der Gesetzgeber in § 11 TierSchG eine Vielzahl von Erlaubnistatbeständen formuliert und hierbei je nach Einzelfallgruppe unterschieden hat, ob eine Tätigkeit als solche oder ob nur die gewerbsmäßige Tätigkeit erlaubnispflichtig ist.

An einer Gewinnerzielungsabsicht fehlt es vorliegend. Allerdings erhebt der Kläger von den Abnehmern der Hunde sog. Schutzgebühren in Höhe von 200,- EUR/Hund. Im Jahr werden etwa 50 Auslandshunde durch den Kläger vermittelt, so dass der Kläger aus der Hundevermittlung beträchtliche Einnahmen von 10.000,- EUR erzielt. Allein hieraus lässt sich indes noch nicht die Schlussfolgerung ziehen, dass der Kläger zumindest auch mit Gewinnerzielungsabsicht die Hunde aus dem Ausland einführt und vermittelt. Nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers decken die Einnahmen aus der Schutzgebühr nicht annähernd die Kosten für den Transport, die Verpflegung und die tierärztliche Versorgung der Tiere. Zweifel hieran hat der Beklagte nicht geäußert, so dass auch das Gericht keine Veranlassung sieht, vom Kläger über den Umfang seiner Vereinstätigkeit und seine finanzielle Situation sich weitere Unterlagen vorlegen zu lassen. Selbst wenn bei einem einzelnen Hund durch die Schutzgebühr ein Überschuss entstehen sollte, dürfte ein solcher Gewinn nach der Satzung des Klägers nur für die satzungsgemäßen Zwecke, d.h. für die Förderung des Tierschutzes verwandt werden. Gewinnausschüttungen oder sonstige Zuwendungen des Vereins an seine Mitglieder sind nach dessen Satzung verboten. Auch der Vorhalt, der Kläger konkurriere mit der entgeltlichen Abgabe der Hunde mit Hundezüchtern und sonstigen Hundehändlern, greift zu kurz. Denn der Kläger handelt nicht aus Gewinninteresse sondern allein aus Gründen des Tierschutzes, um Hunde, die sich im Ausland in einer Notsituation befinden oder gar allein wegen ihrer Herrenlosigkeit zwangsgetötet werden sollen, zu retten. Die Satzung des Vereins und der dem Kläger seitens des Finanzamtes erteilte Freistellungsbescheid sprechen ebenfalls gegen eine Gewinnerzielungsabsicht. Der Kläger verfolgt laut seiner Satzung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke und ist als solcher Verein vom Finanzamt anerkannt. Anhaltspunkte dafür, dass hier gleichwohl Privatpersonen unter dem Deckmantel einer gemeinnützigen Organisation allein aus kommerziellem Interesse junge Hunde aus dem Ausland importieren, um sie hier gewinnbringend zu veräußern, sind vom Beklagten nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich.

Soweit der Beklagte geltend macht, es würden nicht nur durch den Kläger, sondern auch durch andere Tierschutzorganisationen eine unüberschaubare Anzahl von Heimtieren vom Ausland zur Vermittlung nach Deutschland gebracht, die Herkunft und der Gesundheitszustand der Tiere sei nicht geklärt und daher seuchenhygienisch bedenklich, mag dies zwar eine tierschutzrechtliche und tierseuchenrechtliche Kontrolle erfordern. Soweit es im Einzelfall ordnungsrechtlicher Anordnungen bedarf (tierärztliche Untersuchung und Versorgung, Impfung, Quarantäne, Fütterung des Tieres etc.), kann die zuständige Behörde diese aber auf die allgemeinen tierschutzrechtlichen und tierseuchenrechtlichen Eingriffsklauseln stützen. Einer erweiternden Auslegung des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3b TierSchG und des § 4 BmTierSSchV bedarf es insoweit nicht.

Da tierschutzrechtlich allein die Frage einer Erlaubnispflicht nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3b TierSchG im Streit steht, bedarf es keiner Ausführung dazu, ob die Tätigkeit des klagenden Tierschutzvereins möglicherweise der Erlaubnispflicht nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TierSchG (Tierheim ähnliche Einrichtung) unterliegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor.