Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 10.06.2002, Az.: 2 A 21/01
Außenbereich; Baugenehmigung; Beeinträchtigung; Lagerplatz; naturgegebene Nutzung; Schutzwürdigkeit
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 10.06.2002
- Aktenzeichen
- 2 A 21/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 43427
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 35 Abs 2 BBauG
- § 35 Abs 3 S 1 Nr 5 BBauG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Ein gewerblicher Lagerplatz widerspricht regelmäßig der naturgegebenen Nutzung des Außenbereichs.
Die Schutzwürdigkeit kann auf Grund des passiven Verhaltens des Beklagten entfallen.
Tenor:
Der Bescheid des Beklagen vom 18. Juli 2000 und der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Lüneburg vom 10. Januar 2001 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die beantragte Baugenehmigung zu erteilen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens;
insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt eine Baugenehmigung für die Errichtung eines betrieblichen Lagerplatzes.
Die Klägerin betreibt in Adelheidsdorf innerhalb eines förmlich festgesetzten Gewerbegebietes (Bebauungsplan Nr. 5 der Beigeladenen) ein Betonmischwerk und einen Baugeräteverleih. Nördlich an das Bebauungsplangebiet schließt sich das Flurstück 4/13 der Flur 12 an. Hier hatte die Klägerin ohne Baugenehmigung Ende der 80er Jahre durch Aufschütten von Mineralgemisch einen ca. 4.000 m² großen Lagerplatz errichtet. Den an dieser Stelle vorhandenen Wald holzte sie ab, ohne vorher eine Waldumwandlungsgenehmigung einzuholen. Die von dem Beklagten verfügte Nutzungsuntersagung und Beseitigung dieses Platzes hatte Bestand (Beschluss der erkennenden Kammer vom 25.5.1990 - 2 B 23/90 -), der Antrag auf nachträgliche Erteilung einer Baugenehmigung scheiterte (Gerichtsbescheid der erkennenden Kammer vom 27.5.1991 - 2 A 54/90 -). Die gegen diese Entscheidung eingelegte Berufung nahm die Klägerin zurück, nachdem die Beigeladene beschlossen hatte, den Flächennutzungsplan in dem fraglichen Bereich zu ändern und nördlich des Betriebes der Klägerin eine Bautiefe als Gewerbefläche darzustellen (Einstellungsbeschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 10.12.1992 - 1 L 201/91 -). In der Folgezeit wurde der Flächennutzungsplan entsprechend geändert. Die Bemühungen, einen Bebauungsplan mit einer GE-Ausweisung dieser Fläche aufzustellen, scheiterten allerdings. Ein Rückbau der Flächen erfolgte nicht.
Am 20. August 1999 beantragte die Klägerin eine Baugenehmigung für die Erweiterung ihres Betriebsgeländes um einen Lagerplatz für Baumaterialien auf der bereits hergestellten Erweiterungsfläche. Sie sei aus betrieblichen Gründen gezwungen, einen 10 m breiten Streifen auch weiterhin zu nutzen. Er soll durch einen 1,80 m hohen Erdwall nach Norden hin abgegrenzt werden. Ein Bauantrag sei das einzige Mittel, die rechtliche Absicherung zu untermauern und eine existenzbedrohende Einengung des Betriebes zu verhindern. Die Beigeladene verweigerte zu diesem Vorhaben ihr Einvernehmen. Sie sehe nach wie vor keine Möglichkeit, die ohne Baugenehmigung in den Außenbereich vorgenommene Betriebserweiterung nachträglich zu legalisieren.
Mit Bescheid vom 21. Februar 2000 ersetzte der Beklagte das fehlende Einvernehmen der Beigeladenen unter Anordnung der sofortigen Vollziehung. Öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB würden durch das Vorhaben überhaupt nicht bzw. nicht in entscheidungserheblicher Intensität beeinträchtigt. Die natürliche Eigenart der Landschaft (Wald) sei zwar durch eine Nutzung als gewerbliche Lagerfläche beeinträchtigt, sie sei jedoch derart geringfügig, dass sie für Dritte nicht wahrnehmbar sei und sich auch die natürliche Bodenformation nur untergeordnet auswirke. Zudem stelle die von der Klägerin vorgenommene Aufforstung von 1,9 ha eine ausreichende Kompensation des Eingriffs dar. Dieser Umstand und die Darstellung im Flächennutzungsplan als Gewerbefläche mögen für sich zwar nicht ausschlaggebend sein, entkräfteten jedoch entscheidend die Beeinträchtigung des vorgenannten öffentlichen Belanges.
