Landgericht Osnabrück
Beschl. v. 22.06.2006, Az.: 120 Js 7709/04

Vollstreckung einer Restersatzfreiheitsstrafe auf Grund der unvollständigen Zahlung einer Geldstrafe im Fall der Verbraucherinsolvenz

Bibliographie

Gericht
LG Osnabrück
Datum
22.06.2006
Aktenzeichen
120 Js 7709/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 37412
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOSNAB:2006:0622.120JS7709.04.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Osnabrück - 27.03.2006 - AZ: 221 Cs 241/04

In dem Strafverfahren
...
hat die 1. Große Strafkammer des Landgerichts Osnabrück
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Landgericht Kirschbaum,
des Richters am Landgericht Wischmeyer und
der Richterin am Landgericht Feldmann
am 22.6.2006
beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Osnabrück vom 27.3.2006 - 221 Cs 241/04 - wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.

Gründe

1

Der Beschwerdeführer ist durch Strafbefehl des Amtsgerichts Osnabrück vom 17.5.2004 - rechtskräftig seit dem 27.7.2004 - wegen Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 20,-- EUR verurteilt worden.

2

Nachdem der Verurteilte die ihm bewilligte Ratenzahlung nur teilweise geleistet hatte und nach Umwandlung der Geldstrafe auch der ihm aufgegebenen Arbeitsleistung nur unzureichend nachgekommen war, hat die Staatsanwaltschaft Osnabrück mit Verfügung vom 13.5.2005 gemäß § 459e StPO die Vollstreckung der Restersatzfreiheitsstrafe von 53 Tagen angeordnet und am 11.8.2005 Haftbefehl gegen den Verurteilten erlassen. Nach weiterer Ratenzahlungsbewilligung hat die Staatsanwaltschaft den Haftbefehl zunächst zurückgenommen, woraufhin es zunächst noch zu einer Teilzahlung kam.

3

Mit Beschluss vom 15.12.2005 - 60 IK 85/05 - wurde vom Amtsgericht Osnabrück wegen Zahlungsunfähigkeit gemäß §§ 312 ff InsO das Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des Verurteilten eröffnet. Auf die Aufforderung des bestellten Insolvenzverwalters Rechtsanwalt Dr. xxx meldete die Staatsanwaltschaft unter Hinweis darauf, dass die Geldstrafe nicht an der Restschuldbefreiung teilnehme, diese nicht zur Insolvenztabelle an. Nachdem der Verurteilte keine weitere Ratenzahlung geleistet hatte, erging gegen ihn am 1.2.2006 erneut Haftbefehl zur Vollstreckung der Restersatzfreiheitsstrafe von nunmehr noch 40 Tagen.

4

Unmittelbar nach der Festnahme des Verurteilten am 15.2.2005 wurde die Restgeldstrafe von 800,-- EUR gezahlt und der Verurteilte entlassen.

5

Der Verurteilte hat sodann mit Schriftsatz des Insolvenzverwalters Rechtsanwalt Dr. xxx vom 6.3.2006 beim Amtsgericht Osnabrück beantragt,

die Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe vom 13.5.2005 aufzuheben.

6

Er hat vorgebracht, die Vollstreckung der Geldstrafe wie auch der Ersatzfreiheitsstrafe könne während des laufenden Insolvenzverfahrens nicht betrieben werden. Hinsichtlich der Begründung im einzelnen wird auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 6.3.2006 Bezug genommen.

7

Das Amtsgericht hat den Antrag abgelehnt mit der Begründung, die Eröffnung eines Privatinsolvenzverfahrens habe nur für privatrechtliche Beitreibungsmaßnahmen ein Vollstreckungsverbot zur Folge. § 89 InsO erfasse nicht die strafrechtliche Vollstreckung.

8

Dagegen wendet sich der Verurteilte unter Bezugnahme auf die Begründung seines Antrags im Schriftsatz vom 6.3.2006 und macht weiterhin geltend, die Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe sei rechtswidrig gewesen; die gezahlte Geldstrafe sei im Rahmen des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse zurückzuzahlen.

9

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 462 Abs. 3 StPO zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

10

Das Amtsgericht hat den Antrag des Verurteilten auf Aufhebung der Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe in der Sache zu Recht zurückgewiesen.

11

Die Kammer hat bereits Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit des Antrages, mit dem die Aufhebung der von der Staatsanwaltschaft getroffenen Anordnung vom 13.5.2005 begehrt wird. Damit werden Einwendungen gegen eine Entscheidung der Vollstreckungsbehörde geltend gemacht, über die im Verfahren der Strafvollstreckung gemäß §§ 31 Abs. 2, Abs. 6 RPflG , 459h StPO das Gericht zu entscheiden hat. Sie sind jedoch nach Erledigung der Vollstreckung nicht mehr zulässig (vgl. Karlsruher Kommentar StPO 5. Aufl. § 458 Rdn. 22, Löwe-Rosenberg StPO § 458 Rdn 19).

12

Die Strafvollstreckung war hier erledigt, nachdem durch die Zahlung der Restgeldstrafe die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe abgewendet worden war. Der Verurteilte kann dem nicht entgegenhalten, dass bei Rechtswidrigkeit der Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe die Rückzahlung der gezahlten Geldstrafe zur Insolvenzmasse geschuldet sei.

