Amtsgericht Oldenburg (Oldenburg)
Urt. v. 16.11.2006, Az.: E1 C 1078/06 (XX)

Wirksamkeit von Tariferhöhungen i.R.d. zwischen den Parteien bestehenden Gaslieferverträgen

Bibliographie

Gericht
AG Oldenburg (Oldenburg)
Datum
16.11.2006
Aktenzeichen
E1 C 1078/06 (XX)
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 52196
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGOLDBG:2006:1116.E1C1078.06XX.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
LG Oldenburg - 29.11.2007 - AZ: 9 S 770/06
BGH - 14.07.2010 - AZ: VIII ZR 327/07

Verfahrensgegenstand

Gaspreiserhöhung

Prozessführer

1. ...

2. ...

Prozessgegner

...

hat das Amtsgericht Oldenburg Abt. XX

auf die mündliche Verhandlung vom 12.10.2006

durch ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Klägern bleibt nachgelassen die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert wird insgesamt auf bis zu 1.200,- EUR festgesetzt.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger begehren die Feststellung der Unwirksamkeit der von der Beklagten zum 1.9.2004, 1.8.2005 und 1.2.2006 ausgesprochenen Tariferhöhungen im Rahmen der zwischen den Parteien bestehenden Gaslieferverträge. Der Kläger zu 1) wird unter der Vertragsnummer ... und die Klägerin zu 2) unter der Vertragsnummer ... zu dem Tarif S I von der Beklagten beliefert. Die Kläger sind bereit, einen um 2 % (3,06 Cent pro kw/h netto) erhöhten Gaspreis ab dem 1.9.2004 zu akzeptieren.

Bis zum 31.08.2004 belieferte die Beklagte die Kläger mit Gas zu einem Netto-Arbeitspreis von 3,00 Cent pro kwh, ab 1.09.2004 verlangte sie 3,4 Cent netto pro kwh. Auf dieser Basis ergingen auch die Abrechnungen für den Zeitraum bis April 2005, die die Beklagte den Klägern erteilte.

Zum 1.8.2005 erhöhte die Beklagte den Nettoarbeitspreis auf 3,88 Cent pro kwh und zum 1.2,2006 auf netto 4,26 Cent pro kwh.

Die Kläger meinen, die Beklagte träte als regionaler Monopolist auf. Die Preiserhöhungen unterlägen der Bestimmung des §315 Abs. 3 BGB. Sie sind ferner der Ansicht, die Beklagte habe die Billigkeit nicht gerechtfertigt, weil sie ihre konkreten Einkaufspreise und Kostenkalkulation nicht offengelegt habe. Die Tatsache, dass die Beklagte im Vergleich zu anderen Gasversorgern einer der günstigsten sei, spiele keine Rolle für die Billigkeit. Absenkungen der Heizölpreise würden nicht angemessen weitergegeben.

Die Kläger beantragen,

  1. 1.

    festzustellen, dass die von der Beklagten mit Wirkung vom 1.9.2004 gegenüber den Klägern ausgesprochene Tariferhöhung des Gaspreises unwirksam ist und für die vertraglichen Beziehungen der Parteien der bis zum 31.08.2004 gültige Tarif für Gaslieferungen mit einem Zuschlag von 2 % in Höhe von netto 3,06 Cent pro kw/h zu berechnen ist.

  2. 2.

    festzustellen, dass die von der Beklagten mit Wirkung vom 1.8.2005 gegenüber den Klägern ausgesprochene Tariferhöhung des Gaspreises unwirksam ist und für die vertraglichen Beziehungen der Parteien der bis zum 31.08.2004 gültige Tarif für Gaslieferungen mit einem Zuschlag von 2 % in Höhe von netto 3,06 Cent pro kw/h zu berechnen ist.

  3. 3.

    festzustellen, dass die von der Beklagten mit Wirkung vom 1.2.2006 gegenüber den Klägern ausgesprochene Tariferhöhung des Gaspreises unwirksam ist und für die vertraglichen Beziehungen der Parteien ab 1.2.2006 der bis zum 31.08.2004 gültige Tarif für Gaslieferungen mit einem Zuschlag von 2 % in Höhe von netto 3,06 Cent pro kw/h zu berechnen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie rügt die Zuständigkeit des Amtsgerichts Oldenburg und meint, das Landgericht Hannover sei als Kartellgericht ausschließlich zuständig, da eine kartellrechtliche Prüfung des §19 Abs. 4 Nr. 2 GWB vorgreifliche Frage sei und ein kartellrechtlich beanstandungsfreies Entgelt nicht unbillig im Sinne von §315 BGB sein könne.

Sie behauptet im übrigen, sie habe die tatsächlichen Bezugskostensteigerungen noch nicht einmal voll auf ihre Kunden umgelegt, es liege vielmehr eine Unterdeckung vor, was auch aus den Berichten der Wirtschaftsprüfer sowie den vorgelegten langfristigen Lieferverträgen und Auskünften der Vorlieferanten hervorgehe. Sie vertritt die Auffassung, dass eine Auskunft zu den Basispreisen aus den vorgelegten Verträgen mit ihren Vorlieferanten dem Geschäftsgeheimnis unterlägen und insofern hätten geschwärzt werden dürfen, so dass es ausreiche zur Rechtfertigung lediglich die Preiserhöhungen ersichtlich zu machen. Im Rahmen der Preisgestaltung seien auch prognostische Elemente zu berücksichtigen.

Im Hinblick auf den weiteren Sach- und Streitstand im einzelnen wird ergänzend auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässigen Klagen sind unbegründet.

Das Amtsgericht ist zuständig. Eine ausschließliche kartellrechtliche Zuständigkeit nach §87 Abs. 1 S. 2 GWB ist nicht gegeben. Ein substantiierter Sachverhalt zu einem Verstoß gegen das GWB wurde nicht vorgetragen.

