Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 14.08.1996, Az.: 14 W 30/96

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
14.08.1996
Aktenzeichen
14 W 30/96
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1996, 26232
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1996:0814.14W30.96.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Verden - 5 O 63/96

In dem Rechtsstreit

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 19. Juni 1996 gegen den Beschluß des Landgerichts Verden vom 23. Mai 1996 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Behr und die Richter am Oberlandesgericht Zepp und Mumm am 14. August 1996 beschlossen:

Tenor:

  1. Die sofortige Beschwerde des Klägers wird auf seine Kosten als unbegründet zurückgewiesen.

    Beschwerdewert: 3. 666 DM.

Gründe

1

I.

Die nach § 17 a Abs. 4 Satz 2 GVG zulässige, insbesondere form und fristgemäß eingelegte Beschwerde des Klägers ist unbegründet. Das Landgericht hat vielmehr in der Sache zutreffend über die Verweisung in einen anderen Rechtsweg entschieden.

2

Dazu bemerkt der Senat im einzelnen:

3

1. Der Kläger beruft sich unter Vorlage von Urkunden zur Begründung seiner Beschwerde in erster Linie darauf, daß der Beklagte selbständiger Handelsvertreter im Sinne von § 84 Abs. 1 HGB gewesen sei. Tatsächlich wären dann die ordentlichen Gerichte und nicht die Arbeitsgerichte zur Streitentscheidung berufen, denn § 5 Abs. 3 Arbeitsgerichtsgesetz bestimmt entsprechend der früheren Regelung in Art. 3 Abs. 1 des Handelsvertretergesetzes vom 06.08.1953 abschließend die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für einen bestimmten Kreis dieser Personengruppe. Danach würde der Beklagte nicht als Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes gelten, weil sein unstreitiges Monatseinkommen über der im Gesetz festgelegten Verdienstgrenze liegt, was allein schon ausreichend wäre.

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2. Danach kommt es maßgeblich darauf an, ob der Beklagte Angestellter im Sinne von § 84 Abs. 2 HGB war, nämlich sachlich und zeitlich eine fremdgeplante, fremdnützige und von fremder Risikobereitschaft getragene Arbeit nach Weisung des Dienstberechtigten ausführte oder im Sinne von § 84 Abs. 1 HGB selbständiger Gewerbetreibender war, der bei eigenem wirtschaftlichen Risiko im wesentlichen seine Tätigkeit frei gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen konnte (BAG AP Nr. 1 zu § 84 HGB). Insoweit kommt es, worauf der Beklagte zu Recht hinweist, weniger auf die von den Parteien gewählte Bezeichnung, sondern vor allem auf das Gesamtbild der vertraglichen Gestaltung und die tatsächliche Handhabung an. Es ist deshalb eher von untergeordneter Bedeutung, daß der Beklagte, wie unstreitig feststeht, formal selbständig ist und ausweislich der Gewerbeanmeldung eine freie Handelsvertretung führt. Dies mag, wie der Beklagte durchaus einleuchtend dargelegt hat, branchenüblich sein und allein der Umgehung steuerlicher und sozialversicherungsrechtlicher Zwänge dienen. Entscheidend ist vielmehr das tatsächliche Gepräge und die inhaltliche Gestaltung des Vertragsverhältnisses. Von maßgeblicher Bedeutung ist dabei, daß der Beklagte zwar wegen der geschilderten Gestaltung Sozialversicherungsbeiträge und Steuern selbst zu entrichten hatte, jedoch nicht ausschließlich Provisionen, sondern ein festes Gehalt bezog. Auch hatte er Spesen und Unkosten nicht selbst zu tragen, sondern einen Erstattungsanspruch gegen den Kläger. Ihm standen zudem kostenfreie Büroräumlichkeiten des Klägers zur Verfügung. Dabei mag er zwar theoretisch die Möglichkeit gehabt haben, noch anderweitig Einkünfte zu erzielen und sein tägliches Arbeitsprogramm selbständig zu gestalten, dies indes jedoch in einem so engen Rahmen, daß von freien Gestaltungsmöglichkeiten faktisch nicht mehr die Rede sein kann. Aus den vorgelegten und in der Sache unbestritten gebliebenen Abrechnungsunterlagen des Beklagten ergibt sich, daß er in fünf Monaten eine Gesamtfahrstrecke von 45.275 km aus beruflicher Veranlassung zurückgelegt hat, dies sind hochgerechnet per anno 108.660 km. Ferner ergibt sich aus den angegebenen Anfahrts- und Abfahrtszeiten eine tagesausfüllende, vollschichtige Beschäftigung, die weder Raum für andere Beschäftigungen noch für nennenswerte Dispositionsmöglichkeiten gab. Schon diese faktische Ausgestaltung ist mit dem Kriterium der Selbständigkeit unvereinbar genauso wie die Erfolgsunabhängigkeit der Bezahlung. Das Fehlen einer Arbeitszeit- und Urlaubsregelung vermag daneben nicht mehr ins Gewicht zu fallen. Daß darüber hinaus Weisungen zur Arbeitsorganisation und inhaltlichen Gestaltung erteilt wurden, ergibt sich aus dem eigenen Schreiben des Klägers vom 06.12.1993 (Bl. 27 d.A.), in dem klare Anweisungen hinsichtlich der Bürobenutzung erteilt wurden und auch aus dem Schreiben des Beklagten vom 30.07.1992, welches der Kläger, vermeintlich zur Verteidigung seiner Rechtsposition vorgelegt hat. Wenn sich nämlich darin der Beklagte im Hinblick auf seinen Status als "freier Mitarbeiter" ausbittet, nur einmal am Tag Arbeitsanweisungen zu erhalten, dann ist dies nur ein weiteres Indiz für das Fehlen echter freier Gestaltungsmöglichkeiten. Der Beklagte ist deshalb Angestellter im Sinne von § 84 Abs. 2 HGB und somit Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes.

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II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, denn § 17 b Abs. 2 GVG gilt nicht für das Beschwerdeverfahren.

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Der Beschwerdewert war mit dem OLG Frankfurt auf ein Drittel des Hauptsachewertes festzusetzen (OLGR 1994, 119). Die gegenteilige Ansicht des OLG Köln (NJW-RR 1993, 639 [OLG Köln 08.12.1992 - 2 W 160/92]), welches auf den Hauptsachewert abstellt, überzeugt nicht. Maßgeblich ist das Interesse des Beschwerdeführers an der begehrten Entscheidung. Da es sich nicht um eine Entscheidung in der Sache handelt, sondern lediglich um eine Zwischenentscheidung über den Rechtsweg, kann nach dem Interesse an der begehrten Entscheidung nur ein Bruchteil des Hauptsachewertes maßgeblich sein. Verfehlt wäre es, dieses Interesse allein mit dem Kosteninteresse nach § 17 b Abs. 2 GVG gleichzusetzen, denn die Rechtswegentscheidung beeinflußt auch die prozessuale Stellung und damit die Durchsetzungsmöglichkeiten des materiellen Anspruchs. Es erscheint dem erkennenden Senat nicht ermessensfehlerhaft, dieses Interesse im Regelfall mit dem genannten Bruchteilwert zu bemessen.