Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 11.08.2016, Az.: 1 WF 139/16
Umfang der Übernahme der Kosten in einem notariellen Grundstücksübertragungsvertrag; Pflicht zur Erstattung der Aufwendungen für den zur Vertretung beteiligter Kinder bestellten Ergänzungspfleger
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 11.08.2016
- Aktenzeichen
- 1 WF 139/16
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2016, 29594
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:2016:0811.1WF139.16.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Göttingen - 29.01.2016 - AZ: 44 F 196/15
Rechtsgrundlagen
- BGB § 1835 Abs. 3
- BGB § 1836c
- BGB § 1909
- BGB § 1915
- FamGKG § 24 Nr. 2
- GKG § 29 Nr. 2
- GNotKG § 27 Nr. 2
Fundstellen
- BtPrax 2018, 124
- FF 2018, 219
- FamRB 2016, 421
- JurBüro 2016, 588-589
- MDR 2016, 1339
- NJOZ 2016, 1713
Amtlicher Leitsatz
Hat ein Beteiligter eines notariellen Grundstücksübertragungsvertrages die durch die Urkunde ausgelösten Kosten übernommen, so können die Aufwendungen des zur Vertretung der beteiligten Kinder bestellten Ergänzungspflegers gegen ihn als Übernahmeschuldner festgesetzt werden.
Tenor:
Die Beschwerde vom 23.02.2016 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - G. vom 29.01.2016 wird auf Kosten des Beschwerdeführers zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert wird auf 3.137,91 € festgesetzt.
Gründe
I.
Mit notariellem Vertrag vom 01.12.2015 - UR Nr. 304/2015 des Notars Dr. P. in G. - übertrug der Beschwerdeführer ein Mehrfamilienhaus auf seine Enkel, die minderjährigen Kinder P. S. und M. D.. Gemäß § 8 des notariellen Vertrages übernahm der Beschwerdeführer als Veräußerer die durch die Urkunde ausgelösten Kosten. Die Kinder wurden durch Rechtsanwalt Dr. S., G., vertreten, der durch Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - G. vom 18.09.2015 zum Ergänzungspfleger bestellt worden war.
Auf Antrag des Ergänzungspflegers wurden dessen Aufwendungen in Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG nach einem Gegenstandswert von 200.000,00 € nebst Auslagen und Mehrwertsteuer auf insgesamt 3.137,91 € gegen den Beschwerdeführer festgesetzt.
Gegen den ihm am 02.02.2016 zugestellten Beschluss wendet sich der Beschwerdeführer mit der am 23.02.2016 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde. Er meint, eine Vergütung des Ergänzungspflegers sei nicht gerechtfertigt. Eine Pflegschaft sei grundsätzlich unentgeltlich zu führen. Der Ergänzungspfleger sei nicht wegen seiner anwaltlichen Sachkunde ausgewählt worden, sondern wegen seiner Objektivität als familienfremde Person. Es habe jedoch ein Bekannter der Familie zur Verfügung gestanden, der die Ergänzungspflegschaft ebenfalls hätte übernehmen können. Zudem seien Schuldner der Vergütung die vertretenen Enkelkinder. Diese seien vermögenslos. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beschwerdevorbringens wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist gemäß §§ 58 FamFG zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Der Ergänzungspfleger hat einen Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen gemäß §§ 1915 Abs. 1, 1835 Abs. 3 BGB in der festgesetzten Höhe.
Voraussetzungen für den Anspruch sind die wirksame Bestellung zum Ergänzungspfleger sowie die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen für den Erstattungsanspruch. Beide Voraussetzungen sind gegeben.
Der Ergänzungspfleger wurde durch Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - G. vom 08.09.2015 zum berufsmäßig tätigen Ergänzungspfleger zur Vertretung der Kinder P. S. und M. D. bei einem Grundstücksübertragungsvertrag bestellt, da die Kindeseltern gemäß §§ 1629 Abs. 2 Satz 1, 1795 Abs. 1 Satz 2, 3 BGB von der Vertretung ausgeschlossen waren.
