Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 19.01.2000, Az.: 7 A 140/97
Übertragung von Referenzmengen; Voraussetzung für Erwerb der Milchquote; Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Abgabenerhebung; Rechtsanspruch auf Bescheinigung; Berücksichtigung der Stall- und Wegeflächen im Betrieb; Anwendung der Grundsätze der "dynamischen Milchquote"; Aufgabe der Milcherzeugung durch den Pächter
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 19.01.2000
- Aktenzeichen
- 7 A 140/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 11646
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGLUENE:2000:0119.7A140.97.0A
Rechtsgrundlagen
- § 9 Abs. 1 Nr. 1 MGVO
- Art. 7 Abs. 1 Richtlinie 3950/92/EWG
- § 7 MGVO
Fundstelle
- AgrarR 2000, 341-344
Verfahrensgegenstand
Milchgarantiemengen
Prozessführer
Freie und Hansestadt Hamburg,
Alter Steinweg 4, 20459 Hamburg, - WL/R/120.14-60/16 u. 17 -
Prozessgegner
Landwirtschaftskammer Hannover, Johannssenstraße 10, 30159 Hannover, - 12.3-3.1.6-MGV Ü 369 -
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Referenzmengenbescheide können bereits deshalb rechtswidrig sein, weil die Stall- und Wegeflächen im Betrieb, die unstreitig der Milcherzeugung gedient haben, bei der Entscheidung außer Betracht geblieben sind.
- 2.
Bei der Rückgabe von gesamten Betrieben ist ein vorheriges "Hinüberziehen" der auf den Betriebsflächen liegenden Quote auf referenzmengenlose Neupachtflächen nicht möglich.
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Lüneburg - 7. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 19. Januar 2000
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht ...
die Richterin am Verwaltungsgericht ... sowie
die ehrenamtlichen Richter Frau ... und Herrn ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Bescheide der Beklagten vom 12. Mai 1993 und 13. August 1993 werden aufgehoben.
Die Beklagte und die Beigeladenen tragen die Kosten des Verfahren zu je 1/4 (einem Viertel).
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Übertragung von Referenzmengen auf die Beigeladenen zu 1. und 2.
Die Klägerin ist Eigentümerin eines sogenannten "Staatspachthofes" in Hamburg-Altengamme. Diesen Hof verpachtete sie 1976 an das Ehepaar ... und ... den Beigeladenen zu 3. Mit Pachtvertrag vom 2. Januar 1989 wurde der Hof mit einer Pachtfläche von 88,3 ha einschließlich Wohn- und Wirtschaftsgebäuden letztmalig an den Beigeladenen zu 3. und dessen Ehefrau verpachtet (Pachtzeit 1. Januar 1987 bis 31. Dezember 1998). Die Eheleute ... betrieben bis 1981 Milchwirtschaft. Vor der Einstellung der Milcherzeugung wurden 191.432 kg an die Molkerei geliefert.
Mit Schreiben vom 20. Juni 1989 beantragte der Beigeladene zu 3. die vorläufige Zuteilung einer Referenzmenge nach dem SLOM-Verfahren (Neuzuteilung von Referenzmengen an ehemalige Nichtvermarkter und Umsteller). Der Beigeladene zu 3. gab in seinem Antrag u.a. an, dass er 180 ha gepachtet habe, davon 120 ha für Marktfrüchte und 60 ha Grünland. Er halte derzeit 80 Ammenkühe und 10 sonstige weibliche Rinder. Er habe 49 Kuhplätze mit Melkanlage und einen Laufstall für 80 Rinder. Er erklärte weiter, dass er die vorläufige Anlieferungsreferenzmenge in vollem Umfang in seinem Betrieb erzeugen könne.
Mit Bescheid vom 25. August 1989 bescheinigte die Klägerin dem Beigeladenen zu 3., dass eine Milchmenge von 191.432 kg der Berechnung der Anlieferungsreferenzmenge zu Grunde zu legen sei. Weiter heißt es in dem Bescheid, dass der Betrieb Altengammer Elbdeich 166 in der Lage sei, die zu berechnende Anlieferungsreferenzmenge in vollem Umfang zu erzeugen.
