Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 10.07.2017, Az.: L 16 KR 13/17
Kostenübernahme bei Gewährung einer Operation zur Bauchdeckenstraffung und Narbenkorrektur mit Fettunterspritzung als Sachleistung (hier: massiver Gewichtsverlust); Krankenversicherung; Bauchdeckenstraffung und Narbenkorrektur mit Fettunterspritzung; Begriff der Krankheit; Kosmetische Beeinträchtigungen; Keine Behandlung psychischer Erkrankungen durch körperliche Eingriffe
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 10.07.2017
- Aktenzeichen
- L 16 KR 13/17
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2017, 17164
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Lüneburg - 17.11.2016 - AZ: S 41 KR 118/16
Rechtsgrundlagen
- § 12 Abs. 1 SGB V
- § 13 Abs. 3a S. 1, 2, 5, 6, 7 SGB V
- § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 5 SGB V
- § 27 SGB V
Redaktioneller Leitsatz
1. Nach der ständiger Rechtsprechung des BSG ist unter Krankheit ein regelwidriger körperlicher oder geistiger Zustand zu verstehen, der entweder Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit oder beides zur Folge hat; es handelt sich um einen rechtlichen Zweckbegriff.
2. Der Krankheitsbegriff ist von dem medizinischen Krankheitsbegriff zu unterscheiden, wonach Krankheit eine Erkrankung mit bestimmten Symptomen und Ursachen ist; auch auf die Krankheitsursache kommt es grundsätzlich nicht an.
3. Eine Krankheit im Rechtssinne verlangt eine erhebliche Abweichung vom idealen Zustand; geringfügige Störungen, die keine wesentlichen funktionellen Beeinträchtigungen zur Folge haben, reichen nicht aus; Abweichungen von einer morphologisch idealen Norm, die noch befriedigende körperliche oder psychische Funktionen zulassen, sind keine Krankheit.
4. Kosmetische Beeinträchtigungen sind nicht vollständig ungeeignet zur Begründung einer Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung, sie müssen aber ein extremes und unzumutbares Ausmaß erreicht haben. Um eine Entstellung annehmen zu können, genügt nicht jede körperliche Anomalität; vielmehr muss es sich objektiv um eine so erhebliche Auffälligkeit handeln, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit auslöst und die damit zugleich erwarten lässt, dass der Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzieht und zu vereinsamen droht, sodass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist.
5. Nach der Rechtsprechung des BSG kommt eine Behandlung psychischer Erkrankungen durch körperliche Eingriffe grundsätzlich nicht in Betracht; Operationen am gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen sollen, lassen eine Behandlungsbedürftigkeit nicht begründen.
Tenor:
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 17. November 2016 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Operation zur Bauchdeckenstraffung und eine Narbenkorrektur mit Fettunterspritzung.
Der im Jahre 1964 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Bei einer Körpergröße von 174 cm besteht gegenwärtig ein Gewicht von ca. 85 kg. Bei einem Zustand nach Aortenklappenersatz im Jahre 2007 und Adipositas mit einem damaligen Spitzengewicht von 165 kg wurde im Jahre 2013 eine Schlauchmagenoperation durchgeführt. Infolgedessen kam es zu einem massiven Gewichtsverlust. Seit dem Jahre 2014 ist das Gewicht stabil.
Am 24. Juni 2015 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Operation zur Bauchdeckenstraffung und die Fettunterspritzung der Operationsnarbe auf dem Brustbein. Zur Begründung führte er aus, dass er insgesamt 82 kg an Gewicht verloren habe. Er würde psychisch sehr stark unter seinem derzeitigen Aussehen leiden, so dass er sich nirgends mit freien Oberkörper zeige möge. Außerdem würden ihn die "Krater in der Narbe" täglich an die Herzoperation erinnern, mit der er einfach keinen Frieden schließen könne. Beigefügt war ein Attest der Allgemeinmedizinerin D., die aufgrund der psychischen Probleme eine Bauchdeckenstraffung für medizinisch notwendig erachtete. Beigefügt war ferner eine Fotodokumentation mit der erläuternden Aufschrift "Namensänderung Dezember 2015 durch Adoption". In einem weiteren Bericht des E. Klinikums F. vom 18. Juni 2015 wurde ebenfalls eine Therapieempfehlung für eine Abdominoplastik mit gleichzeitiger Narbenkorrektur des Brustbeins mit Eigenfetttransplantation ausgesprochen.
