Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 20.04.2018, Az.: 7 A 127/18

Apostasie; Asyl; Christen; Konversion; Marokko; Religion; Zwischenaufenthalte in anderen europäischen Staaten

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
20.04.2018
Aktenzeichen
7 A 127/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 74135
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Apostasie bzw. Konversion eines Marokkaners kann nicht (mehr) zur Gewährung internationalen Schutzes führen.
Die Glaubhaftigkeit kann durch verschiedene Zwischenaufenthalte in anderen europäischen Staaten erheblich erschüttert sein (so schon Gerichtsbescheid vom 7. Februar 2018 - 7 A 121/18 - juris).

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der im Jahr 1981 geborene Kläger ist Marokkaner und begehrt (u.a.) die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

Nach eigenen Angaben reiste er am 5. Dezember 2015 über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien, Slowenien und Österreich nach Deutschland ein. Er stellte am 14. Oktober 2016 Asylantrag.

Im Rahmen seiner Anhörung gem. § 25 AsylG am 25. Oktober 2016 bei dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Osnabrück (Seiten 43 ff. Beiakte) machte er im Kern geltend, bereits im Jahre 2007 vom Islam zum Christentum konvertiert zu sein. Dies sei aber in Marokko gesellschaftlich nicht akzeptiert worden. Er habe daher ein religiöses Doppelleben geführt und das Christentum nur im Geheimen bei gelegentlichen Treffen mit seinen christlichen Glaubensbrüdern ausgelebt. Aber vor eineinhalb Jahren etwa sei seine Konversion öffentlich geworden und sowohl seine Familienangehörigen als auch sein soziales Umfeld hätten kein Verständnis dafür gehabt, so dass er seitdem sozial isoliert gewesen sei. Auf der Straße sei er beschimpft, beleidigt und respektlos behandelt worden. Nur die gebildeteren Menschen in Marokko hätten seine Entscheidung respektiert. Deshalb habe er Marokko verlassen. Im Übrigen verhalte es sich so, dass ein Marokkaner, der eine christliche Kirche besuche, von der Regierung verfolgt werde. Ihm werde unterstellt, Unruhe in das Land zu bringen. In Deutschland besuche er ständig die Kirche.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Osnabrück, vom 9. Januar 2017 lehnte die Beklagte die Asylanerkennung, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und subsidiären Schutzes sowie die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten ab, forderte den Kläger unter Abschiebungsandrohung nach Marokko zur Ausreise auf und befristete das Wiedereinreiseverbot. In den Gründen heißt es, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sei nicht möglich, weil es an einer Verfolgungshandlung gem. § 3 a Abs. 3 AsylG fehle. Selbst bei Wahrunterstellung des Sachvortrages des Klägers und bei wohlwollender Beurteilung lasse sich seinem Vorbringen keine konkrete Handlung entnehmen, die während seines Aufenthaltes in Marokko gezielt in ein flüchtlingsrechtlich geschütztes Rechtschutz eingegriffen habe oder bei einer Rückkehr ins Herkunftsland ohne entgegenstehende stichhaltige Gründe wiederholt oder erstmalig einzugreifen drohe und zudem bezwecke, den Kläger gezielt in einem der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG aufgeführten Verfolgungsgründe (Rasse, Religion, Nationalität, politische Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe) zu treffen. Insbesondere finde auch eine Verfolgung von Angehörigen bestimmter Religionsgemeinschaften in Marokko nicht statt, was staatlicherseits auch für Konvertiten gelte, die allerdings im familiären oder gesellschaftlichen Umfeld nicht immer auf Verständnis stießen. Die vom Kläger vorgetragenen sozialen Beeinträchtigungen und Diskriminierungen (er sei auf der Straße beschimpft und respektlos behandelt worden, etc.) erreichten auch in ihrer Kumulierung nicht die Intensität, die auf einen hinreichend schwerwiegenden Eingriff in ein geschütztes Rechtsgut deuten könnten. Außerdem habe der Kläger seine Konversion zum Christentum zudem nicht hinreichend glaubhaft gemacht.

Der Kläger hat am 18. Januar 2017 Klage erhoben und bringt im Wesentlichen vor, sich auf seine Angaben im Rahmen der Anhörung bei dem Bundesamt beziehen zu müssen. Die Bedenken der Beklagten gegen die Glaubhaftigkeit seiner Angaben seien nicht berechtigt. Tatsächlich habe er sich intensiv mit dem christlichen Glauben in seiner Heimat beschäftigt, mehrere christliche Bücher gelesen und u.a. auch den Fernsehsender „SAT TV 7 Arabic“ verfolgt. Bei einer kurzen Internetrecherche schon sei festzustellen, dass es sich tatsächlich dabei um einen christlich ausgerichteten Fernsehsender handele, der im arabischen Raum ausgestrahlt werde und dort empfangen werden könne. Im Übrigen sei es auch zu Übersetzungsproblemen gekommen. Mittlerweile sei der Kläger auch in der Lage, angesichts der besseren Kenntnisse der deutschen Sprache, an den Gottesdiensten in seiner Kirchengemeinde in Brake mit Verständnis teilzunehmen, die er auch regelmäßig besuche. Im Übrigen habe er nunmehr Kontakt zu dem dortigen Pfarrer. Er habe die Taufe passiv bereits bei anderweitiger Taufe eines Kindes miterleben können. Aus einem Bericht der Zeitung „Die Zeit“ (Zeit online, Anlage zum Schriftsatz vom 8. Februar 2017, Blatt 39 ff. Gerichtsakte) ergebe sich zwingend, dass gegenüber Konvertiten Verfolgungshandlungen drohten.

