Amtsgericht Braunschweig
Urt. v. 03.08.1989, Az.: 113 C 168/89 (9)

Zahlung der geminderten Mietbeträge; Mietminderung wegen Lärmbelästigung; Lärmbelästigung durch laute Musik von Wohngemeinschaften

Bibliographie

Gericht
AG Braunschweig
Datum
03.08.1989
Aktenzeichen
113 C 168/89 (9)
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1989, 14832
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGBRAUN:1989:0803.113C168.89.9.0A

Fundstelle

  • WuM 1990, 147-148 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Zahlung und Räumung

Amtlicher Leitsatz

Ein Fehler der Mietsache kann auch bei erheblichem Lärm, insbesondere lauter Musik, durch Mitmieter vorliegen.

In dem Rechtsstreit
hat das Amtsgericht Braunschweig
auf die mündliche Verhandlung vom 13.07.1989
durch
den Richter am Amtsgericht Merker
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.

    Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreites.

  3. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Der Klägerin bleibt nachgelassen, eine Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000.- DM abzuwenden, wenn nicht die Beklagte ihrerseits Sicherheit in gleicher Höhe vor einer Vollstreckung leistet.

Tatbestand

1

Die Beklagte bewohnt eine Wohnung der Klägerin im Hause ... seit dem Jahre 1978. Sie schuldet derzeit eine Miete von 300,00 DM monatlich, seit Juli 1988 mindert die Beklagte die Miete. Im Monat Juli 1988 zahlte die Beklagte lediglich 240,00 DM, in den vorigen Monaten bis einschließlich Januar 1989 jeweils nur noch 150,00 DM.

2

Mit der Klage verlangt die Klägerin nunmehr die Nachzahlung der geminderten Mietbeträge, sie hat ferner die Wohnung wegen Zahlungsverzuges gekündigt.

3

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, die von ihr im Hause ... im Erdgeschoß rechts gelegenen Wohnung, bestehend aus 3 Zimmer Küche, Diele, Wohnraum zu räumen und an die Klägerin herauszugeben, die Beklagte weiter zu verurteilen, an die Klägerin 960,00 DM nebst 4% Zinsen seit dem 04.01.1989 zu zahlen.

4

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

5

Die Beklagte behauptet, die Wohnverhältnisse im Hause seien unzumutbar. Die im Hause wohnenden Wohngemeinschaften würden erheblichen Lärm nachts veranstalten es würden tagsüber Bauarbeiten durchgeführt. Musik im Hause veranstaltet, und das Haus sei verschmutzt.

6

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten und vorgetragenen Schriftsätze verwiesen.

7

Das Gericht hat gemäß den Beweisbeschlüssen vom 16.06.1989 Beweis erhoben.

8

Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Verhandlung vom 13.07.1989 verwiesen. Das Gericht hat darüberhinaus die Örtlichkeiten in Augenschein genommen. Insoweit wird auf den Beschluß des Amtsgerichtes Braunschweig vom 29.05.1989 verwiesen.

Entscheidungsgründe

9

Die Klage ist nicht begründet.

10

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rückgabe der Wohnung, § 556 BGB. Sie hat das Mietverhältnis nicht wirksam gem. § 554 BGB wegen eines Zahlungsverzuges der Beklagten gekündigt. Die Beklagte hat sich in keinem schuldhaften Zahlungsverzug befunden. Die Beklagte kann - wie vorgenommen - die monatliche Miete nach § 537 BGB in Höhe von mindestens 50% mindern, da die Tauglichkeit der Wohnung der Beklagten zum Bewohnen nicht unerheblich gemindert ist. Ein Räumungs- und Nachzahlungsanspruch bezüglich der nichtgezahlten Miete seitens der Klägerin ist damit nicht gegeben.

11

In dem Hause ... wird nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme von den dort wohnenden Wohngemeinschaften und ihren Besuchern in erheblichem Umfange auch insbesondere nachts derartig Lärm erzeugt, daß der Mietwert der Wohnung um mindestens 50% gesenkt ist. Es bestehen hier keinerlei Bedenken an der Richtigkeit der Aussage der Zeugen ... Die Eheleute ... haben in den Jahren 1986 bis 1989 im Haus ... im 2. Stock gewohnt und haben in gleicher Weise wie die Beklagte die Lärmbelästigungen in diesem Hause geschildert. Besonders störend ist nach den Aussagen der Zeugen ... die Musik gewesen, die nachts in den Wohngemeinschaften in den Wohnungen bzw. auch sommers auf dem Hof gespielt wird. Die Musik ist hier nach Aussagen der Zeugen teilweise derartig laut gewesen, daß die Gläser in den Schränken der Familie ... gezittert haben. Es ist häufiger dazu gekommen, daß die Kinder wegen der Lärmbelästigungen nicht richtig schlafen konnten. Die Zeugen haben sich nach ihrer Aussage mehrfach bei den Mitbewohnern des Hauses über den Lärm beschwert, dies hat aber jeweils nur zu vorübergehenden Milderungen geführt. Nach der Aussage der Zeugen ist der Lärm eigentlich jeden Tag zu hören. Es ist hier nicht ersichtlich, daß die Zeugen ... etwa besonders lärmempfindlich sind.

