Amtsgericht Braunschweig
Urt. v. 29.06.1989, Az.: 113 C 4614/88 (9)

Anspruch auf Nachzahlung des geminderten Mietbetrages; Zulässigkeit einer Mietminderung aufgrund von Gaststättenlärm; Ermittlung der Höhe der zulässigen Mietminderung; Ausschluss des Rechts auf Mietminderung aufgrund der Kenntnis des Mieters von der Lärmquelle

Bibliographie

Gericht
AG Braunschweig
Datum
29.06.1989
Aktenzeichen
113 C 4614/88 (9)
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1989, 10686
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGBRAUN:1989:0629.113C4614.88.9.0A

Fundstelle

  • WuM 1990, 148 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Forderung

In dem Rechtsstreit
hat das Amtsgericht Braunschweig
auf die mündliche Verhandlung vom 8. Juni
durch
den Richter am Amtsgericht Merker
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 635,60 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 29.10.1988 zu zahlen.

    Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

  2. 2.

    Die Klägerin trägt 2/5, die Beklagte 3/5 der Kosten des Rechtsstreites.

  3. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist seit Januar 1987 Mieterin einer Wohnung der Klägerin in Braunschweig ... Die Wohnung ist teilweise über der im Erdgeschoß befindlichen Gaststätte ... und zwar dort über dem Clubraum gelegen.

2

Nach ihrem Einzug rügte die Beklagte zumindestens einmal gegenüber dem Hausverwalter, daß aus der Gaststätte und einem ferner im Hause gelegenen ... unzumutbare Lärmbelästigungen ausgingen.

3

Im Dezember 1987 rügte die Beklagte diese Lärmbelästigungen nochmals schriftlich und mindert dann seit März 1988 die monatliche Grundmiete von 592,00 DM um monatlich 150,00 DM.

4

Die Klägerin behauptet, es sei in der Wohnung der Beklagten allenfalls normaler Gaststattenlärm zu hören, dieses sei auch bereits in der Bemessung des Mietzinses beachtet.

5

Mit der Klage verlangt die Klägerin die Nachzahlung der geminderten Mietbetrage für die Monate März bis September 1988.

6

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.050,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 29.10.1988 zu zahlen.

7

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten und vorgetragenen Schriftsätze verwiesen.

9

Das Gericht hat gem. den Beweisbeschlüssen vom 19.01.1989 und 07.04.1989 Beweis erhoben. Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahmen wird auf die Protokolle vom 17.03.1989 und 08.06.1989 verwiesen.

Entscheidungsgründe

10

Die Klage ist teilweise begründet.

11

Die Klägerin kann noch 535,60 DM an Mietzins für die Monate März bis September 1988 nachgezahlt verlangen, § 535 BGB.

12

Die weitergehende Klage ist nicht begründet. Die Beklagte hat den monatlichen Mietzins zu Recht in Höhe von 10 % der Grundmiete gemindert, § 537 BGB. Die Tauglichkeit der Wohnung ist durch die aus der Gaststätte ... herrührende Lärmbelästigung und hier insbesondere durch die bislang vorhandenen Geräuschentwicklungen anhand des Stühlerückens, das aus den Clubräumen der Gaststätte stammt, gemindert.

13

Die Lärmbelästigungen durch das Stühlerücken stellen sich als ungewöhnliche und über das zu erwartende Geräuschniveau einer Gaststätte hinausgehende Lärmquelle dar. Dies hat die Inaugenscheinnahme der Örtlichkeiten ergeben. Die bei dem Stühlerücken, wenn zum Beispiel Gäste aufstehen oder die Putzfrau die Stühle bewegt, entstehenden Geräusche übertragen sich nahezu ungedämpft in die Wohnung der Beklagten. Es handelte sich bei der Inaugenscheinnahme um sehr präsente Geräusche, die erheblich störend wirkten. Sicherlich ist der Klägerin zuzugeben, daß die Beklagte von vornherein wußte, als sie die Wohnung bezog, daß die Wohnung über eine Gaststätte liegt und von daher mit einer Geräuschbelästigung insbesondere auch abends zu rechnen war. Insoweit können aus der Gaststätte und auch aus der ... herrührende Geräusche nicht als ein Mangel der Wohnung angesehen werden, es handelt sich hier um der Mietwohnung selbst immanente Eigenschaften. Bei der Anmietung einer derartigen Wohnung aber ist auch für den Mieter davon auszugehen, daß in einem gewissen möglichen Umfange Lärmschutz gegenüber dem Gaststättenlärm besteht. Das ist hier aber vorliegend zum Zeitpunkt der Inaugenscheinnahme nicht der Fall gewesen. Übertragen sich Geräusche wie das Stühlescharren derartig präsent in die darüber liegende Wohnung, so ist davon auszugehen, daß ein ausreichender Lärmschutz nicht vorhanden ist.

