Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 21.07.2005, Az.: 8 U 96/05
Auslegung einer Erklärung, mit der der Schuldner einem Factoringunternehmen, die abgetretene Forderung bestätigt hat; Bestimmung des Inhalts und der Reichweite des Verzichts auf Einwendungen gegen eine anerkannte Forderung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 21.07.2005
- Aktenzeichen
- 8 U 96/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 18409
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2005:0721.8U96.05.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Osnabrück - 05.01.2005 - AZ: 5 O 1448/04 (332)
Fundstelle
- OLGReport Gerichtsort 2005, 705-706
Amtlicher Leitsatz
Zur Auslegung einer Erklärung, mit der der Schuldner dem Zessionar, einem Factoringunternehmen, die abgetretene Forderung bestätigt hat.
In dem Rechtsstreit
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 2005
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...,
den Richter am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Oberlandesgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 5. Januar 2005 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Gründe
I.
Die Klägerin, ein Factoring-Unternehmen, verlangt von der Beklagten Zahlung in Höhe von 40.600,00 Euro und stützt dies auf ein von ihr als Anerkenntnis gewertetes Schreiben der Beklagten zu 1) vom 12. Februar 2004.
Die Firma P... Personaldienstleistungen GmbH ist aufgrund Factoring-Vertrages vom 20. Dezember 2002 Kundin der Klägerin. Die Firma P... war als Nachunternehmerin der Beklagten zu 1) bei dem Bauvorhaben L... tätig (Nachunternehmer-Werkvertrag vom 8. Oktober/6. November 2003. Vor dem Ankauf von Forderungen der Firma P... gegen die Beklagte zu 1) aus diesem Bauvorhaben fragte die Klägerin jeweils bei der Beklagten zu 1) nach dem Bestand der Forderungen. Mit gleichlautenden Schreiben vom 10. Dezember 2003 und 12. Januar 2004 bestätigte die Beklagte zu 1), dass Abschlagsrechnungen der Firma P... bei Fälligkeit überwiesen werden würden, was dann auch geschah.
Am 10. Februar 2004 richtete die Firma P... eine weitere "6. Abschlagsrechnung" über 40.600,00 Euro brutto an die Beklagte zu 1). Die fernmündliche Bitte der Klägerin um Auskunft über den Bestand der Forderung beantwortete die Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 12. Februar 2004 unter Hinweis auf den Nachunternehmer-Werkvertrag wie folgt:
"Aufgrund fehlender Unterlagen, aber bereits ausgeführter Arbeiten, bestätigen wir, die A... GmbH & Co. KG, dass die Firma P... Personaldienstleistungen GmbH eine Teilrechnung (Rechnung-Nr.: 10520 vom 10.02.2004 über 40.600,00 Euro) an uns schreiben durfte.
Hiermit bestätigen wir, dass wir diese Rechnung bei Fälligkeit (24.02.2004) ohne jeden Abzug an die C... Factoring GmbH auf deren, uns bekanntes Konto überweisen werden."
Gemäß Abrechnung vom 12. Februar 2004 überwies die Klägerin 31.679,37 Euro an die Firma P.... Die Beklagte zu 1) zahlte in der Folgezeit nicht; sie hat an die Firma P... bereits Zahlungen geleistet, die deren Werklohnanspruch übersteigen. Die Firma P... ist zwischenzeitlich zahlungsunfähig geworden.
Die Beklagte zu 1) hat ihre Erklärungen im Schreiben vom 12. Februar 2004 mit Schreiben vom 17. März 2004 wegen eines Irrtums über den Inhalt der Erklärung angefochten.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 40.600,00 Euro nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 25. Februar 2004 zu zahlen,
hilfsweise,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 31.679,37 Euro nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 13. Februar 2004 zu zahlen Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche der Klägerin gegen die Firma P... Personaldienstleistungen GmbH aus dem Factoring-Vertrag vom 20. Dezember 2002.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten vertreten die Auffassung, das Schreiben vom 12. Februar 2004 könne nicht als Schuldanerkenntnis gewertet werden. Hilfsweise berufen sie sich auf die von ihnen erklärte Anfechtung.
Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie machen geltend, ihr Schreiben vom 12. Februar 2004 bewirke keinen Einwendungsausschluss. Die Beklagten könnten sich deshalb darauf berufen, dass sie - unstreitig - der Firma P... die Bezahlung der 6. Abschlagsrechnung nicht schuldeten. Mindestens aber stehe der Klägerin ein Anspruch auf die Zahlung der von ihr einbehaltenen 8.120,00 Euro nicht zu. Hilfsweise berufen sich die Beklagten auf die von ihnen erklärte Anfechtung und machen geltend, dass die Klägerin einen Vertrauensschaden bisher nicht dargelegt habe.
Die Beklagten beantragen,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg.
