Landgericht Aurich
Urt. v. 17.12.2015, Az.: 1 O 923/14
Schadenersatz- und Schmerzensgeldbegehren nach einem Verkehrsunfall; Verkehrsrechtliche Einordnung einer Parkhauszuwegung nach der konkreten Gestaltung als Straße oder Ausfahrt
Bibliographie
- Gericht
- LG Aurich
- Datum
- 17.12.2015
- Aktenzeichen
- 1 O 923/14
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2015, 37488
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGAURIC:2015:1217.1O923.14.0A
Rechtsgrundlagen
- § 7 Abs. 1 StVG
- § 8 Nr. 1 StVG
- § 18 Abs. 1 S. 1 StVG
- § 823 Abs. 1 BGB
- § 115 Abs. 1 VVG
Tenor:
- 1.
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
- 3.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
- 4.
Der Streitwert wird auf 11.536,50 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Straßenverkehrsunfall.
Die Klägerin befuhr mit dem PKW, VW Golf 5, amtliches Kennzeichen ABC-DE 123 am 9. Mai 2014 gegen 14:20 Uhr die Straße H. in E.. Von der Klägerin aus gesehen von rechts von der Parkhauszuwegung kam der Beklagte zu 1) mit einem Gabelstapler und beabsichtigte die Straße H. zu überqueren. Halter des Gabelstaplers, der bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversichert ist, ist der Beklagte zu 2), der ein Unternehmen im Bereich Tiefbauarbeiten betreibt. Es kam zum Zusammenstoß zwischen dem Auto der Klägerin und dem vom Beklagten zu 1) geführten Gabelstapler, wobei die genauen Einzelheiten zwischen den Parteien streitig sind. Die Gabeln des Gabelstaplers spießten das Fahrzeug der Klägerin auf und es entstand ein Totalschaden am Fahrzeug der Klägerin.
Der Wiederbeschaffungswert des beschädigten Fahrzeugs der Klägerin betrug 11.800 € und der Sachverständige ermittelte einen Restwert in Höhe von 3.130 € für das beschädigte Fahrzeug. Bei dem verunfallten Fahrzeug handelt es sich um ein Fahrzeug, das im Kfz-Handel überwiegend differenzbesteuert angeboten wird. Daher ist im Wiederbeschaffungswert ein Mehrwertsteueranteil von 2,5 % enthalten. Die Beklagten boten der Klägerin ein erhöhtes Restwertangebot von 4.592,00 € der Firma XY Aspektum aus M. an, dass die Klägerin auch annahm. Weiter macht die Klägerin eine Nutzungsausfall für 14 Tage á 38 € geltend. Für die Erstellung des Sachverständigengutachtens entstanden Kosten in Höhe von 1.061,30 €, die die Klägerin zu Gunsten des Sachverständigenbüros V. abgetreten hat. Nach Zahlung trat das Sachverständigenbüro die Forderung an die Klägerin zurück ab. Bis zur Abmeldung des Fahrzeugs stand das Fahrzeug bei der Firma Auto G.. Für die Arbeitsplatz- und Hebebühnenstellung für den Gutachter und für die Stellplatzmiete zahlte die Klägerin 130,90 €. Am 26. Mai 2014 meldete die Klägerin das verunfallte Fahrzeug ab und wendet hierfür 42,30 € auf. Die Klägerin begehrt eine allgemeine Kostenpauschale von 20 €. Für ärztliche Bescheinigungen des Krankenhauses Wittmund wendete die Klägerin 80 € auf. Am 19. Mai 2014 kaufte die Klägerin einen VW Golf Plus zu einem Kaufpreis von 12.450 €, mit voraussichtlichen Liefertermin 26.05.2014.
Die Klägerin behauptet, dass sie beim Befahren der Straße H. in E. vorfahrtsberechtigt gewesen sei. Die Straße, die der Beklagte benutzt habe, sei mit dem Verkehrszeichen 205 der Anlage 2 zur StVO "Vorfahrt gewähren" beschildert gewesen. Sie habe daher darauf vertrauen dürfen, dass der Beklagte mit seiner selbstfahrenden Arbeitsmaschine warte. Der Beklagte zu 1) sei mit dem Gabelstapler in das Fahrzeug der Klägerin hineingefahren. Sie sei Eigentümerin des verunfallten PKWs. Sie sei durch den Unfall leicht verletzt worden, in dem sie eine leichte bis mittlere HWS-Distorsion erlitten habe. Sie leide unter der HWS-Distorsion bis zum heutigen Tage. Sie stellt sich ein Schmerzensgeld von 1.000 € vor.
