Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 26.07.2005, Az.: 2 U 35/05
Anspruch auf Vergütung für statische Nachberechnungen im Falle der Änderung von Bauplänen durch einen Bauherren bzw. einen Architekten; Statische Nachberechnungen als besondere Leistungen i.S.d. § 64 Abs. 3 Nr. 5 Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI); Voraussetzungen der Inrechnungstellung von besonderen Leistungen; Zulässigkeit einer Berufung auf die Nichteinhaltung von gesetzlichen Formvorschriften; Angleichung von Vergütungen nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 26.07.2005
- Aktenzeichen
- 2 U 35/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 34383
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2005:0726.2U35.05.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Oldenburg - 04.03.2005 - AZ: 1 O 1845/03
Rechtsgrundlagen
- § 5 Abs. 4 S. 1 HOAI
- § 64 Abs. 3 Nr. 5 HOAI
- § 125 BGB
- § 242 BGB
Fundstellen
- BauR 2005, 1684 (amtl. Leitsatz)
- BrBp 2005, 505
Redaktioneller Leitsatz
Ein zusätzliches Honorar für besondere Leistungen kann auf der Grundlage der HOAI nur dann gefordert werden, wenn zwischen den Parteien eine schriftliche Honorarvereinbarung getroffen wurde.
In dem Rechtsstreit
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 12.07.2005
durch
die Richter ... ... ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das am 4.03.2005 verkündete Urteil des Landgerichts Oldenburg wie folgt geändert:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 889,66 Euro nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 3.558,59 Euro für den Zeitraum vom 19.12.2002 bis zum 8.07.2003 und aus einem Betrag von 889,66 Euro seit dem 9.07.2003 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Gerichtskosten I. Instanz tragen zu 2/3 der Kläger, zu 1/3 die Beklagten. Die erstinstanzlich angefallen außergerichtlichen Kosten der Beklagten trägt der Kläger zu 82%, diejenigen des Klägers tragen die Beklagten zu 18%. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen zu 82% der Kläger, zu 18% die Beklagten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 5.065,64 Euro festgesetzt.
Gründe
Der Kläger macht gegenüber den Beklagten Werklohnforderungen für statische Berechnungen eines Bauvorhabens geltend.
Außer Streit steht zwischen den Parteien, dass dem Kläger ein Auftrag zur Berechnung der Statik zu einem Pauschalpreis von 7.158,08 Euro zzgl. Mehrwertsteuer erteilt worden ist. Hierauf haben die Beklagten zwei Abschlagszahlungen geleistet, und zwar vorprozessual eine solcheüber 4.744,79 Euro sowie nach Zustellung der Klage eine solche über 2.668,93 Euro.
Im Streit stehen lediglich die Berechtigung der aus dem Pauschalhonorar noch offenen Restforderung über 889,66 Euro sowie weitergehende Kosten des Klägers, welche auf Grund einer durch Planungsänderungen erforderlichen Nachberechnung der Statik angefallen sind.
Mit am 4.03.2005 verkündetem Urteil hat das Landgericht Oldenburg die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger weitere 5.065,64 Euro nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz aus einen Betrag von 7.734,57 Euro seit dem 19.12.2002 bis zum 8.07.2003 und aus einem Betrag von 5.065,64 Euro seit dem 9.07.2003 zu zahlen. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen.
Das Landgericht hat sowohl den Restbetrag des Pauschalhonorars von 889,66 Euro, welchen die Beklagten unter Hinweis auf in den Pauschalpreis eingerechnete, jedoch nicht angefallene Kosten für einen Wärmeschutznachweis zurückgehalten haben, sowie weitere Honoraransprüche in Höhe von 3.600 Euro zzgl. Mehrwertsteuer für die nachträglichen Änderungen der Statik als berechtigt angesehen.
Bezüglich der Einzelheiten des Urteils sowie des erstinstanzlichen Vortrages der Parteien wird auf die Feststellungen des angefochtenen Urteils gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, mit welcher sie eine Abweisung der Klage erstreben.
Sie beantragen,
das am 4.03.2005 verkündete Urteil des Landgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet, und auch in der Sache selbst weitenteils erfolgreich.
Ein Anspruch auf Vergütung statischer Nachberechnungen, welche auf Planungsänderungen seitens des Bauherren bzw. der Beklagten als Architekten zurückgehen, steht dem Kläger nicht zu.
Die statischen Nachberechnungen stellen besondere Leistungen i.S.d. § 64 Abs. 3 Ziff. 5 HOAI dar. Sie unterfallen dem Leistungsbild "wesentliche Leistungen, die infolge Änderungen der Planung, die vom Auftragnehmer nicht zu vertreten sind, erforderlich werden.". Es handelt sich dabei um besondere Leistungen, welche zu der Grundleistung hinzutreten und diese nicht ersetzen.
Gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 HOAI kann für besondere Leistungen, die zu den Grundleistungen hinzutreten, ein Honorar nur berechnet werden, wenn diese Leistungen im Verhältnis zu den Grundleistungen einen nicht unwesentlichen Arbeit- und Zeitaufwand verursachen und zudem das Honorar schriftlich vereinbart worden ist. Diese Vorschrift findet auch auf die bei der Tragwerksplanung neben den Grundleistungen möglichen, in § 64 HOAI aufgezählten, besonderen Leistungen Anwendung (Werner/Pastor-Werner "Der Bauprozess", 11 Aufl., Rdn. 1420).
Eine schriftliche, von beiden Parteien unterzeichnete Honorarvereinbarung ist vorliegend nicht getroffen worden, eine möglicherweise mündlich zu Stande gekommene Honorarvereinbarung ist wegen Verstoßes gegen § 125 BGB nichtig.
Den Beklagten ist die Berufung auf diesen Formmangel nicht gem. § 242 BGB versagt. Die Berufung auf die Nichteinhaltung der gesetzlichen Formvorschriften verstößt nur in ganz besonders gelagerten Fällen, in denen die Folgen schlechthin untragbar erscheinen, gegen die Grundsätze von Treu und Glauben (vgl. Löffelmann/Fleischmann, Architektenrecht, 4. Aufl., Rdn. 1074; Korbion/Mantscheff/Vygen, HOAI, § 4 Rdn. 22).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Parteien eine ebenfalls wegen Nichteinhaltung des Schriftformerfordernisses unwirksame Pauschalhonorarvereinbarung getroffen hatten, nach welcher der Kläger abgerechnet hat, erweist es sich nicht als mit Treu und Glauben völlig unvereinbar, die vertragliche Abrede über eine Vergütung der besonderen Leistungen am Formmangel scheitern zu lassen. Dass der Kläger nicht von der ihm rechtlich eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, von der unwirksamen Pauschalhonorarabrede Abstand nehmen und seine Vergütung nach der HOAI zu berechnen, vermag der Berufung auf den Formmangel seitens der Beklagten nicht das Gepräge einer schwer wiegenden Treuwidrigkeit zu verleihen. Dieses Ergebnis erscheint nicht untragbar, zumal es der Kläger selbst in der Hand gehabt hätte, eine abweichende Berechnung seiner Vergütung vorzunehmen.
Ebenso wenig liegen die Voraussetzungen für eine Anpassung der Vergütung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage vor. Im Falle einer gem. § 5 Abs. 4 Satz 1 HOAI i.V.m. § 125 BGB nichtigen mündlichen Honorarvereinbarung stehen dem Architekten auch keine anderweitigen Zahlungsansprüche, etwa aus Bereicherungsrecht oder Geschäftsführung ohne Auftrag zu, da der mit dem Schriftformerfordernis verfolgte Schutz vor übereilter Vergabe weiterer Architektenleistungen andernfalls unterlaufen würde (vgl. Löffelmann/Fleischmann a.a.O. Rdn. 1074). Dieser Gesichtspunkt steht auch einer Vertragsanpassung mit Rücksicht auf die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage entgegen.
Keinen Erfolg hat die Berufung demgegenüber, soweit das Landgericht dem Kläger den noch ausstehenden Betrag von 889,66 Euro nebst Zinsen hierauf und auf den erst nach Rechtshängigkeit gezahlten Abschlagsbetrag zugestanden hat. Gegen die diesbezüglichen Feststellungen des Landgerichts bringt die Berufung inhaltlich nichts vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 ZPO und, soweit es die erstinstanzliche Kostenentscheidung betrifft, 91 a ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Ziff. 10, 711 und 713 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 5.065,64 Euro festgesetzt.