Landgericht Hannover
Urt. v. 25.11.2004, Az.: 45c 58/02

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
25.11.2004
Aktenzeichen
45c 58/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 42609
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2004:1125.45C58.02.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Springe - 06.12.2001

In der Strafsache

gegen

Ernst August Prinz von Hanno

Herzog zu Braunschweig und Lüneburg,

königlicher Prinz von Großbritannien und Irland,

geboren am 26. Februar 1954 in Hannover, wohnhaft: Rue de l'Eglise, F 77350 Le Mee-Sur-Seine,

wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.

hat die 9. kleine Strafkammer des Landgerichts Hannover auf die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts in Springe vom 06.12.2001 (hinsichtlich des Angeklagten zugleich über die ebenfalls eingelegte sofortige Beschwerde gegen den Beschluss über die Auferlegung der notwendigen Auslagen der Nebenklage und über die Beschwerde gegen den Bewährungsbeschluss) in der Sitzung vom 25. November 2004, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Landgericht Krüger als Vorsitzender,

Peter Warner, Hannover, Ursula Walter, Hameln, als Schöffen,

Oberstaatsanwalt Dr. Gundlach als Beamter der Staatsanwaltschaft,

Rechtsanwalt Dr. Heidemeier, Stolzenau, als Verteidiger,

Josef B., als Nebenkläger,

Rechtsanwalt Dr. Reinelt, München,

Rechtsanwalt Kiefer, München,

als Nebenklägervertreter,

Justizangestellte Engel

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Das angefochtene Urteil und der Beschluss über die Auferlegung der notwendigen Auslagen der Nebenkläger auf den Angeklagten werden aufgehoben.

  2. Der Angeklagte wird wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 178 Tagessätzen verurteilt. Der Tagessatz beträgt 2 500,00 €.

  3. Soweit dem Angeklagten darüber hinaus eine Beleidigung in fünf rechtlich selbständigen Fällen vorgeworfen wird, wird das Verfahren wegen des Vorliegens eines Verfahrenshindernisses eingestellt.

  4. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens, soweit er verurteilt worden ist.

  5. Insoweit fallen ihm auch die notwendigen Auslagen des Nebenklägers B. zur Last.

  6. Darüber hinaus trägt er auch die Verfahrenskosten, soweit das Verfahren wegen des Vorfalls zum Nachteil der Geschädigten Brauer eingestellt ist, sowie die der Geschädigten Brauer entstandenen notwendigen Auslagen.

  7. Soweit das Verfahren wegen des Vorwurfs der Beleidigung zum Nachteil der Geschädigten Berger und Dr. Martin eingestellt ist, tragen diese die sie betreffenden Verfahrenskosten und die insoweit dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen.

  8. Die Kosten und gerichtlichen Auslagen des Adhäsionsverfahrens der Antragstellerin Brauer sowie die dadurch entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten und der Antragstellerin trägt der Angeklagte.

Gründe

1

Durch das angefochtene Urteil ist der Angeklagte wegen vorsätzlicher Körperverletzung, wegen gefährlicher Körperverletzung und wegen Beleidigung in fünf Fällen (davon in einem Fall in zwei tateinheitlichen Fällen) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, verurteilt worden. Im Übrigen (vom Vorwurf der Beleidigung und Bedrohung zum Nachteil des Nebenklägers B.) ist er freigesprochen worden. Nach der Urteilsverkündung ist durch gesonderten Beschluss angeordnet worden, dass der Angeklagte auch die notwendigen Auslagen der (damaligen) Nebenkläger zu tragen habe.

2

Gegen dieses Urteil haben sowohl der Angeklagte wie auch die Staatsanwaltschaft rechtzeitig Rechtsmittel eingelegt: Der Angeklagte hat Revision gegen das Urteil, Beschwerde nach § 305a StPO gegen den Bewährungsbeschluss und sofortige Beschwerde gegen den Beschluss über die Auferlegung der notwendigen Auslagen der Nebenklage eingelegt. Die Staatsanwaltschaft hat Berufung eingelegt. Diese Berufung führt dazu, dass auch das Rechtsmittel des Angeklagten als Berufung zu behandeln war.

3

Beide Berufungen hatten teilweise Erfolg. Über die Beschwerden des Angeklagten brauchte nicht entschieden zu werden, da sie gegenstandslos sind.