Ferner besuche der Kläger regelmäßig einen Bibelkreis in persischer Sprache und einen Vorbereitungskurs zur Taufe. Die Ernsthaftigkeit der Konversion bzw. des Glaubens des Klägers könne nicht mehr noch in Abrede gestellt werden. Nunmehr sei er am 4. März 2018 getauft worden (Schriftsatz vom 7. März 2018 nebst Anlage).

Der Kläger beantragt:

den Bescheid der Beklagten vom 9. Januar 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, für den Kläger die Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise subsidiären Schutz, weiter hilfsweise Abschiebungshindernisse festzustellen.

Die Beklagte verteidigt den angegriffenen Bescheid und beantragt (Schriftsatz vom 23. Januar 2017),

die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 9. Februar 2018 abgewiesen. Dagegen richtet sich der Antrag des Klägers auf mündliche Verhandlung.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes, insbesondere des Vorbringens des Klägers, verweist das Gericht auf den Inhalt der Gerichtsakte und denjenigen des Verwaltungsvorgangs der Beklagten.

Entscheidungsgründe

Der angegriffene Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 9. Januar 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten - die geltend gemachten Ansprüche sind unbegründet, § 113 Abs. 1 und 5 VwGO.

Es ist nichts dafür ersichtlich,

·dass Leben oder Freiheit des Klägers wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung in Marokko bedroht sind (§ 3 Abs. 1 AsylVfG),
·ihm in Marokko ein ernsthafter Schaden gemäß § 4 Abs. 1 AsylVfG droht (Satz 2 Nr. 1: Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, Satz 2 Nr. 2: Folter oder menschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder Satz 2 Nr. 3: eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts),
·dass die Abschiebung unzulässig ist, weil sich dies aus der Anwendung der MRK ergibt (§ 60 Abs. 5 AufenthG),
·ihm Ansprüche auf Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG zustehen könnten und
·die Befristung für eine etwaige Wiedereinreise in angegriffenen Bescheid oder dieser ansonsten rechtsfehlerhaft wäre.

Das Königreich Marokko ist eine autokratische Monarchie mit Garantien der Gewaltenteilung und der demokratischen Regierungsführung sowie umfassenden bürgerlichen und politischen Rechten in seiner Verfassung. Allerdings lautet die unantastbare Staatsdevise „Allah, al-Watan, al-Malik“ (Gott, Vaterland, König). Dies bedeutet, dass Kernelemente der marokkanischen Politik mit Unveränderbarkeitscharakter der Islam als Staatsreligion, die territoriale Integrität einschließlich der Westsahara und die Monarchie als Staatsform sind. Verfassungsrechtlich besonders geschützt ist die Rolle des Königs und des Islam. Dabei ist der König zugleich oberste weltliche und oberste geistliche Autorität. Die Verfassung von 2011 enthält institutionelle und materielle Vorgaben, deren Umsetzung schrittweise vorankommt.

Das Justizsystem ist unvollständig. Seine Schwächen sind die Unabhängigkeit der Richter, die Korruptionsprävention und die Modernisierung der Justizverwaltung, an welchen gearbeitet wird. Die Exekutive will rechtsstaatliche Grundsätze achten. Es gibt staatliche und nichtstaatliche Organisationen, die die Einhaltung der rechtsstaatlichen Grundsätze prüfen.

Die Meinungs- und Pressefreiheit werden nicht in vollem Umfang garantiert, sind allerdings ausgeprägt und werden in Anspruch genommen. Lediglich hinsichtlich der roten Linien der marokkanischen Politik – der Islam als Staatsreligion, die territoriale Integrität einschließlich der Westsahara und die Monarchie – wird strafrechtlich geahndet. In diesem Bereich sind auch Einschränkungen der Versammlungs- und Vereinsfreiheit zu gewärtigen.

Staatlich angeordnete und systematische Folter findet nicht statt, wohl wird von Einzelfällen berichtet. Die marokkanische Regierung indessen lehnt den Einsatz der Folter ab. Sie bemüht sich um Prävention und geht Vorwürfen von Misshandlungen nach.

Die Religionsfreiheit wird eng begrenzt gewährt – der Islam ist Staatsreligion und Missionieren ist strafbewehrt. Konversion ist nicht vorgesehen, allerdings auch kein Strafrechtstatbestand.

Strafbewehrt ist jeder außereheliche Geschlechtsverkehr. Insoweit findet Strafverfolgung aber nur in wenigen Fällen statt. Die Homosexualität ist ebenfalls strafbewehrt. Aber sie wird nur bei öffentlichem Ausleben verfolgt. Die Fallzahlen für Strafverfolgung von außerehelichem einvernehmlichen Geschlechtsverkehr jeglicher Art sind nicht gesichert.

Die Situation in Gefängnissen entspricht nicht internationalen Standards, auch wenn im Juni ein Gesetzentwurf mit neuen Standardmindestregeln als Entwurf vorgelegt wurde.

Diese Beschreibung der allgemeinen Lage in Marokko fußt insbesondere auf dem

„Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: März 2017)“,

Auswärtiges Amt, Berlin, vom 10. März 2017, der hinreichend ausführlich, detailliert und aktuell ist und inhaltlich durch den jüngsten Lagebericht vom 14. Februar 2018 (Stand: November 2017) bestätigt wird.

Gemessen daran liegen keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Entscheidung vor.

