Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 05.06.2003, Az.: 14 U 184/02

Anspruch auf Herausgabe einer Vertragserfüllungsbürgschaft; Möglichkeit der Einordnung einer Vertragsstrafenregelung als eine Allgemeine Geschäftsbedingung; Notwendigkeit einer Fristsetzung und der Androhung einer Entziehung des Auftrags nach fruchtlosem Ablauf für die Kündigung des Vertrages aus wichtigem Grund

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
05.06.2003
Aktenzeichen
14 U 184/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 33980
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2003:0605.14U184.02.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 05.07.2002 - AZ: 4 O 1551/00

Fundstellen

  • BauR 2004, 1307-1309 (Volltext mit amtl. LS)
  • BauR 2004, 884 (amtl. Leitsatz)
  • BauRB 2004, 159-160 (Volltext mit red. LS)
  • IBR 2004, 236
  • MDR 2007, 253 (Kurzinformation)
  • OLGReport Gerichtsort 2004, 292-294

In dem Rechtsstreit
...
hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 6. Mai 2003
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht .......,
den Richter am Oberlandesgericht ....... und
den Richter am Landgericht ....... für
Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 5. Juli 2002 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird gestattet, die Vollstreckung durch die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 75.000 EUR abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Wert der Beschwer: 63.911,49 EUR (= 125.000 DM).

Gründe

1

A.

Die Klägerin verlangt die Herausgabe einer Vertragserfüllungsbürgschaft.

2

Die Parteien schlossen am 1./3. September 1998 einen Bauvertrag, durch den sich die Klägerin zur Sanierung und Modernisierung des Hauses ....... in ....... zu einem Pauschalfestpreis von 1,25 Mio. DM verpflichtete. Wegen der weiteren Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen wird auf den Bauvertrag Bezug genommen (Bl. 7 ff.). Am 11. September 1998 händigte die Klägerin der Beklagten eine Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern des Bankhauses Hallbaum über 125.000 DM aus (Bl. 16).

3

Die Arbeiten wurden am 18. Oktober 1998 aufgenommen. Im Frühjahr 1999 kam es zu Schwierigkeiten. Die von der Klägerin beauftragte Subunternehmerin, die Firma ......., führte die Arbeiten nicht weiter aus. Dies war den Parteien zunächst nicht bekannt, da der von der Beklagten beauftragte Architekt ....... noch am 3. Mai 1999 einen von der Subunternehmerin ....... erbrachten Bautenstand mit ca. 89% sehr viel höher bestätigt hatte als tatsächlich gegeben (Bl. 86, 87). Tatsächlich hatte die Subunternehmerin Anfang Mai 1999 nämlich erst ca. 60% der geschuldeten Werkleistung erbracht.

4

Da das Bauvorhaben innerhalb des Zeitraums von 10 Monaten nicht fertig gestellt war, forderte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 18. August 1999 auf, die Baumaßnahmen bis zum 1. September 1999 abzuschließen (Bl. 40). Die Parteien korrespondierten in der Folgezeit darüber, wie das Bauvorhaben fortgesetzt und abgeschlossen werden könne. Auf den vorliegenden Schriftverkehr (Bl. 45 f.; 46; 47 ff.; 51; 54) wird Bezug genommen. Den Vertrag mit der Subunternehmerin ....... kündigte die Klägerin am 27. August 1999, da diese die Arbeiten trotz mehrfacher Aufforderungen nicht wieder aufgenommen und abgeschlossen hatte (Bl. 50).

