Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 04.05.2017, Az.: 11 K 10219/15

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
04.05.2017
Aktenzeichen
11 K 10219/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 43816
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2017:0504.11K10219.15.00

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 28.11.2017 - AZ: V B 60/17

Amtlicher Leitsatz

Besteht an der Anwendbarkeit der Sonderregelungen für den Leistungsort Unsicherheit, bestimmt sich dieser nach § 3a Abs. 1 UStG.

Tatbestand

1

Der Kläger erbrachte in den Streitjahren neben seiner Tätigkeit als Versicherungsmakler Internetdienstleistungen an diverse Firmen. Der Kontakt hierfür kam über den mit ihm befreundeten Herrn W zustande, der ab 2011 als sogenannter Sales Director unter anderem für die Firma M Germany GmbH in Hamburg tätig war, deren Geschäftsführer zunächst Herr W und später Herr P war.

2

Anlässlich einer Außenprüfung beim Kläger stellte der Prüfer fest, dass dieser Leistungen an die M GmbH mit Umsatzsteuer abgerechnet hatte, weitere Leistungen an mit der M GmbH verbundene Unternehmen bzw. Firmen des Unternehmensverbundes des Herrn T (N B.V., Rotterdam; F Ltd., Gibraltar und C Ltd., Zypern) jedoch von ihm als nicht steuerbar eingestuft worden waren. Die Firmen betrieben Webseiten in den Bereichen Erwachsenenunterhaltung/Pornographie, unter anderem die Seiten mydirtyhobby.com, privatamateure.com und privatakt.com. Der Kläger war für die Webmaster bei der Behebung technischer Probleme und bei der Beratung von Kunden tätig. Der Prüfer vertrat die Ansicht, dass es sich bei den genannten Firmen nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Köln um sogenannte Domizilgesellschaften gehandelt habe. Die Internetportale seien vom Inland aus betrieben worden, wobei der Geschäftssitz sich in Aachen befunden habe. Die vom Kläger erbrachten Leistungen seien daher im Inland steuerbar und steuerpflichtig gewesen. Der Beklagte, das Finanzamt (FA), erließ am 12. Dezember 2014 entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide und wies die Einsprüche hiergegen mit Bescheid vom 18. August 2015 als unbegründet zurück.

3

Sämtliche Aktivitäten oben genannter Firmen seien von Herrn T vom Inland aus persönlich gesteuert worden. Der laufende Geschäftsbetrieb sei über die M GmbH in Hamburg abgewickelt worden, die wesentlichen Geschäfte seien stets von der persönlichen Zustimmung des Herrn T abhängig gewesen. Der Zahlungsverkehr sei über inländische Bankkonten abgewickelt worden, auf die Herr T bzw. die Geschäftsleitung der M GmbH in dessen Auftrag direkten Zugriff gehabt hätten. Der Kläger habe in direktem Kontakt mit Herrn T gestanden. Auf direkte Anweisung durch die Geschäftsleitung der M GmbH habe er seine Rechnungen z.B. an die C Ltd., Zypern erstellt, diese Rechnungen jedoch im Inland einem Herrn P bzw. Herr W übermittelt. Die Zahlungen seien ebenfalls im Inland erfolgt. Die Firma N B.V. Niederlande habe unter der angegebenen Adresse lediglich einen Raum mit Telefon- und Faxverbindung gemietet, die jedoch dem Gebäudeeigentümer gehört habe. Eingehende Post sei durch einen Rezeptionisten lediglich eingescannt und an einen Empfänger in Deutschland weitergeleitet worden. Somit sei in den Niederlanden keine aktive wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt worden. Über das inländische Konto der N, über das die Geschäfte des Portals mydirtyhobby.com abgewickelt worden seien, habe Herr T verfügt.

4

Nach Auskunft des Bundeszentralamtes für Steuern handele es sich bei der F Group Ltd., Gibraltar ebenfalls um eine zwar rechtlich existente, aber wirtschaftlich inaktive Briefkastenfirma ohne eigenen Geschäftsbetrieb. Über das inländische Konto, über das der Zahlungsverkehr mit Kunden und Darstellern abgewickelt worden sei, habe ebenfalls Herr T verfügt.