Die Bestellung des Ergänzungspflegers ist ohne jeden Zweifel wirksam. Dies würde auch dann gelten, wenn der die Ergänzungspflegschaft anordnende Beschluss fehlerhaft wäre (vgl. BayObLG FamRZ 1999, 1603 Rn. 5; BayObLG FamRZ 1997, 701 Rn. 13; OLG Düsseldorf FamRZ 2011, 141 Rn. 11 m.w.N. - über juris). Anhaltspunkte dafür, dass der die Ergänzungspflegschaft anordnende Beschluss hinsichtlich der Auswahl des Ergänzungspflegers fehlerhaft wäre, sind jedoch ebenfalls nicht gegeben. Es erscheint zweifelhaft, kann aber dahinstehen, ob auch eine andere Person zum Ergänzungspfleger hätte bestellt werden können. Die Bestellung eines Rechtsanwalts ist jedoch in jedem Fall ermessensfehlerfrei, da der abzuschließende Vertrag inhaltlich überprüft werden musste, wofür juristische Kenntnisse erforderlich sind.
Etwas anderes ergibt sich nicht aus der vom Beschwerdeführer zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19.05.2013, XII ZB 530/11. In dem vom Bundesgerichtshof zu entscheidenden Fall stand in Frage, ob zusätzlich zu einem Vormund ein Rechtsanwalt als Ergänzungspfleger zu bestellen sei. Insoweit wurde entschieden, dass es ausreichend sei, wenn sich der Vormund um Rechtsberatung bemühe. Wenn dagegen, wie im vorliegenden Fall, der Anlass der Bestellung des Ergänzungspflegers ein einzelnes Rechtsgeschäft ist, das in den Bereich anwaltlicher Tätigkeit fällt, wäre es unsinnig, eine ehrenamtlich tätige Person zu bestellen, die wiederum einen Anwalt beauftragen muss und damit genau dieselben Kosten verursacht, die der anwaltliche Ergänzungspfleger nach § 1835 Abs. 3 BGB abrechnen kann.
Die Tatbestandsvoraussetzungen für den Anspruch des Ergänzungspflegers auf Aufwendungsersatz gemäß § 1835 Abs. 3 BGB sind ebenfalls erfüllt, da die Vertretung der Kinder bei Abschluss eines Übertragungsvertrages eine typische Anwaltstätigkeit ist und somit zum Beruf des Ergänzungspflegers gehört. Die außergerichtliche Vertretung bei Abschluss eines Vertrages, der inhaltlich zu überprüfen ist, ist eine typische Aufgabe eines Rechtsanwalts.
Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist es keine weitere Voraussetzung für den Anspruch auf Aufwendungsersatz gemäß § 1835 Abs. 3 BGB, dass der Rechtsanwalt gerade im Hinblick auf seine beruflichen Kenntnisse ausgewählt wurde; entscheidend ist vielmehr, dass er entsprechende Dienste erbracht hat.
