Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 08.03.2021, Az.: 8 U 67/21

Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; Versäumte Berufungsfrist; Versendung von fristwahrenden Schriftsätzen über das besondere elektronische Anwaltspostfach; Unterbliebene Kontrolle der automatisierten Eingangsbestätigung; Fehlen einer allgemeinen Anweisung an Kanzleimitarbeiter als Fehler im Rahmen der Büroorganisation des Prozessbevollmächtigten

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
08.03.2021
Aktenzeichen
8 U 67/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 51875
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2021:0308.8U67.21.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Braunschweig - 30.01.2020 - AZ: 11 O 1132/19

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Versendet ein Rechtsanwalt fristwahrende Schriftsätze über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) an das Gericht, hat er in seiner Kanzlei das zuständige Personal dahingehend zu belehren, dass stets der Erhalt der automatisierten Eingangsbestätigung nach § 130 a Abs. 5 Satz 2 ZPO zu kontrollieren ist. Er hat zudem diesbezüglich zumindest stichprobenartige Überprüfungen durchzuführen. Die Anweisung, lediglich das Prüfprotokoll des eigenen Servers zu überprüfen, genügt hierfür nicht.

  2. 2.

    Hat der Rechtsanwalt eine Eingangsbestätigung gemäß § 130 a Abs. 5 Satz 2 ZPO erhalten, besteht damit Sicherheit darüber, dass der Sendevorgang erfolgreich war. Ihr Ausbleiben muss den Rechtsanwalt zur Überprüfung und gegebenenfalls zur erneuten Übermittlung veranlassen.

  3. 3.

    Das durch den Server des beA erstellte Prüfprotokoll und die darin enthaltenen Angaben über ein positives Gesamtprüfergebnis sowie einen rechtzeitigen "Eingang auf dem Server" vermögen eine Eingangsbestätigung im Sinne des § 130 a Abs. 5 Satz 2 ZPO nicht zu ersetzen. Aus dem Prüfprotokoll ergibt sich nicht, ob die Nachricht vollständig auf dem Justizserver gespeichert worden ist.

  4. 4.

    Das Fehlen einer allgemeinen Anweisung an die Kanzleimitarbeiter, die Berufungsfrist erst dann als erledigt im Fristenkalender zu vermerken, wenn die gerichtliche Eingangsbestätigung abgerufen und überprüft wurde, stellt deshalb einen Fehler im Rahmen der Büroorganisation des Prozessbevollmächtigten der Partei dar, die ihr gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist. Eine Frist darf nur dann gestrichen werden, wenn die Eingangsbestätigung gemäß § 130 a Abs. 5 Satz 2 ZPO zu einem Nachrichtenversand vorliegt.

Tenor:

I. Der Antrag des Klägers vom 06. April 2020 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 30. Januar 2020 - 11 O 1132/19 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 30. Januar 2020 - 11 O 1132/19 - wird als unzulässig verworfen.

III. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

IV. Der Streitwert des Berufungsrechtszuges wird auf die Wertstufe bis 4.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

A.

Der Kläger nimmt die Beklagte im Rahmen des sogenannten Dieselabgas-Skandals auf Schadensersatz pp. in Anspruch.

Das Landgericht Braunschweig hat die Klage durch Urteil vom 30.01.2020 abgewiesen. Dieses Urteil ist dem Kläger zu Händen seiner Prozessbevollmächtigten am 07.02.2020 (Bl. 115 d.A.) zugestellt worden. Am 26.03.2020 ging bei dem Oberlandesgericht Braunschweig die Berufungsbegründung ein, die auf einen Berufungsschriftsatz vom 24.02.2020 verweist. Am 30.02.2020 sind die Prozessbevollmächtigten des Klägers von der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass eine Berufungsschrift dort nicht vorliege. Mit Schriftsatz vom 06.04.2020, eingegangen am selben Tage, hat der Kläger Berufung gegen das Urteil des Landgerichts vom 30.01.2020 eingelegt und beantragt,

ihm wegen Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen.

Zur Begründung hat der Kläger ausgeführt: Das angefochtene Urteil sei seinen Prozessbevollmächtigten am 07.02.2020 zugestellt worden. Unter dem 24.02.2020 sei die Berufungsschrift gefertigt worden, die am 25.02.2020 per beA durch die Prozessbevollmächtigte des Klägers an das Oberlandesgericht Braunschweig abgesetzt worden sei. Auf die Berufungsschrift vom 24.02.2020 (Anlage R 1, Bl. 131 f. d.A.) und das Prüfprotokoll vom 25.02.2020 (Anlage R 2, Bl. 133 ff. d.A.) werde insoweit Bezug genommen. Die interne Arbeitsanweisung an die zuständigen Mitarbeiter im Sekretariat der Prozessbevollmächtigten des Klägers laute dahingehend, dass alle ausgehenden fristwahrenden Schriftsätze auf den rechtzeitigen Zugang kontrolliert werden müssten. Beim Versand per beA laute die Arbeitsanweisung wie folgt: Sobald Schriftsätze, die per beA versandt werden, im Rahmen der Kanzleisoftware in den Postausgang gestellt werden, nachdem sie z.B. nach Diktat geschrieben wurden, werden diese durch den jeweiligen Rechtsanwalt nach Prüfung und gegebenenfalls vorzunehmender Korrektur des Schriftsatzes aus dem beA-Postfach versandt. Bevor die entsprechenden Fristen dann im Rahmen der Fristenkontrolle in der Kanzlei auf "erledigt" gesetzt würden, werde durch die Mitarbeiter im Sekretariat überprüft, ob die Schriftsätze zugestellt wurden. Bei Faxversand erfolge dies beispielhaft anhand der Kontrolle der Faxbelege, bei dem Versand per beA anhand der Kontrolle der in der EDV erfassten beA-Nachrichten. Das entsprechende Prüfprotokoll sei dahingehend zu überprüfen, ob die Nachricht gesendet, empfangen und zugegangen ist. Alle drei Optionen seien dem oberen Bereich einer beA-Nachricht zu entnehmen. So habe auch in dieser Angelegenheit die immer zuverlässige Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte J., die für das Sekretariat der Klägervertreterin zuständig sei, nach Versand der Berufungsschrift vom 24.02.2020 anhand der elektronischen Akte im Computer kontrolliert, ob die entsprechende beA-Nachricht, nachdem diese durch die Prozessbevollmächtigte des Klägers versandt worden sei, auch dem Oberlandesgericht Braunschweig zugegangen ist. Unter der Rubrik "Zusammenfassung und Struktur" sei ein grünes Feld hinterlegt gewesen, welches mit einem grünen Haken versehen gewesen sei, in dem sich die Nachricht "Sämtliche durchgeführten Prüfungen lieferten ein positives Ergebnis." befunden habe. Die Büroangestellte J. sei daher fälschlicherweise davon ausgegangen, dass die Nachricht erfolgreich beim Empfänger angekommen sei, was sich später als unzutreffend herausgestellt habe. Die Büroangestellte J. habe trotz entsprechender Anweisung nämlich übersehen, dass die beA-Nachricht im oberen Teil keine Daten zur Versendung, zum Empfang und zum Zugang der Berufungsschrift aufgewiesen habe und damit nicht vom angerufenen Oberlandesgericht empfangen worden sei. Im weiteren Verlauf habe die Büroangestellte J. die Berufungsfrist dann auf "erledigt" gesetzt. Dabei habe sie sich trotz entsprechender Anweisung, die beA-Nachricht vollständig zu prüfen, auf das Gesamtprüfergebnis der Nachricht verlassen. Den entsprechenden Fristenzettel zur Erledigung habe sie sodann gemäß interner Anweisung ausgedruckt, so dass die Frist auch in dem zusätzlich händisch geführten Fristenbuch auf "erledigt" gesetzt worden sei. Zur Glaubhaftmachung der vorstehenden Vorgänge nimmt der Kläger auf die eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten J. vom 06.04.2020 (Anlage R 3, Bl. 136 f. d.A.) Bezug.