Auch das Gericht kann dem Kläger nicht abnehmen, dass er bereits in Marokko zum Christentum konvertiert sei. Insoweit folgt das Gericht den Gründen des angegriffenen Bescheides. Dafür spricht insbesondere auch, dass er unglaubhaft angibt, seine Papiere auf dem Weg von der Türkei nach Griechenland „im Meer“ verloren zu haben, was zugleich stereotyper Sachvortrag von vielen anderen Asylbewerbern ist, dem das Gericht keinen Glauben schenken kann. Ferner muss er sich vorhalten lassen, dass selbst die von ihm angegebenen (bloßen) Diskriminierungen so nicht stattgefunden haben, jedenfalls keinen Leidensdruck bei ihm erzeugt hätten. Denn ansonsten hätte er nicht eine mehrwöchige Reise über verschiedene von ihm angegebene europäische Staaten unternommen, ohne zunächst in einem dieser Staaten alsbald und sofort nach Verlassen des Herkunftsstaates Marokko um Schutz nachzusuchen, z. B. in der Türkei, in Griechenland o. ä.. Auch dies macht seinen Sachvortrag hinsichtlich der Geschehnisse im Herkunftsstaat Marokko unglaubhaft (so auch Gerichtsbescheid vom 7. Februar 2018 – 7 A 121/18 -, juris). Hinzu kommt, dass er erst nach gut 10 Monaten des Aufenthalts in Deutschland Asylantrag gestellt hat.

Aber auch wenn man den Angaben des Klägers hinsichtlich der Geschehnisse in Marokko Glauben schenken wollte, ergäbe sich nichts anderes, weil nämlich die von ihm beschriebenen Diskriminierungen nur – wie der Bescheid zutreffend ausführt – unterhalb der Schwelle der rechtlichen Erheblichkeit angesiedelt sind. Insbesondere beschreibt der Kläger selber, dass er nur in bestimmten Kreisen solche sozialen Stigmatisierungen erlebt hat, in anderen Kreise aber überhaupt nicht, sondern dort vielmehr respektiert werde. Außerdem bringt er vor, einen christlich-religiösen arabischen Fernsehsender frei in Marokko habe sehen zu können; das spricht auch dafür, dass in Marokko tatsächlich eine Verfolgung von Konvertiten weder staatlicherseits noch durch private Dritte ersichtlich ist. Die letzte Annahme wird durch den vorgelegten Bericht aus Zeit-Online nicht widerlegt, der aus christlich-religiöser Sicht und in der Wir-Form (einleitend: „Mein Name ist Rachid“) geschrieben ist, was schon für sich genommen die einseitige Darstellung der Verhältnisse belegt. Es liegt insoweit eine tendenziöse Berichterstattung vor. Außerdem bezieht sich diese nicht speziell auf Marokko, das sich erheblich von den anderen arabischen Staaten des Maghreb unterscheidet. Hier ist nämlich insbesondere festzuhalten, dass der marokkanische Staat selber Konvertiten nicht verfolgt und auch polizeilichen Schutz gewährt gegenüber den Übergriffen Dritter, soweit solche überhaupt stattfinden. Artikel 3 der marokkanischen Verfassung garantiert sogar die individuelle Religionsfreiheit. Zwar zielt dieser Artikel auf die Ausübung der Staatsreligion ab (Islam), schützt aber auch die Ausübung anderer anerkannter traditioneller Schriftreligionen wie Judentum und Christentum. Allerdings ist im Strafrecht das Missionierungsverbot verankert, was in der Praxis eine deutliche Einschränkung der Religionsfreiheit mit sich bringen kann, was aber zugleich auch nicht asylrechtlich oder flüchtlingsrechtlich schützenswert ist. Zu den registrierten ausländischen Religionsgemeinschaften zählen insbesondere (neben dem Judentum) die römisch-katholische, russisch-orthodoxe, griechisch-orthodoxe, französisch-protestantische und anglikanische Kirche, die alle schon vor der Unabhängigkeit des marokkanischen Staates im Jahr 1956 bestanden hatten. Die Religionszugehörigkeit wird auch nicht auf Ausweispapieren vermerkt. Es gibt keine gesetzlichen Regelungen zu religiösen Symbolen oder Kleidungsvorschriften in öffentlichem oder privatem Raum. Tatsächlich ist allerdings die Missionierung in Marokko nur Muslimen (defacto ausschließlich den Sunniten) erlaubt. Dennoch sind Bibeln frei verkäuflich. Ausländische Missionare können ausgewiesen werden. Auch gilt es – dies ist dem Kläger freilich zuzugeben – einen starken sozialen Druck, die islamischen Glaubensregeln im öffentlichen Raum zu befolgen. Grundsätzlich ist der freiwillige Religionswechsel (Konversion) Marokkanern nicht verboten, aber sozial geächtet. Marokkanische Christen und andere Religionsgemeinschaften üben ihren Glauben in der Regel nur im privaten Bereich aus. Die Medien können aber über private Weihnachts- oder Osterfeiern unter marokkanischen Christen berichten und den gesellschaftlichen Zwang zur Heimlichkeit kritisieren. Gemessen daran erweist sich, dass aber auch bei gedachter Rückkehr des Klägers, dem nunmehr seine Hinwendung zum christlichen Glauben in Deutschland jedenfalls nicht widerlegt werden kann, in Marokko keine rechtserheblichen Nachteile wegen seine Christentums drohen. Dies gilt auch, soweit flüchtlingsrechtlich das Forum Externum der Religionsausübung geschützt ist. Insoweit wird auf die Fernsehberichterstattung etc. verwiesen. (s. zuvor) – vgl. zum Ganzen: o.a. Lagebericht vom 10. März 2017, Seiten 10 bis 12.