4

Der Angeklagte ist Deutseher. Er hatte seinen letzten deutschen Wohnsitz in Pattensen, wohnt jetzt aber in Frankreich. Er ist gelernter Landwirt. Seinen Lebensunterhalt bestreitet er aus dem Einkommen seines über die ganze Welt verstreuten Besitzes. Er ist einmal geschieden. Aus der Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen. Seit 1999 ist er erneut verheiratet. Aus dieser Ehe gibt es ein Kind.

5

Der Angeklagte ist in Deutschland noch nicht bestraft.

6

Es mussten aber bereits mehrfach Strafverfahren gegen ihn geführt werden, wenn diese auch nicht zu einer Verurteilung führten:

7

Gegenstand des Verfahrens 850 Js 2234/98 StA Hannover war eine Körperverletzung am 11.1.1998. Geschädigt war der Journalist T., der vor und auf dem Gehöft des Hausgutes C. des Angeklagten durch diesen mit Faustschlägen und Fußtritten sowie Schlägen mit dem Regenschirm verletzt wurde, was zur Folge hatte, dass der Geschädigte mehrere Platzwunden am Kopf, Schocksymptome und einen Nasenbeinbruch davon trug. Dieses Verfahren ist von der Staatsanwaltschaft am 30.7.1998 gemäß § 153a StPO vorläufig eingestellt worden. Nachdem die Auflage - Zahlung, von 90 000,00 DM - erfüllt wurde, ist das Verfahren am 28.10,1998 für erledigt erklärt.

8

Gegenstand des Verfahrens 850 Js 64781/99 StA-Hannover war der Vorwurf einer Körperverletzung, einer Nötigung und eines Diebstahls am 11.8.1999 auf der K. im österreichischen A. zum Nachteil des Foto-Journalisten Michaelis. Hier war dem Angeklagten vorgeworfen worden, veranlasst zu haben, dass durch seine Leibwächter Schläge ausgeteilt wurden, dem Geschädigten der Rucksack mit Fotoausrüstung (zumindest vorübergehend) und ein Fotochip für eine Digitalkamera endgültig weggenommen wurde. Dieses Verfahren ist von der Staatsanwaltschaft am 31.1.2000 gemäß § 154 StPO im Hinblick auf das damalige Verfahren 850 Js 2969/00 StA Hannover eingestellt worden. Dieses Verfahren betraf das hier zu beurteilende Verfahren zum Nachteil des Nebenklägers B.

9

3. Auch nach dem in erster Instanz ergangenen Urteil des Amtsgerichts Springe vom 6.12.2001 ist eine neue Körperverletzung aktenkundig geworden:

10

In dem Verfahren 10 U 35/03 h des Bezirksgerichts Bludenz in Österreich hat die Staatsanwaltschaft Feldkirch in Österreich am 21.3.2003 einen Bestrafungsantrag gegen den Angeklagten gestellt mit dem Vorwurf einer vorsätzlichen Körperverletzung am 21.2.2003 in Z. am A. zum Nachteil des Ingenieurs M. Der Angeklagte soll dabei mehrere Fußtritte gegen das Gesäß und gegen die Beine des Geschädigten abgegeben haben. Dieses Verfahren ist vom Bezirksgericht Bludenz am 26.3.2003 gemäß § 90c Abs. 4 StPO (entsprechend § 153a deutscher StPO) vorläufig eingestellt, worden gegen die Auflage einer Geldbuße von 10 000,00 € und der Zahlung eines (Teil-) Schmerzensgeldes von 500,00 € an den Geschädigten. Nach Nachweis der Zahlung dieser Geldbeträge ist das Verfahren vom Bezirksgericht Bludenz am 15.4.2003 endgültig eingestellt worden.

11

4. Zusätzlich lief bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main noch ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der falschen Versicherung an Eides statt (3650 Js 208053/02 StA Frankfurt am Main). Hier bestand der Vorwurf, dass der Angeklagte durch seinen Rechtsvertreter in dem Verfahren 2-3 O 118/00 Landgericht Frankfurt am Main am 22.2.2000 eine falsche eidesstattliche Versicherung eingereicht habe, in der er der Wahrheit zuwider angegeben habe, den Geschädigten B. nur einmal links und einmal rechts ins Gesicht geschlagen zu haben. Dieses Verfahren ist durch Verfügung vom 2.4.2003 mit der Begründung eingestellt worden, das Amtsgericht Springe habe in dem hier vorliegenden erstinstanzlichen Urteil nur einen Schlag festgestellt, die eidesstattliche Versicherung des Angeklagten müsse also nicht falsch sein.