Das Schreiben der Beklagten vom 12. Februar 2004 ist, wovon auch die Berufung zu Recht ausgeht, ein bestätigendes (deklaratorisches) Schuldanerkenntnis. Das entspricht herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum (vgl. BGH NJW 1983, 1903 ff; NJW 1973, 2019 f [BGH 25.05.1973 - V ZR 13/71]; Staudinger/Busche (1999), § 404 Rdnr. 44 ff; Staudinger/Marburger (2002), § 781 Rdnr. 32; MünchKommBGB/Roth, 4. Aufl., § 404 Rdnr. 20 ff). Erklärt der Schuldner - hier die Beklagte zu 1) - nach Abtretung der gegen ihn gerichteten Forderung auf Anfrage des Zessionars - hier der Klägerin -, dass die Forderung zu Recht bestehe oder dass sie anerkannt werde, so werden damit anders als beim konstitutiven Anerkenntnis nur solche Einwendungen ausgeschlossen, die dem Schuldner bei der Abtretung bekannt sind oder mit denen er rechnen muss.
In welchem Umfang der Schuldner auf Einwendungen verzichtet, muss in jedem Einzelfall näher ermittelt werden. Inhalt und Reichweite des Verzichts sind anhand des in der Erklärung zum Ausdruck gebrachten Parteiwillens zu bestimmen; dabei müssen alle Umstände des Falles, auch solche, die außerhalb der Urkunde liegen, berücksichtigt werden (vgl. BGH a.a.O.). Maßgebliches Kriterium ist die Interessenlage des Schuldners, der, wenn er fälschlicherweise den Empfang der ihm geschuldeten Leistung bestätigt und ausdrücklich jegliche eigenen Gegenrechte verneint, damit das Risiko für das Ausbleiben oder für die Mangelhaftigkeit der Gegenleistung übernimmt, was seinen Belangen durchweg zuwiderlaufen würde. Ein derartiger umfassender Verzichtswille kann deshalb nur dann angenommen werden, wenn nach dem Erklärungsinhalt und den sonstigen Umständen kein Anlass besteht, an einem solchen rechtsgeschäftlichen Willen zu zweifeln. Das erfordert zum einen eine eindeutige und unmissverständliche Erklärung, zum anderen in vielen Fällen ein eigenes Interesse des Schuldners am Kredit des Zedenten und an der Sicherung des Zessionars. Der Zessionar, der - anders als hier - die Erklärung des Schuldners häufig vorformuliert, hat es auch in der Hand, für einen eindeutigen und unmissverständlichen Erklärungsinhalt zu sorgen. Die Auslegung der Schuldnererklärung hat sich zwar am objektiven Empfängerhorizont des Zessionars zu orientieren; jedoch muss dieser neben seinem eigenen Sicherungsinteresse die eben genannten Belange des Schuldners in Rechnung stellen.
Daneben ist stets zu berücksichtigen, dass der Verzicht auf Einwendungen, zumal unbekannte, nicht zu vermuten ist. Das gilt insbesondere dann, wenn wie bei der Abtretungsbestätigung das Bestehen der Schuld nur im Interesse von Zedent und Zessionar anerkannt werden soll. Die Annahme eines umfassenden Einwendungsverzichts wird auch aus der maßgeblichen objektiven Sicht des Zessionars der Lebenserfahrung nicht entsprechen und nur bei Eindeutigkeit der Erklärung im Einzelfall in Frage kommen.
