Landgericht Osnabrück
Beschl. v. 08.11.2004, Az.: 2 Qs 96/04

Anspruch auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers bei einer besonderen Schwere der Sachlage oder Rechtslage

Bibliographie

Gericht
LG Osnabrück
Datum
08.11.2004
Aktenzeichen
2 Qs 96/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 35107
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOSNAB:2004:1108.2QS96.04.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Lingen - 28.09.2004 - AZ: 27 Ds 936 Js 34393/04 -152/04 -

Fundstelle

  • StraFo 2005, 27-28 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Diebstahl

In dem (ehemaligen) Strafverfahren
hat die 2. Strafkammer des Landgerichts Osnabrück
durch
die unterzeichneten Richter nach Anhörung der Staatsanwaltschaft
am 8. November 2004
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des (ehemaligen) Angeschuldigten Xxxxx gegen den Beschluss des Amtsgerichts Lingen/Ems vom 28. September 2004 (27 Ds 936 Js 34393/04 -152/04 -) wird auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.

Gründe

1

Die zulässige Beschwerde richtet sich dagegen, dass das Amtsgericht Lingen/Ems durch Beschluss vom 28. 9. 2004, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, den Antrag des (ehemaligen) Angeschuldigten Xxxx vom 23. 9. 2004, ihm Rechtsan- Pflichtverteidiger beizuordnen, zurückgewiesen hat.

2

In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg.

3

Zutreffend hat das Amtsgericht Lingen/Ems im angefochtenen Beschluss dargelegt, dass die Voraussetzungen von § 140 Abs. II StPO nicht vorliegen. Bei diesem recht einfach gelagerten Fall eines am 20. 4. 2004 begangenen gemeinschaftlichen Diebstahls von 96 Einwegspritzennadeln innerhalb des Justizvollzugskrankenhauses in Lingen/Ems - angeklagt mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Osnabrück vom 19. 8. 2004 (936 Js 34393/04), Verfahren aber durch Beschluss des Amtsgerichts Lingen/Ems vom 28. 9. 2004 gemäß § 154 Abs. II StPO im Hinblick auf die noch zu verbüßende Haftstrafe eingestellt - ließen weder eine Tatschwere noch eine schwierige Sach- und Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheinen, und es war auch nicht ersichtlich, dass sich der (ehemalige) Angeschuldigte Rieder nicht selbst verteidigen konnte.

4

Soweit die Beschwerde ausführt, dass dem Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers nach § 140 Abs. I Nr. 5 StPO hätte entsprochen werden müssen, greifen solche Erwägungen nicht durch. Gemäß § 140 Abs. I Nr. 5 StPO ist die Mitwirkung eines Verteidigers notwendig, wenn " der Beschuldigte sich mindestens drei Monate auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befunden hat und nicht mindestens zwei Wochen vor Beginn der Hauptverhandlung entlassen wird ". Diese Drei-Monats-Frist zählt erst von dem Zeitpunkt an, in dem der in einer Anstalt Verwahrte Beschuldigter - innerhalb des neuen Strafverfahrens - geworden ist (Meyer-Goßner, StPO Kommentar, 46. Aufl., § 140, Rdnr. 15; Heidelberger Kommentar StPO, 3. Aufl., § 140, Rdnr., 8)." Beschuldigter" ist der Tatverdächtige, gegen den das Verfahren als Beschuldigter betrieben wird (BGH 10, 8, 10), wobei die Beschuldigteneigenschaft nur durch einen Willensakt der zuständigen Strafverfolgungsbehörde/Staatsanwaltschaft begründet werden kann (BGH 34, 138, 140), der in der Regel in der förmlichen Einleitung des Ermittlungsverfahrens besteht, aber auch vorliegt, wenn die Staatsanwaltschaft nach § 162 StPÖ um Vernehmung einer Person als Beschuldigter ersucht oder wenn die Staatsanwaltschaft Maßnahmen gegen ihn ergreift, die erkennbar darauf abzielen, gegen ihn wegen einer Straftat strafrechtlich vorzugehen oder wenn gegen den Beschuldigten faktische Maßnahme ergriffen werden, die erkennbar darauf abzielen, gegen ihn wegen einer Straftat vorzugehen (Heidelberger Kommentar, § 157, Rdnr. 1).

5

Bei Anwendung dieser Grundsätze wurde der (ehemalige) Angeschuldigte zum Xxxxx "Beschuldigten " erstmals in dem Zeitpunkt, als er am 7. 7. 2004 durch die Polizei Lingen als Beschuldigter zu dem Diebstahls von 96 Spritzennadeln verantwortlich vernommen wurde; danach wurde gegen ihn unter dem 2. 8. 2004 eine Strafanzeige der Polizei erstattet, in der er ebenfalls als Beschuldigter genannt ist. Alle vor dem 7. 7. 2004 liegenden Umstände - Mitteilung des Sachverhalts durch die Justizvollzugsanstalt an die Staatsanwaltschaft bzw. Polizei unter dem 17. 6. 2004 und Anhörung des Gefangenen Xxxxx innerhalb der Justizvollzugsanstalt im Rahmen disziplinarrechtlicher Maßnahmen am 22. 4. 2004 - begründeten dagegen noch keine Beschuldigteneigenschaft. Infolgedessen befand sich der (ehemalige) Angeschuldigten Xxxxx- als Beschuldigter im neuen Strafverfahren - bei Erlass des angefochtenen Beschlusses vom 28. 9. 2004 noch keine drei Monate in Strafhaft.

6

Die Beschwerde war deshalb als unbegründet zu verwerfen mit der Kostenfolge aus § 473 Abs. I StPO.