5

Zwischenzeitlich hatte sich herausgestellt, dass einige der erbrachten Arbeiten mangelhaft ausgeführt waren, wofür nach Ansicht der Klägerin auch die unzureichende Überwachung der Bauarbeiten durch den Architekten ....... verantwortlich gewesen sei. Nachdem sich die Klägerin einen Überblick über die noch zur Fertigstellung des Bauvorhabens erforderlichen Arbeiten (einschließlich Mängelbeseitigungsarbeiten) verschafft und Vorbesprechungen mit ausführenden Subunternehmern geführt hatte, bot die Klägerin mit Schreiben vom 14. Oktober 1999 die noch auszuführenden Arbeiten für einen Pauschalfestpreis von 350.000 DM an (Bl. 17, 18). Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Beklagte an die Klägerin insgesamt Zahlungen in Höhe von 1.074.750 DM erbracht. Die Beklagte leitete das Schreiben der Klägerin vom 14. Oktober 1999 am 12. November 1999 an ihre finanzierende Bank ( ....... ) weiter mit dem Vorschlag, dass sie jeweils 50% des erreichten Bautenstandes begleiche (Bl. 92 - 94). Damit zeigte sich die ....... grundsätzlich einverstanden (Bl. 95).

6

Die Klägerin setzte die Arbeiten im weiteren durch neue Subunternehmer fort. Die Beklagte zahlte auf die nächste Abschlagsrechnung der Klägerin vom 29. November 1999 über 92.800 DM - offenbar unter Beachtung ihres o. g. Schreibens vom 12. November 1999 - 50%, also 46.400 DM. Auf eine weitere Abschlagsrechnung der Klägerin vom 20. Dezember 1999 über 58.000 DM (Bl. 97) erfolgten Zahlungen der Beklagten nicht mehr.

7

Zwischenzeitlich, am 8. November 1999, war es im Kellergeschoss des Bauvorhabens zu einem Wasserschaden dadurch gekommen, dass vom Nachbargrundstück aus der defekt gewordenen Kanalisation Abwässer austraten und in das Kellergeschoss des Bauvorhabens eindrangen.

8

Die Klägerin drohte mit Schreiben vom 17. Januar 2000 an, nur bei weiterer Zahlung weiter zu arbeiten. Der Fertigstellungsgrad des Bauvorhabens wurde mit jetzt 85% angegeben (Bl. 98, 99). Da aber auch im weiteren Zahlungen seitens der Beklagten nicht mehr erfolgten, stellte die Klägerin die Arbeiten endgültig ein, was sie der Beklagten mit Schreiben vom 24. Januar 2000 mitteilte (Bl. 21). Nach weiterer Korrespondenz zwischen den Parteien, wegen deren Inhalt auf die vorgelegten Schreiben (Bl. 20, 55 f., 57 ff., 147 ff.) Bezug genommen wird, erklärte die Beklagte schließlich am 24. Februar 2000 mündlich die Kündigung des Bauvertrages, die schriftlich am 7. März 2000 bestätigt wurde (Bl. 23).

9

Die Beklagte beauftragte anschließend den Sachverständigen ....... mit der Feststellung der Schäden und Mängel sowie des Umfangs der noch zu erbringenden Leistungen. Insoweit wird auf das vorgelegte Gutachten des Sachverständigen ....... aufgrund dessen Ortstermin vom 9. März 2000 Bezug genommen. Die Beklagte hat das Bauvorhaben im weiteren unter Beauftragung anderer Bauunternehmen zwischenzeitlich fertig gestellt, wofür ihr ihrer Behauptung nach Kosten in Höhe von 506.924,10 DM entstanden seien (Aufstellung im Schriftsatz vom 13. Februar 2002, Bl. 137, 138 mit Anlagen Bl. 151 - 303).

10

Die Klägerin ist der Auffassung, die Bürgschaft herausverlangen zu können, nachdem der Bauvertrag beendet worden ist. Der Beklagten stünden durch die Bürgschaft gesicherte Ansprüche nicht zu. Die Bauverzögerungen habe die Klägerin nicht zu verantworten. Jedenfalls hätten die Parteien am 14. Oktober 1999 eine neue Fertigstellungsvereinbarung getroffen, wonach sich die Beklagte für die noch zu erbringenden Leistungen zur Zahlung von 350.000 DM verpflichtete, worauf dann (unstreitig) nur 46.400 DM gezahlt wurden. Daher sei die Klägerin zur Einstellung der Arbeiten berechtigt gewesen. Einen wichtigen Grund zur Kündigung habe die Beklagte nicht gehabt.

