Verwaltungsgericht Osnabrück
Beschl. v. 09.07.2014, Az.: 5 B 145/14

Schutz der Familie als Duldungsgrund i.R.e. Abschiebung eines Säuglings in den Kosovo wegen fehlender Erfüllung der Passpflicht

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
09.07.2014
Aktenzeichen
5 B 145/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 22487
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOSNAB:2014:0709.5B145.14.0A

Fundstelle

  • InfAuslR 2014, 346

In der Verwaltungsrechtssache
des A. B., gesetzl.vertr.d. C.,
D.,
Staatsangehörigkeit: kosovarisch,
Antragstellers,
Proz.-Bev.: Rechtsanwälte Neander und Partner,
Vor dem Steintor 74-76, 28203 Bremen, - E. -
gegen
die Stadt Osnabrück - Fachbereich Recht -, vertreten durch den Oberbürgermeister, Natruper-Tor-Wall 5, 49076 Osnabrück, - F. -
Antragsgegnerin,
Streitgegenstand: Ausländerrecht
hat das Verwaltungsgericht Osnabrück - 5. Kammer - am 9. Juli 2014
beschlossen:

Tenor:

Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 15.05.2014 - 5 A 195/14 - gegen die im Bescheid der Antragsgegnerin vom 11.04.2014 verfügte Abschiebungsandrohung wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 2500 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der am 2. Januar 2014 in Osnabrück geborene Antragteller ist der Sohn kosovarischer Staatsangehöriger. Sein Vater war zum Zeitpunkt seiner Geburt im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Er hat diese auch weiterhin inne. Seiner Mutter war am 11.11.2013 eine bis zum 10.11.2016 gültige Aufenthaltserlaubnis erteilt worden. Der Antragsteller ist nicht im Besitz eines gültigen konsularischen Passes.

Mit Schreiben vom 23. Januar 2014 beantragten die Eltern des Antragstellers für ihren Sohn die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis von Amts wegen, unabhängig vom Vorliegen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen, also auch ohne das Vorliegen eines Heimatspasses. Nach Anhörung lehnte die Beklagte unter Hinweis auf die fehlende Erfüllung der Passpflicht des Antragstellers diesen Antrag durch Bescheid vom 11. April 2014 ab, setzte eine Ausreisefrist und drohte die Abschiebung in den Kosovo an. Dagegen hat der Antragsteller am 15.5.2014 Klage - 5 A 195/14 - erhoben, und gleichzeitig um Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes nachgesucht. Er machte geltend, seine Eltern verfügten über Aufenthaltserlaubnisse, er könne nicht als Säugling allein in den Kosovo abgeschoben werden. Von den Regelerteilungsvoraussetzungen sei in seinem Falle abzusehen.

Der Antragsteller beantragt,

die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Abschiebungsandrohung anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Sie macht geltend, sie habe bereits im angefochtenen Bescheid darauf hingewiesen, dass eine Abschiebung des Antragstellers in den Kosovo nicht in Betracht käme. Im Übrigen seien keine Gründe ersichtlich, die ein Absehen von der Passpflicht erforderlich machen könnten.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung hat Erfolg. Vorläufiger Rechtsschutz wäre in diesem Falle gem. § 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren, denn die Abschiebungsandrohung ist als Vollstreckungsmaßnahme kraft Gesetzes sofort vollziehbar.

Das Gericht kann die aufschiebende Wirkung der Klage gem. § 80 Abs. 5 VwGO anordnen. Eine solche Entscheidung setzt voraus, dass das Interesse des Antragstellers, vor einer rechtskräftigen Entscheidung über seinen Rechtsbehelf der Pflicht zur Ausreise nicht nachkommen zu müssen, das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Im Rahmen der Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des im Hauptsacheverfahren eingelegten Rechtsbehelfs zu berücksichtigen, soweit sie bei der in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung bereits überschaubar sind. Hier ist davon auszugehen, dass der Rechtsbehelf des Antragstellers in der Hauptsache jedenfalls hinsichtlich der Abschiebungsandrohung - nur insoweit hat der Antragsteller ausweislich seines Antrages um Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes nachgesucht - Erfolg haben wird.

Denn im hier vorliegenden Einzelfall bedurfte es nicht der Setzung einer Ausreisefrist und der Androhung der Abschiebung, selbst wenn die Ablehnung des Antrages des Antragstellers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis rechtmäßig wäre.

Zwar ist grundsätzlich gemäß § 59 Abs. 1 AufenthG die Abschiebung unter Bestimmung einer angemessenen Frist anzudrohen. Ausnahmsweise kann nach dieser Vorschrift nur von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn der Aufenthaltstitel nach § 51 Abs. 1 Nummer 3-5 erloschen ist oder der Ausländer bereits unter Wahrung des Erfordernisses des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist. Diese Voraussetzungen liegen erkennbar nicht vor.

Dennoch ist hier die Vorschrift teleologisch zu reduzieren und eine Abschiebungsandrohung nicht zuzulassen. Denn der hier vorliegende Duldungsgrund des Schutzes der Familie aus Art. 6 GG führt dazu, dass aller Voraussicht nach auf Dauer, jedenfalls auf unabsehbare Zeit, eine Abschiebung des Antragstellers in den Kosovo nicht möglich ist. Denn sein Vater verfügt über eine Niederlassungserlaubnis. Es ist daher davon auszugehen, dass der Antragsteller zumindest bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres bei seinen Eltern im Bundesgebiet verbleiben muss. Unter diesen Umständen ergibt die verfügte Abschiebungsandrohung keinen Sinn und ist ausschließlich geeignet, "die Betroffenen in Verwirrung zu stürzen"(Funke-Kaiser in: GK-AufenthG, § 59, Rn. 53, vgl. auch Hailbronner, Ausländerrecht, § 59 AufenthG, Rn. 84).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG (vgl. Ziff. 8.3 des Streitwertkataloges 2013).

Müller
Conrads
Guntau