12

Diese Feststellungen sind vom Verteidiger bestätigt worden; hinsichtlich des unter Ziff. 3 genannten Verfahren sind die Feststellungen getroffen worden durch den verlesenen Bestrafungsantrag der Staatsanwaltschaft Feldkirch zu dem Verfahren 16 K 35/03 vom 21.03,2003, der verlesenen Mitteilung des Bezirksgerichts Bludenz vom 26.03.2003 gem. § 90c Abs. 4 österr. StPO (entsprechend der vorläufigen Einstellung gem. § 153a StPO) und dem verlesenen Beschluss über die endgültige Verfahrenseinstellung am 15.04.2003.

13

1. Dem Angeklagten ist in dem angefochtenen Urteil vorgeworfen worden, am 18. und 19.6.2000 in Hannover eine Beleidigung in vier Fällen, davon in einem Fall in zwei tateinheitlichen Fällen begangen zu haben. Aufgrund des durch den Verteidiger in erster Instanz abgegebenen Geständnisses war insoweit in dem angefochtenen Urteil festgestellt worden:

"1. Am 18.6.2000 gegen 16.10 Uhr rief der Angeklagte die Frau Ann-Katrin Berger, Leiterin der BILD-Redaktion in Hannover, an und titulierte sie als "Arschloch und Superarsch", das "von innen seitlich gefickt werde".

2. Nachdem Frau Berger dieses Telefonat beendet hatte, rief der Angeklagte sie erneut an. Diesmal titulierte er die Frau Berger als "fettes Arschloch", "Schwein" und "Parasit". Zudem äußerte der Angeklagte, dass "deren Fotze und dreckiges Arschloch gefickt würden, deren Fotze so sehr stinke, dass sie im Puff keiner ficke und dass sie ein Stück Dreck sei". Ferner bezeichnete der Angeklagte in diesem zweiten Telefonat mit der Frau Berger den Herrn Dr. Martin, damals stellvertretender Chefredakteur der BILD-Zeitung, als "Schwein", "Superschwein" und "Schwulen", der "Uniformen sammele und nackt darin liege".

Nach diesem zweiten Telefonat rief der Angeklagte erneut gegen 16.30 Uhr die BILD-Redakteurin Berger an und nannte sie "größtes Arschloch und ein Stück Dreck".

In einem weiteren am 19.6.2000 gegen 22.00 Uhr geführten Telefonat mit der Frau Berger von der BILD-Zeitung bezeichnete der Angeklagte diese als "alte Fotze", "Stück Dreck", "Stück Scheiße und Arschloch".

2. Darüber hinaus ist ihm vorgeworfen worden, am 26.8.1999 in Salzburg/Österreich eine weitere Beleidigung begangen zu haben.

In dem angefochtenen Urteil ist dazu festgestellt:

Als die Zeugin den Angeklagten erblickte, ging sie auf ihn zu und fragte ihn, ob sie ihn fotografieren dürfe u.a. mit seiner Ehefrau und dem Ehepaar Sachs. Die Fotoaufnahme sollte in der Hotelbar erfolgen.

Der Angeklagte belegte die Zeugin mit den Worten "Piss off, Kick her out (Verpiss Dich, schmeißt Sie raus)."

14

3. Für alle fünf Fälle der Beleidigung lagen bei der amtsgerichtlichen Verhandlung und Verurteilung die dafür nach § 194 StGB erforderlichen Strafanträge vor.

15

Diese Strafanträge sind jedoch seitdem sämtlich zurückgenommen worden, und zwar von Frau B. 25.8.2004, von Herrn Dr. Martin am 19.11.2004 und von Frau B. 18.11.2004.

16

Damit fehlt es jetzt in allen Fällen an einer erforderlichen Prozessvoraussetzung. Das Verfahren für diese fünf Fälle der Beleidigung musste deshalb eingestellt werden.

17

4.

Soweit darüber hinaus dem Angeklagten vorgeworfen worden war, eine gefährliche Körperverletzung zum Nachteil der oben bereits erwähnten Geschädigten Brauer dadurch begangen zu haben, dass er sie, nachdem sie sich auf die Beleidigung hin bereits umgedreht und abgewandt hatte, mit dem Schuh ins Gesäß getreten habe, ist dieses Verfahren - nachdem der Verteidiger insoweit ein Geständnis abgelegt hatte und der rechtliche Hinweis erfolgt war, dass es sich bei diesem Tritt nur um eine "einfache" vorsätzliche Körperverletzung gem. § 223 StGB handele- gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden.

