Amtsgericht Oldenburg (Oldenburg)
Urt. v. 26.07.2006, Az.: E2 C 2220/05 (V)

Ausgestaltung der Durchsetzung eines Kaufpreiszahlungsanspruchs; Erfolgsaussichten einer erhobenen Einrede des nicht erfüllten Vertrages; Ausgestaltung der kaufmännischen Untersuchungs- und Rügepflicht i.R.d. Kaufs von Fliesen; Voraussetzungen des Vorliegens eines Gewährleistungsausschlusses wegen einer verspäteten Mängelanzeige

Bibliographie

Gericht
AG Oldenburg (Oldenburg)
Datum
26.07.2006
Aktenzeichen
E2 C 2220/05 (V)
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 38885
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGOLDBG:2006:0726.E2C2220.05V.0A

Verfahrensgegenstand

Forderung

In dem Rechtsstreit
...
hat das Amtsgericht Oldenburg Abt. V
auf die mündliche Verhandlung vom 03.07.2006
durch
den Richter am Amtsgericht ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 456,77 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.06.2004 sowie vorgerichtliche Inkassokosten in Höhe von 130,50 EUR zu zahlen, im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1

Das aus dem Tenor ersichtliche Ergebnis beruht im wesentlichen auf folgenden Erwägungen: Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß §433 Abs. 2 BGB einen noch offenen Kaufpreisanspruch in Höhe von 456,77 EUR. Mit Blick auf die Fliesenbestellung vom 29.01.2004 und vom 14.04.2004 sowie die Übergabe und Übereignung der Fliesen am 06.02.2004, 20.02.2004 und 19.04.2004 hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Kaufpreisanspruch von insgesamt 956,77 EUR erworben, der durch die Zahlung der Beklagten am 05.11.2004 in Höhe von 500,00 EUR erloschen ist.

2

Dem Restanspruch steht nicht die von der Beklagten erhobene Einrede des nicht erfüllten Vertrages gemäß §320 Abs. 1 Satz 1 BGB entgegen. §320 Abs. 1 Satz 1 BGB setzt voraus, dass die Klägerin ihrer Leistungspflicht nicht nachgekommen ist. Am 06.02.2004 und am 20.02.2004 holte die Beklagte die am 29.01.2004 bestellten Fliesen bei der Klägerin ab. Damit erfüllte die Klägerin ihre Leistungspflicht aus §433 Abs. 1 BGB hinsichtlich der Bestellung vom 29.01.2004. Behauptet die Beklagte mit Schreiben vom 21.04.2004, die Fliesen seien mangelhaft gewesen, so ist dieser Einwand unbeachtlich, denn die Beklagte kam ihrer aus §377 Abs. 1 HGB folgenden Pflicht zur Untersuchung der Ware und unverzügliche Anzeige eines Mangels nicht nach. Bereits im Februar 2004 gelangten die Fliesen durch die Abholung derart in den Machtbereich der Beklagten, dass diese die Beschaffenheit der Ware - zumindest stichprobenartig - überprüfen konnte. Etwaige Mängel hätte sie der Klägerin unverzüglich anzeigen müssen (§377 Abs. 1 HGB). Die Anzeige vom 21.04.2004 erfolgte jedenfalls nicht mehr rechtzeitig. Dahinstehen kann insoweit, ob anläßlich der Bestellung vom 29.01.2004 der Verkauf von Fliesen zweiter Wahl vereinbart wurde.

3

Auch hinsichtlich der Bestellung vom 14.04.2004 kann sich die Beklagte nicht auf §320 Abs. 1 Satz 1 BGB berufen. Mit der Lieferung der bestellten Fliesen am 19.04.2004 erfüllte die Klägerin ihre kaufvertragliche Leistungspflicht. Wiederum ist der Einwand, die Fliesen seien mangelhaft gewesen, unbeachtlich, da die Beklagte auch mit Blick auf die zweite Bestellung ihrer Rügepflicht nicht nachkam. Etwaige Mängel hätte die Beklagte gemäß §377 Abs. 1 HGB unverzüglich anzeigen müssen und zwar so, dass die Verkäuferin der Anzeige Art und Umfang der Mängel hätte entnehmen können. Allein die mit Schreiben vom 21.04.2004 erfolgte Mitteilung, die Fliesen seien mangelhaft gewesen, genügt für eine substantiierte Angabe des Mangels nicht. Erforderlich wäre vielmehr eine genaue Beschreibung der Mängel und eine Nennung der Anzahl der mangelhaften Fliesen gewesen. Dahinstehen kann insoweit auch hier, ob am 14.04.2004 Fliesen zweiter Wahl bestellt wurden. Die Beklagte muss sich auch entgegenhalten lassen, dass sie offensichtlich die doch von ihr als mangelhaft bezeichneten Fliesen in dem Bauvorhaben eingebaut hat.