12

So hat der Zeuge ... bekundet, daß er selbst früher Mitglied in Wohngemeinschaften war, wo es auch durchaus laut war. Beide Zeugen haben dann auch beim Einzug in das Haus zwar damit gerechnet, daß wegen der vorhandenen Wohngemeinschaften es sich nicht um ein leises Haus handeln würde. Beide Zeugen waren aber dann überrascht, wie laut es tatsächlich dann im Hause war. Die Lautstärke war dann so, daß die Familie ... wegen der Lärmbelästigung aus dem Haus ausgezogen ist, da es nicht möglich war, ihre Kinder ohne gesundheitliche Schäden in diesen Hause aufwachsen zu lassen. Insbesondere auch der persönliche Eindruck der Zeugen deutet darauf hin, daß sie diese - die Lärmbelästigungen - nicht etwa in neurotischer Form besonders stark erlebt haben. Das Gericht hatte vielmehr den Eindruck, daß beide Zeugen die Belästigungen eher zurückhaltend geschildert haben und sehr sachlich auf die Vorkommnisse im Hause reagieren. Dem steht insbesondere auch die Aussage des Zeugen ... nicht entgegen. Dieser Zeuge ist Mitglied einer der Wohngemeinschaften. Nach seiner Bekundung stört ihn die im Hause veranstaltete Musik nicht. Bei der Würdigung dieser Aussage ist aber zu bedenken, daß es sich um eine subjektive Frage handelt, ob die erlebte Musik laut ist oder nicht. Hier zahlt der Zeuge ... selbst mit zu den Wohngemeinschaften und ist selbst Mitverursacher nach eigener Bekundung der Musik, so daß seine Aussage wörtlich auch so zu verstehen ist daß er selbst von der Musik nicht gestört wird. Hier ist aber auf die Aussage der Zeugen ... insbesondere abzustellen, wonach eine auch junge Familie mit Kindern einen derartigen Lärm nicht ertragen kann, da er auch über das was normalerweise junge Leute in Wohngemeinschaften anderer Form machen, herausgeht. Dem entspricht auch die Aussage des Zeugen ... Der Zeuge hat in dem Nachbarhaus ... gewohnt. Die Schlafräume seiner Wohnung gingen zum ... hinüber. Selbst im Nachbarhaus war nach der Aussage des Zeugen der Lärm in dem ... derartig groß, daß der Zeuge es für sich als Lösung ansah, woanders hinzuziehen.

13

In Übereinstimmung mit den Zeugen ... hat der Zeuge ... geschildert, daß jede Woche mehrmals erheblicher Lärm insbesondere auch nachts in dem Hause ... herrscht. Aus der Tatsache, daß der Lärm auch in Nachbarhäusern zu hören ist, ist auch weiter zu schließen, daß der Lärm nicht sich in einem üblichen Rahmen für Wohngemeinschaften hält sondern weit darüber hinausgeht. Aus der Aussage des Zeugen ... folgt weiter, daß auch auf Anzeigen hin die Polizei mehrfach Anlaß gehabt hat, wegen der Lärmerzeugung im Hause ... einzugreifen. Der Zeuge ... hat hier zwar nicht den Überblick über sämtliche Polizeieinsätze, soweit sie aber seinen Dienstbereich betreffen, waren mehrere polizeierhebliche Anzeigen erfolgt, die zum Eingreifen und polizeilichen Maßnahmen führten. Auch dies stützte die Aussage der anderen Zeugen, wonach der im Hause erzeugte Lärm über das normal übliche Maß hinausgeht. Die Klägerin hat von den Vorkommnissen Kenntnis gehabt. Der Zeuge ... hat die Klägerin auf den Lärm im Hause hingewiesen, die Klägerin selbst hat nach der Aussage der Zeugen ... Anlaß gehabt, im Hause einen Zettel aufzuhängen und die Mieter daraufhinzuweisen, wegen Beschwerden von Nachbarn ruhiger zu sein.

14

Eine weitere Beweisaufnahme durch die Vernehmung der weiteren von der Beklagten benannten Zeugen bezüglich der Lärmbelästigungen bedarf es nicht. Die Beklagte hat auf die Vernehmung dieser Zeugen für diese Instanz verzichtet, die Zeugen sind im Termin vom 13.07.1989 auch nicht präsent gewesen.

15

Die Klägerin kann eine fristlose Kündigung auch nicht auf Verzüge der Mietzinszahlungen der Beklagten in der Vergangenheit stützen. Die Beklagte hat unstreitig seit dem Jahre 1987 ihre Mieten in unregelmäßiger Folge gezahlt. Die Klägerin hat dies jedoch hingenommen, so daß ein Recht zur fristlosen Kündigung nach § 554 a BGB ausgeschlossen ist.

16

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 11, 711 ZPO

Merker