18

iv:

19

Am 14.1.2000 gegen 23.30 Uhr war der als Zeuge gehörte Nebenkläger B. mit einem Boot zu dem Strand vor dem P. Hotel (und u.a. einem Haus des Angeklagten) auf der vor Kenia liegenden Insel L. gefahren. Der Grund dieser Fahrt waren Streitigkeiten wegen angeblicher Lärmbelästigung, die von der von dem Nebenkläger auf der Insel L. betriebenen Beacht-Bar ausgehen sollten. Es sollte deshalb der Geräuschpegel zur Nachtzeit gemessen werden. Dazu befanden sich auf dem Boot außer dem Nebenkläger und dem als Zeugen vernommenen Bootsführer Ali K.B. u.a. der ebenfalls als Zeuge vernommene Architekt John M., der die Lärmmessungen durchführen sollte, und der vom Amtsgericht als Zeuge vernommene stellvertretende Direktor des Ministeriums für Arbeit in Nairobi, K.M., der die Messungen beaufsichtigen sollte.

20

Nachdem das Boot am Strand in der Nähe des P. Hotels angelegt hatte, sollten die Messgeräte aufgebaut werden. Bevor dies jedoch geschehen war, stürmte plötzlich der Angeklagte mit einer Schar von etwa zehn Einheimischen (also Schwarzen) den Weg aus Richtung des P. Hotels auf den Strand zu. Als sie die Gruppe um den Nebenkläger erreicht hatten, rief einer der Afrikaner - offensichtlich den Nebenkläger meinend - "Here he is", worauf der Angeklagte den Befehl gab "Hold him". Auf diesen Befehl hin hielt einer seiner Begleiter den Nebenkläger schräg von hinten. Dem so Festgehaltenen schlug der Angeklagte nun mindestens fünf Mal mit der Hand gegen den Oberkörper. In oder an seiner Hand hatte der Angeklagte dabei eine Art Schlagring, den er gezielt für diese Schläge nutzte.

21

Die Schläge waren äußerst schmerzhaft und führten zunächst zu folgenden äußerlich sichtbaren Folgen:

22

Beim Schlüsselbein links entstand eine deutliche Schwellung, im Bauchraum trug der Verletzte deutliche Verletzungen mit Schürfwunden davon, am Rippenbogen links erlitt er Abschürfungen in der Größe eines (alten) Fünf-DM-Stücks,

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Die Schläge führten aber auch zu inneren Verletzungen, und zwar zu Rippenbrüchen links. Die dadurch entstehenden Bruchstücke der Rippe spießten dann die Lunge links an. Diese Verletzung war zwar (noch) nicht konkret lebensbedrohlich, aber potentiell. Als äußerlich sichtbare Folge dieser inneren Verletzungen begann der Nebenkläger Blut zu erbrechen. Der Rippenbruch am linken Rippenbogen ist heute noch in der Form einer deutlichen Schwellung zu erkennen. Diese Schläge wurden so brutal von dem Angeklagten ausgeführt, dass der Nebenkläger, der nach dem ersten Schlag bereits zu Boden gegangen war, um sein Leben fürchtete. Er befürchtete, der Angeklagte wolle ihn totschlagen. Letztendlich zogen die Begleiter des Angeklagten, die jetzt wohl Ähnliches befürchteten, den Angeklagten vom Nebenkläger weg. Während dieser Schläge wehrte sich der Nebenkläger nicht. Er schlug nicht ein einziges Mal zurück. Sobald es ihm möglich war, flüchtete er zu dem wartenden Boot, auf das sich die übrige Gruppe seiner Begleiter schon geflüchtet hatte. Das Boot startete, so dass der Angeklagte, der ihnen gefolgt war, sie nicht erreichen konnte. Der Angeklagte rief dem Nebenkläger lediglich hinterher: "Du deutsches Schwein. Du schwules Schwein. Du Zuhälter. Ich hetze eine Mafiabande auf Dich, die Dich in Stücke schneidet".

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Das Boot fuhr nun wieder zurück zu dem etwa 1,5 Kilometer entfernten Beach-club und Restaurant des Angeklagten auf Manda. Dort wurde der Nebenkläger hingebracht. Dabei musste er sich mehrfach übergeben und spuckte auch Blut. Wegen dieser Erscheinungen wurde der Nebenkläger zwar zunächst nur zu seinem dortigen Betrieb gebracht. Da er aber fortwährend blutete und Blut spuckte, wurde er schon nach wenigen Minuten nach L. ins dortige "New Palace Hotel X." gebracht. Auch dort übergab er sich mehrfach und erbrach Blut. In diesem Hotel wurde er zunächst von zwei Ärzten untersucht, nämlich von dem klinischen Arzt im Ruhestand Ahmed Said Ahmed und dem als Zeugen gehörten A.S. Eine Angestellte des Nebenklägers, die in erster Instanz vernommene J.R., fotografierte den Nebenkläger, um so die sichtbaren Verletzungen zu dokumentieren. Weil der Nebenkläger weiterhin Blut erbrach, wurde er schließlich in das Krankenhaus von M. verlegt, wo ihn der Chirurg Dr. Y. untersuchte.