11

Die Beklagte ist demgegenüber der Ansicht, dass ihr Ansprüche gegen die Klägerin aus dem Bauvertrag zustünden, die durch die Vertragserfüllungsbürgschaft abgesichert seien. Zum einen könne sie Zahlung einer Vertragsstrafe wegen der Überschreitung des im Vertrag vereinbarten Fertigstellungstermins (Baubeginn + 10 Monate), jedenfalls aber des von der Klägerin im Schreiben vom 14. Oktober 1999 selbst vorgegebenen Termins 48. Kalenderwoche verlangen. Des Weiteren könne sie die aus dem Gutachten ....... ersichtlichen Kosten für die Fertigstellung und Mängelbeseitigung durch Dritte ersetzt verlangen. Außerdem seien der Beklagten durch die Verzögerung der Fertigstellung weitere Schäden entstanden, wie auf S. 4 der Klageerwiderung (Bl. 37) vorgetragen. Im Übrigen sei die Klägerin in Anbetracht der bis zur Kündigung tatsächlich erbrachten Leistungen durch die erfolgten Zahlungen der Beklagten in Höhe von (unstreitig) insgesamt 1.121.150 DM überbezahlt, der Beklagten stünden also Rückforderungsansprüche zu.

12

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Herausgabe der Bürgschaft verurteilt. Die Beklagte habe nicht ausreichend dargelegt, dass ihr Ansprüche aus dem Bauvorhaben, die durch die Bürgschaft gesichert seien, gegen die Klägerin zustehen. Auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils wird Bezug genommen.

13

Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung begehren die Beklagten die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und die Abweisung der Klage. Das Landgericht habe schon die Darlegungs- und Beweislast verkannt. Tatsächlich stünden der Beklagten die geltend gemachten Ansprüche aus dem Bauvertrag zu.

14

Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil.

15

B.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

16

I.

Zu Recht hat das Landgericht die Beklagte zur Herausgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft an die Klägerin verurteilt. Die Klägerin kann die Rückgabe der Bürgschaft gemäß § 17 Nr. 8 VOB/B verlangen. Der Beklagten stehen Ansprüche, die durch die Bürgschaft abgesichert sind, nicht mehr zu.

17

1.

Dass die herausverlangte Bürgschaft eine solche auf erstes Anfordern ist, führt nicht dazu, dass die Beklagte diese unabhängig davon, ob ihr überhaupt noch Ansprüche gegen die Klägerin zustehen, behalten darf. Das verkennt die Berufungsbegründung. Die Beklagte verlangt nicht von dem Bürgen Zahlung aus der Bürgschaft. Vielmehr ist zu klären, ob der Beklagten das Sicherungsmittel noch weiterhin zusteht. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Bank eine Bürgschaft auf erstes Anfordern erteilt hat, obwohl dies im Bauvertrag so gar nicht vereinbart war. Dann stehen aber dem Hauptschuldner, also der Klägerin, selbst bei einer Zahlungsklage alle Einwendungen gegen das Bestehen einer gesicherten Forderung zu (vgl. Ingenstau/Korbion, VOB-Kommentar, 14. Aufl., B, § 17 Rn. 105).

18

2.

Der Beklagten stehen Vertragsstrafeansprüche gegen die Klägerin nicht zu.

19

2.1

Allerdings ist - entgegen der vom Landgericht auch nicht näher begründeten Ansicht - die Vertragsstrafenregelung in §§ 3, 6 des Bauvertrages nicht wegen fehlender Obergrenze der zu zahlenden Vertragsstrafe unwirksam. Auch steht dem Vertragsstrafeanspruch - entgegen der vom Landgericht ebenfalls nicht begründeten Ansicht - auch nicht entgegen, dass die Beklagte sich diesen nicht gemäß § 11 Nr. 4 VOB/B vorbehalten hat.