Die ... Meierei Hamburg errechnete am 11. September 1989 eine vorläufige Referenzmenge von 114.859 kg (= 60 % von 191.432 kg). Der Beigeladene zu 3. nahm die Milchlieferung am 27. März 1990 auf. Nach den Angaben der Klägerin erfolgte die Neufestsetzung der Referenzmenge am 27. August 1991 mit 162.717 kg, weil sich die Rechtslage zur Berechnung von Referenzmengen geändert hatte.
Am 1. April 1990 schloss der Beigeladene zu 3. mit den Beigeladenen zu 1. und 2. Pachtverträge. Mit dem Beigeladenen zu 1. schloss er einen Vertrag mit einer Laufzeit von 12 Jahren über Flächen von insgesamt 9,4964 ha in den Gemarkungen ... und ... Der Verpächter sollte das Recht haben, den Pachtvertrag vorzeitig zum Ende eines Pachtjahres zu kündigen. Als Entschädigung sollte dann der Pächter das Dreifache der Jahrespacht von 5.000,00 DM für die verbliebene Restlaufzeit erhalten. Mit dem Beigeladenen zu 2. schloss der Beigeladene zu 3. einen Pachtvertrag in den Gemarkungen Avendorf und Barumer Hagen in einer Gesamtgröße von 7,84 ha. Die Jahrespacht betrug 4.000,00 DM. Laufzeit und "Strafklausel" stimmen mit dem Vertrag mit dem Beigeladenen zu 1. überein.
Unter dem 8. März 1993 bescheinigte die Nordmilch ... als Nachfolgerin der Hansa Molkerei dem Beigeladenen zu 3. eine Referenzmenge von 162.717 kg und riet dem Beigeladenen zu 3., die Anlieferungsmenge, die er längere Zeit nicht genutzt habe, zu verleasen.
Mit Schreiben vom 26. April 1993 beantragte der Beigeladene zu 1. und mit Schreiben vom 4. August 1993 der Beigeladene zu 2. bei der Beklagten die Übertragung jeweils einer ihren Flächen entsprechenden Referenzmenge auf sich, da der Beigeladene zu 3. die Flächen am 1. April 1993 zurückgegeben habe. Die Flächen hätten der Milcherzeugung gedient. Mit Bescheid vom 12. Mai 1993 bescheinigte die Beklagte dem Beigeladenen zu 1. den Übergang einer Referenzmenge von dem Beigeladenen zu 3. in Höhe von 90.000 kg mit einem Fettgehalt von 4,07 v. H. Sie bescheinigte dem Beigeladenen zu 2. mit Bescheid vom 13. August 1993 den Übergang einer Referenzmenge von 72.717 kg mit einem Fettgehalt von 4.07 v. H.
Die Klägerin erfuhr im Herbst 1993 von dieser Entwicklung. Sie schloss mit dem Beigeladenen zu 3. und dessen Ehefrau am 28. Dezember 1994 einen Nachtragsvertrag, wonach der Beigeladene zu 3. zum 31. Dezember 1992 aus dem Pachtvertrag ausscheiden sollte. Frau Irmgard Lüdders sollte am 1. Januar 1993 alleinige Pächterin und im Jahr 1994 noch Pächterin einer Teilfläche von insgesamt 37,04 ha sein.
Die Klägerin wandte sich 1993 an die Beklagte und forderte sie auf, die den Beigeladenen zu 1. und 2. erteilten Bescheide aufzuheben, da die Referenzmenge auf dem Staatspachthof ruhe. Sie legte mit Schreiben vom 28. Februar und 10. März 1994 gegen die oben genannten Bescheide Widerspruch ein. Die Beklagte hat die Widersprüche nicht beschieden, die Klägerin hat am 26. Juni 1997 Untätigkeitsklage erhoben.