Soweit das Verwaltungsgericht Greifswald mit verschiedenen in juris dokumentierten Entscheidungen (z.B. vom 20. April 2017, 31. August 2017 und 19. September 2017) jeweils darauf abhebt, dass zum Christentum konvertierten Christen in Marokko keine Verfolgung drohe, stellt dieses Verwaltungsgericht allerdings lediglich auf das Schutzgut der Religionsausübung im forum internum ab, ohne auf das forum externum weiter einzugehen. So meint auch z.B. das Verwaltungsgericht Augsburg in seinem Urteil vom 23. Februar 2017 (AU 7 K 16.30203, juris), der Christ möge in Marokko „sein Kreuz bedeckt“ halten, ohne darauf abzuheben, dass inzwischen auch das forum externum geschützt ist.

Letzteres aber hält zutreffend z.B. das Verwaltungsgericht Leipzig in seinem Urteil vom 13. Oktober 2017 – 8 K 724/17.A -, juris, fest; im Weiteren führt dieses Gericht zu Recht (unter Bezugnahme des BVerwG) wörtlich aus:

„„b) Wird auf die Entschließungsfreiheit des Betroffenen, seine Religion in einer bestimmten Weise zu praktizieren, durch die Bedrohung mit Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit eingewirkt, so liegt ein Eingriff in die Religionsfreiheit vor. Es muss sich dabei um eine schwerwiegende Rechtsverletzung handeln, die den Betroffenen erheblich beeinträchtigt (BVerwG, Urt. v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 - juris, Rn. 21 ff.). Eine erhebliche Beeinträchtigung kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unter Berufung auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes auch dann vorliegen, wenn nicht nur gravierende Eingriffe in die Freiheit des Betroffenen, seinen Glauben im privaten Bereich zu praktizieren, vorliegen, sondern auch dann, wenn die Freiheit, den Glauben öffentlich zu leben, beeinträchtigt wird. Die Beachtlichkeit der drohenden Verletzungshandlung ist somit nicht danach zu beurteilen, ob diese in einen Kernbereich der privaten Glaubensbetätigung (forum internum) oder in einen weiteren Bereich der öffentlichen Glaubensausübung (forum externum) eingreift (BVerwG, Urt. v. 20.2.2013, a. a. O.; mit Verweis auf EuGH, Urt. v. 5.9.2012, NVwZ 2012, 1612, dort insb. Rn. 62 f.). Es kommt dementsprechend darauf an, ob der Betroffene befürchten muss, dass ihm auf Grund seiner öffentlichen religiösen Betätigung, die zur Wahrung seiner religiösen Betätigung besonders wichtig ist, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine schwere Rechtsverletzung droht, insbesondere die Gefahr, an Leib, Leben oder Freiheit verletzt, verfolgt oder unterworfen zu werden (BVerwG, Urt. v. 20.2.2013, a. a. O.).“

Hier muss der Kläger aber nicht befürchten, bei gedachter Rückkehr nach Marokko aufgrund seiner religiösen Betätigung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine schwere Rechtsverletzung erleiden zu müssen. Wie er nämlich z. B. auch selber zutreffend skizziert, findet sein Christentum in Marokko jedenfalls in gebildeten Kreisen Respekt. Dies deckt sich mit der Auskunftslage (s.o.).

So hält auch der aktuelle Lagebericht das Auswärtigen Amtes vom 14. Februar 2018 (Stand November 2017) zur Konversion nur noch Folgendes fest:

Religionsfreiheit wird in engen Grenzen gewährt. Es besteht Religionsausübungsfreiheit, aber keine freie Wahl des Bekenntnisses. Der Islam ist Staatsreligion. Missionieren ist strafbewehrt. Konversion zu anderen Religionen ist nicht vorgesehen. Ein öffentliches Fastenbrechen tagsüber während des Ramadans ist für Muslime strafbewehrt.“ und:

„Laizismus und Säkularismus sind gesellschaftlich negativ besetzt, der Abfall vom Islam (Apostasie) gilt als eine Art Todsünde, ist aber nicht strafbewehrt. Es gibt einen starken sozialen Druck, die islamischen Glaubensregeln zumindest im öffentlichen Raum zu befolgen. Grundsätzlich ist der freiwillige Religionswechsel Marokkanern nicht verboten, aber in allen Gesellschaftsschichten stark geächtet. Staatliche Stellen behandeln Konvertiten zum Christentum insbesondere familienrechtlich weiter als Muslime.“

Der Deutschlandfunk berichtet dazu wie folgt ausführlich zur Liberalisierung und zum Wandel in Marokko (http://www.deutschlandfunk.de/marokko-des-koenigs-neuer-glaube.2540.de.html?dram:article_id=394835):

Marokko
Des Königs neuer Glaube

Mohammad VI. versucht, einen toleranten Islam zu verordnen. Er fördert den interreligiösen Dialog, Konversion wird nicht mehr mit dem Tode bestraft. Für diesen Kurs wird er im Ausland und von Vertretern anderer Religionen gelobt, die eigene Bevölkerung ist skeptisch.

Von Corinna Mühlstedt

"König Mohammed VI. möchte hier in Marokko die Existenz von uns Christen unterstützen. Das gehört zum Geist der Toleranz, den er pflegt. Marokko will sich an die Spitze einer Bewegung stellen, die einen liberalen, toleranten Islam fördert und die Mystik, den Sufismus mit einbezieht. Zugleich grenzt man sich deutlich ab gegen radikale Strömungen wie die der Wahabiten." (Bernhard Coyault)

"Die Öffnung für die Moderne, die Toleranz… all das sind komplexe Fragen, für die wir Muslime in Marokko Zeit brauchen. Wir setzen vor allem auf Bildung und Erziehung. Zukünftige Generationen werden sich leichter tun, Andersdenkende zu respektieren und ihre Freiheit zu achten. All das lässt sich nicht erzwingen, es braucht Zeit und muss wachsen. Wir sprechen über langfristige Strategien." (Aisha Haddou)

