Landgericht Hannover
Urt. v. 03.05.1999, Az.: 20 O 260/97

Ausgestaltung der Durchsetzung eines Anspruchs auf Ersatz eines an einem Fahrzeug entstandenen Kaskoschadens; Ausgestaltung der Leistungsfreiheit einer Vollkaskoversicherung aufgrund des Betriebs eines Fahrzeugs bei Eintritt des Versicherungsfalles auf öffentlichen Wegen und Plätzen durch einen Fahrer ohne die vorgeschriebene Fahrerlaubnis

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
03.05.1999
Aktenzeichen
20 O 260/97
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1999, 32657
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:1999:0503.20O260.97.0A

Fundstelle

  • DAR 1999, 365-366 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Anspruch aus Versicherungsvertrag und Feststellung

...
hat die 20. Zivilkammer des Landgerichts Hannover
auf die mündliche Verhandlung vom 12. April 1999
unter Mitwirkung
der Richterin am Landgericht ...
der Richterin am Landgericht ... und
der Richterin ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.500,00 DM vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 63.261,42 DM festgesetzt, wobei auf den Zahlungsantrag 58.900,00 DM und auf den Feststellungsantrag 4.361,42 DM entfallen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Versicherungsvertrag.

2

Die Klägerin hatte ihren Pkw Range Rover mit dem seinerzeitigen amtlichen Kennzeichen PI-RR 636 seit dem 12.03.1996 bei dem Beklagten haftpflicht- und vollkaskoversichert. Am 02.01.1997 und am 16.01.1997 verursachte der Zeuge ... mit diesem Fahrzeug jeweils einen Unfall, bei denen auch Dritte geschädigt wurden. Anläßlich des 2. Unfalls erlitt das Fahrzeug einen Totalschaden.

3

Die Klägerin behauptet, ihr seien bei Vertragsabschluß die Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) nicht ausgehändigt worden. Sie habe das Fahrzeug an den Zeugen Töpfer verkaufen wollen. Bei der Besichtigung des Wagens sei er selbst lenkend mit einem Mercedes Benz vorgefahren und habe glaubhaft bemerkt, er sei ständig mit seinem Wagen in der Bundesrepublik unterwegs. In den Besitz des Wagens sei er durch Täuschung gelangt: Zur Fahrzeugübergabe sei er nicht erschienen. Später habe er sich bei der Mutter der Klägerin, die durch diese von dem geplatzten Übergabetermin unterrichtet worden sei, gemeldet und ihr die Zahlung des Kaufpreises vorgetäuscht. Die Mutter habe ihm daraufhin Fahrzeugschein und -schlüssel ausgehändigt.

4

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 58.900,00 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

sowie festzustellen, daß der Beklagte nicht berechtigt ist, die Klägerin wegen der Vorgänge vom 02.01.1997 und 16.01.1997 in Regreß zu nehmen.

5

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

6

Er meint, Versicherungsschutz bestünde nicht, weil die Klägerin es schuldhaft ermöglicht habe, daß der Zeuge ... das Fahrzeug geführt habe, ohne im Besitz einer Fahrerlaubnis zu sein. Da der Beklagte die von dem Zeugen Töpfer verursachten Drittschäden unstreitig reguliert hat, habe er gegen die Klägerin einen Regreßanspruch in Höhe von insgesamt 5.451,77 DM.

7

Die Akten ... des Amtsgerichts Tiergarten haben zu Beweiszwecken vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

8

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

9

Die Klage ist unbegründet.

10

1.

Ein Anspruch auf Ersatz des an ihrem Fahrzeug entstandenen Kaskoschadens in Höhe von 58.900,00 DM steht der Klägerin nicht zu, weil der Beklagte gemäß § 2 b Abs. 1 c) AKB 95 von der Leistungspflicht befreit ist.

11

Die Voraussetzungen des § 2 b Abs. 1 c) AKB 95 liegen vor.

12

Die AKB 95 sind gemäß § 5 a Abs. 2 Satz 4 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 VVB unabhängig davon, ob sie der Klägerin bei Vertragsabschlußübergeben worden sind, Vertragsbestandteil geworden.

13

Des weiteren hatte der Zeuge ... als Fahrer des Fahrzeugs bei Eintritt des Versicherungsfalles auf öffentlichen Wegen und Plätzen nicht die vorgeschriebene Fahrerlaubnis. Dies ist bewiesen durch das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 01.12.1997, Aktenzeichen: 342 Ds 76/97, welches seit dem 01.12.1997 rechtskräftig ist. Darin wurde der Zeuge Töpfer u.a. wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in 3 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. In den Urteilsgründen wird festgestellt, daß der Zeuge ... seit dem Jahre 1993 keine Fahrerlaubnis mehr besaß, dennoch am 02.01.1997 sowie am 16.01.1997 mit dem bei dem Beklagten versicherten Pkw der Klägerin auf öffentlichen Wegen fuhr und dabei jeweils die Unfälle verursachte, für die die Klägerin nun Versicherungsschutz begehrt.

14

Die Klägerin hat diese Obliegenheitsverletzung schuldhaft ermöglicht.

15

Dabei kann es dahinstehen, ob der Klägerin das Verhalten ihrer Mutter derart zugerechnet werden kann, daß von einem schuldhaften Ermöglichen durch die Klägerin gesprochen werden kann.

16

Jedenfalls war die Klägerin verpflichtet, entweder sich nachträglich den Führerschein des Zeugen ... zeigen zu lassen oder aber das Fahrzeug von ihm zurückzuverlangen, nachdem sie erfahren hatte, daß ihre Mutter ihm die Fahrzeugpapiere und Schlüssel ausgehändigt hatte. Beides hat sie jedoch unstreitig nicht getan.

17

Diese Obliegenheit der Klägerin ist nicht dadurch entfallen, daß der Versicherungsvertrag zwischen den Parteien am 08.01.1997 rückwirkend zum 07.06.1996 storniert worden ist. Das Versicherungsverhältnis wurde nämlich unter dem 24.01.1997 rückwirkend zum 07.06.1996 zu den ursprünglichen Bedingungen wieder in Kraft gesetzt.

18

Die Klägerin durfte sich nicht darauf verlassen, daß der Zeuge ... im Besitz einer Fahrerlaubnis ist, nur weil er bei der Besichtigung des Fahrzeuges mit einem Mercedes Benz vorgefahren ist und glaubhaft bemerkt hat, er sei ständig mit seinem Wagen in der Bundesrepublik unterwegs. Auf die Auskünfte des Fahrers darf man sich nämlich ebenso wenig verlassen wie darauf, daß jemand, der mit einem Kraftfahrzeug vorfährt, auch tatsächlich eine Fahrerlaubnis besitzt (Prölls/Martin, VVG, 26. Auflage, § 2 b AKB Rdnr. 45 f.).

19

Die Klägerin durfte sich auch nicht darauf verlassen, daß sich der Beklagte von dem Zeugen Töpfer die Fahrerlaubnis vorzeigen läßt. Hierzu war er nämlich - im Gegensatz zur Klägerin als Halterin - nicht verpflichtet.

20

Der Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 09.04.1999 war nicht zu berücksichtigen, weil dieser gemäß § 296 Abs. 2 i.V.m. § 282 Abs. 2 ZPO verspätet ist und die Verspätung auf grober Nachlässigkeit der Klägerin beruht. Der Rechtsstreit würde verzögert werden, weil dem Beklagten bei Zulassung dieses Vortrages gemäß § 283 ZPO eine Erklärungsfrist eingeräumt werden müßte. Die Verzögerung beruht auch auf grober Nachlässigkeit der Klägerin, nachdem ihrem Prozeßbevollmächtigten die Ladung zum Termin am 12.04.1999 bereits am 17.12.1998 zugestellt worden war und Umstände, die gegen die Möglichkeit eines früheren Vorbringens sprechen könnten, nicht vorgetragen worden sind.

21

2.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Feststellung, daß der Beklagte nicht berechtigt ist, die Klägerin wegen der Vorgänge vom 02.01.1997 und 16.01.1997 in Regreß zu nehmen. Der Regreßanspruch des Beklagten gemäß § 3 Nr. 9 Satz 2 PflVG ergibt sich daraus, daß der Beklagte aus den oben genannten Gründen gemäß § 2 e Abs. 1 c) AKB 95 von der Leistungspflicht befreit ist.

22

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 ZPO.