Sie trägt vor, die Bescheide der Beklagten seien rechtswidrig, weil auf den Flächen der Beigeladenen keine Referenzmenge geruht habe. Es sei auf den Zeitpunkt der Beendigung des Pachtverhältnisses mit dem Beigeladenen zu 3.-31. Dezember 1992 - abzustellen. Die Bescheide seien auch deshalb rechtswidrig, weil sie den Flächen der Beigeladenen die Referenzmenge in voller Höhe zuteilten, ohne die Flächen des Staatspachthofes zu berücksichtigen. Der Pachtvertrag mit den Eheleuten ... sei wegen der vorangegangenen langjährigen Pachtverträge als Altpachtvertrag zu qualifizieren. Der Beigeladene zu 3. genieße aber keinen Pächterschutz. Er habe zum Jahresende 1992 einen Betrieb, d.h. eine selbständige landwirtschaftliche Produktionseinheit, zurückgegeben. In einem solchen Fall gehe die gesamte Quote an den Verpächter zurück. In dem an den Beigeladenen zu 3. gerichteten Bescheid der Klägerin vom 25. August 1989 sei die Referenzmenge nur für den Staatspachthof, nicht für die Zupachtflächen bescheinigt worden. Sie werde die Quote, die ihr rechtswidrig entzogen worden sei, selbstverständlich wieder nutzen, sobald sie darüber verfügen könne. Im Übrigen bestreite sie den Vortrag des Beigeladenen zu 3., wonach dieser nur die niedersächsischen Zupachtflächen zur Milcherzeugung genutzt habe. Das zum Staatspachthof gehörende Grünland sei nicht minderwertig, auch bei extensiver Wirtschaftsweise nicht; die frühere Milchanlieferungsmenge sei schließlich auch von dem Hof erwirtschaftet worden.
Die Klägerin beantragt,
die Bescheide der Beklagten vom 12. Mai 1993 und vom 13. August 1993 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, bei Rückgabe der Flächen an die niedersächsischen Pächter habe keine Quote auf den Flächen der Klägerin gelegen. Ihre Bescheide stellten nur die Rechtslage zum 1. April 1993 fest, nur das sei Streitgegenstand, nicht die Lage bei Rückgabe des Staatspachthofes, die im Übrigen zeitlich später erfolgt sei.
Die Beigeladenen zu 1. und 2. tragen vor, es komme zunächst auf den Zeitpunkt der Rückgabe der niedersächsischen Flächen an, denn die Rückgabe des Hamburger Staatspachthofes liege zeitlich später. Da der Beigeladene zu 3. die Milchproduktion etwa im Oktober 1991 aufgegeben habe, komme es für die Eigenschaft der Zupachtflächen als Milcherzeugungsflächen allerdings nicht auf die Nutzung der Flächen im Zeitpunkt der Rückgabe, sondern im Zeitpunkt der Aufgabe der Milcherzeugung an. Der Milcherzeugung hätten allein ihre Flächen gedient. Der Beigeladene zu 3. habe die Milcherzeugung im Milchwirtschaftsjahr 1990/91 erst aufgenommen, nachdem er ihre Flächen zugepachtet habe. Die Milchviehherde habe auf dem Staatspachthof nur im Stall gestanden. Der Beigeladene zu 3., der an einem Extensivierungsprogramm teilgenommen habe, habe die Freiflächen allein für die Mutterkuhherde genutzt. Dort seien keine Milchkühe und kein weiblicher Nachwuchs gehalten worden. Der Beigeladene zu 3. habe das Grundfutter für die Milchkühe zugekauft bzw. dann von ihren Flächen gewonnen und im Übrigen in ungeordnetem Umfang auf dem elterlichen Betrieb im Ortsteil ..., den er seit 1976 gepachtet habe, gewonnen. Auf dem Staatspachthof könne höchstens die Stallfläche als Milcherzeugungsfläche gelten; die Quote sei aber längst verfallen. Auch könne die Klägerin die Quote nicht selbst nutzen.
Die Beigeladenen zu 1. und 2. beantragen,
die Klage abzuweisen.
Der Beigeladene zu 3. trägt vor, die Referenzmenge sei personenbezogen, sie sei ihm bescheinigt worden, deshalb könne die Klägerin nicht damit gehört werden, die Quote sei nur für den Staatspachthof bescheinigt worden. Diesen habe er 1976 in Bewirtschaftung genommen, zugleich mit dem landwirtschaftlichen Betrieb seiner Eltern in Hamburg-... 1981 habe er mit Bullenmast begonnen. Die Bullen seien im Sommer auf den Grünlandflächen beider Betriebe gelaufen. Ende 1987 habe er die Mutterkuhherde angeschafft und 1988 mit der Extensivierung der Grünlandflächen begonnen. Am 1. Januar 1990 seien alle Flächen des Staatspachthofes und des elterlichen Betriebes in die Extensivierung einbezogen gewesen. Die Mutterkuhherde sei ganzjährig auf der Weide gewesen. Im März 1990 habe er die Milchproduktion wieder aufgenommen. Die Milchkühe seien ausschließlich im Stallgebäude gehalten worden. Das Grundfutter sei zunächst zugekauft und dann von den niedersächsischen Pachtflächen gewonnen worden. Alle Flächen des Staatspachthofes seien zur Mutterkuhhaltung genutzt worden; dort sei die Gewinnung von Grassilage nicht möglich gewesen, da es wegen der Extensivierungsmaßnahmen erst ab Ende Juli erlaubt gewesen sei, zu mähen. Der Staatspachthof habe bei Rückgabe nicht der Milcherzeugung gedient; das sei nur bei den Flächen der Beigeladenen der Fall gewesen.
Der Beigeladene zu 3. beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Klägerin verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Klage ist ohne Vorverfahren gemäß § 75 VwGO zulässig, denn die Beklagte hat ohne zureichenden Grund über die Widersprüche der Klägerin nicht entschieden.
Die Klägerin ist auch klagebefugt. Dagegen spricht nicht, dass die Beklagte hier keinen Referenzmengenübergang von der Klägerin auf die Beigeladenen bescheinigt hat. Die Verletzung eigener Rechte der Klägerin durch die den Beigeladenen zu 1. und 2. erteilte Bescheinigung ist nicht von vornherein ausgeschlossen. Deshalb ist ihre Klagebefugnis zu bejahen. Ob der Klägerin die behauptete Rechtsposition tatsächlich zusteht, ist eine Frage der Begründetheit der Klage. Für die Klagebefugnis kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die angefochtenen Bescheide auch die Klägerin als Adressatin bezeichnen oder ihr gegenüber bekannt gegeben worden sind (BVerwG, Urteil vom 07.09.1992, Buchholz 451.512 MGVO Nr. 60).
Der Klägerin fehlte es nur dann am allgemeinen Rechtsschutzinteresse, wenn ihr ein - auch stattgebendes - Urteil jetzt nicht mehr nützen würde (BVerwG, Urteil vom 23.06.1995, Buchholz a.a.O., Nr. 110). Das Rechtsschutzinteresse der Klägerin fehlt indes nicht bzw. ist nicht weggefallen, denn für den Erwerb der Milchquote ist es nicht Voraussetzung, dass die Klägerin selbst durch eigene landwirtschaftliche Tätigkeit die Milchquote ausnutzt. Die Quote ist auch noch nicht "verfallen". Die Molkerei kann eine Quote anderweitig vergeben, wenn sie nicht genutzt wird. Hier wird sie aber von den Beigeladenen zu 1. und 2. genutzt.
Zur Beantwortung der Frage, ob und welche Referenzmengen auf die Beigeladenen zu 1. und 2. übergegangen sind, sind die Vorschriften des Gemeinschaftsrechts und der MGVO heranzuziehen, die sich für den Zeitpunkt der Rückgabe von Flächen Geltung beimessen. Hier ist als Zeitpunkt der Rückgabe der 1. April 1993 maßgebend, also der Tag, an dem die niedersächsischen Pachtflächen zurückgegeben wurden. Dagegen kommt es auf den 31. Dezember 1992 (Ausscheiden des Beigeladenen zu 3. aus dem Pachtvertrag mit der Klägerin) nicht an, denn Voraussetzung für die Rückgabe ist immer der Besitzübergang. Zwar kann es auch beim sogenannten Durchgangserwerb (ein Pächter wechselt den anderen ab) einen kurzen fiktiven Besitz des Verpächters geben, darum handelt es sich hier aber nicht. Die Klägerin hatte Ende 1993 erfahren, dass ihr die Referenzmenge auf dem Staatspachthof verloren gegangen sein sollte und war bestrebt, das Pachtverhältnis mit den Eheleuten Lüdders zu beenden. Tatsächlich beendet wurde das Pachtverhältnis aber mit beiden Eheleuten erst zum Jahresende 1994. Der Pachtaufhebungsvertrag wurde am 28. Dezember 1994 geschlossen. Daher liegt die Rückgabe der Hamburger Pachtsache zeitlich später als diejenige der niedersächsischen Flächen.
Rechtsgrundlage für die den Beigeladenen auf ihren Antrag erteilten Bescheinigungen ist demnach § 9 Abs. 1 Nr. 1 der Milchgarantiemengenverordnung - MGVO - vom 24. Mai 1984 (BGBl. I, S. 720), zuletzt geändert durch die 27. Verordnung zur Änderung der MGVO vom 24.03.1993 (BGBl. I, S. 374 ff). Nach dieser Vorschrift hat der Milcherzeuger dem Käufer durch eine von der zuständigen Landesstelle ausgestellte Bescheinigung nachzuweisen, welche Referenzmengen zu welchem Zeitpunkt von welchem Milcherzeuger mit welchem Referenzfettgehalt auf ihn übergegangen sind. Da diese Bescheinigung erforderlich ist, um entsprechend dem Umfang der übergegangenen Referenzmengen von der Abgabe der MGVO verschont zu bleiben (§ 10 Abs. 3 Satz 2 MGVO), steht dem Milcherzeuger im Hinblick auf den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Abgabenerhebung ein Rechtsanspruch auf die Bescheinigung zu, soweit die Voraussetzungen für ihre Erteilung erfüllt sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.11.1990, NVwZ-RR 1992, S. 65 und Urteil vom 20.02.1992, a.a.O., 1993, S. 69).
Der zugunsten der Beigeladenen bescheinigte Referenzmengenübergang beruht auf Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EWG) des Rates Nr. 3950/92 vom 28. Dezember 1992, in Kraft getreten am 1. April 1993. (Die frühere Verordnung (EWG) Nr. 857/84 ist durch Art. 12 der Verordnung Nr. 3950/92 aufgehoben worden.) Nach der genannten Vorschrift wird die Referenzmenge eines Betriebes bei Verkauf, Verpachtung oder Vererbung nach Bedingungen, die von den Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung der für die Milcherzeugung verwendeten Flächen oder nach anderen objektiven Kriterien und gegebenenfalls einer Vereinbarung zwischen den Parteien festgelegt werden, mit dem Betrieb auf die Erzeuger übertragen, die den Betrieb übernehmen. Die Modalitäten sind in § 7 Absätze 1 und 2 der MGVO geregelt. Wird ein gesamter Betrieb aufgrund eines Kauf- oder Pachtvertrages übergeben, überlassen oder zurückgewährt, geht die dem Betrieb entsprechende Referenzmenge auf den Käufer, Pächter oder, im Falle der Rückgewähr, auf den Verpächter über (§ 7 Abs. 1 MGVO). Werden Teile eines Betriebes aufgrund eines Kauf- oder Pachtvertrages übergeben oder überlassen, geht ein entsprechender Referenzmengenanteil mit auf den Käufer oder Pächter über. Der übergehende Referenzmengenanteil entspricht dem Verhältnis der zur Milcherzeugung genutzten Fläche des übergebenen oder überlassenen Teiles des Betriebes und derjenigen des gesamten Betriebes (§ 7 Abs. 2 MGVO).