Die Feststellungsklagen sind zulässig. Die Kläger haben ein Feststellungsinteresse daran, dass die erhöhten Gaspreisforderungen nicht bestehen und können ihr Ziel auch nicht etwa durch eine Leistungsklage erreichen. Ein Feststellungsinteresse entfallt auch nicht etwa dadurch, dass die Beklagte meint, nach den AVB Gas dürften ohnehin keine Abschläge oder Rechnungsbeträge zurückgehalten werden, sondern sei der Kunde auf den Rückforderungsprozess angewiesen. Da die Beklagte ihre Forderungen allerdings nicht gerichtlich durchgesetzt hat und die Zahlungen nicht erfolgt sind, kann auch den Klägern eine Feststellungsklage nicht verwehrt werden.

Sofern man eine analoge Anwendbarkeit des §315 Abs. 3 BGB im Bereich des Gasmarktes angesichts anderer verfügbarer Energieträger überhaupt annehmen will (kritisch hierzu Prof. D. U. Ehricke JZ 2005, 599 ff), geht aus den von der Beklagten vorgelegten Unterlagen zu den Bezugskostensteigerungen eine der Billigkeit entsprechende Preisbestimmung bezogen auf die Tariferhöhung - und nur diese haben die Kläger hier zur Streitentscheidung gestellt - hinreichend hervor.

Die Tariferhöhungen in den Jahren 2004 bis 2006 waren durch die Bezugskostenerhöhungen gerechtfertigt. Die Beklagte hat die Verträge mit ihren Vorlieferanten der Gasunie, der Shell Erdgas Marketing und der ExxonMobil Gas Marketing, von denen sie ganz überwiegend das Gas bezieht, vorgelegt. Aus diesen Verträgen lassen sich die Arbeitspreisformeln für das bezogene Gas ausgehend von einem geschwärzten Basispreis gekoppelt an bestimmte Preisnotierungen für verschiedene Arten von Heizöl entnehmen. Ferner hat die Beklagte schriftliche Bestätigungen ihrer Vorlieferanten Gasunie, Shell und Exxon Mobil vorgelegt, aus denen plausibel hervorgeht, dass der Preis für die Beklagte im Einkauf in den fraglichen Zeiträumen aufgrund der Preisentwicklung für leichtes Heizöl noch über den an die Kunden weitergegebenen Steigerungen lagen. Die Vorlieferanten haben eine höhere Preissteigerung in Cent pro kwh angegegeben, als die Tariferhöhung in Cent ausmacht.

Dies bestätigen auch die von der Beklagten vorgelegten Erklärungen der Wirtschaftsprüfer.

Konkrete überzeugende Einwände sind von den Klägern gegenüber den vorgelegten Unterlagen zu den Bezugskostensteigerungen nicht erhoben worden.

Nicht erforderlich ist, dass die Beklagte den Basispreis offenlegt, da es hier nur um die Rechtfertigung von Tariferhöhungen geht. Ebenfalls hinreichend angegeben sind die Bezugskosten von Zulieferern, die 83 % der Liefermenge ausmachen. Dass zu den restlichen 17 % die Bezugsquelle und die Preissteigerung nicht genannt ist, ist im Rahmen der Billigkeitskontrolle und eines Ermessenspielraumes zu vernachlässigen. Nachvollziehbar ist ebenso, dass bei der Kalkulation der Preise sowohl Preisentwicklungen in den zurückliegenden Monaten als auch die Prognosen für die Zukunft ein Rolle spielen. Die Kläger können nicht verlangen, dass die konkreten Zeitpunkte des Einkaufs von Gas und die tatsächlich zum jeweiligen Zeitpunkt anfallenden Kosten offengelegt werden. Im Rahmen der Darlegung einer billigen Ermessenausübung ist es seitens der Beklagten ausreichend, wenn sie die Bezugspreise in den Zeiträumen, für die sie die erhöhten Tarife verlangt und das Gas von den Kunden verbraucht wird, angibt. Selbst wenn die Gaslieferungen der Beklagten an ihre Kunden aus bereits früher angelegten Vorräten erfolgt, ist es nicht unbillig den Preis von den Kunden zu verlangen, den die Beklagte zu diesem Verbrauchszeitraum wiederum bei ihren Vorlieferanten auch bezahlen muss, etwa ggfls. um ihre Vorräte wieder aufzufüllen.

Zur Überprüfung der Billigkeit können die Kläger nicht beanspruchen, dass die gesamte Kostenkalkulation der Beklagten offengelegt wird. Zum einen wird der bis zum 1.9.2004 geltende Grundpreis gar nicht zur Billigkeitsüberprüfung gestellt und zum anderen ergibt sich ein solcher Anspruch - anders als beim Strom - nicht aus gesetzlichen oder sonstigen Grundlagen. Wenn es um Billigkeitsüberprüfungen geht, kann es nur auf durchschnittliche gewöhnliche Kostenkalkulationen ankommen und auf Einzelnachweise nur, sofern diese beanspruchten Entgelte hiervon wesentlich abweichen. Etwas anderes lässt sich auch nicht aus dem Energiewirtschaftsgesetz ableiten.

Bezogen auf die hier streitgegenständlichen Tariferhöhungen legte die Beklagte aber eben die absolute Steigerung der Bezugskosten in Cent pro kwh Gas sogar bezogen auf die Verträge mit ihren Zulieferern dar.

Die Preiskoppelung etwa an die Preise für leichtes Heizöl im Rahmen der Zulieferverträge stand hier nicht zur Prüfung, ist aber seit vielen Jahren üblich, war ursprünglich ernergiewirtschaftlich erwünscht und generell auch Kunden bekannt.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.