Verwaltungsgericht Oldenburg
v. 03.04.2018, Az.: 7 A 121/18

Asyl; Marokko; Zwangsheirat; Zwischenaufenthalte in anderen europäischen Staaten

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
03.04.2018
Aktenzeichen
7 A 121/18
Entscheidungsform
Gerichtsbescheid
Referenz
WKRS 2018, 74122
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Derzeit noch kann es in Marokko in ländlichen Gebieten zur (versuchten) Zwangsverheiratung kommen, was grundsätzlich die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erfordern könnte, sofern nicht interner Schutz - insbesondere in Großstädten - anzunehmen ist.
Die Glaubhaftigkeit kann durch verschiedene Zwischenaufenthalte in anderen europäischen Staaten erheblich erschüttert sein.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens; insoweit ist der Gerichtsbescheid vorläufig
vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin ist marokkanische Staatsangehörige und begehrt (u.a.) die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

Nach Einreise gegen Ende des Jahres 2015 stellte sie am 13. Juni 2016 Asylantrag.

Anlässlich der Niederschrift über das erste persönliche Gespräch zur Durchführung des Asylverfahrens am 13. Juni 2016 in Bramsche, Hase, gab sie an (S. 11 ff. Beiakte), Marokko am 1. Dezember 2015 verlassen und drei Wochen lang über die Länder Türkei, Griechenland, Mazedonien, Kroatien, Slowenien, Österreich mit dem Flugzeug und anderen Reisemitteln bis zur Einreise am 19. Dezember 2015 gereist zu sein.

Am 13. Juni 2016 wurde sie in Bramsche, Hase, gemäß § 25 AsylG zu ihren Gründen angehört. Sie machte im Kern und im Wesentlichen geltend, vor drohender Zwangsverheiratung aus Marokko geflohen zu sein (vgl. dazu die Niederschrift auf S. 34 ff. Beiakte). Im Wortlaut heißt es in der Niederschrift (ebd.):

„Ich bin Araberin.

2. Haben Sie in Ihrem Heimatland Personalpapiere wie z.B. einen Pass, Passersatz oder einen Personalausweis besessen?

Antwort: Ja, ich habe keine Papiere. Reisepass und Unterlagen sind ins Wasser gefallen als unser Boot unterging. Ich habe dabei auch meine Tasche verloren. Ich bin von Marokko in die Türkei geflogen. Von der Türkei bin ich über das Meer nach Griechenland geflüchtet.

Frage: Warum haben Sie diesen Umweg genommen?

Antwort: Ich hatte den Eindruck, dass es für mich der sicherste Weg ist, nach Deutschland zu kommen. Es hieß, dass alle Flüchtlinge aus Griechenland nach Deutschland weitergelassen werden. Der andere Weg war für mich überhaupt nicht sicher.

3. Aus welchen Gründen können Sie keine Personalpapiere vorlegen?

Antwort: s.o.

4. ...

Antwort: Meine Schwestern sind alle in Marokko verheiratet. Ich habe nur noch eine Schwester die nicht verheiratet ist.

10. ...

Antwort: Ich war 3 ½ Jahre Assistentin der Geschäftsleitung bei einer Autovermietung. Davor habe ich ein Praktikum als Buchhalterin gemacht. Wir haben ein französisches Buchhaltungssystem. Bis zu meiner Flucht habe ich in der Autovermietung gearbeitet. Die Autovermietung hieß T. C..

...

In den letzten Tagen vor meiner Ausreise hat meine Familie mir gesagt, es kommt heute ein Mann zum Abendbrot und das wird dein Verlobter und bald sollt ihr heiraten. Ich habe mich sehr geweigert. Es hat nicht viel gebracht. Als der Mann bei uns war, habe ich gesehen, dass er sehr alt ist. Da habe ich beschlossen, dass ich diesen Mann nie heiraten werde. Meine Familie hat sich geweigert. Meine Familie hatte mit dem Mann alles geklärt und mir gesagt, dass ich ihn heiraten muss. Als ich das nicht akzeptierte, haben Sie mich jeden Tag geschlagen und aus meiner Arbeit herausgeholt. Ich durfte nicht mehr arbeiten. Meine Familie hat mir Geld gegeben. Das war die Mitgift des Mannes denn ich heiraten sollte. Ich habe viel überlegt und dann habe ich das Geld genommen und bin aus dem Haus geflohen und habe das Land verlassen. Vorher habe ich zwei Tage bei meiner Freundin übernachtet bis ich alles organisiert hatte und dann bin ich in die Türkei geflohen. Zwei Monate lagen zwischen meiner Verlobung und der Vorbereitung meiner Flucht. Als ich gehört habe, dass eine Flucht nach Deutschland möglich wäre, habe ich mir gedacht, dass das eine Möglichkeit ist in Freiheit und Selbstbestimmung zu leben. Ich möchte allein entscheiden wen ich heirate und mit wem ich leben soll. Ich habe in Deutschland Migräne bekommen. Die Migräne zurückführe ich darauf zurück, dass ich jetzt erst merke wie sehr mich meine letzten zwei Monate in Marokko belastet haben. Ich möchte in Deutschland gerne weiter studieren. Ich möchte gerne Gesundheitspflege studieren.