Die Aufhebung der Verordnung Nr. 857/84 mit Wirkung vom 1. April 1993 durch Art. 12 der Verordnung Nr. 3950/92 hat nur dann keine Auswirkung auf Referenzmengenansprüche, wenn diese zuvor entstanden und geltend gemacht worden sind (BVerwG, Urteil vom 29.11.1993, Buchholz a.a.O. Nr. 84; Urteil vom 22.01.1998, Buchholz a.a.O. Nr. 129).
Die angefochtenen Bescheide sind bereits deshalb rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, weil die Stall- und Wegeflächen im Betrieb der Klägerin, die unstreitig der Milcherzeugung gedient haben, bei der Entscheidung der Beklagten außer Betracht geblieben sind.
Abgesehen davon sind die Grundsätze der sogenannten "dynamischen Milchquote" nach Auffassung der Kammer mit einer Einschränkung anzuwenden. Nach diesen Grundsätzen erhält eine landwirtschaftliche Nutzfläche nicht ein für alle Mal ihre Eigenschaft als Milcherzeugungsfläche zu einem bestimmten Zeitpunkt. Die Eigenschaft als Milcherzeugungsfläche kann eine Fläche durch Umnutzung erwerben oder verlieren. Wenn sich z.B. der aktuelle Milcherzeugungsflächenbestand durch Umnutzung von Milcherzeugungsflächen verringert, tritt eine Anreicherung des kg-Betrags pro ha ein (Verdickung), ebenso kann sich eine Referenzmenge dadurch verdünnen, dadurch dass weitere Flächen des Betriebes zu Milcherzeugungsflächen gemacht werden. Zur Beurteilung, ob eine Fläche als Milcherzeugungsfläche zu betrachten ist, ist grundsätzlich maßgeblich, wie sich die Fläche im Zeitpunkt des mutmaßlichen Referenzmengenübergangs unter Berücksichtigung des Fruchtfolgesystems in objektiver Hinsicht darstellt und in welchem Größenverhältnis die zurückgegebenen zu den insgesamt vorhandenen Milcherzeugungsflächen zu dieser Zeit standen (BVerwG, Urteil vom 02.12.1993, Buchholz a.a.O., Nr. 85; Urteil vom 01.09.1994, Buchholz a.a.O., Nr. 99). Im Zeitpunkt des mutmaßlichen Referenzmengenübergangs war der Beigeladene zu 3. jedoch kein Milcherzeuger mehr, jedenfalls hat die Molkerei Zeven der Klägerin unter dem 3. November 1993 mitgeteilt, dass die Milchanlieferung durch den Beigeladenen zu 3. ab Oktober 1991 eingestellt worden sei. Für eine etwaige spätere Anlieferung an eine andere Molkerei ist weder etwas vorgetragen noch bekannt. Die Referenzmenge ist dadurch aber nicht bei dem Beigeladenen zu 3. geblieben, sondern nach den - modifizierten - Grundsätzen über die dynamische Milchquote ist der Zeitpunkt der Aufgabe der Milcherzeugung als maßgeblich zu betrachten (BVerwG, Urteil vom 22.01.1998, a.a.O.). Denn die Flächenakzessorietät, d.h. die Verknüpfung der Referenzmenge mit der entsprechenden Milcherzeugungsfläche, rechtfertigt im vorliegenden Fall nicht den Verbleib der Milchquote beim Pächter. Zwar ist die Milcherzeugungsfläche grundsätzlich auf die Milcherzeugungsflächen eines Betriebes bezogen und nimmt an deren Veränderungen teil, der Pächter kann aber nur eine Umverteilung der Referenzmenge entsprechend den nunmehr vorhandenen Milcherzeugungsflächen seines Betriebs bewirken. Hat der Pächter die Milcherzeugung aber bereits lange vorher aufgegeben und verfügt er infolgedessen nicht mehr über Milcherzeugungsflächen, so kann die der Pachtfläche entsprechende Referenzmenge auch nicht etwa einer ihm selbst gehörenden Fläche zugewachsen sein (BVerwG, a.a.O.). Es ist deshalb der Zeitpunkt der Aufgabe der Milcherzeugung zu betrachten.