Werden diese Maßstäbe zugrundegelegt, so kann dem Schreiben vom 12. Februar 2004 kein Einwendungsverzicht im Hinblick auf das Risiko des Ausbleibens der Gegenleistung entnommen werden. Das Schreiben ist zunächst sprachlich und grammatisch fehlerhaft und ungeschickt formuliert; ihm fehlt schon daher die Eindeutigkeit und Unmissverständlichkeit. Die fernmündliche Anfrage der Klägerin bezog sich auf Ansprüche der Zedentin aus einem Nachunternehmer-Werkvertrag in der Form eines Einheitspreisvertrages; es ging um die 6. Abschlagsrechnung. Abschlagszahlungen richteten sich gemäß Ziffer 13 des Werkvertrages nach dem vereinbarten Zahlungsplan oder nach § 16 Nr. 1 VOB/B. Da es einen Zahlungsplan ausweislich des Inhalts der Akten nicht gibt, hatte die Zedentin Anspruch auf Abschlagszahlungen in Höhe des Wertes der jeweils nachgewiesenen vertragsgemäßen Leistungen. Das bedeutet, dass sie eine der Abschlagszahlung entsprechende Bauleistung erbracht und eine prüfbare Aufstellung dieser Bauleistung vorgelegt haben musste, wenn sie einen Antrag auf Abschlagszahlung stellte (vgl. Werner/Pastor, Der Bauprozess, 11. Aufl., Rdnr. 1219). Der Abschlagsrechnung vom 10. Februar 2004 ist derartiges nicht zu entnehmen. Darauf nimmt die Formulierung "aufgrund fehlender Unterlagen, aber bereits ausgeführter Arbeiten" Bezug; dieselbe Formulierung findet sich im Übrigen in den vorangegangenen Abtretungsbestätigungen. Der Erwähnung fehlender Unterlagen ist jedenfalls zu entnehmen, dass die Zedentin einen Bautenstand nicht nachgewiesen hatte. Das kommt auch darin zum Ausdruck, dass die Beklagte zu 1) keinesfalls versprach, die Abschlagsrechnung umgehend zu bezahlen, sondern erst bei Fälligkeit am 24. Februar 2004, also 12 Tage später. Die Fälligkeit einer Abschlagszahlung setzt aber, wie ausgeführt, den Nachweis entsprechender Leistungen voraus. Relativiert wird dies zwar dadurch, dass weiter von "bereits ausgeführten Arbeiten" die Rede ist. Daraus kann aber aus der Sicht der Klägerin nicht eindeutig geschlossen werden, dass der 6. Abschlagsrechnung entsprechende Bauleistungen zugrunde lagen. Weiter kann dem aufgrund des Hinweises auf fehlende Unterlagen nicht entnommen werden, dass die Abschlagsrechnung ohne entsprechenden Nachweis seitens der Zedentin bezahlt werden würde. Möglich ist auch, dass damit auf die den vorangegangenen fünf Abschlagsrechnungen zugrundeliegenden Leistungen Bezug genommen und damit ausgedrückt werden sollte, dass die Zedentin bei weiterem Baufortschritt berechtigt war, eine weitere Abschlagszahlung zu fordern. Damit fehlt der Erklärung die erforderliche Eindeutigkeit und Unmissverständlichkeit.
Zu berücksichtigen ist weiter, dass es sich schon um die 6. Abschlagsrechnung handelt. Die vorangegangenen fünf Abschlagsrechnungen beliefen sich auf insgesamt 113.680,00 Euro netto; die Einzelbeträge waren ebenfalls jeweils an die Klägerin gezahlt worden. Der Vertragspreis betrug 121.536,67 Euro netto, mithin ca. 140.000,00 Euro brutto. Es war deshalb auch für die Klägerin Vorsicht bei dem Ankauf dieser Forderung geboten. Andererseits spricht dies sowie der erst später bekannt gewordenen Umstand, dass die von der Fa. P... tatsächlich erbrachten Leistungen schon mit der 5. Abschlagszahlung überbezahlt waren, nicht dafür, dass die Beklagte zu 1) damit rechnen musste, keine Gegenleistung für den Betrag der 6. Abschlagsrechnung zu erhalten; beim Einheitspreisvertrag werden die Mengenangaben des Angebots und die Angebotssumme erfahrungsgemäß in vielen Fällen überschritten, weiter werden zusätzliche Leistungen gefordert und erbracht
Ein eigenes Interesse der Beklagten zu 1) daran, dass die Klägerin hinsichtlich des Ankaufs dieser Forderung umfassend gesichert wurde und die Zedentin Kredit bzw. Liquidität erhielt, ist dem Vorbringen der Parteien nicht zu entnehmen. Nach dem bestrittenen Vorbringen der Klägerin ist die Zedentin zwar inzwischen zahlungsunfähig; Anhaltspunkte dafür, dass sie ohne umgehende Begleichung ihrer 6. Abschlagsrechnung mit Hilfe der Klägerin nicht hätte weiterarbeiten können, lassen sich den Akten jedoch nicht entnehmen. Dann kann aber auch nicht angenommen werden, dass die Beklagte zu 1) aus der Sicht der Klägerin das Risiko, zahlen zu müssen, ohne eine entsprechende Gegenleistung zu erhalten, übernehmen wollte. Das widerspräche jeder Lebenserfahrung insbesondere im geschäftlichen Verkehr.
Das Schreiben vom 12. Februar 2004 enthält deshalb keinen umfassenden Einwendungsverzicht in dem Sinne, dass die Beklagte zu 1) damit das Risiko des Ausbleibens der Gegenleistung übernehmen wollte. Die entgegenstehende tatrichterliche Auslegung des Schreibens durch das Landgericht bindet den Senat nicht, weil sie den Prozessstoff nicht vollständig würdigt und weil sie aus den aufgeführten Gründen sachlich nicht überzeugt (vgl. dazu BGH NJW 2004, 2751).
In der Sache ist unstreitig, dass die Zedentin lediglich Leistungen im Wert von 88.108,30 Euro netto erbracht hat (Aufmaß vom 8. April 2004). Die von der Beklagten zu 1) erbrachten Abschlagszahlungen übersteigen damit bereits den Werklohnanspruch der Zedentin.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO.