Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 16.08.1996, Az.: 16 W 40/95

Verpflichtung eines Mitarbeiter des Jugendamtes zur Beratung und Unterstützung der Mutter bei der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen gegen den Vater; Voraussetzungen eines Amtshaftungsanspruchs

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
16.08.1996
Aktenzeichen
16 W 40/95
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1996, 23850
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1996:0816.16W40.95.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 17.05.1995 - AZ: 18 O 116/95

Fundstellen

  • NJW-RR 1997, 135-136 (Volltext mit red. LS)
  • ZfJ 1998, 220

In dem Prozeßkostenhilfeverfahren
hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die Beschwerde der Antragsteller vom 15. Juni 1995
gegen den Beschluß der 18. Zivilkammer des Landgerichts Hannover
vom 17. Mai 1995
unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ... und
der Richter am Oberlandesgericht ... und ...
am 16. August 1996
beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluß wird teilweise dahingehend abgeändert, daß den Antragstellern Prozeßkostenhilfe für den Antrag bewilligt wird,

den Antragsgegner zu verurteilen, an sie je 1.100 DM zuzüglich 4 % Zinsen

auf 275 DM seit dem 1. März 1993,

auf 275 DM seit dem 1. April 1993,

auf 275 DM seit dem 1. Mai 1993,

und auf 275 DM seit dem 1. Juni 1993,

zu zahlen.

Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

1

Die Beschwerde hat teilweise Erfolg. Die von den Antragstellern beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).

2

Entgegen der Auffassung des Landgerichts steht den Antragstellern nach bisherigem Sachstand ein Schadensersatzanspruch aus § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG zu. Denn der zuständige Mitarbeiter des Jugendamtes des Antragsgegners, an das sich die Mutter der Antragsteller mit Schreiben vom 16. Oktober 1992 wegen der Überprüfung der Einkommehsverhältnisse des Vaters der Antragsteller gewandt hatte, hat gegen seine auch und gerade gegenüber den Antragstellern bestehende, in, § 18 Abs. 1 SGB VIII normierte Amtspflicht verstoßen, diese bei der Geltendmachung ihrer Unterhaltsansprüche zu beraten und zu unterstützen.

3

Allerdings kann es entgegen der Auffassung des Landgerichts dahinstehen, ob der Vater der Antragsteller durch das an ihn gerichtete Schreiben des Antragsgegners vom 20. November 1992 mit der Leistung erhöhten Unterhalts in Verzug gesetzt worden ist. Selbst wenn diesem Schreiben eine solche Wirkung beizumessen wäre, wäre der Vater der Antragsteller nicht bereits gemäß § 1613 Abs. 1 BGB ab dessen Zugang zur Zahlung erhöhten Unterhalts verpflichtet. Hier ist nämlich zu beachten, daß es nicht etwa um die erstmalige Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen ging, sondern daß die Verpflichtung des Vaters der Antragsteller zur Leistung von Unterhalt an diese bereits durch das Urteil der Kammer für Familienrecht des Stadtbezirksgerichts Berlin-Lichtenberg vom 14. Dezember 1987 festgestellt und beziffert war (vgl. Bl. 24 f.). Dies hat zur Folge, daß im vorliegenden Fall § 323 Abs. 3 ZPO eingreift, der auch für die Abänderung von Entscheidungen der DDR-Gerichte in Unterhaltsangelegenheiten gilt (vgl. BGH FamRZ 1993, 43 [BGH 23.09.1992 - XII ZR 157/91]). Der Vater der Antragsteller, war daher erst für die Zeit nach Erhebung einer Abänderungsklage zur Leistung erhöhten Unterhalts verpflichtet.

4

Zwar braucht sich der Antragsgegner somit nicht vorwerfen zu lassen, den Vater der Antragsteller nach Eingang des Schreibens ihrer Mutter vom 16. Oktober 1992 (Bl. 23) nicht sogleich mit der Leistung (evtl.) erhöhten Unterhalts in Verzug gesetzt zu haben. Der Antragsgegner ist jedoch dafür verantwortlich, daß der zuständige Mitarbeiter seines Jugendamtes erst am 29. Juni 1993 eine neue Unterhaltsbedarfsberechnung vorgenommen hat, auf deren Grundlage sich der Vater der Antragsteller sodann durch die beiden Urkunden des Bezirksamtes B. vom 16. Juli 1993 (Bl. 10 f.) zur Leistung erhöhten Unterhalts ab dem 1. Juli 1993 verpflichtet hat. Wie die Antragsteller unwidersprochen vortragen, legte ihr Vater seine Einkommensverhältnisse gegenüber dem Jugendamt des Antragsgegners bereits im Januar 1993 dar (Bl. 6). Unter diesen Umständen wäre der zuständige Mitarbeiter des Jugendamtes verpflichtet gewesen, umgehend die notwendigen Schritte zu ergreifen, um die alsbaldige Zahlung erhöhten Unterhalts des Vaters der Antragsteller an diese sicherzustellen. Dies hätte - sei es durch eine behördliche Urkunde, wie sie schließlich am 16. Juli 1993 errichtet worden ist, oder durch die Erhebung einer Abänderungsklage - spätestens bis zum 1. März 1993 geschehen müssen. Da der Antragsgegner hierfür nicht Sorge getragen hat, steht den Antragstellern ab diesem Datum ein Schadensersatzanspruch in Höhe des Betrages zu, um den sich ihr Unterhaltsanspruch gegenüber ihrem Vater aufgrund von dessen Auskunft über seine Einkommensverhältnisse erhöht hat. Der zuständige Mitarbeiter des Jugendamtes hat sich auch schuldhaft verhalten. Von einem Mitarbeiter, der in dem von § 18 Abs. 1 SGB VIII umschriebenen Bereich tätig ist, ist zu erwarten, daß er den von einem Unterhaltsschuldner zu zahlenden Unterhalt alsbald nach dem Eingang von dessen Angaben zu seinen (veränderten) Einkommensverhältnissen überprüft. Dadurch, daß dies im vorliegenden Fall (zunächst) unterblieben ist, hat sich der zuständige Mitarbeiter des Antragsgegners fahrlässig verhalten.

5

Eine anderweitige Ersatzmöglichkeit, und zwar in Form einer Inanspruchnahme des Vaters der Antragsteller, ist nicht gegeben. Dies folgt aus den vorstehenden Ausführungen zu § 323 Abs. 3 ZPO und aus dem Beschluß des Kammergerichts vom 24. März 1994 (Bl. 38 f).

6

Angesichts der Regelung in. § 127 Abs. 4 ZPO ist im Prozeßkostenhilfebeschwerdeverfahren für eine Kostenentscheidung kein Raum.