Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 17.08.1988, Az.: 4 W 119/88
Voraussetzungen für die Statthaftigkeit einer sofortigen weiteren Beschwerde; Abweichung der Entscheidung des Amtsgerichtes von der Entscheidung des Landgerichtes; Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 17.08.1988
- Aktenzeichen
- 4 W 119/88
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1988, 19762
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1988:0817.4W119.88.0A
Rechtsgrundlagen
- Art. 103 GG
- § 568 Abs. 2 ZPO
- § 96 ZVG
Fundstelle
- NJW-RR 1989, 569 (Volltext mit amtl. LS)
In dem Zwangsversteigerungsverfahren
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
am 17. August 1988 beschlossen:
Tenor:
Die sofortige weitere Beschwerde der ehemaligen Eigentümer gegen den Beschluß der 7. Zivilkammer des Landgerichts ... vom 22. April 1988 wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert wird - insoweit unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung - auf 52.000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beschwerde ist zulässig.
Nach § 568 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 96 ZVG ist eine weitere sofortige Beschwerde nur dann eröffnet, wenn in der angefochtenen Entscheidung ein neuer selbständiger Beschwerdegrund liegt. Diese Voraussetzungen sind zu bejahen, wenn entweder die Entscheidung des Amts- und Landgerichts voneinander abweichen oder in der Beschwerdeinstanz gegen wesentliche Verfahrensvorschriften verstoßen worden ist.
Diese Voraussetzungen liegen, wie die Beschwerdeführer zu Recht rügen, im vorliegenden Fall deshalb vor, weil das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung u.a. auf die dienstliche Äußerung des Rechtspflegers zu dem gegen ihn gerichteten Ablehnungsgesuch vom 8. März 1988 (Bl. 140 d.A.) Bezug genommen und seinen Beschluß auch auf diese Erklärung gestützt hat, obwohl den Beschwerdeführern nicht, wie es notwendig gewesen wäre, eine Ablichtung dieser dienstlichen Äußerung zur Kenntnis- und Stellungnahme übersandt worden ist.
Insoweit liegt eine Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs vor (Art. 103 GG). Es bedarf unter diesen Umständen keiner Erörterung der weiter von den Beschwerdeführern aufgeworfenen Frage, ob innen auch das Terminsprotokoll von Amts wegen hätte übersandt werden müssen oder ob eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nur dann zu bejahen ist, wenn dies trotz eines entsprechenden Antrages nicht erfolgt.
II.
Die Beschwerde ist indessen nicht begründet.
1.
Soweit der Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdeführer in seinem Schriftsatz vom 28. Juli 1988 Zweifel an der Prozeßfähigkeit der Beschwerdeführerin zu 1) anklingen läßt, so reicht der Hinweis auf psychomotorische Ausnahmezustände ohne jede Erläuterung und ohne entsprechende ärztliche Atteste nicht aus, um Zweifel an der Prozeßfähigkeit der Beschwerdeführerin zu 1) zu begründen, die Anlaß für eine Prüfung dieser Verfahrensvoraussetzung von Amts wegen sein können. Auch der neue Schriftsatz vom 18. August 1988 rechtfertigt keine abweichende Beurteilung; ihm ist auch nicht ersatzweise zu entnehmen, daß die Beschwerdeführerin spätestens im März 1988 prozeßunfähig gewesen sein könnte. Da seit Einlegung der Beschwerde fast drei Monate vergangen sind, ist den übrigen Beteiligten ein weiteres Zuwarten nicht zumutbar.
2.
Soweit die Beschwerdeführer rügen, der Rechtspfleger sei bei der Zwangsversteigerung zu Unrecht von einer noch offenen Forderung der Samtgemeinde ... in Höhe von 39,38 DM ausgegangen, so kann dieser Gesichtspunkt der Beschwerde aus den in vollem Umfang zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, nicht zum Erfolg verhelfen. Gerade weil der Beschwerdeführer selbst im Termin anwesend war, hatte er, als diese Position erörtert und den Versteigerungsbedingungen zugrunde gelegt wurde, auf die Begleichung der Forderung hinweisen müssen. Wollte man anders entscheiden, dann könnte jeder Schuldner dadurch, daß er kurzfristig vor dem Termin eine Bagatellforderung bezahlt und das Gericht darüber nicht informiert, die Versagung des Zuschlages und damit die erhebliche Verzögerung des Zwangsversteigerungsverfahrens erzwingen.
3.
Der Erteilung des Zuschlages stand auch nicht die Vorschrift des § 83 Nr. 6 ZVG entgegen, denn der wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnte Rechtspfleger durfte den Zwangsversteigerungstermin vor der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch durchführen.
Nach § 10 RpflG i.V.m. § 47 ZPO darf ein abgelehnter Rechtspfleger - wie ein Richter - vor der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch nur unaufschiebbare Maßnahmen vornehmen.