Frage: Wie alt ist eine Frau üblicher Weise wenn sie in Marokko heiraten soll?

Antwort: In meinem Ort, dort sind alle Landwirte. Die Frauen heiraten dort sehr früh. Meine Mutter hat fünf Töchter und einen Sohn. Vier Töchter sind verheiratet. Eine Schwester, die älter ist als ich, ist nicht verheiratet. Sie ist sehr religiös und es kommt kein Mann der sie heiraten will. Meine Schwester hat dadurch auch große Probleme. Wenn man älter ist als 25 Jahre, dann hat man als Frau das Problem, das einem nur noch alte Männer oder Männer mit Problemen zum Heiraten vorgestellt werden.

Frage: Wurde Ihnen denn zum ersten Mal ein Mann vorgestellt?

Antwort: Ja. Aber ich war vorher schon einmal mit meinen Cousin verlobt. Es hat sich dann aber herausgestellt das wir von der gleichen Frau gestillt wurden. Damit galten wir als Geschwister und unsere Verbindung wurde aufgelöst.

Frage: Wann waren Sie mit Ihrem Cousin verlobt?

Antwort: Ich war 26 Jahre alt, es waren Gespräche, es wurde diskutiert und dann haben wir auch schon festgestellt dass wir nicht heiraten konnten. Junge Männer aus meiner Stadt heiraten lieber Marokkanerinnen aus einem anderen Ort oder Staat. Ich habe auf einem Dorf gelebt. Ich war in Marokko nicht so frei wie sich mich jetzt hier sehen. Ich musste ein Kopftuch und ein langes marokkanisches Kleid tragen.

...

Frage: Hatten Sie ein gutes Auskommen?

Antwort: Durchschnittlich, Gott sei Dank.

...

Mein Bruder und mein Cousin. Die Männer entscheiden alles.

Frage: Wie hat Ihre Schwester es denn geschafft noch nicht verheiratet zu werden?

Antwort: Meine Schwester ist jetzt sehr alt geworden, keiner will sie mehr haben. Wir hatten immer jüngere Schwestern die verheiratet wurden. Wir waren viele Schwestern die verheiratet werden sollten und daher war es egal, ob erst die älteren Schwestern oder die jüngeren Schwestern verheiratet werden. Hauptsache es wurde eine von uns vermittelt, die dann nicht unvermittelt alt wurde.

Frage: Wie hoch war die Mitgift die Ihr Mann überlassen hat?

Antwort: Es waren 500 Euro für mich und 1.000 Euro für die Vorbereitung.

Frage: Haben Sie 1.500 Euro erhalten?

Antwort: Ja. Das hat mir geholfen weiterzukommen.

Frage: Haben Sie persönlich das Geld bekommen?

Antwort: Jeder Mann gibt das Geld an die Familie. Es ist also bei meiner Familie angekommen.

Es war bei meiner Mutter. Ich habe das Geld einfach gestohlen.

...

Frage: Wo lag das Geld was Sie entwendet habe?

Antwort: Meine Mutter hatte nicht so viel Platz. Sie hatte nur ihren Schrank. Ihre Goldstücke und ihr Geld bewahrte sie dort im Schrank auf.

Frage: Von wem wurden Sie geschlagen?

Antwort: Mein Halbbruder und mein Bruder haben mich geschlagen. Der Mann war ein Bekannter meines Halbbruders. Mein Bruder wollte durch die Heirat entlastet werden. Mein Halbbruder wollte für seinen Freund etwas Gutes tun. Mein Halbbruder und der Mann machten Geschäfte. Er hatte sich durch die Heirat Vorteile versprochen. Sie haben mit Autos gehandelt.

Frage: Welche Bestrafung haben Sie bekommen?

Antwort: Sie haben mich mit Füßen und Händen geschlagen. Sie haben mich überall getroffen. Ich habe auch einen Schlag auf den Kopf erhalten, vielleicht kommt davon auch meine Migräne.

Frage: Von wem haben Sie die Strafe erhalten?

