Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 03.07.2017, Az.: L 8 SO 130/17 B ER

Sozialhilfe für Ausländer; Ausländer; Bedürftigkeit; bereite Mittel; Verpflichtungserklärung

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
03.07.2017
Aktenzeichen
L 8 SO 130/17 B ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 53700
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG - 06.03.2017 - AZ: S 33 SO 47/17 ER

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Eine Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG wirkt auch bei einem geänderten Aufenthaltsstatus (hier: Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG an Stelle einer nach § 23 Abs. 1 AufenthG) weiterhin fort. Jedenfalls seit dem 6. August 2016 schließt § 68 Abs. 1 Satz 4 AufenthG ein Erlöschen der Verpflichtungserklärung durch die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels ausdrücklich aus.

2. Sozialhilfeleistungen dürfen nicht allein unter Hinweis auf das bloße Bestehen einer Verpflichtungserklärung abgelehnt werden, sondern nur, wenn der fragliche Bedarf tatsächlich gedeckt werden kann.

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Bremen vom 6. März 2017 aufgehoben.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern ab 21. Februar 2017 bis 30. September 2017, längstens jedoch bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung in der Hauptsache oder der Bestätigung eines Versicherungsschutzes durch die Krankenkasse, im Bedarfsfall vorläufig Hilfen zur Gesundheit nach dem Fünften Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) zu gewähren.

Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Die Antragsgegnerin hat die Hälfte außergerichtlichen Kosten der Antragsteller in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Gründe

I.

Die Antragsgegner wenden sich mit ihrer Beschwerde gegen den ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung insgesamt abweisenden Beschluss des Sozialgerichts (SG) Bremen 6. März 2017 und begehren noch die vorläufige Bewilligung von Leistungen der Hilfe zur Gesundheit nach dem 5. Kapitel des SGB XII.

Die 1946 und 1938 geborenen Antragsteller sind syrische Staatsangehörige und nach eigenen Angaben ohne eigenes Einkommen und Vermögen. Sie sind im April 2016 nach Deutschland eingereist. Bis September 2016 lebten sie mit ihrem als Arzt erwerbstätigen Sohn in einem Haushalt, mittlerweile bewohnt der Sohn eine eigene Wohnung. Er kommt weiterhin für den notwendigen Lebensunterhalt der Antragsteller auf. In der Zeit vom 11. Mai bis 10. November 2016 bestand für sie eine Reise- Krankenversicherung beim D..

Am 17. Juni 2015 hatte Frau E. gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde eine Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG abgegeben, die zunächst vom Umfang her auf die Kosten für den Lebensunterhalt begrenzt war. Die Begrenzung wurde im Rahmen einer Berichtigung vom 16. Dezember 2015 gestrichen. Im Hinblick auf die Verpflichtungserklärung erhielten die Antragsteller zunächst eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG. Nachdem ihnen durch Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vom 5. Oktober 2016 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden war, wurde ihnen am 14. November 2016 eine bis zum 13. November 2019 geltende Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 2 AufenthG erteilt. Am 5. April 2017 gab der Sohn beim Migrationsamt Bremen eine unbegrenzte Verpflichtungserklärung ab, worauf die seinerzeit von Frau F. abgegebene Verpflichtungserklärung für ungültig erklärt wurde.

Einen bereits im November 2016 gestellten Antrag auf Leistungen nach dem AsylbLG lehnte die Antragsgegnerin im Hinblick auf die vorliegende Verpflichtungserklärung ebenso ab wie einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB XII (Bescheid vom 18. November 2016). Auf der Grundlage eines Beschlusses des SG vom 6. Dezember 2016 (S 39 AY 116/16 ER) gewährte die Antragsgegnerin in der Zeit vom 18. November 2016 bis 18. Februar 2017 Leistungen nach dem AsylbLG. Das Hauptsacheverfahren ist noch anhängig (S 38 AY 1/17).