Die Beklagte beauftrage den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der sozialmedizinischen Begutachtung. Hierüber informierte sie den Kläger mit Schreiben vom 2. Juli 2015 und bat um Vorlage einer weiteren Fotodokumentation vom Brustbein vorne und Abdomen seitlich. Nach Eingang der Unterlagen leitete sie diese an den MDK weiter und informierte den Kläger mit Zwischennachricht vom 17. Juli 2015. Den vorgesehenen Untersuchungstermin beim MDK konnte der Kläger aufgrund einer Geschäftsreise nicht wahrnehmen. Die Beklagte teilte ihm durch Schreiben vom 4. August 2015 mit, dass eine Entscheidung über den gestellten Antrag innerhalb der gesetzlichen 5-Wochenfrist nicht möglich sei, weil der Termin des MDK zur persönlichen Begutachtung aufgrund der Geschäftsreise nicht wahrgenommen werden konnte. Es werde ein neuer Termin vereinbart.
Mit Gutachten vom 23. September 2015 (Untersuchungstag: 21. September 2015) wurde ausgeführt, dass aus chirurgischer Sicht eine Kostenübernahme bei den vorliegenden Befunden nicht empfohlen werden könne. Es habe sich eine reizlose Narbenbildung im Bereich des Sternums nach Sternotomie mit zwei verbreiterten Narbenbereichen ohne wesentliche Fixierung auf der Unterlage und ohne entstellende Wirkung in normaler Alltagskleidung gefunden. Weiterhin habe sich eine deutliche Bauchfettschürze mit Überhang über beide Leisten ohne darunter gelegene Hautveränderungen gezeigt, insbesondere Zeichen einer chronischen Dermatitis seien nicht erkennbar. In normaler Alltagskleidung sei eine Entstellung nicht erkennbar. Bei den alltagsrelevanten Belastungen wie gehen, stehen oder sitzen sei keine mechanische Irritation erkennbar. Eine psychotherapeutische Behandlung fände derzeit nicht statt.
Mit Bescheid vom 29. September 2015 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Hierzu stützte sie sich auf die Ausführungen des MDK und führte aus, dass keine Erkrankung im Sinne des Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) vorliege.
Der Kläger erhob Widerspruch und trug vor, dass die Hautüberschüsse laufend entzündet seien. Durch die überschüssige Haut würden an mehreren Stellen wundgeriebene Ekzeme entstehen, die durch das Scheuern von Haut an Haut und an Kleidung verursacht würden. Durch den massiven Gewichtsverlust sei ein entstellender Weichteilüberschuss entstanden, der einer operativen Korrektur bedürfe. Nur so sei wieder ein ästhetisches Körperbild herzustellen. Im Übrigen greife nach seiner Ansicht die Genehmigungsfiktion aus § 13 Abs 3a SGB V. Die Beklagte beauftragte sodann erneut dem MDK mit der Begutachtung und teilte dies dem Kläger mit Schreiben vom 6. Oktober 2015 mit. Mit Stellungnahme vom 29. Oktober 2015 führte der MDK aus, dass Atteste über die Behandlung von Hauterkrankungen nicht vorhanden seien. Bei der Untersuchung seien sie von dem Kläger auch nicht genannt worden. Auch auf der Fotodokumentation seien Veränderungen der Haut nicht erkennbar.
Mit Widerspruchsbescheid vom 31. März 2016 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie stützte sich darin auf die Ausführungen des MDK. Eine Krankheit im Sinne der Gesetzlichen Krankenversicherung sei ein über kosmetische Defizite hinausgehender regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedürfe. Eine behandlungsbedürftige Hauterkrankung liege nicht vor. Psychische Erkrankungen würden nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ausschließlich mit Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie behandelt werden können. Außerdem würden die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3 a SGB V nicht vorliegen.
Bereits am 19. November 2015 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht (SG) Lüneburg erhoben und diese nach Erlass des Widerspruchsbescheides fortgeführt. Nach seiner Ansicht sei die Fettschürze eine behandlungsbedürftige Krankheit. Aus dem Bildmaterial sei nach seiner Ansicht ersichtlich, dass die Fettschürze eine entstellende Wirkung entfalte. Hautüberschüssen komme dann ein Krankheitswert zu, wenn dauerhaft therapieresistente Hautreizungserscheinungen wie Pilzbefall, Sekretionen, entzündliche Veränderungen oä vorliegen würden. Eine Reduktion der Hautüberschüsse sei ohne Operation nicht möglich. Er hat weiter ein Attest der Fachärztin für plastische und ästhetische Chirurgie Dr G. - H. - beigefügt, wonach es regelmäßig zu Entzündungen in der Unterbauchfalte komme.
Das SG hat den medizinischen Sachverhalt näher aufgeklärt. Es hat das Gutachten des Chirurgen Dr I. vom 17. November 2016 eingeholt. Dieser hat das Vorliegen einer Operationsindikation verneint. Eine mögliche Hautsymptomatik sei grundsätzlich behandelbar, wobei eine dermatologische Behandlung bisher nicht stattfinde. Auch eine im Untersuchungstermin erstmals geklagte Penisverklemmung, nachts bei Spontanerektionen könne keine Operationsindikation für eine Fettschürzenreduktion darstellen.
Mit Urteil vom 17. November 2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat sich dabei auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr I. gestützt. Es liege keine behandlungsbedürftige Krankheit vor, da der Kläger weder in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt sei, noch die vorhandene anatomische Abweichung entstellend wirke. Psychische Belastungen seien mit den Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie zu behandeln. Auch die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion aus § 13 Abs 3a SGB V würden nicht vorliegen.
Gegen das am 2. Januar 2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10. Januar 2017 Berufung bei dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt. Das SG habe verkannt, dass er psychisch und physisch unter der Fettschürze am Bauch und der Narbenbildung im Bereich des Brustkorbes leide. Zwar könne er diese mit Kleidung bedecken. Dennoch sei es ihm unangenehm in die Öffentlichkeit zu gehen und alltägliche Dinge zu erledigen. Er fühle sich den Blicken anderer Menschen ausgesetzt. Insbesondere die Penisverklemmung sei von dem SG nicht ausreichend in die Entscheidung einbezogen worden. Es werde nicht berücksichtigt, dass nachts Probleme bei Spontanerektionen auftreten würden. Da die Fettschürze des Klägers jedoch so weit herunterhänge bestehe keine Entfaltungsmöglichkeit für den Penis und so stellten sich die Erektionen als äußerst schmerzhaft dar. Durch den behandelnden Urologen werde eine Operation empfohlen, die im Februar 2017 im Klinikum J. auch erfolgt sei. Die durchgeführte Entfernung von suprapubischem Fettgewebe habe jedoch nicht vollständig dafür gesorgt, dass die überschüssige Haut, durch die er sich stark beeinträchtigt fühle, entfernt wurde. Er leide weiterhin psychisch und physisch stark darunter. Gerade unterhalb der Fettschürze würden regelmäßig schmerzende und entzündete Stellen auftreten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 17. November 2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. September 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2016 aufzuheben und
die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die begehrte Operation einer Bauchdeckstraffung und Narbenkorrektur mit Fettunterspritzung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend und schließt sich den dort genannten Gründen an.
Mit Verfügung vom 6. April 2017 sind die Beteiligten zu der beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakte und den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagte Bezug genommen, die der gerichtlichen Entscheidung zugrunde gelegen haben.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist form- und fristgemäß erhoben worden und auch im Übrigen zulässig.
Sie ist jedoch nicht begründet. Das Urteil des SG Lüneburg vom 17. November 2016 sowie der Bescheid der Beklagten vom 29. September 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2016 sind rechtmäßig und halten der rechtlichen Überprüfung stand. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Operation zur Baudeckenstraffung und Narbenkorrektur im Wege der Sachleistung.
Gemäß § 27 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u.a. ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie und Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 5 SGB V). Nach § 12 Abs. 1 SGB V müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein, sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.
Voraussetzung für einen Sachleistungsanspruch nach § 27 SGB V ist das Vorliegen einer behandlungsbedürftigen Krankheit. Nach der ständiger Rechtsprechung des BSG ist unter Krankheit ein regelwidriger körperlicher oder geistiger Zustand zu verstehen, der entweder Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit oder beides zur Folge hat (BSG, SozR 4-2500 § 27 Nr. 20 Rdnr. 10). Es handelt sich um einen rechtlichen Zweckbegriff (vgl. Nolte, Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Band 1, Stand: September 2013, § 27 Rdnr. 9 ff.). Der Krankheitsbegriff ist von dem medizinischen Krankheitsbegriff zu unterscheiden, wonach Krankheit eine Erkrankung mit bestimmten Symptomen und Ursachen ist. Auch auf die Krankheitsursache kommt es grundsätzlich nicht an (Nolte, aaO., Rdnr. 10, 11 m.w.N.). Eine Krankheit im Rechtssinne verlangt eine erhebliche Abweichung vom idealen Zustand. Geringfügige Störungen, die keine wesentlichen funktionellen Beeinträchtigungen zur Folge haben, reichen nicht aus. Abweichungen von einer morphologisch idealen Norm, die noch befriedigende körperliche oder psychische Funktionen zulassen, sind keine Krankheit. Für die Feststellung der Regelwidrigkeit ist vom Leitbild des gesunden Menschen auszugehen, der zur Ausübung der normalen körperlichen und psychischen Funktionen in der Lage ist. Eine Abweichung von dieser Norm führt zur Regelwidrigkeit. Erforderlich ist dabei, dass der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird und diese Funktionsbeeinträchtigung durch die notwendige Krankenbehandlung erkannt, geheilt, gelindert oder ihre Verschlimmerung verhütet wird (BSG, Urteil vom 4. März 2014 - B 1 KR 69/12 R Rdnr. 9 mwN) oder dass er an einer Abweichung leidet, die entstellend wirkt (BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 20 Rdnr. 10). Ein Anspruch auf Krankenbehandlung in Form von Eingriffen in intakte, nicht in ihrer Funktion beeinträchtige Organsysteme kommt als Ausnahmefall nur dann in Betracht, wenn die Abweichung entstellend wirkt (BSG, Urteil vom 4. März 2014, aaO., Rdnr. 12). Demnach kann eine Regelabweichung unabhängig von Funktionsdefiziten dann als Krankheit angesehen werden, wenn eine entstellenden Wirkung vorliegt (BSGE 93, 94 = SozR 4-2500 § 13 Nr. 4 Rdnr. 16; BSG, SozR 4-2500 § 27 Nr. 2 Rdnr. 7). Diese kann nicht durch einen Sachverständigen festgestellt werden, maßgeblich ist vielmehr der unmittelbare Eindruck des Gerichts, den es sich durch Augenschein zu verschaffen hat (BSG SozR 3-1750 § 372 ZPO Nr. 1). Abzustellen ist auf das Erscheinungsbild in üblicher Alltagskleidung, nicht jedoch auf den unbekleideten Zustand.
Kosmetische Beeinträchtigungen sind nicht vollständig ungeeignet zur Begründung einer Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung, sie müssen aber ein extremes und unzumutbares Ausmaß erreicht haben. Um eine Entstellung annehmen zu können, genügt nicht jede körperliche Anomalität. Vielmehr muss es sich objektiv um eine so erhebliche Auffälligkeit handeln, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit auslöst und die damit zugleich erwarten lässt, dass der Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzieht und zu vereinsamen droht, sodass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 45 Seite 253 ff.). Um eine Auffälligkeit im Sinne einer Entstellung anzunehmen, muss objektiv eine beachtliche Erheblichkeitsschwelle überschritten sein, es genügt nicht allein die ungewöhnliche Ausgestaltung von Organen, vielmehr muss die körperliche Auffälligkeit in einer solchen Ausprägung vorhanden sein, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen "quasi im Vorbeigehen" bemerkbar macht und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führt (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 45 Seite 253 ff.; BSG, Urteil vom 28. Februar 2008 -1 KR 19/07 R- Rdnr. 13). Die von dem Kläger vorgetragene Entstellung liegt zur Überzeugung des Senates nicht vor. Aus der Inaugenscheinnahme der Fotodokumentation ergibt sich schon im unbekleideten Zustand keine Entstellung, so dass diese in üblicher Alltagskleidung erst recht nicht vorliegen kann. Bei wertendender Betrachtung ist das Erscheinungsbild des Klägers vielmehr nicht besonders ungewöhnlich und bewegt sich innerhalb der Normvarianz. Die Fotodokumentation zeigt ein schlaffes Hautbild im Bereich des Abdomens und ein Herüberhängen der Fettschürze über den Bund der Unterhose von etwa einer Handbreite, jedoch nicht sichtlich mehr als dies. Zwar verkennt der Senat nicht, dass die Fettschürze das Ergebnis einer massiven Gewichtsreduktion ist, gleichwohl ist ein solches Körperbild in der vergleichbaren männlichen Alterskohorte keineswegs extrem außergewöhnlich. Darüber hinaus zieht der Kläger bei dem bestehenden Körperbild in üblicher Alltagskleidung auch keine Blicke Dritter auf sich, die ihn zu einer Fixierung des Interesses machen würden, da sich die Körpersilhouette in unauffälliger und angemessener Weise bedecken läßt. Soweit der Kläger einen subjektiv anderen Eindruck haben mag, kommt es hierauf nicht an.
