Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 20.06.2003, Az.: 8 U 170/02

Bestehen eines verschuldensunabhängigen Widerspruchsrechts des Versicherungsnehmers bei Übermittlung teils unwirksamer Versicherungsbedingungen

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
20.06.2003
Aktenzeichen
8 U 170/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 33982
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2003:0620.8U170.02.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hildesheim - 04.06.2002 - AZ: 3 O 53/02

Fundstelle

  • VersR 2003, 1113-1114 (Volltext mit amtl. LS)

In dem Rechtsstreit
...
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 23. Mai 2003
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...,
den Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richterin am Oberlandesgericht ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 4. Juni 2002 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer des Klägers beträgt weniger als 20.000 Euro.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.135,50 EUR festgesetzt

Entscheidungsgründe

1

Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (§ 543 Abs. 1 ZPO a.F.).

2

Die zulässige Berufung, mit welcher der Kläger den erstinstanzlich aus eigenem Recht und aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau geltend gemachten Anspruch auf Rückzahlung geleisteter Prämien für die bei der Beklagten abgeschlossenen Rentenversicherungen weiterverfolgt, hat in der Sache keinen Erfolg .

3

Der Kläger vertritt im Wesentlichen die Ansicht, dass die Versicherungsverträge nach Widerspruch gemäß § 5 a Abs. 2 VVG binnen Jahresfrist, wegen angeblich unzureichender Verbraucheraufklärung - im Hinblick auf die bezüglich der Ermittlung des Rückkaufwertes seiner Ansicht nach intransparente, unwirksame Abrechnungsklausel in § 5 Abs. 3 AVB (vgl. dazu BGH VersR 2001, 814 und VersR 2001, 839) - nicht wirksam zustande gekommen seien.

4

Ein Rückerstattungsanspruch (insbesondere nach § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB) steht dem Kläger jedoch nicht zu. Dem angefochtenen Urteil ist darin zu folgen, dass ein (verschuldensunabhängiges) Widerspruchsrecht des Versicherungsnehmers bei Übermittlung teils unwirksamer Versicherungsbedingungen (von der Beklagten für diesen Rechtsstreit eingeräumt Bl. 96 d.A.) nach § 5 a Abs. 1 VVG nicht besteht. Erörtert wird ein solches Widerspruchsrecht vor allem bezüglich der Frage einer unvollständigen oder teilweise unzutreffenden Verbraucherinformation (z.B. BK/Schwintowskii, 1998, Rn 13 und 75 zu § 5 a VVG). Ein entsprechendes Widerspruchsrechts auch bei Verwendung nicht transparenter und deshalb unwirksamer Versicherungsbedingungen wird zwar erwogen, jedoch überwiegend nicht bejaht ( dagegen Lorenz VersR 1995, 616 ff., 618, Römer in Römer/ Langheid VVG, 2. Aufl. 2003, Rn. 16 zu § 5 a VVG, Wandt , Ersetzung unwirksamer AVB..., 2001, Frankfurter Vorträge zum Versicherungswesen 33, S. 47, Fußn. 46, vgl. auch Bl. 123 d.A., sowie VersR 2001, 1449, 1455, vgl. ferner Schirmer VersR 96, 1047 jeweils mit weiteren Nachweisen, nicht eindeutig insofern: Prölss/Martin VVG, 26. Aufl. 1998, Rn. 20, 38 zu § 5 a VVG und Vorb. I Rn 80, anders wohl Schimikowski, r+s 1996, 1 ff., 5 f. ). Eine direkte Anwendung des § 5 a VVG scheidet ohnehin aus, da die Vorschrift sich unmittelbar nur auf die Nichtübergabe der Versicherungsbedingungen und das Unterlassen der Verbrauchereinformation bezieht, nicht jedoch auf eine Regelung der Folgen der Verwendung teilweise unklarer, lückenhafter und unwirksamer Versicherungsbedingungen. Für eine erweiternde Auslegung des Widerspruchsrechts nach § 5 a VVG besteht in diesen Fällen kein Bedarf, da nach der speziellen Regelung des § 6 AGBG eine Vertragsanpassung, ähnlich auch nach § 172 VVG (wie geschehen), vorgesehen ist, nicht aber die Lösung vom Vertrag. Insofern kommt allenfalls eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht. Eine ausfüllungsbedürftige lückenhafte Regelung besteht somit nicht. Es spricht auch nichts dafür, dass der Gesetzgeber in allen Fällen zweifelhafter und letztlich unwirksamer Klauseln, mangels vollständiger und zutreffender Verbraucherinformation, ein (einjähriges) Widerspruchsrecht (§ 5 a Abs. 1 S. 1 und S. 4 VVG) einräumen wollte. In einem solchen Falle wäre der entsprechende gesetzgeberische Willen zumindest ansatzweise zum Ausdruck gekommen. Die Annahme eines solchen Regelungsgehaltes erscheint auch nicht interessengerecht. Die gerade bei dieser dem Verbraucherschutz dienenden Vorschrift (die einen kurzfristig möglichen und Streit vermeidenden Ausgleich der beiderseitigen Interessen bezweckt) gebotene klare Abgrenzung der Voraussetzungen des Widerspruchsrechts, wie sie der Vorschrift sonst zugrunde liegt (insbesondere hinsichtlich der Anknüpfungspunkte der fehlenden Übergabe der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformation), wäre nach der hier abgelehnten Auffassung eines Widerspruchsrechts, auch bei Verwendung intransparenter, unwirksamer Klauseln, nicht mehr ausreichend gegeben. Die Frage des Bestehens eines Widerspruchsrechts wäre, wollte man der hier abgelehnten vom Kläger vertretenen Ansicht folgen, jeweils vom Ausgang der zu erwartenden (mitunter langwierigen) Auseinandersetzungen über die Wirksamkeit einzelner Klauseln abhängig, so dass eine im beiderseitigen Interesse liegende rasche Einigung oder Entscheidung über die Wirksamkeit eines Widerspruchs gerade ausgeschlossen oder doch kaum zu erwarten wäre.

5

Auch ein Anspruch auf Vertragsaufhebung nach den Grundsätzen eines Verschuldens bei Vertragsschluss (c. i. c.) besteht in den Fällen der Verwendung unwirksamer Klauseln i. d. R. nicht, da bei Vertragsanpassung auf das rechtliche gebotene Maß ein Schaden nicht entsteht (OLG Düsseldorf VersR 2001, 837[OLG Düsseldorf 05.12.2000 - 4 U 32/00], Prölss, a.a.O., Rn 73 f. zu 5 a VVG, Vorb I Rn 85, 103). Es fehlte zudem wegen der Verwendung der beanstandeten intransparenten Klauseln, die im Hinblick auf das seinerzeit noch nicht bekannte Urteil des BGH vom 9. Mai 2001, VersR 2001, 841 jedoch überwiegend für wirksam gehalten wurden, auch an einem Verschulden der Beklagten.

6

Dem Kläger stand somit weder ein Widerspruchsrecht noch ein auf Vertragsaufhebung gerichteter Anspruch zu. Er war auf die Beantragung einer Beitragsfreistellung oder die Kündigung des Vertrages (unter Hinnahme entsprechender finanzieller Nachteile) angewiesen, wenn er kein Interesse mehr an der Fortsetzung der Versicherungsverhältnisse hatte.

7

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

8

Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

9

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Sache, bei nur vereinzelten Gegenstimmen, weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 ZPO).

10

Der Wert der Beschwer war gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO festzusetzen.