25

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte während seiner Schläge auf den Nebenkläger so alkoholisch beeinflusst war, dass er lediglich vermindert schuldfähig im Sinne des § 21 StGB war.

26

V.

Der Angeklagte hat den Sachverhalt durch Erklärung seines Verteidigers zunächst teilweise eingeräumt und dazu folgende Erklärung abgeben lassen:

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Am 14. Januar 2000 ist mein Mandant mit mehreren Personen auf Herrn B. zugestürmt. Er war auf ihn zornig und hatte erheblich getrunken. In dieser Situation hat er Herrn B. nach seiner Erinnerung zwei Ohrfeigen versetzt. Aufgrund seiner alkoholisiert gesteigerten Erregung kann mein Mandant nicht ausschließen, Herrn B. Verletzungen zugefügt zu haben. Er kann auch nicht ausschließen, dass ihm zuvor einer seiner Begleiter einen Gegenstand in die Hand gedrückt hatte. Mein Mandant bedauert den Vorfall.

28

In Ergänzung hierzu hat der Verteidiger auf das Plädoyer der Staatsanwaltschaft, in dem der Sachverhalt ebenso wie später vom Gericht und jetzt im Urteil festgestellt wurde, erklärt, er könne nach der Beweisaufnahme nicht ausschließen, dass sich der Sachverhalt so zugetragen habe.

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Zu der von der zunächst abgegebenen Erklärung des Angeklagten abweichenden bzw. darüber hinausgehenden Feststellung des Sachverhalts hat Folgendes geführt:

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Dass der Angeklagte mit mehreren Begleitern auf den Nebenkläger zugestürmt und ihn geschlagen hat, ergibt sich sowohl aus der Bekundung des Nebenklägers wie aus den Aussagen der Zeugen A.K.B. und John M. sowie der jetzt verlesenen in der 1. Instanz protokollierten Aussage des K.M. Der Nebenkläger B. hat dazu bekundet, der Angeklagte sei mit einer Schar von etwas mehr als zehn Leuten auf seine Gruppe zugestürzt. Einer der Afrikaner habe gerufen "Here he is" und der Angeklagte habe daraufhin gerufen "Hold him". Der Afrikaner, der etwa auf gleicher Höhe mit dem Angeklagten gelaufen sei, hätte den Nebenkläger daraufhin von schräg hinten ergriffen und ihn festgehalten. Der Angeklagte habe dann den ersten schweren Schlag mit der rechten Hand aus vollem Lauf direkt auf seine Brust geschlagen. Er sei nach hinten gefallen und habe sich überschlagen. Der Angeklagte habe einen weiteren harten Schlag auf den Magen gelandet und dann erneut wiederum auf den äußersten Rippenbügen links und auf das Schlüsselbein. Der Angeklagte habe zumindest zehn bis fünfzehn Mal auf ihn eingeschlagen. Er habe bemerkt, dass der Angeklagte bei diesen Schlägen etwas in der Hand gehabt habe. Dabei habe er sich dann sogar auf ihn gesetzt. Er habe den Eindruck gehabt, dass der Angeklagte ihn habe totschlagen wollen und habe deshalb Angst um sein Leben gehabt. Diese Befürchtung hätten dann wohl auch die Begleiter des Angeklagten bekommen und diesen deshalb von ihm herunter- und weggezogen. Nachdem er - der Nebenkläger - habe flüchten und das Boot rechtzeitig vor dem Angeklagten erreichen können, habe der Angeklagte ihm noch die in den Feststellungen wiedergegebenen Worte zugerufen.

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Dass diese Bekundung insoweit richtig ist, dass der Angeklagte auf den Nebenkläger eingeschlagen hat, ergibt sich aus den Bekundungen des dazu gehörten Bootsführers B. und des Architekten M. Beide haben insoweit übereinstimmend bekundet, dass ein "weißer Mann" mit einer Gruppe von Männern auf sie zugekommen sei und die weiße Person auf B. eingeschlagen habe. Dass dieser "weiße Mann" ein anderer als der Angeklagte sein kann, ist insbesondere nach der Erklärung durch den Verteidiger ausgeschlossen.

32

Dass der Nebenkläger dabei Verletzungen erlitten hat, ergibt sich aus den verlesenen ärztlichen Attesten des Chirurgen Dr. Y. und des klinischen Arztes im Ruhestand Ahmed Said Ahmed.

33

Die Bescheinigung des Dr. Y, der den Nebenkläger im Mombasa-Krankenhaus untersucht hat, lautet folgendermaßen:

"Herr B. wurde in das Mombasa-Krankenhaus am 15.1.00 eingeliefert, nachdem er durch Menschen angegriffen worden war, die ihm bekannt waren. Dies geschah in X. und er wurde mit dem AAR-Gesundheitsdienst zu uns geflogen.

Er erlitt schwere Brustwand- und Unterleibsverletzungen. Bei der Aufnahme erbrach er Blut und befand sich in einem Zustand des Schocks. Der Blutdruck war 140/80 mmHg und der Puls betrug 100/Minute. Er hatte offensichtlich Schmerzen.

Brustwand

1. Eine große Schwellung mit oberflächlichen Abschürfungen (etwa 6 × 6 cm groß) befand sich unter dem linken Schlüsselbein. Es gab Abschürfungen über dem "Xyphisternum" mit deutlicher Empfindlichkeit.

Es gab nahezu symmetrische Quetschungen mit abgeschürfter Haut über den Distal-Rippenrändern und dem oberen Epigastrium. Die linke Quetschung betrug 4 × 3 cm und die rechte 3 × 3 cm.

Der Nacken war leicht steif und recht empfindlich.

Es gab keine Prellungen auf dem Boden.

Unterleib

Der Unterleib war empfindlich über dem Epigastrium. Es gab jedoch keine Starrheit oder freie Flüssigkeit. Es gab keine Unterleibsmassen."

34

Der klinische Arzt im Ruhestand Ahmed Said Ahmed hätte zuvor den Nebenkläger im Hotel kurz nach 2.00 Uhr untersucht und dabei festgestellt, "dass Herr Josef B. Verletzungen hatte, die sich im linken Schlüsselbein in der Mitte befanden, dass er ein Hämatom hatte und Verletzungen am linken und rechten unteren Rippenrand und im Magenbereich. Der Angreifer muss einen stumpfen Gegenstand verwendet haben, der zu Prellungen und Risswunden führte." Die äußerlich sichtbaren Folgen des Angriffs ergeben sich auch aus den in Augenschein genommenen Fotos von den Verletzungen des Nebenklägers.

35

Diese Fotos hat die in erster Instanz als Zeugin vernommene J.R. gemacht, wie sich aus ihrer verlesenen erstinstanzlichen Zeugenaussage ergibt. Auf diesen Fotos sind die wiedergegebenen Verletzungsfolgen zu erkennen.

36

Dass diese Verletzungen und die Schilderung des Nebenklägers ebenso wie die Atteste der dortigen Ärzte zu vereinbaren sind, hat der als Sachverständige gehörte Professor Dr. T..., der Direktor des Instituts für Rechtsmedizin der MHH, bekundet. Er hat zu den Fotos konkret gesagt, dass an dem Schlüsselbein links eine deutliche Schwellung zu erkennen sei. Dies deute auf einen Schlag hin. Im Bauchraum sei eine deutliche Verletzung mit Schürfwunden zu erkennen. Am Rippenbogen links seien größere Abschürfungen, in der Größe eines Fünf-DM-Stücks; zu erkennen. Zu der Frage, wie häufig geschlagen worden sei, ergäben die Verletzung im Bauchraum und am Schlüsselbein je einen Schlag. Die Abschürfungen am Rippenbogen links hätten jedoch unterschiedliche Richtungen der Abschürfungen. Dort seien mindestens drei weitere Schläge erfolgt. Daraus schließe er - der Sachverständige -, dass zumindest fünf Schläge anhand der Verletzungen konkret feststellbar seien. Dieser Ansicht ist die Kammer zu Gunsten des Angeklagten gefolgt, auch wenn nicht auszuschließen ist, dass entsprechend den Angaben des Nebenklägers mehr Schläge erfolgt sein können; Der Sachverständige hat weiter ausgeführt, dass schon die deutliche Verletzung mit Schürfwunde im Bauchraum darauf hindeute, dass ein Werkzeug benutzt worden sei. Insbesondere die großen Abschürfungen am Rippenbogen links seien aber so gestaltet, dass sie mit einer bloßen Faust nicht verursacht sein können. Es müsse ein "halbscharfes Werkzeug" benutzt worden sein. Als solches halbscharfe Werkzeug käme etwa ein Schlagring in Frage oder etwa auch ein ungewöhnlich auffallender großer Ring, der fast die ganze Hand bedeckt. Die Kammer geht davon aus, dass ein solcher Ring ausscheidet und stattdessen ein Schlagring benutzt worden ist. Dies deckt sich im Übrigen ja auch mit der Erklärung des Angeklagten. Dabei geht die Kammer nicht davon ausgeht, dass der Angeklagte nicht wusste, was er in der Hand hatte.