Die - im oben genannten Sinne eingeschränkte - Anwendung der dynamischen Milchquote erfährt nach Ansicht der Kammer eine weitere Modifizierung, weil mit dem Hamburger Staatspachthof ein gesamter Betrieb (§ 7 Abs. 1 MGVO) zurückgegeben wurde. § 7 Abs. 1 MGVO ist eine Vorschrift des Pächterschutzes; dieser besteht nicht, wenn ein gesamter Betrieb zurückgegeben wird. Dann geht die dem Betrieb entsprechende Referenzmenge auf den Verpächter über. Ein Betrieb im Sinne der deutschen Pächterschutzvorschriften ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich die Kammer anschließt, - abweichend von der gemeinschaftsrechtlichen Definition des Betriebes (alle Einheiten innerhalb eines Mitgliedsstaates) - eine funktional selbständige Produktionseinheit (BVerwG, Urteil vom 10.10.1992, Buchholz a.a.O., Nr. 67 = BVerwGE 94, S. 143; Urteil vom 16.09.1993, Buchholz a.a.O., Nr. 81 = BVerwGE 94, S. 143; Urteil vom 01.09.1995. Buchholz a.a.O., Nr. 97). Es kommt lediglich darauf an, ob alle sächlichen Betriebsmittel vorhanden sind (z.B. Hofstelle), die ein selbständiges Wirtschaften ermöglichen (BVerwG, Urteil vom 01.09.1995, a.a.O.). Das trifft im Fall des Beigeladenen zu 3. für den Staatspachthof zu, denn dort ist an Gebäuden und Flächen alles vorhanden, was zu einem Betrieb gehört. Dabei ist der Betrieb aus der Sicht des Verpächters zu sehen, hier also der Klägerin (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.1997, Buchholz a.a.O., Nr. 128); die Zupachtflächen und der Hof in Hamburg-Curslack bleiben also außer Betracht. Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 MGVO ist allerdings lediglich eine Vorschrift zum Ausschluss des Pächterschutzes, der hier nur indirekt eingreift, weil der Beigeladene zu 3. bei Rückgabe der Pachtsache die Milcherzeugung nicht fortführen wollte.
Die Verhältnisse im Zeitpunkt der Aufgabe der Milchproduktion durch den Beigeladenen zu 3. können im vorliegenden Fall deshalb außer Betracht bleiben, weil der Referenzmengenübergang von dem Beigeladenen zu 3. auf die Beigeladenen zu 1. und 2. auch noch unter anderen Gesichtspunkten ausgeschlossen ist: Aus § 7 Abs. 2 MGVO ist zu entnehmen, dass bei Verpachtung von Betriebsteilen die Referenzmenge des Abgebenden, also des verpachtenden Betriebes auf den Pächter übergeht. Das bedeutet, dass nicht der Pächter "seine" Referenzmenge auf die zuvor referenzmengenlosen Flächen seines Verpächters übertragen kann. Vielmehr richtet sich die übergehende Referenzmenge nach dem übergebenden Betrieb. Auch bestimmt § 7 Abs. 5 MGVO, dass bei Rückgabe von Pachtflächen nur diejenige Quote wieder zurück an den Verpächter gehen kann, die zuvor - nach Abschluss des Pachtvertrages - nach § 9 MGVO bescheinigt wurde. Hier ist aber nichts bescheinigt worden, also konnte auch nichts wieder an die niedersächsischen Pächter zurückgehen (vgl. Düsing, Milchquotenratgeber, 5. Aufl., S. 101).
