Arbeitsgericht Oldenburg
Urt. v. 18.06.2015, Az.: 5 Ca 51/14

Altersteilzeit; Feststellungsklage; Insolvenz des Arbeitsgebers; Leistungsklage

Bibliographie

Gericht
ArbG Oldenburg
Datum
18.06.2015
Aktenzeichen
5 Ca 51/14
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 44892
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
LAG Niedersachsen - 08.09.2016 - AZ: 7 Sa 807/15
BAG - 27.07.2017 - AZ: 6 AZR 801/16

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Leistungsklage ist für Forderungen im Sinne des § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO bei Masseunzulänglichkeit unzulässig.

Tenor:

1. Das Teil-Versäumnisurteil vom 30.09.2014 wird aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass die Klägerin Masseforderungen in Höhe von 2.289,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.08.2012 hat.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu 73% und die Beklagte zu 27% zu tragen.

5. Der Streitwert für dieses Urteil wird auf 2.290,00 € festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin macht mit der Klage noch Zahlungsansprüche gegen den Beklagten geltend.

Die Klägerin war seit 22.2.1993 bis 31.10.2012 in der inzwischen insolventen Firma A. S. zuletzt als Verkaufsstellenverwalterin im Ladengeschäft in D. ursprünglich bei einer Wochenarbeitszeit von 37,5 Stunden zu einer Vergütung von durchschnittlich 2.706 € brutto pro Monat beschäftigt. Ab Januar 2011 vereinbarte die Klägerin mit der Insolvenzschuldnerin einen Altersteilzeitvertrag vom 12.11.2010 im Blockmodell, nachdem die Klägerin bis Dezember 2013 in Vollzeit arbeiten sollte und von Januar 2014 bis Dezember 2016 von der Arbeit freigestellt werden sollte. Sie erzielte deshalb zuletzt ein Bruttomonatseinkommen von 1.238,50 €.

Mit Beschluss vom 30.1.2012 erließ das des Amtsgerichts U. ein allgemeines Verwaltungs- und Verfügungsverbot, so dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des A. S. auf den Insolvenzverwalter über ging, d.h. der Beklagte wurde zum so genannten „starken“ vorläufigen Verwalter bestellt. Mit weiterem Beschluss vom 28.3.2012 des Amtsgerichts U. wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des A. S. e. K. eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Schreiben vom 31. 8. 2012 zeigte der Insolvenzverwalter Masseunzulänglichkeit an. Das Insolvenzgericht veröffentlichte die Anzeige mit Beschluss vom 3.9.2012.

Der Beklagte kündigte das bestehende Arbeitsverhältnis zum 31.10.2012. Die dagegen eingelegte Kündigungsschutzklage vom 1.8.2012 hat die Klägerin am 30.9.2014 zurückgenommen.

Über einen Treuhandvertrag bei der H. Pensionskasse war das Wertguthaben der Klägerin als Altersteilzeitarbeitnehmerin insolvenzgesichert. Für 15 Monate (18 Monate Aktivphase abzüglich 3 Monate Insolvenzausfallgeld) zahlte die H. Pensionskasse an die Klägerin 50 % von 2.706 € pro Monat mithin insgesamt 20.295 €. Für diese Monate wurden auch die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung abgeführt.

In der Zeit von Januar bis März 2012 erhielt die Klägerin Insolvenzausfallgeld bezogen auf die von der Klägerin in diesem Zeitraum zu beanspruchende abgesenkte Altersteilzeitvergütung. Die Differenz zwischen der Vollzeitvergütung und dem Insolvenzausfallgeld machte die Klägerin nach folgender Berechnung mit der Klage geltend:

Monat 

Vollzeitvergütung

Insolvenz Ausfallgeld

Differenz

Januar 2012

2754,64 €

1692,00 €

1062,64 €

Februar 2012

2798,56 €

1672,24 €

1126,32 €

März 2012

2760,72 €

1597,76 €

1162,96 €

Den geltend gemachten Anspruch für Januar 2012 meldete die Klägerin später zur Insolvenztabelle an. Sie hat den ursprünglich angekündigten Zahlungsanspruch für Januar 2012 zurückgenommen; ebenso die ursprünglich angekündigten Zahlungsansprüche für April, Mai und Juni 2012.

In der mündlichen Verhandlung vom 30.9.2014, zu der der Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen ist, ist auf Antrag der Klägerin ein Teilversäumnisurteil mit folgendem Tenor ergangen:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.289,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.8.2012 zu zahlen.

2. Eine Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

3. Der Streitwert wird auf 2.290 € festgesetzt.

Gegen dieses dem Beklagten am 10.10.2014 zugestellte Teilversäumnisurteil hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 14.10.2014, beim Arbeitsgericht eingegangen am 15.10.2014, Einspruch eingelegt.

Die Klägerin beantragt,

das Teilversäumnisurteil vom 30.9.2014 aufrecht zu erhalten,

hilfsweise festzustellen, dass der Klägerin 2.289,28 € für die Monate Februar und März 2012 als Masseverbindlichkeiten zustehen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. 8. 2012.