37

Dass diese Schläge zu Rippenbrüchen führten, die die Lunge verletzten, ergibt sich ebenfalls aus den Bekundungen des Sachverständigen, die dieser insoweit teilweise als sachverständiger Zeuge abgegeben hat. Der Sachverständige hatte vor Beginn der Berufungshauptverhandlung den Nebenkläger wegen des Verdachts eines Herzinfarktes untersucht. Eine der Ursachen des Herzinfarkts kann nach der Schilderung des Nebenklägers sein, dass er von mehreren konkret nicht identifizierbaren Anrufern in Kenia telefonisch "gewarnt" wurde, er würde es nicht überleben, wenn er zu der Gerichtsverhandlung als Zeuge reise, und sich darüber aufgeregt hat. Der Sachverständige sollte vor der Verhandlung als Arzt zumindest oberflächlich feststellen, ob der Nebenkläger durch die Verhandlung akut gefährdet sei. Bei dieser Untersuchung hat er, wie er insoweit als sachverständiger Zeuge bekundet hat, eine deutliche Schwellung an der angegebenen und durch das Foto festgestellten Verletzungsstelle am Rippenbogen festgestellt. Er hat dazu ausgeführt, dass dies ein deutliches Anzeichen dafür sei, dass an der Stelle die Rippen gebrochen gewesen seien. Dafür spräche dann auch das von dem Nebenkläger geschilderte Erbrechen eines blutigen Auswurfs. Offensichtlich hätten die gebrochenen Rippen den Thorax links verletzt: Sie hätten die Lunge angespießt, wenn auch nicht stark. Dies sei zwar nicht konkret lebensbedrohlich. Dennoch habe eine potentielle Lebensgefahr bestanden. Solche Rippenbrüche seien beim Röntgen nur sehr schwierig und mit großer Erfahrung nachzuweisen. Es sei deshalb nicht verwunderlich, wenn in Kenia Rippenbrüche nicht diagnostiziert worden seien.

38

Nach eingehender Prüfung fand die Kammer keine Argumente, die gegen die Äußerung des Sachverständigen führen würden und hat sich diese deshalb in dem beschriebenen Umfange zur Anzahl der Schläge, zur Art der Ausführung und zu den dadurch erlittenen Auswirkungen zu eigen gemacht. Es ergibt sich daraus auch, dass die Schläge mit einem gefährlichen Werkzeug ausgeführt worden sind, weil der von dem Sachverständigen als "halbscharfes Werkzeug" genannte Schlagring nicht nur geeignet war, erhebliche Körperverletzungen zu erzeugen, sondern diese dem Nebenkläger auch tatsächlich zugefügt hat.

39

Dem Hilfsbeweisantrag musste nicht nachgegangen werden.

40

Der Verteidiger hatte dazu den Antrag gestellt, den Chefarzt und Chirurg der Klinik in Mombasa Dr. P. als sachverständigen Zeugen dafür zu vernehmen, dass dieser Rippenbrüche nicht festgestellt habe. Diese Vernehmung solle für den Fall geschehen, dass die Verurteilung in den Rechtsfolgen über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinausgehe. Da die Kammer im Ergebnis dem Antrag der Staatsanwaltschaft gefolgt hat, war dieser Beweisantrag gegenstandslos. Darüber hinaus hätte er aber auch als wahr unterstellt werden können. Denn nach den wiedergegebenen Äußerungen des Sachverständigen Prof. Dr. T... ist es wahrscheinlich, dass der Dr. P. Rippenbrüche nicht festgestellt hat. Dies schließt aber nicht aus, dass sie tatsächlich dennoch vorhanden waren.

41

VI.

Damit hat sich der Angeklagte einer gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Ziffer 2 und 4 StGB schuldig gemacht.

42

Soweit darüber hinaus noch eine Beleidigung und Bedrohung zum Nachteil des. Nebenklägers vorlagen, ist das Verfahren in der Hauptverhandlung gemäß § 154a StPO auf den Vorwurf der Körperverletzung beschränkt worden.