Antwort: Von meinem Bruder. Meine Mutter hat nur dort gestanden und zugesehen wie ich geschlagen und gefoltert wurde. Sich hat mich nicht unterstützt. Sie traute sich auch nicht etwas zu sagen, denn die Männer haben das Wort.

Frage: Wie häufig sind Sie geschlagen worden?

Antwort: Öfter wurde ich geschlagen. Bei jeden Kleinigkeiten. Immer wenn sie meinten ich hätte einen Fehler gemacht. Wegen der Hochzeit habe ich zweimal Schläger erhalten. Mein Cousin wollte mich umarmen und begrüßen und dabei hat mein Bruder mich geschlagen. Ich habe ihn nach dem Grund gefragt, aber er hat mir keinen Grund genannt.

Frage: Mussten Sie sich ärztlich behandeln lassen oder ins Krankenhaus?

Antwort: Nein. Ich habe immer geduscht und wenn ich verletzt war, musste ich mich selbst verarzten.

Frage: Hat Ihre ältere Schwester etwas davon mitbekommen?

Antwort: Meine Schwester hat ab und zu gesagt dass es nicht im Sinne der Religion ist zu schlagen und dass es nicht geht mich zu foltern. Ihre Worte wurden aber nicht ernst genommen.

Frage: Wie hieß Ihr zukünftiger Mann?

Antwort: Achmed Radwan.

Frage: Wären Sie seine erste Frau geworden?

Antwort: Ich wäre die zweite Frau geworden. Seine Kinder wären älter als ich gewesen. Die erste Frau lebte auch noch. Es ist üblich bei uns, dass ältere Männer junge Frauen suchen.

Frage: Wie alt wäre Ihr Mann gewesen?

Antwort: 59 Jahre.

Frage: Konnten Sie mit Ihrem zukünftigen Mann sprechen?

Antwort: Nein, es gab kein Gespräch, ich durfte nichts sagen.

...

Antwort: 2005 hat meine Schwester mit 17 Jahren geheiratet.

Frage: Warum wurden Sie dann nicht ab 2005 verheiratet?

Antwort: Es kam tatsächlich niemand der mich hätte heiraten wollen. Die Gespräche mit meinem Cousin waren 2006/2007. Wir waren auch überrascht dass wir nicht heiraten konnten weil wir als Geschwister gelten.

Frage: Ab 2007 gab es doch sicherlich den Druck Sie zu verheiraten?

Antwort: Ich glaube nicht dass mein Bruder nicht jeden genommen hätte. Ich durfte viele Sachen nicht machen. Ich war eine unattraktive Frau, es hat keiner um meine Hand angehalten. Ich durfte gerade noch arbeiten.

Frage: Warum durften Sie arbeiten gehen?

Antwort: Erstens habe ich sehr dafür gekämpft dass ich weiter studieren durfte. Leider habe ich häufig eine Ablehnung erhalten. Meine Familie wollte dass ich nach der Schule sofort heirate. Ich habe für meine Arbeit gekämpft. Ich konnte meinen Bruder damit überzeugen dass ich finanziell dadurch unabhängig war und ihn und die Familie unterstützen kann. Ich habe ihm auch versprochen dass ich, sobald einer kommt um mich zu heiraten, ich heiraten werde. Ich musste ihm die Zusage geben, dass wenn jemand um meine Hand anhält, ich geheiratet hätte. Der Mann, bei dem ich gearbeitet habe, war der Freund meines Bruders. Mein Bruder kannte ihn und hat mir daher auch erlaubt dort zu arbeiten.

Frage: Waren Sie dann bei Ihrem Arbeitgeber auch unter Beobachtung?

Antwort: Das war nicht nur Beobachtung. Mein Bruder war auch regelmäßig im Geschäft und hat sich nach mir erkundigt.

Frage: Haben Sie versucht Schutz bei der Polizei zu bekommen?

Antwort: Nein. Niemals. Ich kann nicht zur Polizei gehen. Ich werde dort ausgelacht. Sie werden mir sagen dass ich zu meiner Familie gehen und heiraten soll.

Frage: Hätten Sie in Marokko in eine Großstadt flüchten können?

Antwort: Es kann sein das ich in eine Großstadt hätte flüchten können. Es hätte aber immer die Gefahr bestanden das meine Familie mich findet.

Die Antragstellerin sagt dass als ihr die Idee von Deutschland und Europa kam, habe sie spontan geplant nach Deutschland zu fliehen. ...“

Die Beklagte lehnte mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Bonn, vom 6. Juli 2016 – … – die Asylanerkennung, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, subsidiären Schutzes und die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten ab, forderte die Klägerin unter Abschiebungsandrohung nach Marokko zur Ausreise auf und befristete das Wiedereinreiseverbot. In den Gründen heißt es im Wesentlichen, dass die von der Klägerin im Rahmen der Anhörung vorgebrachten Gründe nicht glaubhaft seien und zudem aber auch bei „Wahrunterstellung ihrer Bedrohungssituation“ (S. 4 des Bescheides) eine sog. inländische Fluchtalternative vorläge, da sich die Klägerin auch in einem anderen Landesteil niederlassen könnte.

Die Klägerin hat am 21. Juli 2016 Klage erhoben, ohne diese weiter zu begründen.

Die Klägerin beantragt (wörtlich gemäß Klageschrift S. 1/2 oben):

„den Bescheid der Beklagten vom 6. Juli 2016 – Az.: … – aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,

hilfsweise den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen,

hilfsweise Abschiebungshindernisse gemäß § 60 V u. VII AufenthG festzustellen.“

Die Beklagte verteidigt ihren angegriffenen Bescheid und beantragt (Schriftsatz vom 23. August 2016),

die Klage abzuweisen.

Wegen der Einzelheiten verweist das Gericht auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten.

Entscheidungsgründe

Die Klage, über die das Gericht nach Übertragungsbeschluss der Kammer vom 7. Februar 2018 durch den Einzelrichter und nach Anhörung der Beteiligten im Wege des Gerichtsbescheides entscheidet, ist unbegründet.

Der angegriffene Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Bonn, vom 6. Juli 2016 ist - auch hinsichtlich seiner Nebenbestimmungen - rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO, die geltend gemachten Ansprüche sind unbegründet, § 113 Abs. 5 VwGO.

Das Gericht hält die Gründe des angegriffenen Bescheides für zutreffend. Dies gilt auch hinsichtlich der Unglaubhaftigkeit der Angaben der Klägerin hinsichtlich ihrer Verfolgungslegende und aber auch – für den gedachten Fall dessen, dass die Legende doch zutreffend sein sollte – hinsichtlich der Möglichkeiten der Klägerin, an anderen Orten in Marokko unbehelligt von Übergriffen Dritter leben zu können. Dies ergibt sich insbesondere auch aus den zutreffenden Ausführungen in den Gründen des angegriffenen Bescheides, die überzeugend die Unglaubhaftigkeit des Sachvortrages der Klägerin dartun. Das Gericht macht sich zur Begründung des Gerichtsbescheides daher die Gründe des angegriffenen Bescheides zu eigen, zumal die Klägerin im gerichtlichen Verefahren nichts vorgetragen hat, und verweist auf diese, § 77 Abs. 2 AsylG. Nur ergänzend hält das Gericht das Folgende fest:

Es ist nichts dafür ersichtlich,

·dass Leben oder Freiheit der Klägerin wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung in Marokko bedroht sind (§ 3 Abs. 1 AsylVfG),
·ihr in Marokko ein ernsthafter Schaden gemäß § 4 Abs. 1 AsylVfG droht (Satz 2 Nr. 1: Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, Satz 2 Nr. 2: Folter oder menschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder Satz 2 Nr. 3: eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts),
·dass die Abschiebung unzulässig ist, weil sich dies aus der Anwendung der MRK ergibt (§ 60 Abs. 5 AufenthG),
·ihr Ansprüche auf Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 und 2 AufenthG zustehen könnten und
·die Befristung für eine Wiedereinreise in angegriffenen Bescheid oder dieser ansonsten rechtsfehlerhaft wäre.

Das Königreich Marokko ist eine autokratische Monarchie mit Garantien der Gewaltenteilung und der demokratischen Regierungsführung sowie umfassenden bürgerlichen und politischen Rechten in seiner Verfassung. Allerdings lautet die unantastbare Staatsdevise „Allah, al-Watan, al-Malik“ (Gott, Vaterland, König). Dies bedeutet, dass Kernelemente der marokkanischen Politik mit Unveränderbarkeitscharakter der Islam als Staatsreligion, die territoriale Integrität einschließlich der Westsahara und die Monarchie als Staatsform sind. Verfassungsrechtlich besonders geschützt ist die Rolle des Königs und des Islam. Dabei ist der König zugleich oberste weltliche und oberste geistliche Autorität. Die Verfassung von 2011 enthält institutionelle und materielle Vorgaben, deren Umsetzung schrittweise vorankommt.

Das Justizsystem ist unvollständig. Seine Schwächen sind die Unabhängigkeit der Richter, die Korruptionsprävention und die Modernisierung der Justizverwaltung, an welchen gearbeitet wird. Die Exekutive will rechtsstaatliche Grundsätze achten. Es gibt staatliche und nichtstaatliche Organisationen, die die Einhaltung der rechtsstaatlichen Grundsätze prüfen.

Die Meinungs- und Pressefreiheit werden nicht in vollem Umfang garantiert, sind allerdings ausgeprägt und werden in Anspruch genommen. Lediglich hinsichtlich der roten Linien der marokkanischen Politik – der Islam als Staatsreligion, die territoriale Integrität einschließlich der Westsahara und die Monarchie – wird strafrechtlich geahndet. In diesem Bereich sind auch Einschränkungen der Versammlungs- und Vereinsfreiheit zu gewärtigen.

Staatlich angeordnete und systematische Folter findet nicht statt, wohl wird von Einzelfällen berichtet. Die marokkanische Regierung indessen lehnt den Einsatz der Folter ab. Sie bemüht sich um Prävention und geht Vorwürfen von Misshandlungen nach.

Die Religionsfreiheit wird eng begrenzt gewährt – der Islam ist Staatsreligion und Missionieren ist strafbewehrt. Konversion ist nicht vorgesehen, allerdings auch kein Strafrechtstatbestand.

Strafbewehrt ist jeder außereheliche Geschlechtsverkehr. Insoweit findet Strafverfolgung aber nur in wenigen Fällen statt. Die Homosexualität ist ebenfalls strafbewehrt. Aber sie wird nur bei öffentlichem Ausleben verfolgt. Die Fallzahlen für Strafverfolgung von außerehelichem einvernehmlichen Geschlechtsverkehr jeglicher Art sind nicht gesichert.

Die Situation in Gefängnissen entspricht nicht internationalen Standards, auch wenn im Juni ein Gesetzentwurf mit neuen Standardmindestregeln als Entwurf vorgelegt wurde.

Diese Beschreibung der allgemeinen Lage in Marokko fußt insbesondere auf den

„Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: März 2017)“,

Auswärtiges Amt, Berlin, vom 10. März 2017, der hinreichend ausführlich, detailliert und aktuell ist.

Gemessen daran liegen keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Entscheidung vor.

Zwar kann es grundsätzlich durchaus sein, dass eine drohende Zwangsverheiratung sowie auch das Drohen einer etwaigen Verfolgung seitens Anverwandter (vgl. dazu die geltend gemachten Schläge von etwa Brüdern und/oder Halbbrüdern der Klägerin) begründend für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sein könnte. Rechtlich ist dies nicht ausgeschlossen, vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 24. Juni 2015 – 7 a K 1495/13 -, juris. Indessen ist – unabhängig von der Unglaubhaftigkeit des Vorbringens der Klägerin insgesamt – auch auf die sog. inländische Fluchtalternative zu verweisen (vgl. zu den Fragen der geschäftsspezifischen Verfolgung, z.B. einer etwaigen Zwangsverheiratung: VG Gelsenkirchen, Urteil vom 24. Juni 2015 – 7 a K 1495/13 -, juris). Das Gericht geht mit dem angegriffenen Bescheid – siehe oben – davon aus, dass die Klägerin als erwachsene alleinstehende Frau ohne Angst vor Verfolgung in Marokko leben kann, wenn auch an anderen Stellen als ihrem Herkunftsort, sofern die geltend gemachten Gründe – nur gedanklich unterstellt - zutreffen sollten. Dies gilt insbesondere – und dies auch hinsichtlich der Unglaubhaftigkeit ihrer Angaben – mit Blick auf ihr hohes Bildungsniveau und ihrer Berufserfahrung. Im Übrigen verweist das Gericht erneut auf die Gründe des angegriffenen Bescheides, zumal die Klägerin nichts weiter vorgetragen hat, insbesondere auch nicht innerhalb der Frist des § 74 Abs. 2 AsylG, die fruchtlos verstrichen ist.

Die Unglaubhaftigkeit der Angaben der Klägerin insgesamt ergibt sich für das Gericht insbesondere auch daraus, dass sie eine mehrwöchige Reise über viele europäische Staaten und nach Deutschland unternommen hat, ohne zuvor in einem der von ihr selber bezeichneten europäischen Staaten Schutz zu suchen. Dies wäre aber zu erwarten gewesen, wenn sie wirklich vor unmittelbar drohender Verfolgung aus Marokko geflohen wäre. Letzteres ist in den Augen des Gerichts aber nicht der Fall.

Die Kostenfolge ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 167 Abs. 2 VwGO, 83b AsylG.