Es kann auch dahinstehen, ob wegen der Fettschürze ein psychischer Leidensdruck bei dem Kläger besteht, denn dieser wäre nach der ständigen Rechtsprechung des BSG vorrangig durch Psychiater/Psychologen zu behandeln und rechtfertigt keinen operativen Eingriff. Nach der Rechtsprechung des BSG kommt grundsätzlich eine Behandlung psychischer Erkrankungen durch körperliche Eingriffe nicht in Betracht. Operationen am gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen sollen, lassen eine Behandlungsbedürftigkeit nicht begründen (BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 14 Rdnr. 18 m.w.N., BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 20 Rdnr. 13 ff.). Eine Operationsindikation wird auch nicht durch das Hautbild des Klägers begründet. Die erstmals im Untersuchungstermin bei dem Sachverständigen Dr I. darstellbaren Hautveränderungen in Form einer Rötung mit kleinen oberflächlichen Ulzerationen im Rahmen des Unterhosengummisitzes stellen zwar eine Erkrankung dar, erfordern jedoch keine Operation. Denn sie sind auch nach den eigenen Angaben des Klägers im Rahmen der Untersuchung durch den MDK mit Creme- und Puderbehandlung gut beherrschbar. Zudem wird eine dermatologische Behandlung bisher nicht durchgeführt, was ebenfalls die Geringfügigkeit der Beschwerden belegt. Auch die vorgetragene Penisverklemmung vermag den geltend gemachten Anspruch nicht zu tragen. Soweit bei dem Kläger ein spezifisch urologisches Leiden im Bereich des Penis besteht, so kann dieses - wie bereits geschehen - zu Lasten der Beklagten fachärztlich behandelt werden. Eine Operationsindikation im Bereich der abdominellen Fettschürze besteht demgegenüber nicht. Für eine solche, mittelbare Krankenbehandlung hat das BSG besondere Anforderungen aufgestellt. Es hat dargelegt, dass für einen chirurgischen Eingriff an einem funktionell intakten Organ eine spezielle Rechtfertigung im Sinne einer ultima ratio erforderlich ist. Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit der Intervention, das Risiko und der evt Nutzen der Therapie sind gegeneinander abzuwägen (BSG, Urteil vom 19. Februar 2003, B 1 KR 1/02 R). In diesem Sinne kann der Kläger bereits mit einfachen Selbsthilfemöglichkeiten Vorsorge gegen drohende Verklemmungen betreiben. Soweit nach seinem Vorbringen durch ein Herunterhängen der Fettschürze keine Entfaltungsmöglichkeit für den Penis bei nächtlichen Spontanerektionen besteht, so kann er durch das Tragen geeigneter Nachtwäsche ohne weiteres Abhilfe schaffen. Auch aus § 13 Abs 3a SGB V ergibt sich keine Anspruchsgrundlage für den Kläger gegen die Beklagte. Nach § 13 Abs 3a S 1 SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (§ 13 Abs 3a S 2 SGB V). Der MDK nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung (§ 13 Abs 3a S 2 SGB V). Kann die Krankenkasse die Fristen nach S 1 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich (§ 13 Abs 3a S 5 SGB V). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (§ 13 Abs 3 a S 7 SGB V). Vorliegend hat die Beklagte die maßgeblichen Fristen eingehalten und den Kläger jeweils über den Stand des Verfahrens informiert, so dass eine Genehmigungsfiktion nicht eingetreten ist. Nachdem die angeforderte Fotodokumentation vorlag, musste der vorgesehene Untersuchungstermin verschoben werden. Die gutachterliche Untersuchung des Klägers durch den MDK konnte aufgrund seiner beruflichen Abwesenheit erst am 21. September 2015 erfolgen. Die ablehnende Entscheidung der Beklagten erging unmittelbar etwa eine Woche nachdem das Gutachten vorlag.
Mithin kann die Berufung keinen Erfolg haben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Ein gesetzlicher Grund zur Zulassung der Revision ist nicht gegeben (§ 160 Abs 2 SGG).