Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 02.03.2021, Az.: 1 WF 24/21

Beschwerde gegen die vorläufige Festsetzung eines Verfahrenswertes; Besondere Bedeutung einer Adoption; Einkommensverhältnisse und Vermögen eines Annehmenden

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
02.03.2021
Aktenzeichen
1 WF 24/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 13482
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2021:0302.1WF24.21.00

Verfahrensgang

vorgehend
AG Helmstedt - 16.02.2021
AG Helmstedt - 01.02.2021

Fundstellen

  • FamRZ 2021, 1233
  • FuR 2022, 153
  • JurBüro 2021, 193-194
  • NZFam 2021, 320

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Bei einer Volljährigenadoption bestimmt sich der Verfahrenswert nach § 42 Abs. 2 FamGKG; nur bei Fehlen von Anhaltspunkten für die Wertfestsetzung ist der Auffangwert gemäß § 42 Abs. 3 FamGKG anzusetzen.

  2. 2.

    Die besondere Bedeutung der Adoption rechtfertigt einen Verfahrenswert von 25 bis 50 Prozent des Reinvermögens der Annehmenden; daneben kann auf deren Einkommensverhältnisse abgestellt werden.

  3. 3.

    Die vorläufige Wertfestsetzung kann nur inzidenter mit der Beschwerde nach §§ 58, 55 Abs. 1 S. 2 FamGKG, also zusammen mit der richterlich angeordneten Vorschussanforderung angegriffen werden.

Tenor:

Die Beschwerde des Annehmenden gegen die vorläufige Festsetzung des Verfahrenswertes des Amtsgerichts - Familiengericht - Helmstedt vom 01.02.2021 / 16.02.2021 wird zurückgewiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Der Annehmende wendet sich gegen die Höhe des zur Berechnung des Kostenvorschusses vom Amtsgericht festgesetzten Verfahrenswertes.

Die Anzunehmende ist die Tochter der Kindesmutter, die in zweiter Ehe mit dem Annehmenden verheiratet ist. Der Annehmende möchte die Anzunehmende als Kind mit der Wirkung annehmen, dass es zusammen mit der Kindesmutter die rechtliche Stellung eines gemeinschaftlichen Kindes erlangt. Dazu hat er unter Mitwirkung der Anzunehmenden, der Kindesmutter und deren weiteren Kindes P. B. ohne Einholung der Zustimmung des Kindesvaters einen entsprechenden Antrag am 15.01.2021 durch den Notar J. N., V., Urkundenrolle Nr. ......, beurkunden lassen. Der beurkundende Notar hat den Adoptionsantrag mit Schriftsatz vom 28.01.2021 beim Amtsgericht eingereicht und gleichzeitig den Annehmenden als Kostenschuldner benannt.

Das Amtsgericht hat aufgrund der Verfügung des Abteilungsrichters vom 01.02.2021 mit Kostenrechnung vom folgenden Tag einen Kostenvorschuss in Höhe von 1.812,00 € vom Kostenschuldner angefordert; dabei hat der Kostenbeamte den in der vorgenannten richterlichen Verfügung vorläufig festgesetzten Verfahrenswert von 95.000,00 € zugrundegelegt und den Fortgang des Verfahrens von der Zahlung des Vorschusses abhängig gemacht.

Hiergegen hat sich der Annehmende mit seiner Erinnerung vom 11.02.2021 gewandt und einen Kostenansatz nach einem Verfahrenswert von 5.000,00 € erstrebt. Mit weiterem Schriftsatz vom 17.02.2021 hat er zur Begründung auf eine entsprechende frühere Verfahrenswertfestsetzung durch das Amtsgericht W. hingewiesen und ergänzt, dass für die Wertfestsetzung der 25-prozentige Wert des Vermögens des Antragstellers anzusetzen sei, mithin hier höchstens ein Geschäftswert von 45.000,00 € zugrunde zu legen sei.

II.

Die als Beschwerde anzusehende Erinnerung gegen die gemäß § 55 Abs. 1 S. 1 FamGKG erfolgte vorläufige Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren ist zulässig.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist die unmittelbare Anfechtung der vorläufigen Wertfestsetzung ausgeschlossen. Die vorläufige Wertfestsetzung kann nur inzidenter mit der Beschwerde gemäß §§ 58, 55 Abs. 1 S. 2 FamGKG, also nur zusammen mit der gerichtlichen Vorschussanordnung angegriffen werden (vgl. OLG Köln, AGS 2017, 47; OLG Celle, AGS 2010, 614; OLG Saarbrücken, FamRZ 2012, 472; Schneider/Volpert/Fölsch, FamGKG, 3. A., § 55 Rn 10; § 58 Rn 9; § 59 Rn 17; Hartmann/Toussaint, Kostenrecht, 50. A., § 63 FamGKG Rn 22; § 55 FamGKG Rn 1).