Mit Bescheiden vom 19. Januar 2017 und vom 10. Februar 2017 lehnte die Antragsgegnerin eine Leistungsgewährung nach dem SGB XII erneut unter Hinweis auf die vorliegende Verpflichtungserklärung ab, nachdem sie mit Schreiben vom 21. November 2016 und 1. Dezember 2016 von den Antragstellern unter Hinweis auf deren Mitwirkungspflicht weitere Unterlagen/ Erklärungen angefordert hatte. Über den am 13. Februar 2017 erhobenen Widerspruch ist bislang, soweit ersichtlich, noch nicht entschieden.

Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens legten die Antragsteller Kontoauszüge für die Zeit vom 28. November 2016 bis zum 9. Februar 2017, Einkommensunterlagen des Sohnes und eine Erklärung des Sohnes vom 8. Februar 2017 vor, wonach dieser in vollem Umfang in mögliche Verpflichtungen aus der von Frau F. abgegebene Verpflichtungserklärung eingetreten sei. Er sei aber nicht in der Lage, dauerhaft für Kosten der Krankenbehandlung der Antragsteller aufzukommen.

Am 21. Februar 2017 haben die Antragsteller beim SG einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt mit dem Ziel, den Antragsgegner zur Gewährung vorläufiger Leistungen nach dem SGB XII zu verpflichten. Sie haben weitere Kontoauszüge eingereicht, aus denen sich zuletzt ein Kontostand von nur noch 362 € ergeben hat, und die Ansicht vertreten, der Sohn sei zwar unterhaltspflichtig und auch bereit, den Lebensunterhalt der Antragsteller sicherzustellen, er sei aber nicht in der Lage, für deren Krankenbehandlungskosten aufzukommen. Die Verpflichtungserklärung stehe einer Hilfebedürftigkeit nicht entgegen, zudem sei diese mit Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 20 Abs. 2 AufenthG erloschen.

Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 6. März 2017 abgelehnt. Ein Anordnungsanspruch bestehe nicht, denn die Antragsteller hätten ihre Hilfebedürftigkeit nicht glaubhaft gemacht. Ihr Vortrag sei durch widersprüchliches Vorbringen zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts durch den Sohn bzw. der Verpflichtungsgeberin gekennzeichnet und eine hinreichende Mitwirkung im Verwaltungsverfahren nicht erkennbar. Die Verpflichtungserklärung sei mit Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nicht erloschen. Dies ergebe sich aus der insoweit „klarstellenden“ Regelung durch das Integrationsgesetz in § 68 Abs. 1 Satz 4 AufenthG nicht erst für die Zeit ab 6. August 2016, sondern auch bereits für die für die Zeit davor. Dass das Einkommen des Sohnes für die Leistungen zur Krankenbehandlung nicht ausreiche, sei vor dem Hintergrund eines nicht glaubhaft gemachten konkreten akuten Behandlungsbedarfs oder anfallender Kosten nicht ersichtlich.

Gegen den Beschluss des SG haben die Antragsgegner am 7. April 2017 Beschwerde eingelegt, soweit das SG auch Leistungen der Hilfe zur Gesundheit nach dem 5. Kapitel des SGB XII abgelehnt hat.

Die Antragsteller seien bereits aufgrund ihres Alters auf regelmäßige ärztliche Untersuchungen und Behandlungen angewiesen, die ihnen ohne Nachweis einer Krankenversicherung stets verweigert würden. So sei der Antragsteller bereits im April 2016 wegen eines Abszesses in stationärer Behandlung gewesen. Zudem bestehe bei ihm ein Diabetes mellitus Typ II, eine arterielle Hypertonie, eine Osteoporose, eine generelle Muskelschwäche und eine Herzinsuffizienz. Die Antragstellerin sei zuletzt im November und Dezember 2016 wegen einer Fraktur der linken Hand in stationärer Krankenhausbehandlung gewesen und leide ebenfalls an einer arteriellen Hypertonie sowie einer Osteopenie. Erstbehandlungen seien nur deshalb ermöglicht worden, weil der Sohn selbst als Arzt tätig sei. Ein bei der AOK gestellter Antrag auf freiwillige Mitgliedschaft in der Kranken- und Pflegeversicherung sei noch nicht abschließend beschieden. Der Abschluss einer privaten Krankenversicherung im Basistarif, für jeweils rund 900,00 € monatlich pro Antragsteller sei nicht finanzierbar und im Übrigen seien bislang keine privaten Krankenversicherungen oder Versicherungsmakler bereit, einen Vertrag abzuschließen. Sofern die Antragsgegnerin sich bereit erkläre, eine Kostenübernahmeerklärung zu erteilen, sei der Sohn im Gegenzug dazu bereit, monatlich einen Betrag in Höhe des Beitrages für eine freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Kranken und Pflegeversicherung an die Antragsgegnerin zu entrichten. Zur weiteren Glaubhaftmachung haben die Antragsteller eine eigene eidesstattliche Versicherung vom 26. Mai 2017 sowie weitere Kontoauszüge vorgelegt.

Die Antragsgegnerin hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Angesichts der bestehenden Verpflichtungserklärung des Sohnes sei kein Bedarf der Antragsteller ersichtlich. Zudem hätten diese noch immer keine konkreten Angaben über Barmittel, Vermögen oder weitere Konten gemacht. Ebenso wenig hätten sie detailliert dargelegt, wovon sie in der Zeit vor Beantragung von Sozialleistungen gelebt haben. Auch Nachweise über Bemühungen zum Abschluss eines Krankenversicherungsvertrages seien nicht erbracht worden, zumal davon auszugehen sei, dass für die Antragsteller eine Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bestehen dürfte.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakten und die beigezogene Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und statthaft (§§ 172, 173 SGG). Sie ist auch im tenorierten Umfang begründet. Das SG hat den Antrag zu Unrecht vollständig abgelehnt.

Der Antrag ist statthaft als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 SGG, da kein Fall des § 86b Abs. 1 SGG vorliegt.

Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die einstweilige Anordnung dient dabei lediglich der Sicherung von Rechten eines Antragstellers, nicht aber ihrer Befriedigung. Sie darf grundsätzlich nicht die Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmen. Etwas anders gilt, wenn ohne den Erlass der begehrten Anordnung ein wirksamer Rechtsschutz in der Hauptsache nicht erreicht werden kann und dies im Interesse des Rechtsuchenden unzumutbar wäre (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 86b Rn. 31). Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist, dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber dem Antragsgegner besteht (Anordnungsanspruch) und der Antragsteller ohne den Erlass der begehrten Anordnung wesentliche Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund). Sowohl die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs als auch die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V. mit § 920 Abs. 2  ZPO).

Die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind erfüllt. Ein einer vorläufigen Regelung zugängliches streitiges Rechtsverhältnis liegt hier jedenfalls mit dem, soweit bekannt, bis heute nicht beschiedenen Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 19. Januar 2017 vor. Die Antragsteller haben sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V. mit § 920 Abs. 2 ZPO).

Die 78 und 71 Jahre alten Antragsteller haben, wie das SG zutreffend und mit ausführlicher Begründung unter Heranziehung der einschlägigen Vorschriften ausgeführt hat, keinen - mit ihrer Beschwerde auch nicht mehr weiter verfolgten - vorläufigen Anspruch auf die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem 4. Kapitel des SGB XII, denn sie sind in der Lage ihren Lebensunterhalt mit Hilfe des Sohnes sicherzustellen. Insoweit besteht auch kein Streit.

Die Antragsteller haben aber einen vorläufigen Anspruch auf die Gewährung von Leistungen der Hilfe zur Krankheit nach § 19 Abs. 3, 48 SGB XII glaubhaft gemacht. Danach werden, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern, Leistungen zur Krankenbehandlung entsprechend dem Dritten Kapitel Fünften Abschnitt Ersten Titel des Fünften Buches erbracht, wobei nach Satz 2 der Vorschrift die Regelungen zur Krankenbehandlung nach § 264 SGB V vorgehen, wenn den Leistungsberechtigten die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels des SGB XII nicht zuzumuten ist.

Die Antragsgegnerin ist als örtlicher Träger der Sozialhilfe für die Leistungsgewährung nicht nur sachlich (§ 97 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 6 Abs. 1 Nds. AG SGB XII), sondern auch örtlich zuständig, denn die Antragsteller halten sich in Bremen tatsächlich auf (§ 98 Abs. 1 SGB Satz 1 SGB XII).

Die Antragsteller haben auch glaubhaft gemacht, dass sie zum Personenkreis der nach § 19 Abs. 2 Satz 3, § 48 SGB XII Leistungsberechtigten gehören. Insbesondere steht ihre syrische Staatsangehörigkeit nicht entgegen, denn sie verfügen als anerkannte Flüchtlinge seit dem 14. November 2016 über eine bis zum 13. November 2019 geltende Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 2 AufenthG. Sie sind auch nicht in der Lage, ihre Krankenbehandlungskosten aus eigenem Einkommen und Vermögen oder den Leistungen Anderer zu bestreiten.

Sie haben durch ihr Beschwerdevorbringen, insbesondere auch durch Vorlage vollständiger Kontoauszüge ab Eröffnung des Girokontos und einer eidesstattlichen Versicherung, glaubhaft gemacht, dass sie bislang über keinen Krankenversicherungsschutz verfügen und alters- und gesundheitsbedingt notwendige ärztliche Behandlungen anstehen, die sie nicht aus Einkommen (§ 82 SGB XII) und Vermögen (§ 90 SGB XII) und auch nicht durch Leistungen Dritter begleichen können. Sie haben insbesondere glaubhaft gemacht, dass ihr Sohn trotz abgegebener Verpflichtungserklärung nicht in der Lage ist, die insoweit notwendigen Leistungen zu erbringen.

Zwar ist der Antragsgegnerin dahingehend zuzustimmen, dass die Antragsteller trotz verschiedener Mitwirkungsschreiben lediglich nach und nach einen vollständigen Einblick in ihre Einkommens und Vermögensverhältnisse ermöglicht haben. Anhaltspunkte dafür, dass sie als Flüchtlinge aus Syrien über bislang unbekannte weitere Konten oder über die Schonbeträge übersteigende Vermögenswerte verfügen, sind jedoch nicht ersichtlich. Dem steht die Tatsache nicht entgegen, dass noch am 9. Februar 2017 auf dem Girokonto ein Guthaben von 1.417,62 € vorhanden war und nennenswerte Abhebungen nicht erfolgt sind, denn seit Antragstellung steht jedenfalls kein nennenswertes Guthaben mehr zur Verfügung.

Die Verpflichtungserklärungen der Frau F. oder des Sohnes können dem Begehren der Antragsteller nicht entgegengehalten werden. Nach § 68 Abs. 1 Satz 1 AufenthG hat derjenige, der sich der Ausländerbehörde oder einer Auslandsvertretung gegenüber verpflichtet hat, die Kosten für den Lebensunterhalt eines Ausländers zu tragen, für einen Zeitraum von fünf Jahren sämtliche öffentlichen Mittel zu erstatten, die für den Lebensunterhalt des Ausländers einschließlich der Versorgung mit Wohnraum und der Versorgung im Krankheitsfalle und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden. Nach § 68 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ist die Verpflichtungserklärung nach Maßgabe des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes vollstreckbar. Der Erstattungsanspruch steht nach § 68 Abs. 2 Satz 3 AufenthG der öffentlichen Stelle zu, die die öffentlichen Mittel aufgewendet hat.

Die Verpflichtungserklärung der Frau F. ist zwischenzeitlich erloschen und durch die gleichlautende Verpflichtungserklärung des Sohnes vom 5. April 2017 ersetzt. Diese wirkt auch, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, trotz des geänderten Aufenthaltstitels der Antragsteller (§ 25 Abs. 2 statt 23 Abs. 1 AufenthG) weiterhin fort, denn § 68 Abs. 1 Satz 4 AufenthG in der seit dem 6. August 2016 geltenden Fassung schließt ein Erlöschen der Verpflichtungserklärung ausdrücklich aus. Allerdings ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 68 Abs. 1 AufenthG, dass aus der Verpflichtungserklärung lediglich eine Regresspflicht des Erklärenden gegenüber der öffentlichen Stelle resultiert. Damit dürfen Leistungen gegenüber Hilfebedürftigen wie den Antragstellern nicht allein unter Hinweis auf das bloße Bestehen der Verpflichtungserklärung ausgeschlossen werden, sondern nur, wenn die Antragsteller ihren Bedarf tatsächlich decken können (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 2. Februar 2017 – L 9 SO 691/16 B ER - juris Rn. 7 f).

Bei angesichts des Alters und Gesundheitszustandes der Antragsteller nicht auszuschließenden Kosten für größere Behandlungen ist eine vollständige Bedarfsdeckung offensichtlich nicht der Fall, denn der Sohn hat bereits erklärt, dass er zwar bereit ist seiner grundsätzlich nach § 1601 BGB bestehenden Unterhaltspflicht mit der Gewährung von Leistungen für den Lebensunterhalt der Antragsteller nachzukommen, nicht aber daneben auch noch Behandlungskosten übernehmen wird. Es fehlt den Antragstellern damit an bereiten Mitteln, die einem Leistungsanspruch gegen die Antragsgegnerin entgegenstehen könnten.

Auch einen möglicherweise nach dem SGB V bestehenden vorrangigen Krankenversicherungsschutz kann die Antragsgegnerin den Antragstellern nicht entgegenhalten. Bislang ist nicht ersichtlich, dass die Antragsteller einen anderweitigen Anspruch auf Versorgung im Krankheitsfall haben. Insbesondere ist über einen Antrag auf den Abschluss einer freiwilligen Krankenversicherung noch nicht entschieden. Dass private Krankenversicherungsunternehmen nicht gewillt sind, die bereits 78 und 71 Jahre alten Antragsteller zu versichern, leuchtet ohne weiteres ein. Selbst wenn die Antragsteller nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V versicherungspflichtig sein sollten, ist ein entsprechender Versicherungsschutz jedenfalls bislang noch nicht gewährt. Den Antragstellern stehen deshalb auch aus diesem Grund noch keine bereiten Mittel zur Verfügung.

Ebenso wenig werden nach § 48 Satz 2 SGB XII vorrangige Leistungen nach § 264 SGB V gewährt. Danach kann zwar die Krankenkasse für Arbeits- und Erwerbslose, die nicht gesetzlich gegen Krankheit versichert sind, für andere Hilfeempfänger sowie für die vom Bundesministerium für Gesundheit bezeichneten Personenkreise die Krankenbehandlung übernehmen, sofern der Krankenkasse Ersatz der vollen Aufwendungen für den Einzelfall sowie eines angemessenen Teils ihrer Verwaltungskosten gewährleistet wird. Die Antragsteller beziehen aber keine entsprechenden Leistungen.

Schließlich haben die Antragsteller unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben des BVerfG, wonach das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, als Menschenrecht gleichermaßen zusteht (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 – juris Rn. 63), den für den Erlass der begehrten Regelungsanordnung erforderlichen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Es erscheint nachvollziehbar, dass sie schon allein aufgrund ihres Alters und der bestehenden Erkrankungen auf ärztliche Hilfe angewiesen sind, die ohne Nachweis eines Krankenversicherungsschutzes nicht sichergestellt ist.

Die Frage, ob und in welchem Umfang sich Erstattungsansprüche gegenüber dem Sohn, Frau F. oder der Krankenkasse ergeben, ist einem Erstattungsstreitverfahren vorbehalten. Ebenso steht es der Antragsgegnerin frei, gegenüber den Antragstellern Rückforderungsansprüche geltend zu machen, soweit sich herausstellen sollte, dass Leistungen zu Unrecht erbracht worden sind, weil die Antragsteller entgegen ihrer Angaben über Vermögen verfügen.

Hinsichtlich der zeitlichen Reichweite hält der Senat eine Verpflichtung der Antragsgegnerin bis zum 30. September 2017 für sachgerecht, da bis dahin jedenfalls eine Klärung des Versicherungsverhältnisses mit der AOK herbeigeführt sein dürfte. Dabei geht der Senat davon aus, dass zur Vermeidung überflüssiger Verfahren den Antragstellern auch weiterhin bis zur Entscheidung in der Hauptsache Leistungen der Hilfe zur Krankheit gewährt werden, soweit sich die hier entscheidungserheblichen Verhältnisse nicht maßgeblich ändern.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.