Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 23.08.1988, Az.: 18 UF 2/88

Rechtmäßigkeit der Abweisung einer Unterhaltsklage wegen fehlender Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten; Barbedarf als Teil der Unterhaltsbedürftigkeit; Gleichrangkeit der Unterhaltsberechtigung mehrerer Kinder; Anforderungen an die Sicherstellung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
23.08.1988
Aktenzeichen
18 UF 2/88
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1988, 19763
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1988:0823.18UF2.88.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Langen - 26.11.1987 - AZ: 11 F 137/87

Fundstelle

  • NJW-RR 1989, 968 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Unterhalt

In der Familiensache
hat der 18. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 2. August 1988
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 26. November 1987 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Langen geändert:

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ab 1. August 1987 zu Händen seines gesetzlichen Vertreters einen monatlichen Unterhalt von 327 DM zu zahlen nebst 4 % Zinsen auf die aufgelaufenen Unterhaltsrückstände bis einschließlich August 1988 seit dem 1. des jeweiligen Fälligkeitsmonats.

Die Kosten des Rechtsstreit hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1

Der am 26.8.1971 geborene Kläger ist der Sohn aus der geschiedenen Ehe seines gesetzlichen Vertreters mit der Beklagten. Sein Bruder, der am 7.7.1977 geborene E., lebt bei der Mutter, der Beklagten. Diese ist wieder verheiratet. Der Vater des Klägers zahlt dem Sohn E. Barunterhalt in Höhe von monatlich 555 DM. Der Kläger verlangt von der Beklagten monatlichen Unterhalt in Höhe von 327 DM. Das Familiengericht hat wegen fehlender Leistungsfähigkeit die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, die Erfolg hat.

2

Der Kläger ist unterhaltsbedürftig. Die Bedürftigkeit umfaßt den Betreuungs- und den Barunterhaltsbedarf. Der Betreuungsbedarf des Klägers wird durch seinen Vater sichergestellt. Für den Barbedarf hat im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Beklagte aufzukommen. Sie kann sich weder mit Erfolg darauf berufen, daß sie den jetzt 11-jährigen Bruder des Klägers betreut, noch daß der Vater des Klägers in guten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt. Gemäß § 1609 BGB besteht eine gleichrangige Unterhaltsberechtigung beider Kinder. Die Beklagte ist deshalb verpflichtet, neben der Haushaltsführung in ihrer neuen Ehe ihre Arbeitskraft einzusetzen, um wenigstens einen Teil des Barunterhaltsbedarfs des Klägers sicherzustellen. Der Sohn E. bedarf im Hinblick auf sein Alter keiner ständigen Betreuung mehr; er ist an den Vormittagen der Woche wenigstens 4 Stunden in der Schule. In dieser Zeit könnte die Beklagte, ohne daß dadurch das Wohl und die Betreuung von E. gefährdet wären, am Vormittag Aushilfstätigkeiten stundenweise ausüben, die ihr ein Einkommen sicherlich bis 400 DM monatlich einbrächten. Damit wäre sie in der Lage, den Mindestbedarf des Klägers von monatlich 327 DM zu decken. Ihr eigener Unterhaltsbedarf führt dabei nicht zu einer Verringerung ihrer Leistungsfähigkeit. Da sie in ihrer neuen Ehe die Haushaltsführung übernommen hat, erfüllt sie dadurch ihre Verpflichtung, zum Unterhalt ihrer Familie beizutragen, so daß ihr eigener Unterhaltsbedarf in ihrer Ehe durch ihren Ehemann sichergestellt wird (§ 1360 S. 1 u. 2 BGB).

3

Daß die Beklagte sich um eine stundenweise Aushilfstätigkeit hinreichend bemüht hat, ist nicht ersichtlich. Die Bewerbungsschreiben, die sie vorgelegt hat, reichen hierfür nicht aus. Abgesehen davon, daß sie sich in sehr allgemeiner Form beworben hat, zielen diese Antragen bei Betrieben auf eine Tätigkeit im kaufmännischen Bereich ab. Sie ist aber verpflichtet, sich auch um Tätigkeiten in anderen Bereichen zu bemühen. Das hat sie nicht getan.

4

Der Beklagten ist deshalb ein fiktives Einkommen anzurechnen, welches sie befähigt, den Regelsatz von 327 DM im Monat zu zahlen. Dieser Betrag ist nicht um das anteilige staatliche Kindergeld zu mindern. Die Beklagte bezieht 100 DM Kindergeld für den bei ihr lebenden Sohn E., während der Vater 50 DM für den Kläger erhält. Die Differenz wird zwischen den Eltern bereits dadurch ausgeglichen, daß einverständlich 25 DM monatlich bei der Unterhaltsleistung des Vaters für den Sohn E. verrechnet werden.

5

Der Zinsanspruch ist gemäß § 291 BGB i.V. mit § 288 Abs. 1 BGB begründet.

6

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708 Nr. 8, 713 ZPO.