Die Höhe des geltend gemachten Aufwendungsersatzes, gegen dessen Berechnung keine Einwendungen erhoben wurden, begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Die Kosten der Tätigkeit des Ergänzungspflegers richten sich - ebenso wie die Notarkosten - nach dem Gegenstandswert. Als Gegenstandswert hat der Ergänzungspfleger einen Betrag von 200.000,00 € angenommen. Dieser Wert entspricht dem Verfahrenswert, der für die Bestellung des Ergänzungspflegers im Beschluss vom 18.09.2015 festgesetzt wurde. Anhaltspunkte, dass der Gegenstandswert des im Namen der vertretenen Kinder abgeschlossenen Übergabevertrages geringer sein könnte, sind nicht erkennbar. Bei einem Gegenstandswert von 200.000,00 € beträgt eine volle Gebühr 2.013,00 €. Der Ansatz einer durchschnittlichen Geschäftsgebühr von 1,3 begegnet keinen Bedenken. Die Gebühr für eine außergerichtliche Vertretung beträgt nach Nr. 2300 KV zum RVG 0,5 bis 2,5 Gebühren. Die Mittelgebühr von 1,3 erfordert keinen besonderen Umfang und keine besondere Schwierigkeit der Tätigkeit. Die Vertretung minderjähriger Kinder bei Abschluss eines Grundstückskaufvertrages, bei der alle Vorschriften des Vertrages zu prüfen sind, ist jedoch auch nicht von unterdurchschnittlicher Schwierigkeit, so dass der Ansatz der Mittelgebühr gerechtfertigt ist. Die Berechnung der 1,3-Geschäftsgebühr nebst Auslagen und Mehrwertsteuer ist ebenfalls zutreffend.
Die Kosten des Ergänzungspflegers konnten gegen den Beschwerdeführer festgesetzt werden. Er ist zwar nicht Antragsteller, da er im vorliegenden Verfahren weder persönlich noch vertreten durch den Notar Dr. P. einen Antrag auf Einrichtung der Ergänzungspflegschaft gestellt hat. Vielmehr obliegt es gemäß § 1909 Abs. 2 BGB den Eltern, das Erfordernis einer Ergänzungspflegschaft dem Familiengericht anzuzeigen, so dass der Notar Dr. P. für diese tätig geworden ist. Der Beschwerdeführer hat jedoch die Aufwendungen des Ergänzungspflegers als Übernahmeschuldner zu tragen, da er in § 8 des notariellen Vertrages vom 01.12.2015 die durch die Urkunde ausgelösten Kosten übernommen hat. Hierzu gehören die Kosten der Ergänzungspflegschaft ohne weiteres. Es bestehen keine Bedenken, die Kosten gegen den Übernahmeschuldner direkt festzusetzen (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 2011, 141 Rn. 13 - über juris), entsprechend den für das Kostenrecht geltenden Regelungen der §§ 24 Nr. 2 FamGKG, 29 Nr. 2 GKG, 27 Nr. 2 GNotKG. Dies ergibt sich im vorliegenden Fall bereits aus der Auslegung der Übernahmeerklärung in § 8 des notariellen Vertrages. Dem aus der gesamten Vertragsurkunde ersichtlichen Willen der Vertragsschließenden, den Kindern lediglich rechtliche Vorteile zukommen zu lassen, entspricht nur eine Auslegung als Freistellungserklärung. Hätten die Kinder aus § 8 des Vertrages lediglich einen Erstattungsanspruch gegen den Beschwerdeführer, müssten sie die Kosten der Ergänzungspflegschaft - ebenso wie die Notarkosten - zunächst verauslagen, so dass das Geschäft nicht mehr ausschließlich vorteilhaft wäre.
Selbst bei einer Auslegung des § 8 des Vertrages als Erstattungsanspruch hätte der Beschwerdeführer die Kosten im Ergebnis zu tragen. Einer Festsetzung gegen die Kinder gemäß § 1836 c BGB würde eine mögliche Mittellosigkeit der Kinder im übrigen nicht entgegenstehen, da der Anspruch gegen den Beschwerdeführer aus § 8 des Vertrages ein Vermögensgegenstand ist, den die Kinder für die Kosten einsetzen müssten. Dieser Weg muss aber aus den oben genannten Gründen nicht beschritten werden.
Die Beschwerde des Beschwerdeführers bleibt daher im Ergebnis ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG, wonach das Gericht die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen soll, der es eingelegt hat. Gründe dafür, von dieser Regelung ausnahmsweise abzuweichen, sind nicht ersichtlich.
Ein Anlass für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG besteht nicht.
Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 40, 42 Abs. 1 FamFG und bemisst sich nach dem festgesetzten Aufwendungsersatz.