Die Klägerin beantragt,
- 1.
die Beklagten wegen des Unfalls am 9. Mai 2014 gegen 14:20 Uhr am H.in E. zu verurteilen, 10.536,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. Juni 2014 an sie zu zahlen.
- 2.
wegen der Folgen aus dem Unfall am 9. Mai 2014 gegen 14:20 Uhr am H. in E. ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichtes gestellt ist, an sie zu zahlen.
- 3.
die Beklagten zu verurteilen 958,19 € an außergerichtlichen Kosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an sie zu zahlen.
Die Beklagten behaupten, dass die Klägerin mit ihrem Fahrzeug die Fahrbahn verlassen habe und aus einem spitzen Winkel seitlich frontal in das vom Beklagten zu 1) geführte Fahrzeug gefahren sei. Weiterhin betrage die bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit des Gabelstaplers maximal 20 km/h. Im Übrigen gelte an der konkreten Einmündung die Regel "rechts vor links", so das der Beklagte zu 1) vorfahrtsberechtigt gewesen sei.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens durch Beweisbeschluss vom 30. Dezember 2014 (Bl. 98 d. A.). Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 31. Juli 2015 (Bl. 114 d. A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
I. Haftung nach dem StVG
Der Kläger stehen aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfallereignis gegen die Beklagten zu 1) bis 3) keine Zahlungsansprüche gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 Satz 1 StVG, 823 Abs. 1 BGB, 115 Abs. 1 VVG zu.
Ansprüche gemäß § 7 Abs. 1 StVG gegen den Beklagte zu 2) stehen der Klägerin nicht zu, da diese Vorschrift gemäß § 8 Nr. 1 StVG nicht anwendbar ist. Danach gilt die Vorschrift des § 7 StVG nicht, wenn der Unfall durch ein Kraftfahrzeug verursacht wurde, dass auf ebener Bahn mit keiner höheren Geschwindigkeit als 20 km in der Stunde fahren kann.
Hier ist dem Beklagten zu 2) der Beweis gelungen, dass der am Unfall beteiligte Gabelstapler konstruktionsbedingt nicht schneller als 20 km/h fahren kann. Der Haftungsausschluss des § 8 StVG gilt bei allen Fahrzeugen, die aufgrund ihrer konstruktionsbedingten Beschaffenheit nicht schneller als 20 km/h fahren können, gleichgültig, ob dies auf ihrer Bauart und oder auf vom Hersteller angebrachten Vorrichtungen und Sperren beruht. Die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 8 StVG hat der Halter zu beweisen (Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, § 8 StVG Rn. 1). Dieser Beweis ist dem Beklagten gelungen. Das Typenblatt des Atlas-Radladers A 52 E (Anlage A 12 des Sachverständigengutachtens Bl. 136 d. A.) weist unter der Rubrik Antrieb folgenden Wortlaut aus:
"Hydrostatischer Fahrantrieb mit automotiver Steuerung, Regelfahrmotor, unter Last schaltbar. Leistungsregulierte, hydraulisch gesteuerte Fahrpumpe, Grenzlastregelung. Druckabschneidung. Allrad-Antrieb. Stufenlose Geschwindigkeitsregulierung.
Arbeitsgang 0 - 8,5 km/h
Straßengang 0 - 20 km/h"
Damit kann der Atlas-Radlader konstruktionsbedingt nur Geschwindigkeiten bis zu 20 km/h erreichen, so dass über die Ausnahmevorschrift des § 8 StVG die Halterhaftung des § 7 StVG nicht eingreift.
Auch der Beklagte zu 1) haftet nicht nach § 18 Abs. 1 StVG als Führer des Fahrzeugs. Voraussetzung ist nämlich, dass ein Fall des § 7 StVG eingreift. Die Haftung ist auch für den Fahrer des Kraftfahrzeuges unter den Voraussetzungen des § 8 StVG ausgeschlossen (Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, § 18 StVG Rn. 3). Hier liegen die Voraussetzungen des § 8 StVG vor, so dass für den Beklagten zu 1) auch nicht § 18 StVG eingreift.
Auch besteht kein Anspruch gegen die Beklagte 3) gemäß § 115 VVG. Voraussetzung dafür ist nämlich, dass ein Fall der Pflichtversicherung nach dem Pflichtversicherungsgesetz besteht. Gemäß § 2 Nr. 6 PflVersG besteht keine Pflichtversicherung bei selbständigen Arbeitsmaschinen mit einer Geschwindigkeit von höchstens 20 km/h. Dieses ist nicht gegeben, da wie bereits dargestellt die Höchstgeschwindigkeit des Radladers hier maximal 20 km/h beträgt.
II. Haftung nach dem BGB
Der Klägerin steht gegen den Beklagten zu 1) kein Anspruch auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld gemäß § 823 BGB zu.
Hier ist der Klägerin nicht der Beweis gelungen, dass der Beklagte zu 1) fahrlässig oder vorsätzlich den Körper bzw. das Eigentum von ihr verletzt hat.
a) Verletzung von § 10 StVO
Der Klägerin ist nicht der Beweis gelungen, dass der Beklagte 1) gegen § 10 StVO hat. Danach hat, wer aus einem Grundstück auf die Straße fahren will, sich so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Auch unter Zugrundelegung des hilfsweise zu eigen gemachten Vortrages des Beklagten zu 1) dass er von dem Grundstück, dass auf der Anlage A4 des Sachverständigengutachtens (Bl. 128 d. A.) im rechten Bereich zu erkennen ist, losgefahren ist, liegen die Voraussetzungen des § 10 StVO nicht vor. Zum Zeitpunkt der Kollision fuhr der Beklagte zu 1) nicht von einem Grundstück auf die Straße, sondern von einer Straße auf eine andere. Die Frage, ob die Zufahrt zu einem Wohnhaus als eine Grundstücksausfahrt oder anderer Straßenteil iSd § 10 StVO zu werten ist, oder ob sie eine Straßeneinmündung iSd StVO § 8 Abs 1 darstellt, ist danach zu entscheiden, ob der Verkehrsweg nach Ausbau und Gestaltung dem fließenden Verkehr oder lediglich dem Zugang zu dem Grundstück dient (OLG Oldenburg, ZfS 1992, 332). Im Zeitpunkt der Kollision befand sich der Beklagte nicht mehr bei Auffahrt von dem Privatgrundstück, sondern vielmehr auf der Straße, die als Zuwegung zum Parkhaus dient.
Die Parkhauszuwegung ist nach der konkreten Gestaltung eine Straße und keine Ausfahrt aus einem Grundstück. Maßgeblich für die verkehrsrechtliche Einordnung als Straße oder Ausfahrt sind die äußerlich erkennbaren Merkmale (vgl. Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, § 10 StVO, Rn. 5). Die Gestaltung der Ausfahrt mit abgerundeten Bordsteinen, einer gleichen Pflasterung wie die Straße H., auf der sich die Klägerin befand und dem Fahrradweg lässt vielmehr auf eine selbständige, vorfahrtsberechtigte Straße schließen. Die Zuwegung hat eine gewisse Breite, so dass bei Betrachtung der Anlage A1 des Sachverständigengutachtens das Gericht zu der Überzeugung gelangt ist, dass diese Zuwegung verkehrsrechtlich als Straße einzuordnen ist.
Auf dem oberen Lichtbild der Anlage A4 des Sachverständigengutachtens ist zu erkennen, dass das Privatgrundstück der Firma S. eine deutlich hellere Pflasterung als die Zuwegung zum Parkhaus und auch die Straße am H. hat. Diese Grundstücksauffahrt endet, wie durch das auf der Anlage A2 des Sachverständigengutachtens abgebildete Fahrzeug am linken Bildrand erkennbar ist, mehr als eine Fahrzeuglänge vor dem zu erkennenden Fahrradweg. Das bedeutet, dass sich bei Erreichen des Fahrradweges der von dem Privatgrundstück auffahrende Fahrzeugführer bereits auf die Straße, die als Zuwegung zum Parkhaus dient, eingeordnet hat und sich somit im fließenden Verkehr der Parkhauszuwegung befunden hat.