43

Bei der Strafzumessung war auszugehen von der Strafdrohung des § 224, wonach Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren in Betracht kommen. Ein minder schwerer Fall ist auszuschließen. Da eine Schuldminderung gemäß § 21 StGB jedoch nicht ausgeschlossen werden konnte, hat die Kammer die angegebene Strafdrohung gemäß § 49 StGB gemildert, so dass im Ergebnis von einer Strafdrohung von 1 Monat bis zu 7 Jahren und 6 Monaten auszugehen war.

44

Bei der dann vorzunehmenden eigentlichen Strafzumessung ist berücksichtigt worden, dass die Tat äußerst brutal war und dass sie schwere und bleibende Folgen verursacht hat. Berücksichtigt werden musste auch, dass der Angeklagte vor diesem Vorfall sich schon zwei Mal so verhalten hat, dass es zu den oben genannten Verfahren kam, auch wenn diese nicht zu einer Verurteilung führten. Berücksichtigt ist auch, dass der Angeklagte sogar nicht nur nach dieser Tat, sondern sogar nach dem erstinstanzlichen Urteil vom 6.12.2001 am 21.2.2003 sich wiederum so verhalten hat, dass es zu dem erwähnten Verfahren vor dem Bezirksgericht Bludenz kam. Andererseits ist zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt worden, dass er - wenn auch nur eingeschränkt - immerhin doch ein Geständnis abgegeben hat und dass die Verfahrensdauer ungewöhnlich lang war, was ihm nicht angelastet werden kann. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände erschien zunächst eine Freiheitsstrafe von 5 Monaten und 4 Wochen als durchaus erforderlich. Eine Freiheitsstrafe in dieser Höhe liegt aber unter der in § 47 Abs. 2 StGB gesetzten Grenze von 6 Monaten. Trotz des Nachtatverhaltens erschien der Kammer hier die Verhängung einer Freiheitsstrafe noch nicht als unerlässlich. Es ist deshalb eine entsprechende Geldstrafe von 178 Tagessätzen ausgesprochen worden.

45

Bei der Bemessung der Höhe der Tagessätze ist ausgegangen von der Erklärung des Verteidigers, dass unter Berücksichtigung der Unterhaltsbelastungen für den Angeklagten ein geschätztes Einkommen von monatlich 75 000,00 € zutreffend sei. Dementsprechend hat die Kammer die Höhe der Tagessätze auf ... € festgesetzt.

46

Wegen des erheblichen Vermögens des Angeklagten ist davon abgesehen worden, eine (im Übrigen auch nicht beantragte) Ratenzahlung zu gewähren.

47

VII.

Wegen der erfolgten Verurteilung zu einer Geldstrafe ist die Beschwerde gegen den Bewährungsbeschluss gegenstandslos.

48

VIII.

Soweit der Angeklagte verurteilt worden ist, muss er die Verfahrenskosten, seine eigenen notwendigen Auslagen und die notwendigen Auslagen des Nebenklägers B. übernehmen, wie sich aus §§ 465, 472, 473 Abs. 1 StPO ergibt.

49

Soweit das Verfahren hinsichtlich der Beleidigungen zum Nachteil der Geschädigten Berger und Dr. Martin eingestellt werden müsste, weil diese die Strafanträge zurückgenommen haben, müsste ihnen gemäß § 470 StPO die Verfahrenskosten und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten auferlegt werden.

50

Hinsichtlich der Geschädigten Brauer müsste eigentlich hinsichtlich des wegen der Beleidigung zurückgenommenen Strafantrages dasselbe gelten. Hier hatte sich jedoch der Angeklagte zur Kostenübernahme bereit erklärt. Deshalb sind die insoweit entstandenen Kosten und Auslagen dem Angeklagten auferlegt worden.

51

Die Kosten für den wieder zurückgenommenen, noch nicht entschiedenen Adhäsionsantrag der Geschädigten Brauer sind gemäß § 472a StPO ebenfalls dem Angeklagten auferlegt worden. Da er sich auch hier zur Übernahme entschieden hatte, entspricht die Auferlegung dem vom Gericht wahrgenommenen pflichtgemäßen Ermessen,

52

Durch diese Kostenentscheidungen ist auch die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss über die Auferlegung der Nebenklagekosten gegenstandslos. Der Beschluss ist lediglich zur Klarstellung aufgehoben worden.

Prinz von Hanno
Krüger