Die Beklagte beantragt,

den Wiedereinsetzungsantrag des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger habe die Berufungsfrist nicht unverschuldet versäumt. Die Versäumung der Frist beruhe auf einer fehlerhaften Organisation des Bürobetriebs im Büro der Prozessbevollmächtigten des Klägers. Diese sei den Prozessbevollmächtigten des Klägers zuzurechnen. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass die zuständige Bürokraft J. immer zuverlässig gewesen sei. Diese hätte nach Auffassung der Beklagten angewiesen werden müssen, die Fristen im Kalender erst dann zu streichen oder als erledigt zu kennzeichnen, nachdem sie sich vergewissert habe, dass zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen sei. Dies habe die verantwortliche Bürokraft offensichtlich nicht getan.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

B.

Die Berufung des Klägers ist nicht fristgemäß. Sie ist daher gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen.

I.

Der Wiedereinsetzungsantrag vom 06.04.2020 ist zulässig gemäß §§ 234, 236 ZPO, insbesondere fristgemäß, da er innerhalb der zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist bei dem Berufungsgericht eingegangen ist (§ 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Frist gemäß § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO beginnt gemäß § 234 Abs. 2 ZPO an dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist. Ausweislich des Geschäftsstellenvermerks vom 30.03.2020 (Bl. 117 d.A.) ist die Prozessbevollmächtigte des Klägers am 30.03.2020 darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass eine Berufungsschrift bei dem Oberlandesgericht nicht eingegangen ist. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat die versäumte Prozesshandlung mit Schriftsatz vom 06.04.2020 daher nachgeholt und am selben Tag einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt (Bl. 126, 128 d.A.).

Der Wiedereinsetzungsantrag ist jedoch unbegründet.

Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO liegen nicht vor. War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist - wie die Berufungsfrist (§ 517 ZPO) - einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 233 Satz 1 ZPO). Dabei muss sich die Partei ein Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen. Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich (§ 85 Abs. 2 ZPO). Ist das Fristversäumnis allerdings infolge eines Fehlverhaltens von Büropersonal des Prozessbevollmächtigten eingetreten, liegt kein der Partei zurechenbares Verschulden vor, wenn der Prozessbevollmächtigte seine Kanzlei ordnungsgemäß organisiert, insbesondere zuverlässiges Personal ausgewählt und dieses ausreichend überwacht hat (vgl. BAG, Beschluss vom 07.08.2019 - 5 AZB 16/19 - Rdn. 9, NJW 2019, 2793 ff.).

Die vom Kläger dargelegten Wiedereinsetzungsgründe sind nicht geeignet, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu rechtfertigen. Der Kläger hat bereits nicht dargelegt, dass er ohne ein ihm nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbares Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten an der fristgemäßen Einreichung der Berufung gehindert war. Aufgrund des Vortrags des Klägers zu den Umständen der Fristversäumnis und zu der im Büro seiner Prozessbevollmächtigten bestehenden Organisation ist ein dem Kläger zurechenbares Organisations-verschulden seiner Prozessbevollmächtigten jedenfalls nicht auszuschließen. Eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle kann nicht festgestellt werden.

Die Prozessbevollmächtigten des Klägers berufen sich auf das beA-Prüfprotokoll vom 25.02.2010 (Anlage R 2, Bl. 133 ff. d.A.), das von ihrer Büroangestellten J. trotz entsprechender allgemeiner Anweisung nicht ausreichend überprüft worden sei. Letztere habe sich auf das grün markierte positive Prüfergebnis im Feld "Zusammenfassung und Struktur" verlassen und das obere Feld "Gesendet: ... Empfangen: ... Zugegangen: ..." nicht gesondert überprüft. Zu einer weitergehenden Zugangsprüfung haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers nichts vorgetragen. Ein Rechtsanwalt hat durch organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig hergestellt wird und innerhalb der Frist beim zuständigen Gericht eingeht (vgl. BGH, Beschluss vom 17.03.2020 - VI ZB 99/19 - Rdn. 8, AnwBl. Online 2020, 627 ff. und BGH, Beschluss vom 04.09.2018 - VIII ZB 70/17 - Rdn. 13, juris). Zu diesem Zweck hat er seine Ausgangskontrolle so zu organisieren, dass sie einen gestuften Schutz gegen Fristversäumnis bietet. Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten gebieten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs per besonderem elektronischen Anwaltspostfach (beA) eine Kontrolle des Versandvorgangs durch Überprüfung der Eingangsbestätigung gemäß § 130 a Abs. 5 Satz 2 ZPO. Sobald eine an das Gericht versendete Nachricht auf dem in dessen Auftrag geführten Server eingegangen ist, schickt dieser automatisch dem Absender eine Bestätigung über den Eingang der Nachricht. Die Eingangsbestätigung soll dem Absender unmittelbar und ohne weiteres Eingreifen eines Justizbediensteten Gewissheit darüber verschaffen, ob eine Übermittlung an das Gericht erfolgreich war oder ob weitere Bemühungen zur erfolgreichen Übermittlung des elektronischen Dokuments erforderlich sind (vgl. BT-Drs. 17/12634 vom 06.03.2013, S. 26). Hat der Rechtsanwalt eine Eingangsbestätigung erhalten, besteht damit Sicherheit darüber, dass der Sendevorgang erfolgreich war. Ihr Ausbleiben muss den Rechtsanwalt zur Überprüfung und gegebenenfalls zur erneuten Übermittlung veranlassen (vgl. BAG, Beschluss vom 07.08.2019 - 5 AZB 16/19 - Rdn. 20, NJW 2019, 2793 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11.11.2020 - OVG 6 S 49/20 - Rdn. 7 m.w.N., H. Müller in: Ory/Weth, juris PK-ERV, Band 2, 1. Aufl., Stand: 03.03.2021, § 130 a ZPO Rdn. 144.1, sowie Bacher, NJW 2015, 2753, 2756). Eine solche Kontrolle des Zugangs einer Eingangsbestätigung hat die Kanzleikraft der Prozessbevollmächtigten des Klägers hier offensichtlich unterlassen. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers haben im Rahmen ihres Wiedereinsetzungsantrags auch nicht dargelegt, dass sie ihre Mitarbeiter allgemein angewiesen hätten, den Zugang einer Eingangsbestätigung des Gerichts gemäß § 130 a Abs. 5 Satz 2 ZPO zu überprüfen und bei einem Fehlen geeignete Maßnahmen zu treffen.

Eine automatisierte Eingangsbestätigung im Sinne des § 130 a Abs. 5 Satz 2 ZPO wurde im Streitfall nicht vorgelegt. Das durch den Server des beA erstellte Prüfprotokoll und die darin enthaltenen Angaben über ein positives Gesamtprüfergebnis sowie einen rechtzeitigen "Eingang auf dem Server" vermögen eine Eingangsbestätigung im Sinne des § 130 a Abs. 5 Satz 2 ZPO nicht zu ersetzen. Das Prüfprotokoll enthält Informationen darüber, von welchem Absender zu welchem Adressaten die Nachricht zu welchem Zeitpunkt übermittelt wurde und ob die Übermittlung fehlerfrei verlaufen ist. Aus dem Prüfprotokoll ergibt sich indessen nicht, ob die Nachricht vollständig auf dem Justizserver gespeichert worden ist. Erst mit der vollständigen Speicherung auf dem Justizserver des zuständigen Gerichts ist die Nachricht zugegangen (§ 130 a Abs. 5 Satz 1 ZPO). Diese Information lässt sich nur der Eingangsbestätigung im Sinne des § 130 a Abs. 5 Satz 2 ZPO entnehmen, die bei ordnungsgemäßem Zugang automatisch durch den Justizserver (EGVP) erzeugt und an den Absender übermittelt wird. Diese Eingangsbestätigung wird durch das beA-System grundsätzlich in die Nachricht mit eingebettet und kann durch den Empfänger problemlos überprüft werden (beA-Newsletter Ausgabe 31/2019 vom 17. Oktober 2019, vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11.11.2020 - OVG 6 S 49/20 - Rdn. 8, juris). Versendet ein Rechtsanwalt fristwahrende Schriftsätze über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) an das Gericht, hat er in seiner Kanzlei das zuständige Personal dahingehend zu belehren, dass stets der Erhalt der automatisierten Eingangsbestätigung nach § 130 a Abs. 5 Satz 2 ZPO zu kontrollieren ist. Er hat zudem diesbezüglich zumindest stichprobenartige Überprüfungen durchzuführen (vgl. BAG, Beschluss vom 07.08.2019 - 5 AZB 16/19 -, NJW 2019, 2793 ff.). Die Anweisung, lediglich das Prüfprotokoll des eigenen Servers zu überprüfen, genügt hierfür nicht.