"Der König hat in einer Rede der marokkanischen Jugend klar gesagt, dass alle drei Religionen, Judentum, Christentum und Islam, zu Marokko gehören. Als katholischer Mönch werde ich derzeit immer öfter von Muslimen zu Gesprächen eingeladen. Das ist positiv. Anfang 2016 fand in Marrakesch sogar ein internationales Symposium zu den Rechten religiöser Minderheiten statt." (Pater Jean-Pierre)

Marrakesch. In der alten Königsstadt im Süden Marokkos, tummeln sich zwischen mittelalterlichen Lehmbauten und historischen Moscheen auf dem berühmten "Gaukler-Platz" Jemaa El Fna Schlangenbeschwörer, Händler und Bettler. Nur wenige Schritte weiter sieht man luxuriöse 5-Sterne-Hotels. Seit sich im 20. Jahrhundert Mitglieder der internationalen High Society in Marrakech niederließen, ist die Stadt ein Tourismusmagnet.

Nährboden für Fundamentalismus

Der äußere Kontrast spiegelt die sozialen Spannungen im Hintergrund. Sie sind ein Nährboden für den islamischen Fundamentalismus. 2011 kam es zu einem Anschlag auf ein Touristen-Café am Jemaa El Fna. Seither blieb es in Marrakech ruhig.

In seinem Bemühen, der Propaganda des Extremismus den Boden zu entziehen, setze der marokkanische König nicht nur auf Sicherheitsmaßnahmen, sondern auch auf Dialog und Aufklärung, betont der apostolische Nuntius von Marokko, Vito Rallo:

"Mohammed VI fordert die Angehörigen aller Religionen immer wieder nachdrücklich auf, eine gemeinsame Front gegen den Fanatismus der Jihadisten zu bilden. Er ermutigt die Marokkaner, einen toleranten Islam zu verteidigen, der ihrer eigenen Tradition gerecht wird. Der König hat die Attentate einen 'nicht zu verzeihenden Wahnsinn' genannt. "Wer den Koran benutze, um Gewalt und Aggression zu rechtfertigen", sei 'kein Moslem!'"

Mehr als 90 Prozent der rund 35 Millionen Einwohner Marokkos bekennen sich zur sunnitischen Richtung des Islam. Die Angehörigen jüdischer Gemeinden und christlicher Kirchen bilden Minderheiten, die knapp ein Prozent der Bevölkerung umfassen.

2016 lud König Mohammed Hunderte von führenden muslimischen Gelehrten aus 120 Ländern nach Marrakech ein, um die Situation religiöser Minderheiten in islamisch geprägten Staaten zu diskutieren und zu unterstützen.

In einer Erklärung, die am Ende alle Teilnehmer verabschiedeten, heißt es:

"Wer die Religion missbraucht, um in muslimischen Ländern gegen Minderheiten Gewalt anzuwenden, steht im Widerspruch zum Islam! … Angesichts der schweren Krisen, unter denen die Menschheit heute leidet, unterstreichen wir die dringende Notwendigkeit der Kooperation. … Wir rufen daher die Vertreter der verschiedenen Religionen und Konfessionen auf, gemeinsam allen Formen des Fanatismus entgegenzutreten."

Deklaration der Hoffnung

50 nicht-muslimische Beobachter aus verschiedenen Weltreligionen waren ebenfalls nach Marrakech eingeladen, so auch mehrere Kirchen-Vertreter. Die Reaktionen waren fast ausnahmslos positiv. Die Erklärung sei ein wichtiger Schritt, betont der Islamwissenschaftler und Jesuit Felix Körner:

"Die Erklärung von Marrakesch hat eine große Überzeugungskraft. Sie bringt gute Argumente. Deshalb kann man damit rechnen, dass hier eine echte Wirkung erzielt wird. Dazu kommt noch, dass viele aus verschiedenen Ländern und Gruppierungen unterschrieben haben, das gibt dem auch noch mal Gewicht. Sie ist ein Dokument, das Hoffnungsträger ist, weil sie etwas Tolles sagt, aber sie muss auch noch weiter bekannt gemacht werden."

Marokko ist ein Vielvölkerstaat: Die Nomadenstämme am Rand der Sahara gehören ebenso zum Land wie die Berber des Atlas Gebirges, das gleich hinter Marrakech beginnt. Zwischen Zedernwäldern und Hochplattaus liegen kleine Dörfer, in denen Berberfamilien als einfach Hirten, Bauern oder Landarbeiter leben. Nicht selten fehlt es hier an Bildungsmöglichkeiten. Denn in den Familien wird jede Arbeitskraft gebraucht, und der Weg in die Schule eines größeren Ortes ist schwer zu bewältigen.

Wohlhabende Jugendliche in den Städten genießen dagegen alle Vorteile einer arabischen Hochkultur und finden dort ein breites Studienangebot. So liegt etwa in Ifrane, einer Kleinstadt im Atlas Gebirge, eine staatliche Elite-Universität, die in besonderer Weise den interreligiösen Dialog fördert: Al Akhawayn. Zum Universitätsgelände gehören eine Kapelle und eine Moschee. Letztere wird von Imam Slimane Khanjari betreut:

Er erzählt: "In Marokko haben die Religionen immer in Frieden zusammen gelebt. Für mich gibt es deshalb keinen Zweifel: Jene Leute, die derzeit hier Chaos stiften, haben den Islam entweder missverstanden, oder sich im Herzen weit von ihr entfernt. Ein wirklicher Moslem, der seine Religion ernst nimmt, kann nichts tun, was Hass oder Zerstörung nach sich zieht. Denn unsere Religion lehrt uns Barmherzigkeit, Frieden und Liebe."