Gegen diesen Bescheid legte die Beigeladene Widerspruch ein. Daraufhin setzte die Bezirksregierung Lüneburg mit Bescheid vom 10. April 2000 die sofortige Vollziehung des Bescheides wieder aus. Auch bei einer geringen Breite von lediglich 10 m könne in die natürliche Eigenart der Landschaft eingegriffen werden. Es komme nicht darauf an, wie groß im Verhältnis dazu die unberührte Landschaft im übrigen sei. Diese Argumentationsweise ließe den § 35 BauGB auf Dauer leer laufen. Im übrigen werde auf die Begründung des Gerichtsbescheides des Verwaltungsgerichts in dieser Sache verwiesen. Auf jeden Fall dürfe es der Klägerin nicht zum Vorteil gereichen, dass sie vor 1988 in den Wald hinein formell und materiell baurechtswidrig einen Lagerplatz errichtet und damit Fakten geschaffen habe. Daraufhin hob der Beklagte mit Bescheid vom 9. Mai 2000 die Ersetzung des Einvernehmens wieder auf und lehnte mit hier angefochtenem Bescheid vom 18. Juli 2000 nunmehr die Erteilung einer Baugenehmigung ab. Zur Begründung wiederholte er die Ausführungen aus dem Bescheid der Bezirksregierung Lüneburg und dem Gerichtsbescheid der erkennenden Kammer.
Den gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch der Klägerin wies die Bezirksregierung Lüneburg mit Bescheid vom 10. Januar 2001 zurück. Die Betriebserweiterung beeinträchtige Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege sowie auch die natürliche Eigenart der Landschaft (§ 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB). Die Abholzung einer Waldfläche zur gewerbsmäßigen Lagerung von Baumaterial widerspreche der naturgegebenen Bodenformation. Das Anlegen eines Lagerplatzes stelle eine wesensfremde Bebauung dar, die die natürliche Eigenart der Landschaft störe. Diese gelte auch dann, wenn es sich lediglich um einen 10 m breiten Geländestreifen handele. Die von der Klägerin geleistete Aufforstung sei vorliegend nicht von entscheidender Bedeutung, da diese Kompensation an anderer Stelle erfolgt sei und damit keinen Einfluss auf die natürliche Eigenart der Landschaft an der Eingriffsstelle habe. Mit dem Einverständnis zur Kompensation sei seinerzeit auch keine Zusage verbunden oder Vertrauensschutz begründet worden, insbesondere sei eine Baugenehmigung nicht in Aussicht gestellt worden. Zu der Aufforstung sei es deshalb gekommen, weil die Klägerin damit den Aufschub des Vollzuges der Beseitigungsverfügung habe erreichen können. Die zwischenzeitliche Änderung des Flächennutzungsplans in eine GE-Fläche führe zu keinem anderen Ergebnis, da beeinträchtigte öffentliche Belange nicht durch eine Übereinstimmung des beabsichtigten Vorhabens mit den Darstellungen eines Flächennutzungsplans entkräftet werden könnten.
In der nunmehr gegen diese Bescheide erhobenen Klage wiederholt die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen.
Sie beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 18. Juli 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Lüneburg vom 10. Januar 2001 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr die beantragte Baugenehmigung zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie unterstützt das Vorbringen des Beklagten.
Der Einzelrichter der Kammer hat am 10. Juni 2002 einen Orts- und Verhandlungstermin durchgeführt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die begehrte Baugenehmigung für einen betrieblichen Lagerplatz.
Unter den Beteiligten besteht Einigkeit, dass der Lagerplatz außerhalb des förmlich festgesetzten Gewerbegebietes errichtet werden soll und dass diese Fläche planungsrechtlich dem Außenbereich zuzuordnen ist. Gemäß § 35 Abs. 1 BauGB ist im Außenbereich ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es einem der in den Ziffern 1 - 6 aufgeführten Zwecke dient. Diese Voraussetzungen für ein bevorrechtigt im Außenbereich zulässiges Vorhaben erfüllt das klägerische Vorhaben unstrittig nicht.
Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist (§ 35 Abs. 2 BauGB). Gemäß § 35 Absatz 3 Satz 1 Ziffer 5 BauGB liegt eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange insbesondere u.a. dann vor, wenn ein Vorhaben die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt. Damit verfolgt das Gesetz den Zweck, die Außenbereichsflächen in ihrer funktionellen Bestimmung für die natürliche Bodennutzung zu erhalten und sie in ihrer natürlichen Eigenart und Funktion vor dem Eindringen wesensfremder Nutzung zu schützen. Hieraus folgt jedoch nicht, dass jegliche baurechtliche Nutzung schlechthin als mit der funktionellen Bestimmung des Außenbereiches unvereinbar einzustufen ist. Der naturgegebenen Bodennutzung oder als Erholungslandschaft zu dienen, ist zwar für den Außenbereich typisch, versteht sich aber keineswegs von selbst für alle Außenbereichsflächen. Nicht jeder für eine Bebauung in Aussicht genommene Standort erhält seine Prägung durch die vorgegebene Bodennutzung oder die Erholungsrelevanz. Ist er wegen seiner natürlichen Beschaffenheit ohnehin weder für das eine noch das andere geeignet oder hat er seine Schutzwürdigkeit durch bereits erfolgte anderweitige Eingriffe eingebüßt, so kann von einer Beeinträchtigung i.S.d. § 35 Abs. 2 Ziffer 5 BauGB keine Rede sein (Schrödter, BauGB, Komm., 6. Aufl. 1998, § 35 Rdn.80 ff mit Rspr.-Nachweisen).
Nach diesen Grundsätzen beeinträchtigte die von der Klägerin Ende der 80er Jahre durchgeführte Umwandlung einer zunächst forstwirtschaftlich genutzten Fläche in einen Lagerplatz für Baustoffe die natürliche Eigenart der Landschaft. Der hier im Streit befindliche 10 m breite Streifen ist Bestandteil der seinerzeit als Lageplatz genutzten Fläche. Zwischenzeitlich ist der Lagerplatz wieder beseitigt worden, indem das Mineralgemisch entfernt und Mutterboden aufgetragen worden ist. Im Ortstermin stellte sich die ehemalige Lagerfläche als Wiese dar, in deren südlichem Bereich provisorisch ein Weg angelegt worden ist, der von den Baufahrzeugen der Klägerin genutzt wird. Dieser Weg liegt teilweise außerhalb des Plangebietes. Wie die Vertreter von Beklagtem und Beigeladener im Ortstermin übereinstimmend vorgetragen haben, wird die Anlage und Nutzung des Weges geduldet und von der Klägerin auch keine Wiederaufforstung der ohne Genehmigung beseitigten Waldfläche verlangt. Die von der Klägerin an anderer Stelle vorgenommene Aufforstung wird als ausreichende Kompensation angesehen..
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein gewerblicher Lagerplatz - auch als 10 m breiter Streifen - der „naturgegebenen Nutzung“ des Außenbereichs widerspricht und damit "wesensfremd" ist, Doch ist vorliegend die Ausnahmesituation gegeben, dass der im Streit befindliche Geländestreifen seine Schutzwürdigkeit eingebüßt hat. Davon hat sich die Kammer im Ortstermin überzeugt. Die als Lagerplatz beantragte Fläche stellt sich als provisorische Wegefläche bzw. als Brachland dar. Eine irgendwie geartete Schutzwürdigkeit sei es wegen ihres Bewuchses oder ihrer landschaftlichen Schönheit war nicht zu erkennen und wurde auch von keinem Beteiligten behauptet. Eine Beseitigung des Weges ist nicht beabsichtigt und eine Renaturierung bzw. Aufforstung der Fläche ebenfalls nicht. Der Beklagte beabsichtigt auch nicht, bauordnungsrechtlich gegen die Klägerin vorzugehen. Bei dieser Sachlage ist davon auszugehen, dass der im Streit befindliche Geländestreifen seine Schutzwürdigkeit auf Dauer eingebüßt hat, so dass ihm jedenfalls jetzt nicht mehr der öffentliche Belang „natürliche Eigenart der Landschaft“ entgegengehalten werden kann. Es steht auch nicht zu befürchten, dass eine unkontrollierte Ausdehnung der Lagerfläche in den Außenbereich erfolgen wird. Denn Bestandteil des Bauantrages ist ein Erdwall von 1,80 m Höhe, der den Lagerplatz nach Norden und Osten hin abgrenzt, so dass der Platz insgesamt – ohne Ausdehnungsmöglichkeit – in die gewerblich genutzte Betriebsfläche integriert wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. Gründe für die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor (§§ 124a Abs. 1 iVm 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO).