Landgericht Hannover
Urt. v. 28.06.1999, Az.: 20 S 178/99

Ausgestaltung des Leistungsanspruchs gegenüber einer Rechtsschutzversicherung auf Gewährung von Versicherungsschutz für eine beabsichtigte Klage gegen eine Krankenversicherung auf Erstattung von Heilbehandlungskosten

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
28.06.1999
Aktenzeichen
20 S 178/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1999, 32658
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:1999:0628.20S178.99.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - 09.12.1998 - AZ: 520 C 12765/98

In dem Rechtsstreit
...
hat die 20. Zivilkammer des Landgerichts Hannover
auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juni 1999
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht ...,
die Richterin am Landgericht ... und
die Richterin am Landgericht Dr. ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 09.12.1998 verkündete Urteil des Amtsgerichts Hannover abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Entscheidungsgründe

1

Zu Recht wendet sich die Beklagte mit ihrer zulässigen Berufung gegen die mit dem angefochtenen Urteil ausgesprochene Feststellung, die Beklagte sei verpflichtet, dem Kläger Versicherungsschutz für die beabsichtigte Klage vor dem Amtsgericht München gegen seine Krankenversicherung auf Erstattung von Heilbehandlungskosten in Höhe von 8.637,95 DM zu gewähren.

2

Der von dem Amtsgericht vertretenen Ansicht, der Versicherungsfall sei in dem versicherten Zeitraum ab 25.03.1995 eingetreten, weil jede in der Zeit vom 27.04.1995 bis 11.06.1997 ausgesprochene Weigerung des Krankenversicherers, Krankheitskosten des Klägers auszugleichen, einen neuen Versicherungsfall darstelle, vermag die Kammer nicht zu folgen. Diese Ansicht berücksichtigt nicht hinreichend die zwischen die Parteien geltende Vorschrift des § 14 Abs. 3 der Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung von 1975 (ARB 75) und die dazu ergangene Rechtsprechung.

3

Nach der vorgenannten Norm gilt in Fällen vertraglicher Ansprüche der Versicherungsfall als in dem Zeitpunkt eingetreten, in dem der Versicherungsnehmer, der Gegner oder ein Dritter begonnen hat oder haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen. Die Vorschrift fingiert als Versicherungsfall den ersten Verstoß, auch wenn dieser Verstoß möglicherweise fortwährend wiederholt wird oder andauert (BGH VersR 83, 125). Auch bei mehreren, rechtlich selbständigen Verstößen ist nach Satz 2 der genannten Vorschrift der erste adäquat ursächliche Verstoß maßgeblich, wobei allerdings solche Verstöße außer Betracht bleiben, die länger als 1 Jahr vor Beginn des Versicherungsvertrages zurückliegen. Von der Rechtsprechung und der ihr weitgehend folgenden Literatur werden mehrere Verstöße jedoch einem Dauerverstoß - mit der Folge der alleinigen Geltung des § 14 Abs. 3 Satz 1 ARB - in solchen Fällen gleichgestellt, in denen sich die wiederholten Verstöße als Teile eines "einheitlichen Gefahrverwirklichungsvorganges" (Habauer § 14 ARB 75, Rdn. 62) darstellen.

4

Beim Dauerschuldverhältnis wird eine rechtliche Einheit mit der Maßgeblichkeit des ersten Einzelaktes jedenfalls dann angenommen, wenn die Erfüllung einer behaupteten Verbindlichkeit jeweils aus dem gleichen Grund verweigert wird (BGH, a.a.O., Habauer, a.a.O. Rdn. 63; Prölls/Martin, VVG, 26. Aufl., § 14 ARB 75 Rdn. 17). Diese Sichtweise ist - bei beginnenden Versicherungsverträgen - damit zu begründen, daß es andernfalls dem Versicherungsnehmer möglich wäre, trotz einer bereits laufenden Auseinandersetzung mit einheitlicher "Verstoßreihe" noch einen Versicherungsvertrag abzuschließen und für die nach Beginn des Versicherungsschutzes eintretenden Einzelverstöße Deckung zu erhalten, obwohl es sich für ihn nicht mehr um ein zukünftiges Ungewisses Ereignis handelt. Im umgekehrten - der zitierten Entscheidung des BGH zugrundeliegenden - Fall des Endes eines Rechtsschutz-Versicherungsvertrages hat der Versicherer über das Ende des versicherten Zeitraumes hinaus Deckungsschutz zu gewähren, weil sich mit dem ersten Verstoß das Risiko weiterer Auseinandersetzungen bereits im versicherten Zeitraum verwirklicht hat, dessen Wiederholung nach der behaupteten Sachlage vorprogrammiert war, so daß es letztlich keine Rolle spielen kann, wann jeweils die vorhersehbaren Folgeverstöße eintreten (Prölls/Martin, a.a.O. a.E.).

5

Auch im vorliegenden Fall ist daher festzustellen, daß der Versicherungsfall bereits in vorvertraglicher Zeit im Jahre 1992 mit der ersten Weigerung der Krankenversicherung des Klägers, die fraglichen Rechnungen zu begleichen, eingetreten ist. Von Beginn an hat die Krankenversicherung die Erstattung von Rechnungen des Arztes Dr. med. Schleicher mit der Begründung abgelehnt, daß nur eine schulmedizinische Behandlung dem Versicherungsschutz unterfalle und die durchgeführte naturheilkundliche Therapie medizinisch nicht notwendig sei. Auch die Ablehnung der Erstattung der hier in Rede stehenden Kosten für den Zeitraum ab April 1995 hat die Krankenversicherung unter Verweis auf den um diese Frage kreisenden laufenden Rechtsstreit abgelehnt. Ob letztlich, worauf das Amtsgericht überwiegend abzustellen scheint, diese Ansicht unter krankenversicherungsrechtlichen Aspekten von der Vereinten Krankenversicherungs-AG wird durchzusetzen sein, ist für diesen Rechtsstreit nicht relevant. Im Rahmen jener Auseinandersetzung spielt sicherlich eine Rolle, daß jeweils unterschiedliche Leistungen für möglicherweise unterschiedliche Erkrankungen des Klägers zur Erstattung anstehen. Für den vorliegenden Rechtsstreit ist jedoch nur von Belang, daß die Krankenversicherung sämtliche Leistungen des jeweils gleichen Arztes, der offenbar auf naturheilkundlicher Basis behandelt, einschließlich der von diesem verordneten Medikamente wegen der naturheilkundlichen Basis für medizinisch nicht notwendig erachtet.

6

Bereits bei Ende der ersten "Verstoßreihe" im Jahre 1993 war daher auch für den Kläger ersichtlich, daß die Krankenversicherung weitere Anträge auf Erstattung von Rechnungen des Dr. Schleicher im Hinblick auf ihre Rechtsansicht ablehnen würde.

7

Da demgemäß der Versicherungsfall in vorvertraglicher Zeit eingetreten ist, war unter Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils die Klage mit der Kostenfolge des § 91 ZPO abzuweisen.

Rienhoff
Schrader
Dr. Brüninghaus