13

Es kann hier nämlich nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die vorgenommene Geldzahlung von 800,-- EUR dem eigenen Vermögen des Verurteilten entstammte. Ausweislich des Einzahlungsbeleges ist die Zahlung durch "xxx" geleistet worden. Dabei kann es sich durchaus um die finanzielle Leistung eines Dritten gehandelt haben, die nicht der Rückzahlung an die Insolvenzmasse unterliegt. Dafür spricht der Umstand, dass der Verurteilte selbst ausweislich des Beschlusses vom 15.12.2005 seinerzeit zahlungsunfähig war.

14

Selbst wenn man aber den der Beschwerde zugrunde liegenden Antrag des Verurteilten auf Aufhebung der Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe gemäß §§ 31 Abs. 6 RpflG, 459h StPO für zulässig erachtet, so ist er in der Sache jedenfalls nicht begründet.

15

Die Voraussetzungen für die Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe, die am 13.5.2005 erfolgt ist, waren seinerzeit gemäß § 459e StPO gegeben, nachdem der Verurteilte die ihm bewilligte Ratenzahlung ebenso wie ihm auferlegte Arbeitsleistungen nur teilweise und überdies schleppend erbracht hatte. Das Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des Verurteilten ist erst wesentlich später, nämlich am 15.12.2005 eröffnet und der Vollstreckungsbehörde am 23.12.2005 zur Kenntnis gebracht worden. Bei Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe am 13.5.2005 war nicht abzusehen, dass es zum Verbraucherinsolvenzverfahren kommen würde.

16

Unabhängig davon aber war die weitere Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe auf der Grundlage des Haftbefehls vom 1.2.2006 auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zulässig, ohne dass zunächst der Ausgang des Insolvenzverfahrens abzuwarten gewesen wäre. Nach § 459e Abs. 2 StPO setzt die Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe voraus, dass die Geldstrafe uneinbringlich ist oder die Vollstreckung der Geldstrafe gemäß § 459c Abs. 2 StPO unterbleibt.

17

Es mag hier dahinstehen, ob die ausstehende Geldstrafe uneinbringlich war. In jedem Fall konnte ihre Vollstreckung gemäß § 459c Abs. 2 StPO unterbleiben, da zu erwarten war, dass sie in absehbarer Zeit zu keinem Erfolg führen würde. Dafür sprach zur Zeit der Anordnung schon das vorausgegangene Zahlungsverhalten des Verurteilten. Zudem kann bei Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens oder Restschuldbefreiungsverfahrens grundsätzlich auch davon ausgegangen werden, dass für einen längeren Zeitraum keine Beitreibung der Geldstrafe stattfinden kann. Im Verfahren der Restschuldbefreiung dauert allein die sog." Wohlverhaltensphase", in der der Schuldner gegenüber den Gläubigern seine Schulden laufend tilgen muss und in der die Zwangsvollstreckung ausgeschlossen ist, 7 Jahre. Ein so langer Zeitraum entspricht nicht mehr dem Gebot nachdrücklicher Strafvollstreckung, wie sie in § 2 Abs. 1 Strafvollstreckungsordnung festgelegt ist. Überdies ist zu besorgen, dass während dieser Zeit die Verjährung von Geldstrafen gemäß § 79 StGB eintritt.

18

Obwohl die Geldstrafe im Insolvenzfall nur mit Nachrang vollstreckt werden kann, bedeutet dies nicht sogleich, dass sich der Verurteilte damit den Anordnungen aus dem Strafurteil entziehen könnte. Ihm bleibt ungeachtet des Insolvenzverfahrens auch die Möglichkeit, der Verbüßung der Ersatzfreiheitsstrafe durch Ableistung von freier Arbeit oder gemeinnützigen Diensten gemäß § 293 EGStGB zu entgehen.

19

Demgegenüber kann der Verurteilte nicht mit Erfolg einwenden, in solchem Fall die sich aus § 295 InsO ergebende Obliegenheit zur Arbeitsleistung und zum Bemühen um angemessene Erwerbstätigkeit zu verletzen. Nach Aktenlage war der Verurteilte vorliegend arbeitslos. Soweit er sich deswegen um Erwerbstätigkeit zu bemühen hatte, stand die Ableistung von freier Arbeit oder gemeinnützigen Diensten derartigen Bemühungen nicht im Wege. Dies gilt gleichermaßen für den Fall der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe während des laufenden Insolvenzverfahrens.

20

Soweit der Verurteilte geltend gemacht hat, sich durch die vorgenommene Zahlung der Restgeldstrafe der Gläubigerbegünstigung gemäß § 283c StPO strafbar gemacht zu haben, bleibt anzumerken, dass schon angesichts der hier von einem Dritten vorgenommenen Zahlung vom 15.2.2006 offen ist, ob es sich um Vermögen des Verurteilten selbst gehandelt hat, das ihm wirtschaftlich zuzuordnen und zur Insolvenzmasse geschuldet war.

21

Nach Auffassung der Kammer kann die Vollstreckung in einem Fall wie dem vorliegenden grundsätzlich trotz des Insolvenzverfahrens fortgeführt werden. Etwas anderes könnte gelten, wenn die Ersatzfreiheitsstrafe für den Verurteilten eine unbillige Härte im Sinne des § 459f StPO bedeutet, die das Unterbleiben der Vollstreckung im Einzelfall rechtfertigen kann. Dazu sind vorliegend indes keine ausreichenden Anhaltspunkte gegeben.

22

Nach alledem ist die Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe zu Recht ergangen.

23

Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge aus § 473 StPO als unbegründet zu verwerfen.

Kirschbaum
Wischmeyer
Feldmann