Die Frage, ob die Durchführung eines Zwangsversteigerungstermins zu den unaufschiebbaren Maßnahmen im Sinne von § 47 der Zivilprozeßordnung gehört, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten (bejahend: Weber, Rechtspfleger 1983, 493; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, 46. Auflage 1988, Rdn. 1 Bl; verneinend: LG Konstanz, Rechtspfleger 1983, 491), wird jedoch vom Senat bejaht.
Ausgangspunkt ist die Überlegung, daß Rechtsprechung und Literatur eine Maßnahme regelmäßig dann als unaufschiebbar ansehen, wenn andernfalls wesentliche Nachteile für eine der Prozeßparteien entstünden, typischerweise bei Anträgen auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung oder eines Beweissicherungsverfahrens (Wieczorek, 1976, Rdn. B I a; Zöller/Vollkommer, 15. Auflage 1987, Rdn. 6, jeweils zu § 47 ZPO).
Wollte man mit dem Landgericht ... die Durchführung eines Zwangsversteigerungstermin nicht als unaufschiebbare Maßnahme im Sinne von § 47 ZPO ansehen, so könnte jeder Beteiligte, der einen Rechtspfleger ablehnt, damit jeden Zwangsversteigerungstermin zu Fall bringen. Zwar hätte der Rechtspfleger die Möglichkeit, offensichtlich unzulässige und rechtsmißbräuchliche Befangenheitsanträge durch eine eigene Entscheidung sofort zurückzuweisen, weil diese Befugnis gewohnheitsrechtlich anerkannt ist (BGH NJW 1974, 55; OLG Köln, Rechtspfleger 1980, 234; Zöller/Vollkommer, Rdn. 6 zu § 47 ZPO, jeweils m.w.N.). Handelt es sich indessen um ein nicht offensichtlich rechtsmißbräuchliches Gesuch, so würde der Termin, selbst wenn der Rechtspfleger eine Entscheidung des Amtsrichters innerhalb von ein oder zwei Stunden erwirkt, gleichwohl aufgehoben werden müssen, weil gegen den Beschluß des Amtsrichters gemäß § 46 Abs. 2 ZPO die sofortige Beschwerde zulässig ist und eine Entscheidung des Landgerichts am selben Tage nicht herbeigeführt werden kann.
Wie das Amtsgericht zutreffend hervorhebt, ist eine Aufhebung des Versteigerungstermins mit erheblichen Nachteilen deshalb verbunden, weil bei der Anberaumung eines weiteren Termins die Fristen des § 43 ZVG eingehalten werden müssen, und deshalb selbst im günstigsten Fall, wenn das Amtsgericht nicht überlastet ist, eine neue Versteigerung kaum vor Ablauf von zwei Monaten anberaumt werden könnte. Die Gefahr wesentlicher Nachteile für die betreibenden Gläubiger liegt damit auf der Hand, zumal eine Ablehnung wegen Befangenheit wiederholt werden kann und selbst bei dem angesprochenen Fall einer rechtsmißbräuchlichen Ablehnung die Durchführung des Termins durch die Einlegung der sofortigen Beschwerde häufig verhindert werden kann.
Den berechtigten Interessen des Ablehnenden wird andererseits durch die auch vom Rechtspfleger gewählte Verfahrensweise Rechnung getragen, die darin bestand, daß er nach der Durchführung des Zwangsversteigerungstermins einen Verkündungstermin über den Zuschlag anberaumt und mit dieser Zuschlagsentscheidung abgewartet hat, bis der Amtsrichter und das Landgericht - auf die sofortige Beschwerde - über die Berechtigung der Ablehnung befunden hatten. Zieht man ferner in Betracht, daß im Zwangsversteigerungstermin, wie ... (a.a.O.) zutreffend hervorhebt, überwiegend nur die tatsächlichen Voraussetzungen für die zu treffende Entscheidung geschaffen werden, die rechtliche Entscheidung aber selbst noch nicht getroffen wird, so erscheint es unter Abwägung der berechtigten Belange sämtlicher Parteien gerechtfertigt, die Durchführung des Zwangsversteigerungstermins noch als eine unaufschiebbare Maßnahme im Sinne von § 47 ZPO anzusehen.
4.
Nach der neueren Rechtsprechung des Senats ist auch bei einer Zuschlagsbeschwerde regelmäßig nur 10 % des Verkehrswertes anzusetzen, weil der Schuldner im Normalfall das Verfahren nur verzögern, nicht aber die Zwangsversteigerung insgesamt verhindern kann. Zwar hat der Verfahrensbevollmächtigte der Schuldner im vorliegenden Fall behauptet, es sei eine andere Bank gefunden worden, um die Verbindlichkeiten der ehemaligen Eigentümer zu finanzieren, dieser Vortrag war aber so vage, daß er für sich allein eine anderweitige Festsetzung des Beschwerdewertes zum Nachteil der Schuldner nicht rechtfertigt.
Streitwertbeschluss:
Der Beschwerdewert wird - insoweit unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung - auf 52.000 DM festgesetzt.