20

a)

Die im Vertrag vereinbarte Vertragsstrafenregelung stellt keine Allgemeine Geschäftsbedingung der Beklagten dar. Für eine solche Annahme spricht weder das äußere Erscheinungsbild des Vertrages noch hat die Klägerin solches vor-getragen. Die Vertragsstrafenklausel unterliegt daher nicht der Inhaltskontrolle gemäß § 9 AGBG a.F. Alleiniger Prüfungsmaßstab für die Wirksamkeit ist § 138 BGB (Beck'scher VOB/B-Kommentar-Beversdorf, § 11 Nr. 1, Rn. 47; Ingenstau/Korbion, a.a.O., A § 12 Rn. 14). Für eine Sittenwidrigkeit der genannten Vertragsvorschrift ist hier nichts ersichtlich, von der Klägerin auch nicht vorgetragen. Die Vertragsstrafe pro Tag mit 580 DM brutto beträgt 0,0474% der Vertragssumme und liegt damit deutlich unter dem vom BGH bei Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG a.F. akzeptierten Prozentsätzen von bis zu 0,3% der Vertragssumme pro Tag (vgl. BGH BauR 2000, 1049, 1050) [BGH 20.01.2000 - VII ZR 46/98]. Auch bei erheblichem Verzug läuft die Klägerin hier keine Gefahr, einen Großteil ihres Werklohnanspruchs allein durch die Vertragsstrafe zu verlieren. Um die nach BGH-Rechtsprechung als Obergrenze bei Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG a.F. zulässigen 5% der Vertragssumme (vgl. Urteil vom 23. Januar 2003, Az. VII ZR 210/01) müsste sich die Klägerin 107 Werktage in Verzug befinden.

21

b)

Eines Vorbehalts der Vertragsstrafe gemäß § 11 Nr. 4 VOB/B bedurfte es nicht. Zu einer Abnahme ist es nicht gekommen. Die Beklagte hat vielmehr den Bauvertrag, nachdem die Klägerin mit der Begründung unzureichender Zahlung die Arbeiten eingestellt hatte, gekündigt. Die Klägerin hat dann auch nicht eine Abnahme nach § 8 Nr. 6 VOB/B verlangt. Bei einem unter Berufung auf einen wichtigen Grund vorzeitig gekündigten Vertrag kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Auftraggeber die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen als im Wesentlichen vertragsgerecht billige, sodass auch eine fingierte Abnahme nach § 12 Nr. 5 VOB/B nicht vorliegt. Eines Vorbehalts der Vertragsstrafe bedurfte es daher insgesamt nicht (vgl. BGH BauR 1981, 373; Ingenstau/Korbion, a.a.O., B § 8 Rn. 151; Heiermann/Riedl, VOB-Kommentar, 9.Aufl., B § 11 Rn. 37).

22

2.2

Die Vertragsstrafe ist aber nicht verwirkt, d.h. die Beklagte ist nicht berechtigt, die Vertragsstrafe zu fordern.

23

a)

Die Parteien haben nämlich den ursprünglich vertraglich vereinbarten Fertigstellungstermin (Baubeginn 18. Oktober 1998 zuzüglich 10 Monate = 18. August 1999) durch Vereinbarung vom 14. Oktober 1999 nachträglich aufgehoben. Wie der Geschäftsführer der Klägerin ....... und der damalige Geschäftsführer der Beklagten ....... im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat übereinstimmend mitteilten, waren sie sich darüber einig, dass die Klägerin die ab diesem Zeitpunkt noch ausstehenden Arbeiten in vollem Umfang erbringen sollte und hierfür noch Kosten in Höhe von 350.000 DM entstehen werden. Hiervon sollte die Beklagte 50%, also 175.000 DM zahlen, sodass sich unter Berücksichtigung der bis dahin gezahlten 1.074.750 DM insgesamt eine Zahlung, wie im Vertrag vereinbart, von knapp 1,25 Mio. DM - also des vollständigen vertraglich vereinbarten Werklohns - ergeben hätte. Die weiteren 175.000 DM sollten gegenüber dem Architekten ....... als Schadensersatz geltend gemacht werden, weil dieser durch falsche Bautenstandsberichte und mangelhafte Bauüberwachung zu hohe Abschlagszahlungen an die Subunternehmerin ....... ermöglicht habe. Auf die Frage, ob bei diesem Anlass auch darüber gesprochen wurde, wie hinsichtlich etwaiger Ansprüche der Beklagten wegen Überschreitung der vertraglich vereinbarten Fertigstellungsfrist verfahren werden soll, haben die beiden Geschäftsführer zwar unterschiedliche Angaben gemacht. Jedenfalls aber - so der damalige Geschäftsführer ....... der Beklagten - sollten nach dem Ergebnis des Gespräches mit dem Geschäftsführer der Klägerin die Vertragsstrafekosten an den Architekten ....... weitergegeben werden.

24

Diese Vereinbarungen konnten aus objektiviertem Empfängerhorizont nur so verstanden werden, dass die Vertragsstrafe wegen des nicht eingehaltenen ursprünglichen Fertigstellungstermins im Sinne von § 3 des Bauvertrages gegenüber der Klägerin nicht mehr geltend gemacht werden sollte. Die Beklagte hatte sich trotz bereits bekannter (deutlicher) Überschreitung des ursprünglichen Fertigstellungstermins zur Zahlung des vollständigen Werklohnes in Höhe von insgesamt 1,25 Mio. DM an die Klägerin verpflichtet. Die Klägerin sollte nach dem Willen der Parteien auch die darüber hinausgehenden Kosten für die Fertigstellung des Bauvorhabens einschließlich Beseitigung entstandener Mängel als Schadensersatz gegenüber dem Architekten geltend machen können. Die Klägerin sollte selbst keine finanziellen Nachteile erleiden. Die Beklagte zeigte dadurch, dass sie die Klägerin für die Überschreitung des Fertigstellungstermins nicht verantwortlich hielt und die Zahlung einer Vertragsstrafe durch die Klägerin nicht für begründet erachtete. Konsequenterweise erfolgte auch keinerlei Vorbehalt des Inhalts, dass der Vertragsstrafeanspruch aufrechterhalten bleibt und gegenüber dem noch zu zahlenden Werklohn in Anrechnung gebracht werden kann.

25

b)

Daraus, dass die Klägerin die Arbeiten auch innerhalb der in ihrem Schreiben vom 14. Oktober 1999 vorgegebenen Frist (48. Kalenderwoche) nicht fertig gestellt hat, kann die Beklagte einen Anspruch auf Vertragsstrafe für die daran anschließende Zeit nicht herleiten. Insoweit ist zwischen den Parteien nämlich die Zahlung einer Vertragsstrafe nicht vereinbart worden. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Parteien bei Abschluss der o. g. Vereinbarung eine erneute Vertragsstrafenabrede getroffen haben. Vielmehr haben die beiden Geschäftsführer der Parteien darüber, ob und in welcher Höhe die Beklagte von der Klägerin bei Überschreitung des neuen Fertigstellungstermins zum Ende der 48. Kalenderwoche eine Vertragsstrafe verlangen kann, gar nicht gesprochen. Dies haben die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat anwesenden Parteivertreter ....... und ....... ausdrücklich erklärt.

26

3.

Dahinstehen kann, ob der Beklagten wegen Überzahlung der Klägerin ein Rückforderungsanspruch zusteht. Solche Ansprüche sind durch eine Vertragserfüllungsbürgschaft nicht gesichert (vgl. BGH BauR 1980, 574, 575; Ingenstau/Korbion, a.a.O., B § 17 Rn. 16; Beck'scher VOB/B-Kommentar-Jagenburg, § 17 Nr. 2 Rn. 9). Die Erklärung des Bürgen, für die Erfüllung der aus dem Vertrag übernommenen Verpflichtungen zu bürgen, beinhaltet nicht auch das stets vorhandene Überzahlungsrisiko. Wegen etwaiger Ansprüche insoweit kann die Beklagte die Rückgabe der Bürgschaft also nicht verweigern.

27

4.

Der Beklagten stehen auch die geltend gemachten Schadensersatzansprüche wegen Verzuges gem. § 5 Nr. 4 VOB/B i.V.m. § 6 Nr. 6 VOB/B nicht zu. Allein durch Überschreitung des in § 3 des Bauvertrages ursprünglich vereinbarten Fertigstellungstermins ist die Klägerin mit der Erfüllung ihrer Leistungspflicht nicht in Verzug gekommen. Denn durch die unter Ziffer 2.2 bereits besprochene Vereinbarung der Parteien vom 14. Oktober 1999 ist dieser Fertigstellungstermin einvernehmlich aufgehoben worden. Aufgrund der genannten Umstände konnte die Klägerin darauf vertrauen, dass etwaige Verspätungsschäden gegen sie nicht geltend gemacht werden.

28

Ob die Beklagte dem Grunde nach jedenfalls berechtigt wäre, solche Verzugsschäden ersetzt zu verlangen, die ihr dadurch entstanden sind, dass das Bauvorhaben auch mit Ablauf der 48. Kalenderwoche 1999 noch nicht fertig gestellt war, kann dahinstehen. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch ist zur Höhe schon im Ansatz nur unzureichend vorgetragen. Der Vortrag hierzu beschränkt sich auf die schlichte Aufstellung in der Klageerwiderung und ist auch in der Berufungsinstanz (nachdem der Beklagten durch das Urteil des Landgerichts hätte bekannt sein müssen, dass ihr Vortrag insoweit unzureichend ist, weil er durch das Landgericht überhaupt nicht berücksichtigt wurde) nicht präzisiert worden. Es kann zum Teil schon nicht nachvollzogen werden, dass die aufgeführten Kosten infolge eines etwaigen Verzuges entstanden sind (Gebäude- und Bauleistungsversicherung, Grundsteuern, Straßenreinigung). Was sich hinter "Avale" verbirgt, ist zudem nicht ersichtlich. Ob und in welcher Höhe tatsächlich ein Mietausfall im Dezember 1999 durch verzögerte Bauausführung entstanden ist, hätte näher dargelegt werden müssen.

29

5.

Ansprüche aus § 8 Nr. 3 Abs. 2 Satz 1 VOB/B auf Ersatz der Kosten für die Fertigstellung des Bauvorhabens durch Dritte stehen der Beklagten ebenfalls nicht zu.

30

Die Beklagte war zur Kündigung aus wichtigem Grund gem. § 8 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B nicht berechtigt. Sowohl in Bezug auf Mängel (die die Beklagte ohnehin mit Schreiben vom 2. Februar 2000 nur hinsichtlich einer einzigen von insgesamt acht Wohnungen geltend gemacht hat) als auch wegen Überschreitung von Ausführungsfristen hat die Beklagte der Klägerin nicht entsprechend § 4 Nr. 7 bzw. § 5 Nr. 4 VOB/B eine Frist mit der Erklärung gesetzt, dass nach fruchtlosem Ablauf der Auftrag entzogen werden wird.