14

Weitere erhebliche Beeinträchtigungen der Wohnung durch Lärm hat das Gericht anläßlich des Ortstermins nicht feststellen können. Die anderen gerügten Lärmquellen, wie zum Beispiel das Entleeren von Abfalleimern im Hof muß nicht unbedingt auf einen Mangel der Mietsache in Form einer unzureichenden Schallschutzdämmung hervorgerufen werden, hier kann sich der Lärm auch über die Fenster insbesondere im geöffneten Zustand übertragen. Eine Abgrenzung dürfte hier nicht möglich sein.

15

Es berechtigt die Lärmbelästigung durch das Stühlescharren die Beklagte den Mietzins in Höhe von 10 % zu mindern. Bei der Bemessung des Betrages der Minderung war das unstreitige Vorbringen der Klägerin zugrunde zu legen, das die Beklagte von vornherein einen niedrigeren Mietzins wegen der vorhandenen Gaststätte und dem daher rührenden Lärm zahlt. Dies kann aber auch nach dem Vortrag der Klägerin nicht den spitzenmäßig hervortretenden Lärm über den allgemeinen Gaststättenlärm betreffen. Indes sind die Lärmbelästigungen nicht derartig, häufig. Nach der Aussage des Zeugen ... tritt der erhebliche Lärm in unterschiedlichen Zeitabständen auf. Es kommt vor, daß offensichtlich durch die Benutzung des Clubraumes vielleicht 2 mal in der Woche Lärm im übernormalen Maße erzeugt wird, es kommt aber auch auf der anderen Seite vor, daß über eine Woche kein Lärm zu hören ist. Zumindestens kann nicht festgestellt werden, daß täglich der von der Beklagten gerügte Lärm entsteht, die Minderung des Mietzinses war daher geringer anzusetzen, als von der Beklagten mit 25 % eingeschätzt.

16

Das Recht der Beklagten, sich auf eine Minderung nach § 537 BGB zu berufen ist auch nicht entsprechend § 539 BGB in Verbindung mit § 242 BGB ausgeschlossen. Der Beklagten konnte bei Anmietung der Wohnung nicht bekannt sein, daß ein über dem normalen Lärm einer Gaststätte hinausgehender Lärm in der Wohnung zu hören war. Dies hat auch die Klägerin nicht vorgetragen. Auch die weiter ohne Vorbehalt erfolgte Zahlung des Mietzinses im 1. Jahr der Mietzeit schließt das Richt zur Mietminderung des Mietzinses für die Beklagte nicht aus.

17

Es ist kein Umstand ersichtlich, aus dem die Klägerin schließen konnte, daß die Beklagte auch für die Zukunft für die Geltungmachung von Minderungsrechten verzichten wollte. Die Beklagte verlangt nicht etwa rückwirkend die Rückzahlung von zu mindernden Mietbetragen. Auch die Hinnahme der Lärmbelästigungen ist nicht über ein derartig langen Zeitraum erfolgt, daß auf einen konkreten Verzicht auf Mietminderungsrecht zu schließen ist. Hier ist zum einen zu bedenken, daß die Mietminderung, ohne daß sich ein Mieter darauf berufen muß, nach § 537 BGB von Gesetz wegen eintritt. Auch der Zeitablauf von einem Jahr ist nicht so erheblich, daß ein Verzicht angenommen werden kann. Die Beklagte hat unstreitig zumindestens einmal gegenüber der Klägerin und zwar gegenüber dem Verwalter, auf den Lärm hingewiesen und dann im Dezember 1987 sich schriftlich an die Hausverwaltung gewandt. Hier ist zu bedenken, daß der Mieter einige Zeit braucht, um überhaupt die Lärmbelästigungen festzustellen und eine Entschließung darüber zu finden, was er rechtlich unternehmen möchte. Hier ist ein Jahr schnell vergangen, bedenkt man, daß zunächst eine Schwelle für den Mieter überschritten werden muß, an der er feststellen kann, daß die Lärmbelästigungen für ihn tatsächlich nicht zumutbar sind. Genaue Fristen können hier natürlich nicht bestimmt werden, es ist aber auch kein Umstand ersichtlich für die Klägerin, [xxxxx]über den reinen Zeitablauf hinaus darauf hinwelsen könnte, daß sie [xxxxx] auf ihre Rechte verzichten will.

18

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 713 ZPO.

Merker