Die Uni als Tür zur Welt

Diese Ideale versuche man in der Universität an rund 2000 Studenten weiterzugeben, erklärt Slimane Khanjari. Fast 98Prozent der jungen Leute sind Marokkaner und Muslime, etwa 2 Prozent kommen aus anderen Ländern und Glaubensrichtungen.

Für sie ist die amerikanische Professorin Karen Thomas-Smith in besonderer Weise zuständig. Sie ist Präsidentin der evangelischen Kirche Marokkos und zugleich Pfarrerin an der Ökumenischen Kapelle der Al Akhawayn: 

"Unsere evangelische Kirche ist in Marokko aus der reformierten französischen Kirche hervor gegangen. Heute umfasst sie alle protestantischen Traditionen, die im Land vertreten sind. Wir sind eine kleine Kirche, die nur etwa 3000 Gläubige zählt. Sie kommen aus verschiedenen Nationen und leben meist nur auf Zeit in Marokko. Positiv ist, dass wir sehr ökumenisch sind. Ich leite in der Universitäts-Kapelle jede Woche ökumenische Gottesdienste, an denen alle christlichen Studenten teilnehmen, seien sie evangelisch, katholisch oder orthodox."

An der Universität unterrichte sie "vergleichende Religionswissenschaften", erläutert Karen weiter. Die Kurse würden von Studenten aller Religionen und Fachrichtung besucht und gäben Einblick in die Lehren unterschiedlicher Glaubensrichtungen. Nach dem Grundstudium könne man sich sogar auf dieses Fach spezialisieren:

"Die Al Akhawayn ist eine staatliche Einrichtung, die vom Königshaus  ins Leben gerufen wurde. Man wünscht sich eine qualifizierte Ausbildung, die Jugendlichen eine Tür in die Welt öffnet. Es geht um eine Generation von jungen Marokkanern, die in der Lage ist, mit Andersdenkenden konstruktiv Dialoge zu führen und zusammen zu arbeiten. Es geht um Frieden und Zukunft. Das ist die Vision unserer Universität."

Dialog mit Diplom

Von Ifrane ist es nicht weit in die Königsstadt Fes. Sie war schon im Mittelalter ein angesehenes Zentrum islamischer Spiritualität und Gelehrsamkeit. Eine theologische Universität, alte Koran-Schulen sowie das Grab des bekannten Mystikers Ibn Arabi geben bis heute davon Zeugnis. Die malerische Altstadt von Fes mit ihrem historischen Judenviertel wurde von der UNESCO zum Weltkultur-Erbe erhoben.

In der Neustadt, der Ville Novelle, befindet sich die Universität Fes-Sais. Die moderne staatliche Einrichtung steht allen offen und zählt mehr als 20.000 Studenten. An der "Faculté de Lettre", der Geisteswissenschaftliche Fakultät, hat der marokkanische Professor Said Gaffaiti, ein Institut für vergleichende Religionswissenschaften aufgebaut. Er sagt:

"Zunächst haben wir hier Kurse eingerichtet, in denen die Studenten Hebräisch lernen und die jüdische Religion studieren. Dann haben wir begonnen Vergleiche zwischen den drei monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam anzustellen. Heute sind wir das erste Institut in Marokko, das einen Master-Ab-schluss in Hebräischen Studien und vergleichenden Religionswissenschaften anbietet. Rund 200 Jugendliche sind in diesem Jahr bei uns eingeschrieben. Sie kommen aus ganz Afrika."

Das Fach finde bei den Studierenden Anklang, so Gaffaiti. Einige hätten bereits einen Abschluss in Islamwissenschaften und wollten nun eine zusätzliche Qualifikation für die praktische Arbeit im Dialog erwerben:

"Für mich beginnt der Dialog damit, dass ich andere kennen lerne. Ich muss sehen, erfahren, wie Christen, Juden oder andere Gläubige ihre Religion leben. Dann kann ich sie besser verstehen. Eine besondere Art, sich zu spezialisieren und für die Welt zu öffnen, ist für uns in Marokko derzeit die Arbeit in den vergleichenden Religionswissenschaften."

Religionswechsel als Tabu

Ein moderner Schnellzug verbindet Fes mit Marokkos Hauptstadt Rabat an der Atlantik-Küste. Dort liegt zwischen Ministerien und Botschaften der Königspalast, in dem Mohammed VI residiert. Im Zentrum der Stadt steht u.a. eine große Kathedrale: Saint Pierre. Hier ist der Amtssitz von Bischof Landel.

Die katholische Kirche Marokkos war nach dem Rückzug der Kolonialmächte im 20. Jahrhundert vom Aussterben bedroht. Doch inzwischen, so Vincent Landel, habe sie sich erholt.

Vincet Landel beschreibt die Lage so: "Heute zählt unsere Kirche landesweit wieder rund 30.000 Mitglieder aus vielen Nationen. Doch nur wenige sind Europäer, die meisten sind Studenten aus afrikanischen Ländern. Wir betreiben 15 Schulen, die alle einen guten Ruf haben. Ihre rund 15.000 Schüler sind fast alle Muslime. Wir unterrichten in diesen Schulen u.a. den Koran, wie es die marokkanischen Lehrpläne fordern. Aber wir bleiben eine katholische Schule und sprechen mit den Schülern auch viel über Gottes Liebe zu allen Menschen, sowie über ethische Werte."

In ganz Marokko gebe es 30 katholische Gemeinden, soziale Hilfseinrichtungen der Caritas seien im Aufbau, betont der Bischof. Christen könnten ihren Glauben landesweit absolut frei leben - mit einer Einschränkung: Man dürfe Muslime nicht missionieren. Evangelikale Gruppen, die angeblich oder auch wirklich gegen die Regelung verstießen, wurden in den letzten Jahren mehrfach des Landes verwiesen.