Der Beklagte beantragt,

das Teilversäumnisurteil aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, dass die Forderungen der Klägerin erfüllt seien. Sie habe das Wertguthaben wegen der vorzeitigen Beendigung des Altersteilzeitvertrages im November 2012 ausgezahlt erhalten und Insolvenzausfallgeld für die Monate Januar bis März 2012 erhalten.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Der ursprünglich geltend gemachte Anspruch auf Auskunftserteilung über die Maßnahmen zur Sicherung des im Rahmen des Altersteilzeitvertrages erwirtschafteten Wertguthabens ist für erledigt erklärt worden. Der Kündigungsschutzantrag und Zahlungsansprüche für die Monate Januar 2012 und Mai bis Juni 2012 sind zurückgenommen worden.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zum Teil begründet.

Zur Klarstellung wird vorausgeschickt, dass im Rahmen dieses Urteils nur noch die Vergütungsansprüche der Klägerin für die Monate Februar und März 2012 zu untersuchen sind.

Ein Zahlungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten im Rahmen einer Leistungsklage besteht nicht. Er ist unzulässig.

Da der Beklagte die Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 Abs. 1 Insolvenzordnung angezeigt hat, können Forderungen im Sinne von § 209 Abs. 1 Nummer 3 Insolvenzordnung nicht mehr mit der Leistungsklage verfolgt werden. Für Leistungsklagen, mit denen Masseverbindlichkeiten im Sinne von § 55 Abs. 2, § 209 Abs. 1 Nummer 3 Insolvenzordnung verfolgt werden, fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Nach § 210 Insolvenzordnung ist, sobald der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat, die Vollstreckung wegen einer Masseverbindlichkeiten Sinne der §§ 55 Abs. 2 Nummer 2, 209 Abs. 1 Nummer 3 Insolvenzordnung unzulässig.

Die Vergütung für die Monate Februar und März 2012 sind Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 2 Insolvenzordnung, da der Beklagte als starker vorläufiger Insolvenzverwalter die Arbeitsleistung der Klägerin in Anspruch genommen hat und dafür grundsätzlich eine Vergütung im Sinne von § 611 BGB schuldet. Entgeltansprüche der Klägerin, die nach dem 30. Januar 2012 und vor dem 31. August 2012 entstanden sind, sind gemäß § 209 Abs. 1 Nummer 3 Insolvenzordnung Altmasseverbindlichkeiten, denen das Vollstreckungsverbot aus § 210 Insolvenzordnung entgegensteht. Die Folge aus der Anzeige der Masseunzulänglichkeit ist, dass so genannte Altmasseverbindlichkeiten nicht mehr im Rahmen einer Leistungsklage verfolgt werden können.

Der Hilfsantrag der Klägerin ist zulässig. Die Klägerin hat an der begehrten Feststellung das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Interesse, da eine Leistungsklage gegen den Beklagten wegen der Masseverbindlichkeit nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit unzulässig ist. Deshalb bleibt der Gläubigerin nur der Weg der Feststellungsklage.

Der Altersteilzeitvertrag der Klägerin ist durch die eingetretene Insolvenz hinfällig geworden. Da die Klägerin aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb der Arbeitsphase des Blockmodells der Altersteilzeit ausgeschieden ist, ist das Arbeitsverhältnis so abzuwickeln, als hätte die Klägerin nicht in Altersteilzeit sondern in Vollzeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist gearbeitet. Unstreitig hat die Klägerin in den Monaten Februar und März 2012 in Vollzeit gearbeitet. Sie hat deshalb grundsätzlich für diesen Zeitraum Anspruch auf die Vollzeitvergütung gemäß § 611 BGB. Danach steht ihr für die geleistete Arbeit die vereinbarte Vergütung zu. Die im Tatbestand für die beiden Monate Februar und März 2012 genannte Vollzeitvergütung ist zwischen den Parteien unstreitig. Ebenso ist unstreitig, dass die Klägerin im Rahmen von Insolvenzausfallgeld lediglich die in der oben genannten Tabelle ausgewiesenen abgesenkte Altersteilzeitvergütung erhalten hat. Der Anspruch auf die Differenz zwischen der Vollzeitvergütung und der gezahlten Insolvenzausfallvergütung steht der Klägerin gegen den Beklagten als Altmasseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 2, 209 Abs. 1 Nummer 3 Insolvenzordnung zu. Sie hat mithin einen Anspruch auf Feststellung, dass ihr die Differenz zwischen der ihr zustehenden Vollzeitvergütung und dem von ihr bezogenen Insolvenzausfallgeld für die beiden Monate als Altmasseverbindlichkeiten im Sinne von § 55 Abs. 2 in Verbindung mit § 209 Abs. 1 Nummer 3 Insolvenzordnung zusteht.

Des weiteren hat sie Anspruch auf Feststellung, dass ihr Verzugszinsen gemäß den §§ 286 Abs. 2 Nummer 1, 288 Abs. 1 BGB zustehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Kosten des Rechtsstreits bei einem Eingangsstreitwert von 18.006,96 € wurden nach dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens verteilt. Dabei ist die Kammer davon ausgegangen, dass die Klägerin die Kosten, die durch die teilweise Klagerücknahmen entstanden sind, zu tragen hat, während der Beklagte die Kosten für die Auskunftserteilung und die Feststellung nach dem vorliegenden Urteil zu tragen hat.

Der Streitwert für dieses Urteil wurde gemäß den §§ 61 Abs. 1 Arbeitsgerichtsgesetz, 3, 5 ZPO festgesetzt.