Die vom Kläger für die Wiedereinsetzung vorgetragenen Gründe lassen weder eine allgemeine Büroanweisung erkennen, nach der die Eingangsbestätigung gemäß § 130 a Abs. 5 Satz 2 ZPO zu kontrollieren ist, noch dass die Büroangestellten in der Kanzlei der Klägervertreter auf die Einhaltung einer solchen Anweisung regelmäßig kontrolliert werden. Um eine solche Kontrolle zu ermöglichen, hätte die Eingangsbestätigung elektronisch abgespeichert oder als Papierausdruck vorgehalten werden müssen (vgl. H. Müller in: Ory/Weth, juris PK-ERV Band 2, 1. Aufl., Stand: 03.03.2021, § 130 a Rdn. 144). Das Fehlen einer allgemeinen Anweisung an die Kanzleimitarbeiter, die Berufungsfrist erst dann als erledigt im Fristenkalender zu vermerken, wenn die gerichtliche Eingangsbestätigung abgerufen und überprüft wurde, stellt deshalb einen Fehler im Rahmen der Büroorganisation der Prozessbevollmächtigten des Klägers dar. Eine Frist darf nur dann gestrichen werden, wenn die Eingangsbestätigung gemäß § 130 a Abs. 5 Satz 2 ZPO zu einem Nachrichtenversand vorliegt. Vorliegend ist die Streichung der Berufungsfrist ohne eine solche Eingangsbestätigung erfolgt. Diesen Fehler in der Büroorganisation seiner Prozessbevollmächtigten muss sich der Kläger gemäß § 85 Abs. 2 ZPO wie eigenes Verschulden zurechnen lassen. Die allgemeine Anweisung, lediglich das beA-Prüfprotokoll zu überprüfen, war nicht ausreichend, um von einem ordnungsgemäßen Zugang der Berufungsschrift beim Berufungsgericht ausgehen zu können.

Der Fehler war für die Fristversäumnis auch ursächlich. Wäre eine ordnungsgemäße Prüfung vorgenommen worden, wäre aufgefallen, dass eine Eingangsbestätigung des Gerichts nicht vorhanden war. Dies hätte dazu geführt, dass eine erneute Übermittlung der Berufungsschrift per beA oder auf anderem Wege stattgefunden hätte. In diesem Fall wäre die Berufungsfrist gewahrt worden.

II.

Die Berufung des Klägers ist unzulässig, da sie nicht innerhalb der Berufungsfrist bei dem Berufungsgericht eingegangen ist.

Gemäß § 517 ZPO beträgt die Berufungsfrist einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils. Das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 30.01.2020 ist den Prozessbevollmächtigten des Klägers ausweislich ihres Empfangsbekenntnisses (Bl. 115 d.A.) am 07.02.2020 zugestellt worden. Die Frist zur Einlegung der Berufung endete gemäß § 222 ZPO, §§ 188 Abs. 1, 193 BGB daher am 09.03.2020 (einem Montag). Die Berufungsschrift vom 24.02.2020 (Anlage R 4, Bl. 138 f. d.A.) vermochte diese Frist nicht zu wahren, weil sie bei dem Berufungsgericht nicht nachweislich eingegangen ist. Es fehlt an einer Eingangsbestätigung gemäß § 130 a Abs. 5 Satz 2 ZPO. Die weitere Berufungsschrift vom 06.04.2020 ist erst nach Fristablauf bei dem Berufungsgericht eingegangen. Sie vermochte die Frist daher ebenfalls nicht mehr zu wahren. Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist blieb ohne Erfolg.

C.

Die Entscheidung über die Kosten des Wiedereinsetzungsverfahrens gründet sich auf § 238 Abs. 4 ZPO.

Die Kostenentscheidung im Übrigen folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Festsetzung des Berufungsstreitwerts liegt § 3 ZPO zugrunde. Der Zug-um-Zug-Vorbehalt wirkt nicht streitwerterhöhend (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 3 Rdn. 16.217). Dasselbe gilt für den Klageantrag zu 2., der lediglich eine Nebenforderung im Sinne des § 4 Abs. 1, 2. Halbsatz ZPO betrifft (vgl. Zöller-Herget, a.a.O., § 4 Rdn. 11).