Denn in Marokko bricht - wie in vielen islamischen Ländern - ein muslimischer Staatsbürger, der seine Religion wechselt, ein Tabu. Ein solcher "Abfall vom Glauben" konnte einst als Hochverrat mit dem Tod bestraft werden. Im Frühjahr 2017 beschloss der oberste "Rat muslimischer Gelehrter" Marokkos, den Glaubenswechsel nicht mehr unter Strafe zu stellen.

Gegen den Willen fundamentalistischer Kreise schuf König Mohammed damit mehr Religionsfreiheit. Vincent Landel begrüßt den Schritt stellvertretend für alle Christen:

"Es ist der offizielle Wunsch der Regierung, dass der katholische Erzbischof alle Christen Marokkos vertritt. D.h. ich bin gegenüber der Regierung auch für die evangelischen und orthodoxen Christen verantwortlich. Das ist oft nicht einfach, aber positiv. Denn im Grunde drängen uns die Muslime mit dieser Forderung, die Einheit unter uns Christen zu verwirklichen."

"Wir müssen als Gläubige voneinander lernen"

Diesem Anliegen trägt auch das ökumenische Studien-Institut "Al Mowafaqa" Rechnung, das in Rabat unweit der Kathedrale zu finden ist. Sein Name bedeute so viel wie "Aufeinander zu gehen", erklärt Direktor Bernhard Coyault.

"Unser Institut ist eine bemerkenswerte Einrichtung. Es wurde 2012 von der evangelischen und der katholischen Kirche gemeinsam gegründet und 2014 eingeweiht. Christliche Studenten aller Kirchen erhalten hier eine klassische Ausbildung in Theologie - mit einem besonderen Akzent auf der islamischen Tradition Marokkos. All unsere Kurse sind ökumenisch und öffnen zugleich Türen für den interreligiösen Dialog."

Die Abschlüsse der Studenten würden von Universitäten in Paris und Straßburg überprüft. Dann, so der evangelische Theologe Coyault, könnten die jungen Leute in den Gemeinden Marokkos ihren Dienst antreten. Das Institut, das König Mohammed selbst genehmigt habe, zeige aber noch eine weitere Besonderheit, sagt Coyault:

"Neben dem ausführlichen theologischen Studium bieten wir einen fünfmonatigen Fortbildungs-Kurs für Pfarrer und andere Interessenten an: Er endet mit dem "Zertifikat Al Mowafaqa", das den Teilnehmern Kompetenz im "Dialog der Kulturen und Religionen" bescheinigt".  

Der Dialog der Kulturen, den der marokkanische König anstrebt, soll auch durch ein 2016 in Rabat gegründetes muslimisches Dialog-Zentrum unterstützt werden: das "Institut du Dialogue interreligieux". Direktorin ist eine muslimische Religionswissenschaftlerin, Aisha Haddou. Sie hat in Marokko und Belgien islamische und christliche Theologie studiert.

"Wir unterstützen im Bereich des interreligiösen Dialogs die Forschung und die Ausbildung. Unsere Mitarbeiter sind Christen, Juden und Muslime. Konkret fragen wir, was jede Religion zur Lösung aktueller Probleme beitragen kann: zum Umweltschutz, zur Rolle der Frau, zum Frieden. Ich denke, in diesem Ansatz liegt die Zukunft. Wir müssen als Gläubige voneinander lernen, und ich bin sicher, wir können uns zum Wohl der Menschheit ergänzen."

Angst um die Identität

Das Dialog-Zentrum gehört zur "Rabitá des Ulemá", einer hoch angesehenen marokkanischen Forschungseinrichtung. Sie steht für einen traditionsbewussten und zugleich liberalen Islam. Man arbeite mit internationalen Universitäten zusammen, erläutert die Muslima Aisha Haddou:

"Wir müssen kooperieren, um eine solide interreligiöse Ausbildung zu gewährleisten. Das gilt für Marokko ebenso wie für Europa. Dort gibt es Angst vor dem Islam, die Islamophobie. Hier gibt es manchmal Vorurteile gegen Christen aufgrund der Kolonialzeit. Wir müssen das alles überwinden."

Doch die Situation in Marokko sei kompliziert, fügt Aisha hinzu. Das Dialog-Institut liegt in Rabat zwischen Neustadt und Altstadt und damit symbolhaft zwischen Moderne und Tradition. Die Öffnung, die aufgeschlossene Teile des Volkes ersehnen, so Aisha, erscheine konservativen Kreisen oft als Bedrohung:

"Viele Marokkaner haben heute Angst, ihre Identität zu verlieren, wenn sich das Land zu stark verändert. Deshalb finden hier auch plötzlich extremistische Strömungen offene Ohren. Wir müssen lernen, Traditionen und Neuerungen zu verbinden. Und wir müssen vor allem fragen, was innerhalb unserer eigenen Religion falsch läuft. Es geht nicht nur um Toleranz gegenüber anderen. Wir müssen an unserem eigenen Verständnis von Identität arbeiten."

Die Angst vor einem Identitäts-Verlust mischt sich in Marokko derzeit mit der Unzufriedenheit sozial schwacher Schichten und - nicht zuletzt - ethnischen Spannungen zwischen Berbern und Arabern.

Diese Konstellation bildet ein Einfallstor für den IS und andere radikale Strömungen, die im Untergrund mit viel Kapital ins Land drängen. Das Konfliktpotenzial entlädt sich seit Monaten immer wieder in öffentlichen Protesten.