31

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Fristsetzung mit Androhung des Auftragsentzugs hier auch nicht ausnahmsweise entbehrlich gewesen. Zum Zeitpunkt der Kündigung am 24. Februar 2000 war sowohl seit dem vertraglich vereinbarten Fertigstellungstermin als auch seit der mit Schreiben vom 14. Oktober 1999 genannten Frist (48. Kalenderwoche) bereits eine längere Zeit verstrichen. Die Beklagte hatte sich mit der Fortführung des Vertrages durch die Klägerin (unter Einschaltung neuer Subunternehmer) ausdrücklich einverstanden erklärt. Sie hatte nach Eintritt des Wasserschadens nicht erklärt, dass sie gleichwohl davon ausgehe, dass die Klägerin ihren im Schreiben vom 14. Oktober 1999 genannten Termin halten werde. Sie hat auch nach Ablauf der 48. Kalenderwoche nicht erklärt, dass sie nunmehr erneut von einer verzögerten Bauausführung ausgehe und auf eine unverzügliche Fertigstellung bestehe. Selbst nach Ankündigung der Klägerin vom 17. Januar 2000, dass nur bei weiterer Zahlung durch die Beklagte weitergearbeitet werde, reagierte die Beklagte nicht dergestalt, dass sie unabhängig von weiteren Zahlungen auf Fertigstellung bestehe. Vielmehr teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 18. Januar 2000 mit, dass für eine weitere Zahlung weitere Unterlagen benötigt würden. Auch nach dem Schreiben der Klägerin vom 24. Januar 2000, in welchem diese die Einstellung der Arbeiten ankündigte, forderte die Beklagte nicht etwa die Fortsetzung der Arbeiten, sondern verlangte die Vorlage von Stundungsabreden mit Subunternehmern zwecks Vorlage bei der ........ Auch im letzten vorliegenden Schreiben der Beklagten vor Erklärung der Kündigung vom 4. Februar 2000 ist keine Rede davon, dass für den Fall der weiteren Arbeitsverweigerung die Kündigung erklärt werden wird. Unter diesen Umständen durfte und musste die Klägerin trotz ihrer Arbeitsniederlegung ohne entsprechende Androhung eine Entziehung des Auftrages gemäß § 5 Nr. 4, § 8 Nr. 3 VOB/B nicht erwarten. Denn es war keineswegs so, dass die Klägerin auf die für die Fortsetzung der Arbeiten verlangte Abschlagszahlung eindeutig - d.h. auch für sie erkennbar - keinen Anspruch hatte. Vielmehr konnte sie aufgrund der Vereinbarung vom 14. Oktober 1999 davon ausgehen, dass die Beklagte weiter jedenfalls 50% der Abschlagsrechnungen zahlen werde, zumal die Beklagte mit Schreiben vom 25. Januar 2000 selbst mitgeteilt hatte, dass von dem mit Vereinbarung vom 14. Oktober 1999 vereinbarten Bauvolumen von insgesamt 350.000 DM bisher ein Betrag in Höhe von 219.547 DM verdient sei, also deutlich mehr als die bis dahin gezahlten 46.400 DM.

32

6.

Die Beklagte kann von der Klägerin schließlich auch nicht Ersatz der Kosten verlangen, die die Beklagte zur Beseitigung von Mängeln an der Werkleistung der Klägerin (bzw. deren Subunternehmer) gehabt haben will. Wegen etwaiger Mängel hatte die Klägerin nämlich unabhängig von der Wirksamkeit der Kündigung das Recht zur Nachbesserung gemäß § 4 Nr. 7 VOB/B (vgl. BGH BauR 1987, 689; BGH BauR 1989, 462). Die Beklagte hat aber - mit Ausnahme einiger mit Schreiben vom 3. Februar 2000 in der Dachgeschosswohnung Nr. 8 vorliegender Mängel - die Klägerin nicht gesondert zur Mängelbeseitigung aufgefordert. Sie hat vielmehr gleich bei Drittunternehmern die Mängelbeseitigung in Auftrag gegeben. Somit kann die Beklagte auch wegen etwaiger Mängel in der Werkleistung der Klägerin weder Ansprüche aus § 4 Nr. 7 VOB/B noch aus § 8 Nr. 3 Abs. 2 Satz 1 VOB/B geltend machen. Soweit Ansprüche wegen der mit Schreiben vom 3. Februar 2000 gerügten Mängel in der Wohnung Nr. 8 bestehen könnten, hat die Beklagte nicht dargelegt, welche der geltend gemachten Kosten sich auf die Beseitigung der Mängel in dieser Wohnung beziehen.

33

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

34

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.