4

Wegen der verspäteten Mängelanzeige ist sowohl mit Blick auf die Bestellung vom 29.01.2004 als auch mit Blick auf die Bestellung vom 14.04.2004 eine Geltendmachung etwaiger Gewährleistungsansprüche aus §§437 Nr. 2, 441 BGB und §§437 Nr. 3, 440, 280, 281 BGB ausgeschlossen.

5

Der Klägerin stehen seit dem 11.06.2004 auf die noch offene Kaufpreisforderung von 456,77 EUR Zinsen in der gesetzlichen Zinssatzhöhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz unter dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß §§288 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 BGB zu. Ausweislich der Rechnungen vom 22.02.2004 und vom 10.05.2004 waren die Zahlungen am 05.03.2004 bzw. am 24.05.2004 fällig. Spätestens mit der Mahnung vom 02.06.2004 setzte die Klägerin die Beklagte hinsichtlich beider Forderungen in Verzug.

6

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Ersatz der Inkassokosten in Höhe von 130,50 EUR aus §§280 Abs. 2, 286 BGB zu. Erst nachdem die Beklagte durch das Mahnschreiben der Klägerin vom 02.06.2004 in Verzug geraten war, schaltete die Klägerin die Bremer Inkasso GmbH ein. Dieser gelang es, die Beklagte dazu zu bewegen, am 05.11.2004 einen Teil des Kaufpreises in Höhe von 500,00 EUR an die Klägerin zu zahlen. Für den noch offenen Kaufpreisanspruch musste die Klägerin den Rechtsweg beschreiten. Für die Tätigkeit der ... fielen Gebühren in Höhe von 147,50 EUR an. Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten eines Inkassounternehmens unter Verzugsgesichtspunkten besteht grundsätzlich auch dann, wenn die Tätigkeit des Inkasso Unternehmens nicht oder nicht in vollem Umfang Erfolg hatte und noch zusätzlich ein Rechtsanwalt mit der Titulierung der Forderung beauftragt werden musste. Dies folgt daraus, dass der Gesetzgeber neben den Rechtsanwälten auch die Inkassounternehmen zur Rechtsberatung zugelassen hat. Ob und in welcher Höhe die Inkassokosten zu erstatten sind, richtet sich dabei nach §254 Abs. 2 BGB. Bei der Erteilung des Auftrages an das Inkassounternehmen bestanden keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass auch das Inkassounternehmen die spätere Beklagte nicht zur Erfüllung der Kaufpreisforderung bewegen würde. Solche Anhaltspunkte sind auch nicht in der Mängelanzeige der Beklagten vom 21.04.2004 zu sehen, zumal die Beklagte nach der Mahntätigkeit der Bremer Inkasso GmbH zumindest 500,00 EUR leistete. Die Inkassokosten dürfen jedoch nicht die durch Beauftragung eines Rechtsanwalts entstehenden Kosten übersteigen, weil als Verzögerungsschaden nur die für die Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen geltend gemacht werden können. Obergrenze für die Ersatzpflicht sind deshalb die Sätze des RVG. Unter Zugrundelegung einer 1/3-Geschäftsgebühr als Regelgebühr und der Kostenpauschale in Höhe von 20,00 EUR sind hier mit Blick auf die ursprüngliche Höhe der Kaufpreisforderung 130,50 EUR erstattungsfähig.

7

Die Kosten für die Einholung einer Wirtschaftsauskunft in Höhe von 21,00 EUR kann die Klägerin von der Beklagten nicht ersetzt verlangen. Gemäß §254 Abs. 2 BGB trifft die Klägerin eine Schadensminderungspflicht. Die hätte sie auch ohne Einholung der kostenintensiven Wirtschaftsauskunft über die Internetseite der Beklagten Auskunft über die Firmierung und Vertretungsverhältnisse der Beklagten erhalten. Informationen über etwaige wirtschaftliche Hinderungsgründe auf seiten der Beklagten, die einem etwaigen Gerichtsverfahren entgegengestanden hätten, hätte die Klägerin im übrigen durch Einsicht in das Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts Oldenburg erhalten können.

8

Die Kostenentscheidung folgt aus §92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§708 Nr. 11, 713 ZPO.