Selbst wenn der Beklagte zu 1) bei Erreichen des Fahrradweges noch nicht vollständig von dem Grundstück auf die Straße gefahren wäre, so wäre im Bereich der Kollision das Ausfahren aus dem Grundstück längst beendet. Zwischen dem Fahrradweg und der Straße H. befindet sich nämlich noch ein Fahrbahnraum, der länger als eine PKW-Länge ist. Spätestens mit Durchfahren dieses Verkehrsraums ist das Ausfahren aus dem Privatgrundstück beendet, da auch die Fahrzeuge, die die Parkhauszuwegung benutzen, genau den gleichen Verkehrsraum befahren.
b) Verletzung von § 8 Abs. 1 StVO
Der Klägerin steht auch kein Anspruch wegen Verletzung der Vorfahrt aus § 8 Abs. 1 StVO gegen den Beklagten zu 1) zu. Nach dieser Vorschrift hat an Kreuzungen und Einmündungen die Vorfahrt, wer von rechts kommt. Aus Sicht der Klägerin kam der Beklagte zu 1) von rechts, so dass dieser Vorfahrt hatte. Der Klägerin ist nicht der Beweis gelungen, dass die Ausnahmevorschrift des § 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StVO eingreift. Danach gilt die Regel rechts vor links nicht, wenn die Vorfahrt durch Verkehrszeichen besonders geregelt ist (Zeichen 205, 206, 301, 306).
An der Straße H., die die Klägerin befuhr befand sich weder das Verkehrszeichen 301 (Vorfahrt), noch das Verkehrszeichen 306 (Vorfahrtstraße) der Anlage 2 zu § 41 der StVO, dass ihr Vorfahrt gewähren würde. Ein solches ist auf den Lichtbildern der Anlage A1 des Sachverständigengutachtens nicht ersichtlich. Auch die Klägerin räumte im Rahmen der mündlichen Verhandlung ein, auch wenn dieses nicht protokolliert wurde, dass sich auf der Straße am H. kein Vorfahrtzeichen befindet.
Dem Beklagten ist kein Verstoß gegen das Zeichen 205 der Anlage 2 zu § 41 der StVO vorzuwerfen. Aus dem oberen Lichtbild der Anlage A2 des Sachverständigengutachtens ist ersichtlich, dass nach seinem unwiderlegten Vortrag, dass er seine Fahrt von dem Privatgrundstück begonnen hat, das aufgestellte Verkehrszeichen 205 für ihn nicht wahrnehmbar war, da dieses sich hinter der Einmündung aus dem Privatgrundstück auf die Parkhauszuwegung befunden hat.
Im Übrigen soll das auf der Anlage A2 erkennbare aufgestellte Verkehrszeichen 205 nicht dem Straßenverkehr auf der Straße H. Vorrang gebieten. Soll es nämlich dem Straßenverkehr auf der Straße H. Vorrang gebieten, wäre es nicht an der konkreten Stelle aufgebaut worden, sondern an einer Stelle, die viel weiter in Richtung Straße H. verlagert ist. Dieses wäre frühestens unmittelbar vor oder hinter dem Fahrradweg gewesen. Dies ist aber eine Strecke von deutlich mehr 5 m. Auch wäre die logische Konsequenz, dass im Falle der Gewährung der Vorfahrt für Fahrzeuge, die sich auf der H. befinden, zeitgleich ein Verkehrszeichen 301 oder 305 aufgebaut wäre. Ansonsten wäre für Fahrzeuge, die sich auf der Straße H. befinden nicht erkennbar, dass diese entgegen der normalerweise bestehenden Regelung "rechts vor links" Vorfahrt haben. Vielmehr soll das aufgestellte Verkehrszeichen 205 dem Fahrzeugverkehr, dass sich aus dem Privatgrundstück auf die Parkhauszuwegung zubewegt, Vorfahrt verschaffen. Aus dem oberen Lichtbild der Anlage A4 ist nämlich ersichtlich, dass die Zuwegung und die Ausfahrt aus dem Privatgrundstück sich trichterförmig aufeinander zu bewegen und von dem Privatgrundstück es kaum möglich ist, den Verkehr auf der Zuwegung zu beobachten.
c) Verletzung von § 1 StVO
Dem Beklagten zu 1) ist auch keine Verletzung der Rücksichtnahmepflicht aus § 1 StVO vorzuwerfen.
Ein Vorfahrtberechtigter darf grundsätzlich auf die Beachtung seiner Vorfahrt vertrauen. Das gilt sowohl zugunsten des auf einer bevorrechtigten Straße Fahrenden als auch für den Verkehrsteilnehmer, dem das Vorfahrtrecht deshalb zusteht, weil er von rechts kommt. Auch dieser kann grundsätzlich darauf vertrauen, dass von links kommende wartepflichtige Verkehrsteilnehmer sein Vorfahrtrecht beachten (OLG Celle, VersR 1976, 345 m.w.N.). Dieser Vertrauensschutz gilt jedoch nicht ausnahmslos. Der Vorfahrtberechtigte darf sich dann nicht auf die Beachtung seiner Vorfahrt verlassen, wenn konkrete Umstände Anlass zu der Befürchtung geben, ein anderer Verkehrsteilnehmer werde die Vorfahrt verletzen. Solche Umstände können nicht nur in dem erkannten oder erkennbaren Verhalten eines anderen Verkehrsteilnehmers, sondern auch in den örtlichen Verhältnissen einer Einmündung liegen (OLG Celle a.a.O. m.w.N.). In der Rechtsprechung ist deshalb seit langem anerkannt, dass der Benutzer eines Weges, dem nur ganz untergeordnete Verkehrsbedeutung zukommt, bei Überquerung einer dem Durchgangsverkehr dienenden Straße nicht auf die Beachtung seiner ihm gegenüber von links kommenden Benutzern dieser Straße zustehenden Vorfahrt vertrauen darf (OLG Celle a.a.O. m.w.N.). Ebenso wenig darf sich der Benutzer einer Straße, die in eine Querstraße einmündet, ohne sich jenseits der Einmündung fortzusetzen (sog. T-Einmündung) auf die Beachtung seines Vorfahrtrechts durch von links auf der durchgehenden Straße herannahende Verkehrsteilnehmer verlassen, wenn seine Straße für den Wartepflichtigen nicht oder nicht voll einsehbar ist (OLG Celle a.a.O. m.w.N.; OLG Koblenz, DAR 2004, 272). Es entspricht erfahrungsgemäß oft dem instinktiven Verhalten des auf einer durchgehenden Straße Fahrenden, sich gegenüber einer von rechts einmündenden sich auf der anderen Straßenseite nicht fortsetzenden Straße als vorfahrtsberechtigt anzusehen (OLG Koblenz, DAR 2004, 272).
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Hier handelt es sich bei der Straße, die die Klägerin befahren hat, nicht um eine Straße, die dem Durchgangsverkehr dient. Auf dem oberen Bild der Anlage A1 ist ersichtlich, dass die Straße H., die die Klägerin befahren hat gegenüber der folgenden querenden Straße selber wartepflichtig ist und an der Querung der überörtlichen Straße mit einem "Stopschild" versehen ist. Darüber hinaus ist auf der Anlage B1 erkennbar, dass Hauptzweck der Straße H. ist, den Parkplatzverkehr zum Parkhaus bzw. den auf der anderen Seite befindlichen Parkplatz bzw. Supermarkt zuzuführen. Ansonsten dient die Straße, was gerichtsbekannt ist, lediglich unbedeutendem innerstädtischem Verkehr im Stadtzentrum von E.. Auch endet die Straße nicht in einer T-Mündung, sondern setzt sich vielmehr auf der gegenüber liegenden Seite mit einem Parkplatz bzw. leicht versetzt mit einem Parkplatzweg fort. Wie aus der Anlage A 1 des Sachverständigengutachtens ersichtlich ist, ist die Einmündung gut einsehbar. Im Übrigen gibt es in den Zentren der historisch gewachsenen Innenstädte in Ostfriesland diverse T-Kreuzungen, bei denen die Regelung "rechts vor links" als Selbstverständlichkeit beachtet wird. Andere Besonderheiten, aus denen der Beklagte zu 1) hätte schließen können, dass die Klägerin sein Vorfahrtrecht missachtet sind wieder ersichtlich, noch vorgetragen.
Mangels Hauptanspruch besteht auch kein Anspruch auf die Nebenforderung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.