Der fundamentalistische Druck wächst

Die marokkanische Professorin Mariam Ait Ahmed hat sich zu Aufgabe gemacht, gewaltbereiten Jugendlichen durch Bildung neue, konstruktive Perspektiven zu bieten. Sie lehrt an den staatlichen Universitäten von Rabat und Kenifra. Dort habe sie jedes Semester rund 500 Studenten in ihre Kurse, betont die Religionswissenschaftlerin:

"Wir erreichen junge Leute, die durch die Medien oder ihre Freunde negativ beeinflusst wurden. Das ist heute wichtiger denn je. Zu uns kommen viele, die einen Hang zum Extremismus haben. Manche sind noch unentschlossen. Ich versuche ihnen immer klar zu machen, was der Islam wirklich lehrt, und dass zum Beispiel im Koran steht, man solle mit Andersgläubigen Dialoge führen…. Und ich zeige ihnen, dass es in der Religion immer um den Menschen geht: Er soll ein besserer Mensch werden. Wenn die extremistischen Jugendlichen das erkennen, ändern sie sich oft von Grund auf."

Mariam Ait Ahmed hat für ihre Arbeit schon viele internationale Auszeichnungen und Friedens-Preise bekommen. Sie hält Vorträge in aller Welt, von den USA über Qatar bis zu den Philippinen. Der König, die marokkanische Kultur und der Islam seien starke Bänder, die das Volk in ihrer Heimat seit Jahrhunderten einten, so die Professorin. Wenn der fundamentalistische Druck weiter wachse, könne er allerdings eine Zerreißprobe provozieren.

Um dies zu verhindern, müssten die Reform-Pläne des Königs schnellst möglich auch bei sozial schwachen Schichten der Bevölkerung ankommen. Marokkos Monarch will beweisen, dass ein toleranter, aufgeklärter und dialogbereiter Islam, wie er der marokkanischen Tradition entspricht, mit staatlichen Verordnungen durchgesetzt werden kann. Es ist ein riskantes Experiment. Viel Zeit bleibt dem König nicht.

Dem will der Kläger – allerdings erfolglos – entgegenhalten, tatsächlich sei die Situation vor Ort anders und die Bevölkerung folge den Vorgaben des Königs insoweit nicht, insbesondere gebe es auch zahlreiche Artikel, die die Situation insbesondere der Konvertiten in Marokko anders darstellten; insoweit hätten auf Deutsch zwei Artikel gefunden werden können (Nachweise: Schriftsatz vom 17. April 2018, S. 1), auch wenn es sich dabei um Berichte aus 2015 handele:

1. http://www.zeit.de/politik/ausland/2015/christentum-islam-minderheit-konvertiten-verfolgung-marokko“

2. https://www.schalom44.de/2017/06/20/tourismus-christenverfolgung-inklusive

Dieses Vorbringen des Klägers greift nicht durch. Sowohl die Auskunftslage ist eindeutig als auch der sehr präzise und tiefgehend recherchierte, im Wortlaut abgedruckte Bericht des Deutschlandfunks und stehen dem diametral gegenüber. Der Kläger muss sich vorhalten lassen, dass es im Jahre 2017 (u.a. nach der Erklärung von Marrakesch 2016 und anderen Umständen) zu erheblichen und durchgreifenden Änderungen in Marokko gekommen ist, insbesondere sind die Strafbewehrungen für Konversion abgeschafft. Eines der Dokumente (zuvor 1., Die Zeit vom 26. Dezember 2015 „Mein Name ist Rachid,…“) hatte der Kläger auch bereits vorgelegt, siehe oben. Das zweite Dokument stellt einen nicht weiter überprüfbaren Kommentar eines Herrn Wilfried Puhl-Schmidt auf dessen eigener Website „Schalom44“ dar, der sich in bloßer Behauptung und in Meinungsäußerung erschöpft. Zu diesem Autor ergibt eine Internetrecherche zahlreiche Treffer und stets wird eine islamablehnende Haltung vertreten. Das Dokument ist hier weiter nicht vertreten.

Damit wird die Würdigung im angegriffenen Gerichtsbescheid bestätigt und das Vorbringen des Klägers hinsichtlich etwaiger Verfolgung bei Konversion schlussendlich widerlegt, zumal seine in der mündlichen Verhandlung gegebenen Hinweise auf eine Informationsquelle namens „Amin“ in Marokko weder ergiebig noch belastbar sind.

Erst recht hatte bei dieser Sachlage das Gericht nicht etwa ein „Sachverständigengutachten“ (S. 2 des Schriftsatzes vom 17. April 2018) anzufordern bzw. einzuholen, da von vornherein der dieser Beweisanregung zugrundeliegende Sachvortrag, eine freie Religionsausübung sei für den Kläger in Marokko nicht möglich, da er sich dann in Lebensgefahr begeben würde, des tatsächlichen Anhaltspunktes entbehrt und mithin einen unzulässigen Ausforschungsantrag darstellt.

Abrundend nimmt das Gericht schließlich Bezug auf die zutreffenden Gründe des angegriffenen Bescheides, § 77 Abs. 2 AsylG, und hält zusammenfassend fest: Der Kläger ist nicht vorverfolgt ausgereist. Zum einem ist sein diesbezüglicher Sachvertrag unglaubhaft, zum anderen wären die geltend gemachten Diskriminierungen nicht hinreichend. Außerdem bringt er selber vor, in gebildeten Kreisen würden Christen in Marokko respektvoll behandelt. Damit kommt ihm eine Beweiserleichterung nicht zugute, auf die ein vorverfolgt Ausgereister sich evtl. stützen könnte. Hier liegt die danach erforderliche beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger bei gedachter Rückkehr mit Verfolgungshandlungen zu rechnen hätte, zur Überzeugung des Gerichtes nicht vor.