Finanzgericht Niedersachsen
Beschl. v. 28.01.2015, Az.: 15 K 196/14
Ablehnung der Prozesskostenhilfe (PKH) bei unvollständigen Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 28.01.2015
- Aktenzeichen
- 15 K 196/14
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2015, 18064
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2015:0128.15K196.14.0A
Rechtsgrundlagen
- § 117 Abs. 2 ZPO
- § 117 Abs. 4 ZPO
Fundstelle
- EFG 2015, 748-749
Amtlicher Leitsatz
Macht ein fachkundig vertretener Antragsteller im PKH-Bewilligungsverfahren unvollständige Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, kann der PKH-Antrag ohne ausdrücklichen Hinweis auf die Anforderungen des § 117 ZPO abgelehnt werden.
Tenor:
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Die Entscheidung ergeht kostenfrei.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für die Durchführung eines beabsichtigten Klageverfahrens. In dem beabsichtigten Rechtsstreit beabsichtigt der Antragsteller, eine gegenüber der Deutschen Rentenversicherung (DRV) ausgebrachte Pfändungs- und Einziehungsverfügung in Gestalt der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung anzufechten. Ferner beabsichtigt der Antragsteller, die Aufhebung einer vom Finanzamt (FA) nach § 319 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. 850c Abs. 4 der Zivilprozessordnung (ZPO) getroffenen Anordnung zu beantragen, nach der die Ehefrau des Antragstellers (F) bei der Ermittlung des unpfändbaren Teils der Altersrente wegen eigener Einkünfte in vollem Umfang unberücksichtigt bleibt.
Das FA brachte am 28. Mai 2013 gegenüber der DRV zur Beitreibung von Abgabenrückständen in Höhe von rd. 335.000 € eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung aus. Durch diese Verfügung ordnete das FA u.a. an:
"Gem. § 850c Abs. 4 ZPO sind 48,54 % des Differenzbetrages zwischen pfändbarem Betrag bei keiner unterhaltsberechtigten Person und bei einer unterhaltsberechtigten Person als pfändbarer Betrag zu berücksichtigen, da die Ehefrau über ein Nettoeinkommen in Höhe von ca. 500,00 Euro verfügt, so dass sie teilweise bei der Ermittlung des unpfändbaren Betrages unberücksichtigt zu lassen ist ..."
Den gegen die Verfügungen vom 28. Mai 2013 am 12. März 2014 eingelegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 6. August 2014 - die mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehen ist und am 7. August 2014 mit einfachem Brief zur Post aufgegeben wurde - als unbegründet zurück.
Mit Schreiben vom 6. August 2014 forderte das FA die DRV auf, F gemäß § 850c Abs. 4 ZPO bei der Berechnung des Pfändungsfreibetrages aufgrund eigener Einkünfte mit sofortiger Wirkung in voller Höhe unberücksichtigt zu lassen. Eine Abschrift dieses Schreibens, das der DRV zugestellt wurde, übersandte das FA dem Antragsteller am 14. August 2014 mit einfachem Brief. Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller am 22. Januar 2015 beim FA Einspruch ein. Zugleich beantragte er, die Vollziehung des Bescheides für das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren von der Vollziehung auszusetzen. Über den Einspruch und den Aussetzungsantrag hat das FA bislang nicht entschieden.
Am 19. August 2014 hatte der Antragsteller beim Niedersächsischen Finanzgericht (FG) die Bewilligung von PKH für ein beabsichtigtes Klageverfahren ("um im Falle deren Gewährung Klage zu erheben") beantragt. Auf Aufforderung des Berichterstatters ... legte der Antragsteller, nunmehr vertreten durch den Prozessbevollmächtigten, am 26. September 2014 auf amtlichem Vordruck die "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe" vor. Im Abschnitt "G Bankkonten/Grundeigentum/Kraftfahrzeuge/Bargeld/ Vermögenswerte" trug der Antragsteller unter "1. Bank-, Giro-, Sparkonten oder dergleichen? Angaben zu allen Konten sind auch bei fehlendem Guthaben erforderlich." handschriftlich ein:
"Allein B-Bank Q
Kontonummer 123
F: D-Bank
Kontonummer 456".
Die Erklärung wurde vom Antragsteller unterschrieben.
Am 27. August 2014 hat sich der Antragsteller mit dem weiteren Begehren an das Gericht gewandt, die Pfändungs- und Einziehungsverfügung und die geänderte Anordnung nach § 850c Abs. 4 ZPO vom 6. August 2014 von der Vollziehung auszusetzen und ihm für das Aussetzungsverfahren 15 V 208/14 PKH zu bewilligen.
Der Antragsteller beantragt,
ihm zur Durchführung eines beabsichtigten Klageverfahrens wegen Pfändungs- und Einziehungsverfügung PKH unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten zu bewilligen.
Das FA misst dem PKH-Gesuch keine Erfolgsaussichten zu.
Aufgrund eines Kontenabrufersuchens hat das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) das FA am 19. September 2014 u.a. darüber in Kenntnis gesetzt, dass der Antragsteller Inhaber eines von der C-Bank geführten Kontos ist. Auf eine am 13. Oktober 2014 ausgebrachte Pfändungs- und Einziehungsverfügung hat die C-Bank dem FA in ihrer Drittschuldnererklärung mitgeteilt, die gepfändete Forderung anzuerkennen. Zum Zeitpunkt der Pfändung hätten Forderungen des Antragstellers gegen die Drittschuldnerin in Höhe von rd. 70.000 € bestanden. ... Die C-Bank hat den gepfändeten Betrag an das FA ausgezahlt.
Das FA hat das Gericht im Verfahren 15 V 208/14 mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2014 über die erfolgreiche, gegenüber der C-Bank ausgebrachte Pfändungs- und Einziehungsverfügung in Kenntnis gesetzt. Aufgrund der Verfügung des Berichterstatters vom 31. Oktober 2014 ist dieser Schriftsatz dem Prozessbevollmächtigten zur Kenntnisnahme übersandt worden.
Mit Beschluss vom 28. Januar 2015 15 V 208/14 hat der Senat den Aussetzungsantrag abgelehnt; wegen der Einzelheiten der Sach- und Rechtslage wird auf die Gründe dieser Entscheidung Bezug genommen. Mit weiterem Beschluss vom 28. Januar 2015 15 V 208/14 (PKH) hat der Senat den für das Aussetzungsverfahren gestellten PKH-Antrag abgelehnt.
II.
Die Bewilligung von PKH für das beabsichtigte Klageverfahren war wegen unrichtiger Angaben des Antragstellers in der eingereichten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu versagen.
1. Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 114 Abs. 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. In dem Antrag auf Bewilligung von PKH ist das Streitverhältnis darzustellen.
a) Die Rechtsverfolgung verspricht hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn bei summarischer Prüfung für seinen Eintritt eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Insgesamt dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden. Für die Gewährung der PKH kommt es wesentlich darauf an, ob bei summarischer Prüfung und Würdigung der wichtigsten Tatumstände der vom Antragsteller begehrte Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat, eine abschließende Prüfung der Erfolgsaussichten ist insoweit jedoch nicht erlaubt (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. September 2013 III S 21/13 [PKH], BFH/NV 2014, 43, m.w.N.).
Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine PKH beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht (§ 114 Abs. 2 ZPO).
Nach § 117 Abs. 2 ZPO sind dem Antrag auf PKH eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. Da das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) Vordrucke für die Erklärung eingeführt hat, muss sich die Partei ihrer bedienen (§ 117 Abs. 4 ZPO). Sie muss den Erklärungsvordruck insbesondere vollständig ausfüllen und mit ihrer Unterschrift ausdrücklich die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben versichern. Ist der Vordruck in wesentlichen Punkten unvollständig ausgefüllt und können die Lücken auch nicht durch beigefügte Anlagen, die vergleichbar übersichtlich und klar sind, geschlossen werden, ist der Antrag auf PKH abzulehnen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 2. Juli 1998 IX B 37/98, BFH/NV 1999, 190, m.w.N.; vom 17. Januar 2001 XI B 76-78/00, BFH/NV 2001, 803). Bei einem - wie im Streitfall - anwaltlich vertretenen Antragsteller muss das Gericht auch nicht auf das verfahrensrechtliche Erfordernis des § 117 Abs. 2 und 4 ZPO hinweisen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 2. November 1999 X B 51/99, BFH/NV 2000, 581, m.w.N.; in BFH/NV 2001, 803).