Zwar ist die Beschwerde nach § 58 FamGKG nur möglich, wenn das Familiengericht seine Tätigkeit durch förmlichen Beschluss von der Vorschusserhebung abhängig gemacht hat, was in der richterlichen Verfügung vom 01.02.2021 nicht zweifelsfrei zum Ausdruck kommt. Dieses Hindernis ist aber durch den Nichtabhilfebeschluss vom 16.02.2021 ausgeräumt.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

Für Adoptionssachen hält das Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen (FamGKG) keine allgemeine oder besondere Wertvorschrift vor. Der Verfahrenswert bestimmt sich deshalb bei der hier beantragten Volljährigenadoption, für die Gerichtsgebühren nach Nr. 1320 ff KV FamGKG anfallen, nach der allgemeinen Wertvorschrift des § 42 Abs. 2 FamGKG, wonach der Verfahrenswert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Beteiligten, nach billigem Ermessen zu bestimmen ist und nur bei Fehlen genügender Anhaltspunkte gemäß § 42 Abs. 3 FamGKG der Auffangwert von 5.000,00 € anzusetzen ist (vgl. OLG Hamm, FamRZ 2019, 304; OLG Celle, FamRZ 2013, 2008; OLG Düsseldorf, FamRZ 2010, 1937; OLG Bamberg, Beschluss vom 18.10.2011, 2 UF 234/11, zitiert nach juris).

Dementsprechend kann das Beschwerdegericht die Wertfestsetzung des Amtsgerichts nur dahin überprüfen, ob das Gericht die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat, d.h. sich mit den Denkgesetzen in Widerspruch gesetzt oder ob es sonst von seinem Ermessen in einem dem Sinn und Zweck des Gesetzes widersprechenden Gebrauch gemacht hat (BGH, Beschluss vom 17.09.2014, Geschäftszeichen: XII ZB 284/13 - juris Rn 12).

Nach diesen Grundsätzen ist die erstinstanzliche Entscheidung über den vorläufigen Verfahrenswert nicht zu beanstanden. Das Amtsgericht hat bei seiner Wertbemessung zutreffend die hohe Bedeutung der Volljährigenadoption hervorgehoben, die hier mit den weitreichenden Folgen der Minderjährigenannahme gemäß §§ 1754 ff BGB ausgesprochen werden soll. Darüber hinaus hat es zu Recht zunächst auf die wirtschaftliche Situation des Annehmenden abgestellt, weil nur dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse in die notarielle Urkunde vom 15.01.2021 Eingang gefunden haben und über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Anzunehmenden keine Angaben gemacht worden sind. Aufgrund der mit dem Handzeichen des Notars versehenen, handschriftlichen Zusätze verfügt der Annehmende über ein mit 120.000,00 € belastetes Immobilienvermögen im Wert von 300.000,00 € sowie über ein Jahresbruttoeinkommen in Höhe von rund 95.000,00 €, was einem Nettoeinkommen von etwa 60.000,00 € entspricht. Hiervon ausgehend hat das Amtsgericht einen vorläufigen Verfahrenswert in Höhe von 95.000,00 € angenommen und sich dabei ermessensfehlerfrei an den Rahmen der auch in der Rechtsprechung und Literatur angenommenen Werte gehalten. Danach rechtfertigt die besondere Bedeutung der Adoption einen Verfahrenswert von 25 - 50 Prozent des Reinvermögens (vgl. OLG Hamm, a. a. O. - 50 Prozent; OLG Bamberg, a. a. O. - 25 Prozent; OLG Düsseldorf, AGS 2019, 27 - 40 Prozent); Schneider/Folpert/Fölsch, a. a. O. - 30 bis 50 Prozent) und ist daneben auf die Einkommensverhältnisse der Beteiligten abzustellen (vgl. Schneider/Volpert/Fölsch, a. a. O, § 42 Rn 101 m. w. N.). Darüber hinaus hat das Amtsgericht sachgerecht darauf hingewiesen, dass regelmäßig weitere Vermögenswerte (Spar- und Anlagevermögen, Sachwerte) vorhanden sind, was angesichts der guten Einkommensverhältnisse des Annehmenden auch hier zu erwarten ist. Schließlich ist es den Beteiligten unbenommen, etwa bei der nach § 192 FamFG im Adoptionsverfahren vorgeschriebenen Anhörung Tatsachen vorzutragen, die das Gericht zu einer Anpassung des vorläufig festgesetzten Wertes veranlassen können (§ 55 Abs. 3 FamGKG).

In der Gesamtschau ist die Wertfestsetzung des Amtsgerichts für die Gerichtsgebühren nicht zu beanstanden und die Beschwerde des Annehmenden deshalb zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 58 Abs. 1 S. 2, 57 Abs. 8 FamGKG.

Die Beschwerdeentscheidung ist unanfechtbar (§§ 58 Abs. 1 S. 2, 57 Abs. 7 FamGKG.