5

Die Firma C Holding Ltd, Zypern habe unter der angegebenen Adresse ebenfalls keinen eigenen Geschäftsbetrieb unterhalten und sei in Zypern im streitigen Zeitraum auch nicht umsatzsteuerlich geführt worden.

6

An der Tatsache, dass es sich bei den genannten Firmen um sogenannte Briefkastenfirmen handele, bestünden aufgrund der umfassenden Ermittlungen der Steuerfahndungsstelle Aachen bzw. der Staatsanwaltschaft Koblenz keine Zweifel. Diese Feststellungen seien für die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen des Herrn T im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung von diesem akzeptiert worden. Auch wenn diese tatsächliche Verständigung grundsätzlich nur die beteiligten Personen binde, so sei sie doch als Indiz im vorliegenden Verfahren zu berücksichtigen.

7

Es sei auch nicht anzunehmen, dass der Kläger gutgläubig von ausländischen Leistungsempfängern ausgegangen sei. Im Rahmen der Ermittlungsmaßnahmen sei E-Mail-Verkehr mit Herrn T bzw. Frau W (Assistenz der Geschäftsleitung) bei der Auftragsgeberfirma M GmbH sichergestellt worden. Danach habe der Kläger seine Rechnungen ganz bewusst auf Anweisung von Frau W bzw. von Herrn T an die Geschäftsführung der M GmbH im Hause per Mail gesandt. Die Bezahlung sei ebenfalls von einem deutschen Bankkonto erfolgt. Die Provisionserlöse des Klägers seien zudem ausweislich einer Mail der M GmbH nach einem Prozentsatz des Gesamtgewinns unter Einbeziehung z.B. der C bemessen worden. Danach habe der Kläger nicht davon ausgehen dürfen, dass es sich bei dieser Gesellschaft um einen fremden ausländischen Leistungsempfänger handele, da er über Boni-Zahlungen an deren Gewinnen beteiligt wurde. Die Boni-Zahlungen seien nicht an sämtliche Mitarbeiter der M GmbH, sondern ausschließlich an die geschäftsleitenden Personen erfolgt. Die tatsächliche Geschäftsstruktur habe dem Kläger in seiner Funktion nicht verborgen bleiben können, da er in einem engen Kontakt zu Herrn T gestanden habe, der seinerseits alle maßgeblichen Geschäftsentscheidungen getroffen habe.

8

Während des finanzgerichtlichen Verfahrens wurde das strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Herrn T gemäß § 153a Abs. 1 StPO gegen die Auflage der Zahlung eines Geldbetrages von 5 Mio. € eingestellt. Die Staatsanwaltschaft Köln hielt es laut Abschlussvermerk vom 15. September 2016 für ungewiss, ob die Umsätze der oben genannten Gesellschaften in Deutschland steuerbar seien. Dass die wesentlichen Unternehmensentscheidungen von Herrn T von Deutschland aus getroffen worden seien, stünde nicht fest. Es lasse sich nicht zweifelsfrei widerlegen, dass die wesentlichen Unternehmensentscheidungen von Amerika aus durch vier Personen, den sogenannten "Big 4", getroffen worden seien, für die Herr T letztlich nur als Berater und Treuhänder agiert habe.

9

Mit seiner Klage macht der Kläger geltend, die von ihm an die oben genannten Firmen erbrachten Leistungen seien nicht steuerbar. Sämtliche Unternehmen hätten ihren Geschäftssitz im EU-Ausland gehabt. Sie hätten auch nach den Feststellungen des FA Webseiten betrieben. Es sei dem Kläger nicht bekannt gewesen, dass diese Gesellschaften von Herrn T von dessen Privaträumen aus betrieben worden seien. Er habe innerhalb des Unternehmensgeflechts auch keine Stellung inne gehabt, bei der er in sämtliche Unternehmensstrukturen involviert gewesen sei. Die Feststellungslast liege beim FA, da es nicht um eine Steuerbefreiung gehe, sondern darum, ob die getätigten Umsätze überhaupt steuerbar seien. Er sei davon ausgegangen, dass die Unternehmen tatsächlich auch im Ausland ansässig gewesen seien. Auch nach den Feststellungen der Steuerfahndung seien, wenn auch verspätet, in Zypern Umsatzsteuererklärungen und Umsatzsteuer abgeführt worden. Im Übrigen habe er sich durch Nachfrage bei Geschäftspartnern, die häufiger im mit den Auslandsunternehmen in Kontakt gestanden hätten, davon vergewissert, dass es sich um tatsächlich existierende Firmen im Ausland gehandelt habe. Abfragen von Umsatzsteueridentifikationsnummern sowie Registerauszüge hätten den Schluss auf real existierende EU-Auslandsunternehmen ohne Weiteres zugelassen. Aufgrund der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 des Rates vom 15. März 2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem müsse ihm jedenfalls Vertrauensschutz gewährt werden.

10

Im Übrigen sei auch die Staatsanwaltschaft Köln in dem Ermittlungsverfahren gegen Herrn T letztlich davon ausgegangen, dass die Geschäftsleitung der Gesellschaften sich nicht in der Bundesrepublik befunden habe, da die wesentlichen Entscheidungen von den sogenannten "Big" vom Ausland aus getroffen worden seien. Auch Herr T selbst habe sich über längere Zeiträume gar nicht in seinem Wohnsitz in Aachen aufgehalten, sondern sei in Kanada bzw. Belgien gewesen, von wo aus er Leistungen an die Gesellschaften erbracht habe. Im Übrigen habe es sich bei den angegebenen ausländischen Firmensitzen in den Niederlanden, Gibraltar und Zypern keineswegs um reine Briefkastenfirmen gehandelt, da tatsächliche Geschäftsräumlichkeiten vorhanden gewesen und auch Personen angetroffen worden seien, die den Firmen direkt oder als Dienstleister hätten zugeordnet werden können.

11

Der Kläger beantragt,

12

die Umsatzsteuerbescheide 2009 bis 2012 vom 12. Dezember 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. August 2015 aufzuheben.

13

Das FA beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Bei den in Rede stehenden Firmen habe es sich im Ausland lediglich um Briefkastenfirmen gehandelt. Als leistender Unternehmer müsse der Kläger seine Umsätze grundsätzlich im Inland versteuern. Soweit er vortrage, dass es sich um nicht steuerbare Auslandsumsätze handele, trage er die Feststellungslast. Die tatsächliche Geschäftsführung der Firmen habe sich im Inland befunden. Der Kläger habe selbst angegeben, keine direkten Anweisungen aus dem Ausland sondern jeweils von der Geschäftsführung vor Ort erhalten zu haben. Nach einer Wirtschaftsauskunft des Bundeszentralamtes für Steuern vom 28. November 2011 habe die C in Zypern über kein eigenes Geschäftslokal verfügt. Auch im Ermittlungsverfahren gegen Herrn W sei bestätigt worden, dass sämtliche Firmen ihren Geschäftssitz im Inland gehabt hätten. So seien auch die Umsätze des Herrn W an die N und die F als inländische Umsätze versteuert worden. Das Umsatzsteuerrecht sehe einen Vertrauensschutz in einem Fall wie dem vorliegenden nicht vor. Im Übrigen sei der Kläger über die nur vorgetäuschten ausländischen Firmensitze jedoch informiert gewesen. Jedenfalls sei ihm aber vorzuwerfen, dass er sich nicht hinreichend im Sinne eines ordentlichen Kaufmanns über seine Leistungsempfänger informiert habe.

16

Die Einstellung des Strafverfahrens gegen Herrn T sei nur aufgrund der schwierigen Beweisführung und gegen eine Geldauflage von 5 Millionen Euro erfolgt. Im Besteuerungsverfahren des Herrn T sei mit dessen Einverständnis davon ausgegangen worden, dass sämtliche Umsätze der Gesellschaften, um die es hier gehe, im Inland zu versteuern seien, da ein inländische Firmensitz gegeben gewesen sei.

17

Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 4. Mai 2017 Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugen W, R, W und V. R.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Entscheidungsgründe

18

Die Klage ist unbegründet. Das FA hat zu Recht angenommen, dass die vom Kläger erbrachten Leistungen in Form technischer Unterstützungstätigkeiten gegenüber den Firmen N B.V., F Ltd. und C Ltd. für deren Webseiten steuerbar sind.

19

1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Dabei trägt das FA die objektive Darlegungs- und Feststellungslast für die Steuerbarkeit des Umsatzes. Im Ausland erbrachte Leistungen sind nicht im Inland steuerbar.

20

a) Ob eine sonstige Leistung im Inland erbracht wurde, ergibt sich aus der gesetzlichen Regelung des § 3a UStG. Sowohl in der für das Streitjahr 2009 geltenden alten Fassung des Abs. 1 Satz 1 dieser Norm als auch in der für die Streitjahre 2010 bis 2012 geltenden neuen Fassung werden sonstige Leistungen grundsätzlich an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. § 3a Abs. 1 Satz 1 UStG ist der Auffangtatbestand für die Fälle, die nicht gesondert geregelt sind.

21

Vorliegend betreibt der Kläger sein Unternehmen vom Inland aus.

22

b) Abweichend von § 3a Abs. 1 Satz 1 UStG bestimmte für das Streitjahr 2009 § 3a Abs. 3 Satz 1 UStG a.F. für einzelne in § 3a Abs. 4 UStG a.F. katalogmäßig aufgezählte sonstige Leistungen an einen Unternehmer den Leistungsort danach, wo der Empfänger der Leistungen sein Unternehmen betreibt, wobei vorliegend für die Leistungen des Klägers grundsätzlich § 3a Abs. 4 Nr. 3 UStG a.F. ("rechtliche, wirtschaftliche und technische Beratung") in Betracht kommt. Für die Streitjahre 2010 bis 2012 bestimmt § 3a Abs. 2 UStG n.F., dass eine sonstige Leistung, die an einen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird, an dem Ort ausgeführt wird, von dem aus der Empfänger sein Unternehmen betreibt. Besteht an der Anwendbarkeit der genannten Sonderregelungen Unsicherheit, weil deren Voraussetzungen nicht mit der gebotenen Sicherheit feststellbar sind, bleibt es dabei, dass sich der Leistungsort nach § 3a Abs. 1 UStG bestimmt (ebenso FG Bremen-Urteil vom 5. Januar 201 2 K 62/13 (2), juris; Kemper in Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG, § 3a Rz. 69; Radeisen in Hartmann/Metzenmacher, UStG, § 3a UStG Rz. 142). Das ist vorliegend der Fall, denn es kann nicht festgestellt werden, dass die Unternehmen, an die der Kläger seine Leistungen erbrachte, ihre Unternehmen im Ausland betrieben.

23

Von den hierzu vom Gericht im Termin zur mündlichen Verhandlung am 4. Mai 2017 vernommenen Zeugen konnten die Sitze im EU-Ausland nicht bestätigt werden. Herr W konnte nichts dazu sagen, wo die genannten Firmen ihren Geschäftssitz gehabt hatten. Nach Aussage von V. R. handelte es sich jedenfalls bei der N B.V. und F Group Ltd. um sogenannten Briefkastenfirmen, deren Sitz nur auf dem Papier im Ausland gewesen sei. Die Post der N sei von einem Büroserviceunternehmen eingescannt und an das Büro im Inland, in dem sie für Herrn W tätig gewesen sei und die Post bearbeitet habe, gesandt worden. Sie habe sich seinerzeit einen Nickname "Marijke" zugelegt, da ein niederländischer Eindruck hätte erweckt werden sollen. Auch die Post für die F sei ihr zugeleitet worden. Auch Frau W und Herr R konnten zu dem tatsächlichen Ort der Geschäftsführung der Firmen nichts sagen. Allerdings sagten sie aus, keine Anweisungen aus dem Ausland erhalten zu haben.

24

Der Kläger selbst hat im Termin zur mündlichen Verhandlung ausgesagt, Registerauszüge der Gesellschaften angefordert und Umsatzsteueridentifikationsnummern angefragt zu haben, die er auch im Internet überprüft habe. Unabhängig davon, dass der Kläger hierzu keine Unterlagen vorlegen konnte, sagt ein bloßer Registerauszug bzw. eine Umsatzsteueridentifikationsnummer naturgemäß nichts über den tatsächlichen Sitz eines Unternehmens aus. Weitere Nachweise konnte der Kläger nicht vorlegen.

25

Dass von den oben genannten Firmen auch nach den Feststellungen des FA Webseiten betrieben wurden, ist ebenfalls kein Beweis für deren Sitz im Ausland. Zum einen ist nicht sicher, dass diese Webseiten vom Ausland aus betrieben wurden. Zum anderen ist für den Sitz der Ort der Geschäftsleitung maßgeblich (vgl. § 10 AO). Daher sagt auch das Vorhandensein von Geschäftsräumlichkeiten oder Personal im Ausland noch nichts über den Sitz aus.

26

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die wesentlichen Entscheidungen von den sogenannten "Big" vom Ausland aus getroffen wurden. Auch hierzu hat sich aus den Zeugenaussagen im Termin zur mündlichen Verhandlung nichts ergeben. Der Kläger selbst hat ausgesagt, von der Existenz der sogenannten "Big Four" erst im finanzgerichtlichen Verfahren von seinem Rechtsanwalt unterrichtet worden zu sein. Eine Zeugenvernehmung der sogenannten "Big" und auch des Herrn T, die möglicherweise weitere Aufschlüsse über den wirklichen Geschäftssitz der in Rede stehenden Gesellschaften erbracht hätte, war mangels ladbarer Adressen der genannten Personen im Inland nicht möglich. Weitere Aufklärungsmöglichkeiten sieht das Gericht nach Aktenlage als nicht gegeben an.

27

c) Da ein Auslandssachverhalt im Sinne des § 90 Abs. 2 AO vorliegt, obliegen dem Kläger bei der Sachaufklärung Mitwirkungspflichten, die über die üblichen nach § 90 Abs. 1 AO hinausgehen. Insbesondere bestehen besondere Pflichten zur Beweisvorsorge und zur Beweismittelbeschaffung. Der Kläger hat diese erhöhten Mitwirkungs- und Aufklärungspflichten nicht erfüllt, weshalb die mangelnde Sachverhaltsaufklärung zu seinen Lasten geht.

28

d) Für den Kläger greift auch keine Vertrauensschutzregelung. Weder das nationale Recht noch die Verordnung (EU) Nr. 282/2011 von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/1112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sehen eine solchen betreffend den tatsächlichen Sitz eines Unternehmens vor.

29

Nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der DVO zur MwStSystRL kann ein Dienstleistungserbringer sofern keine gegenteiligen Informationen vorliegen, davon ausgehen, dass ein in der Gemeinschaft ansässiger Dienstleistungsempfänger den Status eines Steuerpflichtigen hat, wenn der Dienstleistungsempfänger ihm seine individuelle Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer mitgeteilt hat und er die Bestätigung der Gültigkeit dieser Nummer sowie die des zugehörigen Namens und der zugehörigen Anschrift gemäß Artikel 31 der Verordnung (EG) Nr. 904/201 des Rates vom 7. Oktober 2010 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und die Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer erlangt hat. Nach Art. 19 Abs. 2 der DVO zur MwStSystRL kann ein Dienstleistungserbringer sofern ihm keine gegenteiligen Informationen vorliegen, davon ausgehen, dass es sich um Dienstleistungen für die unternehmerischen Zwecke des Dienstleistungsempfänger handelt, wenn Letzterer ihm für diesen Umsatz seine individuelle Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer mitgeteilt hat.

30

Diese Vertrauensschutzregelungen betreffen die vorliegend unstrittige Unternehmereigenschaft von Leistungsempfängern sowie den Leistungsbezug für deren Unternehmen, nicht jedoch die Frage des tatsächlichen Geschäftssitzes eines Unternehmens. Ob die Bestimmungen insoweit einer erweiterten Auslegung zugänglich sind, kann offen bleiben. Der Kläger hat im Termin zur mündlichen Verhandlung eingeräumt, Umsatzsteueridentifikationsnummern bei Herrn W abgefragt und somit gerade nicht von seinen Leistungsempfängerinnen selbst, bzw. vom Bundeszentralamt für Steuern, erhalten zu haben. Um qualifizierte Bestätigungen hat er sich nach eigener Aussage nicht bemüht. Die dem Gericht vorliegenden Rechnungen weisen im Übrigen nicht durchgängig Umsatzsteueridentifikationsnummern auf.

31

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.