Eine ausdrückliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, wie seine Rechtsprechung zur dynamischen Milchquote mit § 7 Abs. 5 MGVO (= § 7 Abs. 3 b MGVO a. F.) zu vereinbaren ist, liegt, soweit der Kammer bekannt, noch nicht vor (ebenso Düsing, S. 82). In seinem Urteil vom 06.09.1995 (Buchholz a.a.O., Nr. 112) hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass auf einer landwirtschaftlichen Fläche stets dann eine Milchquote liegt, wenn sie von einem Pächter zurückgewährt wird, der die Fläche mindestens in den Monaten vor der Rückgewährung zur Milcherzeugung verwendet hat und der über Referenzmengen verfügt, gleichgültig, ob die Fläche zur Entstehung der dem Betrieb des Pächters mitgeteilten Referenzmenge beigetragen und gleichgültig, ob die Fläche schon ab Inkrafttreten der Milchkontingentierung als Milcherzeugungsfläche gegolten hat. Dagegen hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 30.10.1997 (Buchholz a.a.O., Nr. 128) entschieden, dass - bei Rückgabe eines gesamten Betriebes - Flächen, die nach Einführung der Milchkontingentierung ohne Bescheinigung einer entsprechenden Referenzmenge hinzugepachtet worden waren, bei der Berechnung der übergehenden Referenzmenge außer Betracht bleiben. Es habe sich um eine erst nach Inkrafttreten der Milchkontingentierung erfolgte Zupacht gehandelt, die nicht mit einer Referenzmenge verbunden gewesen sei. Die Rückgabe einer referenzmengenlosen Neupachtfläche aber bleibe bei der Referenzmengenberechnung außer Betracht. Aus der Gesamtregelung des § 7 MGVO und aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - jedenfalls zur Betriebsrückgabe - ist nach Auffassung der Kammer zu entnehmen, dass bei Rückgabe von gesamten Betrieben ein vorheriges "Hinüberziehen" der auf den Betriebsflächen liegenden Quote auf referenzmengenlose Neupachtflächen nicht möglich ist. Dieses Ergebnis entspricht zudem dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (BVerwG, Urteil vom 22.01.1998, a.a.O.), der flächenbezogenen Dispositionen des Pächters jedenfalls insoweit eine Grenze setzt, als sie die Regelungen des Gemeinschaftsrechts und der MGVO unterlaufen sollen. Es ist aus diesem Grunde auch zweifelhaft, ob die Pachtverträge des Beigeladenen zu 3. mit den Beigeladenen zu 1. und 2. überhaupt wirksam gewesen sind, denn sie sollten die Regelung der MGVO umgehen, wonach der abgebende Betrieb nicht seine Quote vom Pächter bekommt (§ 7 Abs. 2 MGVO) und ein Quotenverkauf ohne Fläche, jedenfalls bis zum September 1993, nicht möglich war. Durch die ungewöhnliche Kündigungsgestaltung und die Vertragsstrafen bei vorzeitiger Kündigung handelte es sich nach Ansicht der Kammer um einen verdeckten Quotenverkauf. Die Flächen wurden entsprechend, auch noch zum gleichen Tag, 9 Jahre vor Ablauf der regulären Pachtzeit gekündigt. Zweifel an der Wirksamkeit der Verträge bestehen auch deshalb, weil sie nur vom Beigeladenen zu 3. abgeschlossen worden waren, er jedoch, wie er in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt hat, mit seiner damaligen Ehefrau in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts wirtschaftete und auch der Pachtvertrag mit der Klägerin von beiden Eheleuten gemeinsam abgeschlossen worden war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 32.543,40 DM (162.717 kg × 0,20 DM) festgesetzt.