b) Nach diesen Maßstäben war der PKH-Antrag des Antragstellers abzulehnen.
aa) Der Antragsteller hat zwar auf Aufforderung des Berichterstatters am 26. September 2014 auf amtlichem Vordruck die von § 117 Abs. 2 ZPO geforderte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt. Auch hat er in einer der Bestimmung des § 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO genügenden Weise das Streitverhältnis dargestellt.
Der Antragsteller hat jedoch im Formular "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe" durch den Eintrag "Allein B-Bank Q" zu seinen Bank- bzw. Sparkonten unvollständige und unwahre Angaben gemacht. Das seinerzeit noch vorhandene Sparguthaben bei der C-Bank in Höhe von rd. 70.000,00 € geht auch nicht aus den der Erklärung beigefügten Unterlagen hervor. Damit hat der Antragsteller dem für die Entscheidung über das PKH-Gesuch zuständigen Prozessgericht das seinerzeit noch vorhandene, der Höhe nach für die Entscheidung über das Gesuch nicht nur unerhebliche Sparguthaben verschwiegen.
Da die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse als Anlage zum Anwaltsschriftsatz vom 26. September 2014 eingereicht und der Prozessbevollmächtigte im Verfahren 15 V 208/14 durch den Schriftsatz des FA vom 27. Oktober 2014 auf die erfolgreiche Pfändung gegenüber der C-Bank und somit über die unrichtigen Angaben in der Erklärung hingewiesen worden war, konnte der Senat den PKH-Antrag ohne weitere Hinweise ablehnen.
bb) Ohne dass es wegen der unwahren und unvollständigen Angaben des Antragstellers in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse noch auf die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage ankommt, können der beabsichtigten Anfechtung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 28. Mai 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. August 2014 und des weiteren Bescheides vom 6. August 2014 bei summarischer Betrachtung keine hinreichenden Erfolgsaussichten zugemessen werden.
Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung ist wegen Ablaufs der nach § 47 Abs. 1 FGO einmonatigen Klagefrist in Bestandskraft erwachsen. Mit dem Schriftsatz vom 19. August 2014 hat der Antragsteller nur für ein beabsichtigtes Klageverfahren die Bewilligung von PKH beantragt, nicht aber Klage erhoben. Da der Antragsteller wegen der unrichtigen Angaben in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse keinen ordnungsgemäßen PKH-Antrag gestellt hat und nicht wegen Mittellosigkeit an der rechtzeitigen Klageerhebung gehindert war, kommt eine Wiedereinsetzung in die abgelaufene Frist nach § 56 FGO nicht in Betracht. Auf Ziffer II. 2. a der Gründe des Beschlusses vom 28. Januar 2015 15 V 208/14 wird verwiesen.
Soweit auch der weitere Bescheid vom 6. August 2014 angefochten werden soll, ist die beabsichtigte Klage unzulässig. Da das FA über den am 22. Januar 2015 eingelegten Einspruch noch nicht entschieden hat, ist entgegen den Anforderungen des § 44 Abs. 1 FGO ein Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf jedenfalls bislang nicht ganz oder teilweise erfolglos geblieben. Einer der Ausnahmetatbestände der §§ 45, 46 FGO liegt im Streitfall nicht vor. Eine Sprungklage nach § 45 FGO ist deshalb nicht gegeben, weil der Antragsteller gegen die geänderte Anordnung vom 6. August 2014 am 22. Januar 2015 Einspruch eingelegt hat (vgl. Gräber/von Groll, FGO, 7. Aufl., § 45 Rz 7, m.w.N.).
2. Eine Kostenentscheidung brauchte nicht zu ergehen, weil das Gerichtskostengesetz (GKG) für das Verfahren wegen der Bewilligung von PKH keinen Kostentatbestand vorsieht und die dem Gegner des Hauptsacheverfahrens ggf. entstandenen Kosten nicht erstattungsfähig sind (§ 142 FGO i. V. m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO).