Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 17.08.2016, Az.: 3 U 74/15

Bindungswirkung eines Obmann-Gutachtens im Verhältnis von Versicherungsnehmer und Versicherungsmakler

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
17.08.2016
Aktenzeichen
3 U 74/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 29595
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2016:0817.3U74.15.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Braunschweig - 30.09.2015 - AZ: 7 O 1009/12 (149)

Fundstelle

  • VK 2017, 75

Amtlicher Leitsatz

Es besteht keine Bindungswirkung eines Obmann-Gutachtens gegenüber der auf Schadensersatz in Anspruch genommenen Versicherungsmaklerin, wenn der Versicherungsmaklervertrag vor Einholung des Obmann-Gutachtens beendet worden ist und die Versicherungsmaklerin nicht zur Herbeiführung eines Obmann-Gutachtens mit möglichst vorteilhaften Ergebnissen für die Versicherungsnehmerin verpflichtet gewesen ist.

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 30.09.2015 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 30.09.2015 sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 113.916,95 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen der Verletzung von Beratungspflichten aus einem zwischen den Parteien geschlossenen Maklervertrag in Anspruch.

Die Klägerin betreibt in B. ein Sägewerk, das u. a. aus einer größeren Produktionshalle besteht.

Seit den achtziger Jahren unterhielt die Klägerin eine Gebäude-Feuerversicherung bei der B. Landesbrandversicherungsanstalt, deren Rechtsnachfolgerin die Ö. Sachversicherung B. ist.

Im Jahr 1993 erfolgte durch einen von der B. Landesbrandversicherungsanstalt beauftragten Gutachter eine Gebäudewertschätzung, wobei im Rahmen dieser Schätzung zum damaligen Zeitpunkt der Gebäudewert für die streitgegenständliche Produktionshalle mit 14.000 M 1914 ermittelt und nachfolgend in den damaligen Versicherungsvertrag übernommen wurde.

Die Parteien schlossen am 29.07.1993 eine Maklervereinbarung, wonach das betriebliche Versicherungswesen umfassend von der Beklagten betreut bzw. verwaltet werden sollte (vgl. Anlage K 2).

Zum 01.01.1999 veranlasste die Beklagte eine Umdeckung der Feuerversicherung für Gebäude und Inhalt unter der Vers.-Nr. ... bei der Ö. Sachversicherung B.. Ausweislich des Versicherungsscheins der Ö. Sachversicherung B. vom 12.12.1999 (Anlage K 3) wurden die Gebäude- und Inhaltsversicherungen in einem Vertrag zusammengelegt und nach dem Deckungsmodell der Werkszuschlagsversicherung eingedeckt.

Im Jahr 2004 veranlasste die Beklagte eine Vertragsumstellung zu einem Gebäude-Feuerversicherungsvertrag zum gleitenden Neuwert, Versicherungsschein-Nr.: ...., vom 24.09.2004. Versicherungsbeginn sollte der 01.10.2004 sein. Dem Vertrag lagen die allgemeinen Bedingungen für Feuerversicherung (AFB 2002) wie auch die besondere Vereinbarung zur gewerblichen Feuerversicherung zugrunde (Anlage K4). Die streitgegenständliche Produktionshalle wurde unter Position 1 "Sägewerk" auf dem Versicherungsschein mit dem Wert 1914 = 14.100 M aufgeführt.

In der Nacht vom 02. auf den 03.07.2008 kam es zu einem Brandschaden auf dem Betriebsgelände der Klägerin, wobei zwischen den Parteien streitig ist, inwieweit die Produktionshalle durch den Brand beschädigt wurde.

Unstreitig kam es bis zum Brand zu keiner Überprüfung des Gebäudewerts auf Veranlassung durch die Beklagte und die Beklagte regte eine solche Überprüfung auch nicht an.

Das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien wurde nach dem Brand im Jahr 2009 beendet.

Die Ö. Sachversicherung B. beauftragte im Rahmen eines von ihr durchgeführten Sachverständigenverfahrens Herrn W. als Obmann mit der Erstattung eines Gutachtens, das dieser unter dem 03.05.2011 erstellte (Anlage K5). Herr W. ermittelte einen Neuwert-Nettoschaden in Höhe von insgesamt 384.338,68 EUR und einen Zeitwert-Nettoschaden von insgesamt 294.957,32 EUR. Als Zeitwert für die streitgegenständliche Produktionshalle setzte Herr W. einen Betrag in Höhe von 192.968,61 EUR an. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Gutachten von Herrn W. Bezug genommen.

Die Klägerin nimmt die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit auf Ersatz eines ihr angeblichen entstandenen Schadens in Höhe von 113.916,95 EUR wegen angeblicher Beratungsfehler in Anspruch.

Sie ist der Ansicht, dass die Beklagte im Rahmen ihrer Maklertätigkeit eine Überprüfung der zugrunde liegenden Versicherungssummen Wert 1914 hätte veranlassen müssen. Sie behauptet, dass bereits die Wertermittlung zur Versicherungssumme fehlerhaft gewesen sei. Der Wert 1914 habe 28.210 M betragen. Bei entsprechenden Ermittlungen durch einen Sachverständigen hätte die Klägerin eine entsprechend höhere Deckung abgeschlossen und erhalten. Ihr sei infolge der fehlenden Anpassung der Versicherungssumme ein Schaden in Höhe von 113.916,95 EUR unter Abzug der bei ordnungsgemäßer Beratung angefallenen Mehrbeträge entstanden. Die Halle sei bis zum Brandereignis baulich nicht verändert worden. Sie behauptet, dass an der streitgegenständlichen Produktionshalle infolge des Brandes ein Neuwert-Gebäudeschaden in Höhe von 273.839,27 EUR und ein Zeitwertschaden von 192.968,61 EUR - wie von dem Obmann ermittelt - entstanden sei. Die Ö. Sachversicherung habe an die Klägerin aber unter Bezugnahme auf die vereinbarte Versicherungssumme Wert 1914 nur 156.448,82 EUR gezahlt.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 113.916,95 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 4 Prozentpunkten für den Zeitraum vom 03.07.2008 bis 25.06.2011 und in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.06.2011 zu zahlen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet mit Nichtwissen, dass die Ö. Sachversicherung nur einen Betrag von 156.448,82 EUR an die Klägerin gezahlt habe. Sie erhebt die Einrede der Verjährung.

Das Landgericht Braunschweig hat die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens mit Urteil vom 30.09.2015 (Bl. 215 ff. d. A.) abgewiesen. Hinsichtlich des weiteren Sachverhalts wird auf die Ausführungen im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung von 113.916,95 Euro aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3 BGB habe. Der Klägerin sei durch eine etwaige Pflichtverletzung jedenfalls kein im Verhältnis zur Beklagten ersatzfähiger Schaden entstanden, weil nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen feststehe, dass der Zeitwert der streitgegenständlichen Produktionshalle unter 40 % des Neuwerts gelegen und deshalb nach den Versicherungsbedingungen ohnehin nur eine Erstattung des Zeitwertes in Betracht gekommen sei. Dass die Ö. Sachversicherung insoweit eine höhere Summe und die Neuwertspitze reguliert habe, sei für die Frage des Schadensersatzanspruchs gegen die Beklagte als Maklerin nicht maßgeblich. Um die Ursächlichkeit der behaupteten Pflichtverletzung für den geltend gemachten Schaden festzustellen, sei zu prüfen, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten genommen hätten. Dabei sei der Beklagten insoweit zuzustimmen, dass nicht nur tatsächliche, sondern auch normative Erwägungen einzubeziehen seien. Entscheidend sei daher, wie der Sachverhalt nach der jeweiligen Rechtslage "richtig" hätte entschieden werden müssen. Maßgeblich sei daher für die Frage, ob der Klägerin ein ersatzfähiger Schaden entstanden sei, die Feststellung des gerichtlich bestellten Sachverständigen. Nach dessen Gutachten habe der Neuwert der streitgegenständlichen Produktionshalle 291.500,- € und der Zeitwert zum Schadensereignis 96.195,- € betragen. Den Ermittlungen des Sachverständigen schließe sich das Gericht nach eigener kritischer Würdigung an. Der Klägerin könne nicht gefolgt werden, wenn sie der Ansicht sei, dass auch im hiesigen gerichtlichen Verfahren die Feststellung des Sachverständigen W. maßgeblich seien. Zwar sei es richtig, dass die Ö. Sachversicherung durch ihre Versicherungsbedingungen gegebenenfalls an dessen Vorstellung gebunden gewesen sei. Dies könne jedoch nicht zu Lasten der Beklagten gehen, die nicht in ein Vertragsverhältnis zur Ö.n Sachversicherung gestanden habe. Dies gelte umso mehr, weil fraglich sei, ob die Feststellungen des Sachverständigen W. tatsächlich bindend gewesen wären, hätte die Ö. Sachversicherung zum damaligen Zeitpunkt Bedenken angemeldet. Nach den Versicherungsbedingungen sei es nämlich so, dass die Feststellungen des Obmann verbindlich seien, wenn nicht nachgewiesen werde, dass sie offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abwichen. Hier müsse allerdings von einer erheblichen Abweichung ausgegangen werden. Der Sachverständige W. habe den Zeitwert des Gebäudes auf 192.868,61 € ermittelt. Demgegenüber habe der gerichtliche Sachverständige lediglich einen Betrag in Höhe von 96.195,- € ermittelt. Damit liege ein Unterschied von fast 100.000,- € und eine damit eine erhebliche Abweichung vor. Sofern aber die Klägerin nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen gegenüber ihrem Versicherer keinen höheren Schaden als den bereits regulierten hätte geltend machen können, könne auch gegen die Beklagte kein höherer Anspruch bestehen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Das Urteil ist in den Klägervertretern am 06.10.2015 zugestellt worden.

Die Klägerin hat am 12.10.2015 Berufung gegen das landgerichtlichen Urteil eingelegt und diese nach entsprechender Fristverlängerung am 04.01.2016 begründet.

Zur Begründung ihrer Berufung macht die Klägerin geltend, dass das Landgericht rechtsfehlerhaft und in Verkennung der Tatsachen davon ausgehe, dass der Klägerin vorliegend kein Schaden infolge einer Pflichtverletzung der Beklagten entstanden sei. Es sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin und der beteiligte Sachversicherer zur Frage der Ermittlung der Schadenshöhe bzw. der von dem Versicherer zu erbringenden Versicherungsleistung ein sogenanntes bedingungsgemäßes Sachverständigenverfahren nach den zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen vereinbart hätten, das umfassend durchgeführt worden sei. Im Rahmen dieses Verfahrens seien von Seiten beider Vertragsparteien, also der Klägerin und dem beteiligen Versicherer, jeweils ein Sachverständiger benannt worden. Beide Sachverständige hätten sich darüber hinaus vor Verfahrensbeginn auf einen gegebenenfalls zum Einsatz kommenden sog. Obmann geeinigt. Entsprechend sei das Verfahren durchgeführt worden und - weil die Gutachten der beiden Parteigutachter riesige Differenzen aufgewiesen hätten - der Obmann eingeschaltet worden. Der Obmann habe dann abschließend und für die Parteien des Sachverständigenverfahrens verbindlich die einer Entschädigungsleistung aus der Versicherung zugrunde liegenden Werte, nämlich insbesondere die Reparaturkosten, den Neuwert für die Wiedererrichtung wie auch den Zeitwert ermittelt. Weder die Klägerin noch der beteiligte Versicherer hätten gegen dieses Sachverständigenverfahren und das darin gefundene Ergebnis irgendwelche Einwände erhoben. Damit sei entsprechend den Vorgaben der Versicherungsbedingungen das Ergebnis dieses Sachverständigenverfahrens für die Klägerin wie auch den beteiligten Sachversicherer rechtsverbindlich und bindend. Der Versicherer sei daher zum Abschluss des Sachverständigenverfahrens verpflichtet gewesen, Versicherungsleistungen für die Klägerin bzw. den von ihr erlittenen versicherten Schaden zu erbringen. Der Versicherer sei mithin vertraglich verpflichtet gewesen, an die Klägerin die Neuwertspitze zu regulieren. Damit stelle sich entgegen der Darstellung des Landgerichts und dessen Rechtsauffassung die Situation keineswegs so dar, dass der Klägerin kein Schaden entstanden wäre, weil der Versicherer nicht verpflichtet gewesen wäre, die Neuwertspitze zu regulieren. Fakt sei vielmehr, dass die Klägerin ohne das schadensursächliche schuldhafte Verhalten der Beklagten in der Situation gewesen wäre, dass sie gegenüber dem Versicherer einen durchsetzbaren Anspruch auf Regulierung der Versicherungsleistung in Höhe bis zur Neuwertspitze gehabt hätte, während sie tatsächlich - aufgrund der zu niedrigen Versicherungssumme und der daraus resultierenden Kürzung - lediglich deutlich weniger Entschädigungsleistung erhalten habe.

Umso mehr gelte dies, als der vom Gericht beauftragte Sachverständige K. bei der Erstellung seines Gutachtens zur Ermittlung des Zeitwertes eine gänzlich andere Methode angewendet habe, als dieses die Sachverständigen in dem Sachverständigenverfahren zwischen der Klägerin und der Versicherung getan hätten. Wenn der Sachverständige hier abweichend von den Sachverständigen des Sachverständigenverfahrens eine lineare Alterswertminderung ansetze, entspreche dies gerade nicht den offensichtlich im Versicherungsverhältnis vorgesehenen bzw. von den Sachverständigen anderweitig vorgenommenen Abschreibungen und Berechnungen. Der Sachverständige K. hätte daher zumindest seine Betrachtungen zur Frage eines angeblichen Zeitwertes daran ausrichten müssen, dass und mit welcher Berechnungsmethode die Sachverständigen innerhalb des Versicherungsverhältnisses den Schaden ermittelt hätten.

Wenn aber die Beklagte vorliegend einen unzureichenden Versicherungsvertrag vermittelt habe, im Rahmen dessen der Versicherer dann auf Grundlage seiner eigenen Versicherungsbedingungen zutreffender Weise bestimmte Versicherungsleistungen rechnerisch ermittele und lediglich aus Rechtsgründen eine bestimmte Kürzung vornehme, so könne nicht der Versicherungsmakler, der für einen entsprechend umfassenden Versicherungsschutz gerade nicht gesorgt habe, sich der eigenen Schadensersatzverantwortlichkeit entziehen.

Der normative Schaden der Klägerin liege darin, dass sie eine ihr eigentlich bei pflichtgemäßem Verhalten der Beklagten zustehende, aus den Regularien des Versicherungsverhältnisses herrührende, im Rahmen dieser Regularien ermittelte Entschädigungsleistung nicht in voller Höhe erhalten habe, was sie bei pflichtgemäßem Verhalten der Beklagten erhalten hätte. Insoweit seien die Betrachtungen des Landgerichts rechtsfehlerhaft, wobei ergänzend auf die bereits im Schriftsatz vom 08.09.2015 zitierten Entscheidung des Landgerichts Lüneburg, des Oberlandesgerichts Celle und des BGH Bezug genommen werde. Wenn die vorgenannten drei Gerichte bestätigt hätten, dass bei einem einseitigen Parteigutachten des Sachverständigen der Versicherung die getroffenen Feststellungen, auf die sich Versicherer und Versicherungsnehmer eingelassen hätten, verbindlich seien, gelte dies erst recht, wenn wie vorliegend Versicherungsnehmer und Versicherer ein bindend vorgesehenes Verfahren zur Schadenshöhe durchgeführt hätten. Allenfalls die Frage, ob insoweit eine massive Abweichung vom tatsächlichen Sachverhalt vorgelegen hätte, wäre vorliegend durch den gerichtlichen Sachverständigen zu prüfen gewesen. Eine dahingehende schwere Abweichung gebe es allerdings nicht, zumal alle Sachverständigen des bedingungsgemäßen Sachverständigenverfahrens einvernehmlich zur Zeitwertermittlung eine andere Methode als der gerichtliche Sachverständige zugrunde gelegt hätten.

Abschließend werde klargestellt, dass die Klägerin zu keinem Zeitpunkt im Verfahren vor dem Landgericht vorgetragen habe, wie hoch die tatsächlich der Klägerin entstandenen Wiederherstellungskosten für die Produktionshalle gewesen seien, weil die Höhe der tatsächlich beim Versicherungsnehmer einer Gebäudeversicherung aufgewandten Kosten in diesem Zusammenhang unbedeutend sein. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die Ausführungen der Klägerin in der Berufungsbegründung Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 113.916,95 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 4% für den Zeitraum vom 03.07.2008 bis zum 25.06.2011 und in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.06.2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil.

Der Senat hat Beweis gemäß Beschluss vom 11.05.2016 (Bl. 294 ff. d. A.) durch Vernehmung des Sachverständigen P. K. erhoben. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 06.07.2016 (Bl. 256 ff. d. A.) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 113.916,95 EUR gem. §§ 280 Abs. 1 BGB i. V. m. dem Versicherungsmaklervertrag gegen die Beklagte.

a.) Auf den vorliegenden Fall ist gem. Art. 1 Abs. 2 EGVVG§ 280 Abs. 1 BGB und nicht der zum 01.01.2008 in Kraft getretene § 63 VVG anzuwenden.

b.) Die Parteien haben einen Versicherungsmaklervertrag geschlossen, nachdem die Beklagte das betriebliche Versicherungswesen der Klägerin umfassend betreuen und verwalten sollte.

c.) Unabhängig davon, ob die Beklagte ihre Beratungspflichten aus dem vorgenannten Versicherungsvertrag dergestalt verletzt hat, dass es zu einer Unterversicherung der Klägerin gekommen ist oder nicht, ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon auszugehen, dass der Klägerin durch eine etwaige Pflichtverletzung jedenfalls kein Schaden entstanden ist.

Der Sachverständige K. hat in seinem Gutachten einen Zeitwert für die streitgegenständliche Produktionshalle für das Stichjahr 2008 in Höhe von 96.195,- EUR ermittelt.

Unter Zugrundelegung dieser Berechnung kann die Klägerin nur die Erstattung dieses Zeitwerts verlangen. Denn gem. § 5 Nr. 1 b) AFB 2002 ist Versicherungswert der Zeitwert, falls er weniger als 40 Prozent, bei landwirtschaftlichen Gebäuden weniger als 50 Prozent, des Neuwerts beträgt oder falls Versicherung nur zum Zeitwert vereinbart ist.

Hier hat der Sachverständige K. einen Neuwert von 291.500,- EUR errechnet, der von beiden Parteien in der Berufungsinstanz nicht mehr angegriffen wird, so dass der Zeitwert in Höhe von 96.195,- UR (33% des Neuwerts) als Versicherungswert anzusetzen ist.

Die Feststellungen des Sachverständigen K. sind für den Senat auch nachvollziehbar. Der Sachverständige hat in seiner mündlichen Anhörung nochmals erläutert, wie er den Zeitwert ermittelt hat. Insbesondere hat er ausgeführt, dass Grundlage für die Wertermittlung im Jahr 2008 die Wertermittlungsrichtlinie (WertR) und seit 2010 die Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) sei, die beide für wirtschaftlich genutzte Gebäude eine lineare Abschreibung vorsehen würden. Zudem hat er im Einzelnen dargelegt, warum die Alterswertermittlung auf das gesamte Gebäude zu beziehen ist. Die Ausführungen des Sachverständigen sind für den Senat in sich schlüssig und überzeugend.

Dem stehen auch nicht die Einwendungen entgegen, die die Klägerin mit Schriftsatz vom 26.07.2016 erhoben hat.

Entgegen der Auffassung der Klägerin steht der Anwendung der WertR durch den Sachverständigen K. nicht entgegen, dass die WertR und die ImmoWertV Richtlinien zur Ermittlung des Verkehrswertes sind. Sowohl in der WertR 2006 als auch der ImmoWertV finden sich auch Regelungen über die Ermittlung des nach Darlegung der Klägerin heranzuziehenden Sachwerts. Der Sachwert für bauliche Anlagen wird danach ausgehend von den Herstellungskosten unter Berücksichtigung der Alterswertminderung ermittelt (§ 21 Abs. 2 ImmoWertV und 3.6 ff. der WertR 2006). In § 23 S. 2 ImmoWertV ist für die Alterswertminderung im Rahmen der Sachwertermittlung insoweit ausdrücklich ausgeführt, dass in der Regel eine gleichmäßige Wertminderung zugrunde zu legen ist.

Hier hat der Sachverständige K. ausweislich seines schriftlichen Gutachtens unter Zugrundelegung der Herstellungskosten einen Neuwert in Höhe von 291.500,- EUR errechnet, der von der Klägerin mit ihrer Berufung auch nicht angegriffen wird. Der von dem Sachverständigen vorgenommene lineare Abzug entspricht insoweit den Vorgaben, die auch für die Sachwertermittlung nach der ImmoWertV gelten. Der Sachverständige hat auch erläutert, dass die ImmoWertV die Vorgaben der WertR lediglich präzisiert.

Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, dass eine lineare Abschreibung für den Zeitwert, die ohne jegliche individuelle Beurteilung der konkreten Abnutzung eines versicherten Gebäudes auf Basis statistischer Werte einen angeblichen "Zeitwert" zu ermitteln suche, angesichts der Vorgaben in § 5 AFB 2002 nicht in Betracht komme, kann dem nicht gefolgt werden.

Der hier zu findende Zeitwert errechnet sich aus dem Neuwert, also dem Wiederbeschaffungspreis für eine vergleichbare Sache im neuwertigem Zustand abzüglich der Wertminderung, die sich aus Alter und Abnutzung der Sache ergibt (vgl. Armbrüster, in: Prölss/Martin, VVG, 29. A., § 88 VVG, Rdnr. 37). So heißt es hier auch in dem zwischen der Klägerin und der Ö.n Sachversicherung vereinbarten § 5 Nr. 1 b AFB 2002, dass der Zeitwert sich aus dem Neuwert des Gebäudes durch einen Abzug entsprechend seinem insbesondere durch den Abnutzungsgrad bestimmten Zustand ergebe. Der Neuwert ist gem. § 5 Nr. 1 a AFB 2002 der ortsübliche Neubauwert einschließlich Architektengebühren sowie sonstiger Konstruktions- und Planungskosten. Eine weitere Erläuterung, wie die altersbedingte Wertminderung zu ermitteln ist, enthält § 5 AFB 2002 nicht.

Die von dem Sachverständigen K. gewählte lineare Wertminderung widerspricht damit den Vorgaben des § 5 AFB 2002 nicht. Der Sachverständige hat bereits in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt, dass durchgeführte Modernisierungen oder unterlassene Instandhaltungen oder andere Gegebenheiten die Restnutzungsdauer von Gebäuden verlängern oder verkürzen könnten. Es sei hier aber ein fiktiver Betrag angesetzt worden, weil das Gebäude nicht mehr habe besichtigt werden können. Der Sachverständige hat auch in seiner mündlichen Anhörung deutlich gemacht, dass technisch massive Maßnahmen zu einer Verlängerung der Gesamtnutzungsdauer und der Restnutzungsdauer führen könnten, aber ihm solche Maßnahmen nicht bekannt seien. Insoweit hat der Sachverständige auch in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt, dass die Parteien sich bei dem Ortstermin einig gewesen seien, dass zwischen 1993 und 2008 keine baulichen (wertrelevanten) Veränderungen an dem Gebäude vorgenommen worden seien. Dem schriftlichen Gutachten lagen ausweislich der dort genannten Grundlagen auch die von den Parteien übergebenen Unterlagen zugrunde. Der Sachverständige hat demnach seiner Bewertung nicht einfach einen abstrakten Abnutzungsgrad, sondern die ihm bekannten Gegebenheiten des Gebäudes zugrunde gelegt. Wenn der Sachverständige aufgrund dieser Unterlagen zu dem Ergebnis kommt, dass eine Abweichung von Richtwerten nicht geboten ist, ist dies nicht zu beanstanden, weil der Sachverständige nur mit den Anknüpfungstatsachen arbeiten kann, die von den Parteien in den Prozess eingeführt werden. Auch dem von der Klägerin überreichten Auszug aus "Martin, Sachversicherungsrecht, 3. A., Kapitel Q III, Rdnr. 46" ist im Übrigen zu entnehmen, dass die Abnutzung danach in aller Regel linear verläuft und nur ausnahmsweise sich ein degressiver oder progressiver Verlauf ergeben kann. Für die Feststellung solcher Ausnahmen bedarf es aber des Vortrags entsprechender Anknüpfungstatsachen, die hier von der Klägerin nicht (rechtzeitig) vortragen worden sind.

Soweit die Klägerin nunmehr geltend macht, dass die entscheidende "Gatterhalle" als zentrale Produktionseinheit, in der Rohhölzer zugeschnitten, entrindet etc. worden seien, durchschnittlich in einer 3-Tage-Woche betrieben worden sei und insofern eine andere Nutzungsintensität als vom Sachverständigen K. im Rahmen der linearen Abschreibung angenommen vorgelegen habe, handelt es sich um neuen Tatsachenvortrag, der gem. § 531 Abs. 2 ZPO hier nicht mehr zu berücksichtigen ist. Die Klägerin hätte unschwer bereits erstinstanzlich zu der Nutzungsintensität der streitgegenständlichen Produktionshalle vortragen können und müssen. Die Beklagte hat hierzu erstinstanzlich bereits ausgeführt, dass ein Gatterwerk einem sehr hohen Verschleiß unterworfen und insoweit sogar eine kürzere Gesamtnutzungsdauer und Restnutzungsdauer anzunehmen sei. Der zweitinstanzliche Vortrag der Klägerin ist daher als verspätet anzusehen.

Auch der Umstand, dass alle außergerichtlich tätig gewordenen Sachverständigen eine andere Berechnungsmethode gewählt haben, führt nicht dazu, dass die Ausführungen des Sachverständigen K. in Frage zu stellen wären. Allein die Tatsache, dass mehrere Sachverständige nach einer Berechnungsmethode vorgegangen sind, besagt nicht, dass dies in fachlicher Hinsicht zutreffend war. Der Sachverständige K. hat sich im Rahmen seiner mündlichen Anhörung nochmals mit diesen Gutachten auseinandergesetzt und ist bei seiner Bewertung geblieben. Er hat darauf hingewiesen, dass er keine Begründung für die von außergerichtlichen Sachverständigen vorgenommenen Abschreibungen sehen würde.

Die Klägerin kann dem Sachverständigen auch nicht vorhalten, dass er keine Nachfragen dazu gehalten habe, ob und in welchem Umfang und zu welchen Zeiten bezogen auf einzelne Bauteile oder Elemente bestimmte Instandhaltungsarbeiten durchgeführt worden seien. Die Parteien haben ausweislich der im schriftlichen Sachverständigengutachten festgehaltenen Angaben der Parteien vor Ort angegeben, dass zwischen 1993 und 2008 keine wertrelevanten baulichen Veränderungen am vorliegenden Objekt erfolgt seien. Darüber hinaus haben die Parteien auch eine technische Beschreibung der Halle während des Ortstermins abgegeben. Insoweit ist bereits nicht erkennbar, warum der Sachverständige Veranlassung gehabt haben sollte, insoweit noch weitere Fragen an die Parteien zu stellen, weil er davon ausgehen durfte, umfassend informiert worden zu sein.

Soweit die Klägerin nunmehr behauptet, dass die Angaben der Parteien zu baulichen Veränderungen nur im Hinblick auf den Versicherungswert bzw. die Versicherungssumme getroffen worden seien, ist dies dem Gutachten nicht zu entnehmen und so von der Klägerin erstinstanzlich auch nicht vorgetragen worden. Die Klägerin hat vielmehr mit Schriftsatz vom 05.03.2013 vorgetragen, dass es keine wie auch immer gearteten (vom Senat unterstrichen) baulichen Veränderungen nach der Ermittlung der Versicherungssumme gegeben habe. Wenn die Klägerin nunmehr ihre Erklärungen anders verstanden wissen will, ist dieser Vortrag als verspätet anzusehen, zumal die Klägerin nach wie vor nicht vorgetragen hat, welche erheblichen baulichen Veränderungen erfolgt sind, die Einfluss auf die Bewertung des Sachverständigen haben könnten.

Soweit die Klägerin unter Bezugnahme auf die von ihr vorgelegte Kommentierung von Herrn Rolf Brachmann geltend macht, dass danach für Industriegebäude nicht nur eine lineare Abschreibung in Betracht käme, ist dem vorgelegten Auszug bereits nicht zu entnehmen, dass sich diese Kommentierung mit der WertR auseinandersetzt. Darüber hinaus handelt es sich nach den Angaben der Klägerin selbst um eine Kommentierung von 1991, d. h. deutlich vor dem hiesigen Stichtag, so dass bereits aus diesen Gründen zweifelhaft ist, ob die Ausführungen hier zugrunde gelegt werden können. Darüber hinaus zeigt der von Herrn Brachmann angeführte Wertminderungsverlauf für Fabrikgebäude bei normal beanspruchten Gebäuden einen linearen Verlauf, so dass insoweit kein Widerspruch zu den Ausführungen des Sachverständigen K. zu sehen ist.

Die Klägerin kann auch nicht damit gehört werden, dass der Sachverständige weitere Theorien zur Alterswertminderung näher hätte darlegen und erläutern müssen. Die Klägerin legt bereits nicht dar, ob und inwieweit diese Theorien zu einem der Klägerin günstigeren Zeitwert geführt hätten. Der Sachverständige hat erläutert, welche Berechnungsmethode er aus welchen Gründen angewandt hat. Eine Verbreitung über alle vertretenen Theorien ist insoweit nicht angezeigt.

Soweit die Klägerin noch ausgeführt hat, dass andere Faktoren Einfluss auf die Bewertung haben könnten, ist bereits nicht vorgetragen, welcher dieser Faktoren bei der streitgegenständlichen Halle vorgelegen haben sollen. Insoweit sind Überlegungen zu den Auswirkungen der Lage einer Halle rein theoretischer Natur, ohne dass erkennbar ist, welchen Einfluss sie für das hiesige Verfahren haben könnten.

Ausgehend von den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen K. fehlt es daher an einem Schaden der Klägerin.

d. Die Klägerin kann sich insoweit auch nicht auf die Bindungswirkung des im Sachverständigenverfahren eingeholten Obmann-Gutachtens berufen, in dem der Obmann für die streitgegenständliche Produktionshalle einen Zeitwert von 192.968,61 EUR festgestellt hatte.

Das Sachverständigenverfahren ist nach der herrschenden Ansicht nicht als Schiedsgerichts-, sondern als Schiedsgutachterverfahren im Sinne von §§ 317-319 BGB zu qualifizieren (vgl. Johannsen, in: Bruck/Möller, VVG, 9. A., § 84 VVG, Rdnr. 1). Das Sachverständigenverfahren setzt eine entsprechende Vereinbarung im Vertrag voraus (vgl. Voit, in: Prölss/Martin, VVG, 29. A., § 84 VVG, Rdnr. 4). Die Bindungswirkung tritt daher nur in dem Umfang ein, in welchem die Parteien eine Feststellung durch Sachverständige vereinbart haben (vgl. Voit, Rdnr. 20).

Die Beklagte ist hier bereits nicht Partei des zwischen der Klägerin als Versicherungsnehmerin und der Ö. Sachversicherung B. geschlossenen Versicherungsvertrages geworden, der in § 15 AFB 2002 die Möglichkeit der Durchführung eines Sachverständigenverfahrens vorsieht. Das Obmann-Gutachten entfaltet daher keine Bindungswirkung infolge einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung gegenüber der Beklagten.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der hier anzuwendenden Differenzmethode, nach der sich der Schaden aus einem Vergleich der durch das schädigende Ereignis bewirkten Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenen Umstand eingetreten wäre, errechnet.

Die Differenzmethode enthebt nicht davon, am Schutzzweck der Haftung und an der Ausgleichsfunktion des Schadensersatzes die in die Differenzbilanz einzusetzenden Rechnungsposten wertend zu bestimmen (vgl. Beschluss des BGH vom 09.07.1986, Az.: GSZ 1/86). Eine Haftung besteht nur für diejenigen äquivalenten und adäquaten Schadensfolgen, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen oder die verletzte Vertragspflicht übernommen worden ist (vgl. Urteil des BGH vom 22.05.2012, Az.: VI ZR 157/11). Der Kläger soll im Wege des Schadensersatzes insbesondere nicht mehr erhalten als das, was er nach der materiellen Rechtslage hätte erlangen können (vgl. Urteil des BGH vom 11.11.1993, Az.: IX ZR 35/93). Aus diesem Grund ist, wenn die Haftung eines Anwalts oder Konkursverwalters vom Ausgang eines Vorprozesses abhängt, nicht darauf abzustellen, wie jener tatsächlich entschieden worden wäre (vgl. Urteil des BGH vom 11.11.1993, a. a. O.). Vielmehr kommt es rechtlich allein darauf an, welches Urteil nach Auffassung des über den Schadensersatzanspruch erkennenden Gerichts richtigerweise hätte ergehen müssen (vgl. Urteil des BGH vom 11.11.1993, a. a. O.).

Hier ist der Schaden, der der Klägerin dadurch erwachsen ist, dass die Ö. Sachversicherung der Berechnung der von ihr gezahlten Versicherungsleistung an den Kläger nicht den von dem Obmann W. errechneten Neuwertschaden zugrunde gelegt, sondern lediglich einen Betrag in Höhe von 156.448,82 EUR nach der Behauptung der Klägerin gezahlt hat, nicht auf eine Verletzung der Beratungspflichten der Beklagten im Hinblick auf eine mögliche Unterversicherung zurückzuführen.

Dem Versicherungsmakler obliegen aus dem Versicherungsmaklervertragsverhältnis weitgehende Pflichten (vgl. Urteil des OLG Hamm vom 30.04.2012, Az.: I-8 U 141/06). Er ist üblicherweise nicht nur zum Abschluss des gewünschten Versicherungsvertrages verpflichtet, sondern gilt im Hinblick auf den Versicherungsschutz als Vertrauter und Berater des Versicherungsnehmers und hat diesem gegenüber die Stellung eines treuhänderischen Sachwalters (vgl. Urteil des OLG Hamm, a. a. O.). Insbesondere schuldet er Beschaffung und Aufrechterhaltung eines bestmöglichen Versicherungsschutzes und in diesem Rahmen Beratung und Betreuung seines Auftraggebers (vgl. Urteil des OLG Hamm, a. a. O.). Er hat den individuellen, für das Objekt passenden Versicherungsschutz zu besorgen, wobei er das zu versichernde Risiko von sich aus untersuchen und das Objekt prüfen muss (vgl. Urteil des OLG Hamm, a. a. O.). Auch nach Abschluss eines Versicherungsvertrages schuldet der Makler eine ständige aktive, unaufgeforderte Betreuung (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 30.03.2011, Az.: 3 U 192/10). Der Pflichtenkreis des Versicherungsmaklers umfasst dabei grundsätzlich auch die Hilfestellung bei der Regulierung eines Versicherungsschadens, insbesondere auch die Erstellung einer sachgerechten Schadensanzeige (vgl. Urteil des BGH vom 16.07.2009, Az.: III ZR 21/09).

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte zwar ausweislich ihrer Leistungsbeschreibung (Anlage K 1) im Schadensfall volle Unterstützung bei der Durchsetzung der berechtigten Ansprüche des Unternehmens angeboten. Die Parteien haben ihr Vertragsverhältnis jedoch unstreitig im Jahr 2009, d. h. vor Einholung des Obmann-Gutachtens, beendet. Eine Pflicht der Beklagten, ein Obmann-Gutachten mit möglichst vorteilhaften Ergebnissen für die Klägerin im Rahmen der Schadensregulierung herbeizuführen, bestand daher aufgrund des zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsmaklervertrages nicht mehr.

Auch der Schutzzweck der bis zum Ende des Versicherungsmaklervertrages bestehenden Beratungspflichten gebietet keine Zurechnung des von dem Obmann errechneten Zeitwertschadens.

Zu den sich aus einem Versicherungsmaklervertrag ergebenden Betreuungspflichten gehört die Verpflichtung, die vereinbarte Versicherungssumme auf ihre Angemessenheit hin zu überprüfen und ggf. auf eine Anpassung hinzuwirken (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 30.03.2011, Az.: 3 U 192/10.). Die Verantwortung für die Wahl der richtigen Versicherungssumme liegt zwar an sich beim Versicherungsnehmer, d. h. er trägt grundsätzlich das Risiko einer Unterversicherung (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 30.03.2011, a. a. O.). Gerade im hier streitgegenständlichen Bereich von Versicherungen von Gebäude und Gebäudezubehör ist jedoch zu berücksichtigen, dass die richtige Bestimmung der Versicherungswerte bekanntermaßen komplizierte Bewertungsfragen aufwirft und selbst für Bausachverständige als äußerst schwierig gilt, weshalb in der Regel die Hinzuziehung eines fachkundigen Beraters zu empfehlen ist (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 30.03.2011, a. a. O.). So muss im Zuge einer Umdeckung der Risiken zu einem anderen Versicherungsunternehmen der Versicherungsmakler den Versicherungsnehmer über die grundsätzlich problematische Bestimmung des richtigen Versicherungswertes bei Neuwertversicherungen von Gebäude und Gebäudezubehör aufklären und ihm die Hinzuziehung eines Sachverständigen empfehlen (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 30.03.2011, a. a. O.).

Da Ziel des Versicherungsmaklervertrages nach der Leistungsbeschreibung der Beklagten (vgl. Anlage K 2) die optimale Gestaltung der betrieblichen Versicherungen im Interesse der von ihr betreuten Unternehmen u. a. hinsichtlich des Deckungsumfangs sein sollte, hätte die Beklagte, zumindest im Zuge der zum 01.01.1999 erfolgten Umdeckung der Feuerversicherung oder der Vertragsumstellung zu einem reinen Gebäude-Feuerversicherungs-Vertrag im Jahr 2004, die Klägerin auf die problematische Bestimmung des Versicherungswertes für Gebäude hinweisen und zu einer Überprüfung der Versicherungssummen raten müssen. Die Beklagte müsste in diesem Fall auch für einen aus einer etwaigen Unterversicherung resultierenden Schaden einstehen.

Hierzu gehört aber nicht der Schaden, der sich erst aus einer unzutreffenden Zeitwertberechnung durch einen Obmann ergibt, weil die Beratungspflicht der Beklagten nicht auf die Feststellung eines bestimmten Zeitwerts, sondern auf die richtige Bestimmung der Versicherungssumme gerichtet war. Insofern ist auch zu berücksichtigen, dass die Frage, ob eine Unterversicherung vorliegt oder nicht, bereits keine Frage ist, die durch einen Sachverständigen zu klären ist, sondern es handelt sich um eine reine Rechtsfrage, die dem Sachverständigenverfahren grundsätzlich entzogen ist (vgl. Urteil des OLG Hamm vom 12.10.1988, Az.: 20 U 309/86). Daher besteht insoweit auch keine Bindungswirkung gegenüber der in Anspruch genommenen Versicherung (vgl. Urteil des OLG Hamm vom 12.10.1988, a. a. O.). Wenn jedoch eine Vertragspartei, der gegenüber nach den vertraglichen Vereinbarungen das Obmann-Gutachten grundsätzlich eine Bindungswirkung entfaltet, nicht an die Feststellungen des Obmann-Gutachtens bei der Frage, ob eine Unterversicherung vorliegt, gebunden ist, kann die pflichtwidrige Herbeiführung oder Aufrechterhaltung einer Unterversicherung nicht den Ersatz von Schäden umfassen, die sich nur unter Zugrundelegung der Bindungswirkung des Obmann-Gutachtens ergeben würden.

Im Übrigen müsste bei der Annahme einer Bindungswirkung des Obmann-Gutachtens ein Versicherungsmakler, der seine Beratungspflichten zur Vermeidung einer Unterversicherung verletzt hat, aber auch mit der Schadensregulierung betraut ist, aufgrund seiner Pflichten im Rahmen der Schadensregulierung ggf. auf ein dem Versicherungsnehmer möglichst günstiges Obmann-Gutachten hinwirken, obwohl er im Hinblick auf die ihn aufgrund der Verletzung seiner Beratungspflichten in Bezug auf die Unterversicherung treffende Schadensersatzpflicht an möglichst niedrigen Werten des Obmann-Gutachtens Interesse haben müsste. Auch dieser kaum auflösbare Interessenswiderstreit spricht gegen eine Bindungswirkung des Obmann-Gutachtens gegenüber dem Versicherungsmakler. Ferner ist auch die die Klägerin als Geschädigte treffende Schadensminderungspflicht zu berücksichtigen, die bei Annahme einer Bindungswirkung des Obmann-Gutachtens gegenüber dem Versicherungsmakler u. U. dazu führen könnte, dass die Klägerin sich durch Erhebung von Einwendungen für ein rechnerisch richtiges Obmann-Gutachten zu ihren Ungunsten einsetzen müsste.

Dem steht auch nicht die Entscheidung des OLG Celle vom 25.02.2014 (Az.: 11 U 166/13) entgegen. Aus dem Hinweisbeschluss des OLG Celle vom 23.12.2013 geht hervor, dass das OLG Celle das Bestreiten der Höhe des festgestellten Schadens durch den dortigen Beklagten als unsubstantiiert angesehen hat. Dass das OLG Celle von einer Bindungswirkung des von der Versicherung eingeholten Gutachtens ausgegangen ist, lässt sich weder dem Hinweis- noch dem Zurückweisungsbeschluss des OLG Celle entnehmen.

e.) Selbst wenn man jedoch von einer grundsätzlichen Bindungswirkung des im Sachverständigenverfahren eingeholten Obmann-Gutachtens gegenüber der Beklagten ausgehen wollte, greift diese im vorliegenden Fall nicht ein, weil nach den zutreffenden Feststellungen des Sachverständigen K. zum Zeitwert die Feststellungen des Obmanns offenbar und erheblich von der wahren Sachlage abweichen.

Gem. § 84 Abs. 1 S. 1 VVG (= § 64 Abs. 1 S. 1 VVG a. F.) ist die getroffene Feststellung, wenn nach dem Vertrag einzelne Voraussetzungen des Anspruchs aus der Versicherung oder die Höhe des Schadens durch Sachverständige festgestellt werden sollen, nicht verbindlich, wenn sie offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweicht. Die Frage, wann eine Abweichung als erheblich angesehen werden muss, ist als (nur beschränkt revisible) Tatfrage nach den besonderen Umständen des einzelnen Falles zu entscheiden (vgl. Urteil des BGH vom 01.04.1987, Az.: IVa ZR 139/85). In der Rechtsprechung besteht zwar keine feste prozentuale Größe, um eine offenbare und erhebliche Abweichung von der "wirklichen" Sachlage, deren gerichtliche Ermittlung gerade unterbleiben soll, zu begründen (vgl. Urteil des OLG Celle vom 13.12.2012, Az.: 8 U 128/12). Es zeigt sich aber, dass die meisten gerichtlichen Entscheidungen sich in einer Schwankungsbreite von 15 bis 25% bewegen (vgl. Urteil des OLG Celle vom 13.12.2012, a. a. O. m. w. N.). Für die Abweichung von der wirklichen Sachlage ist grundsätzlich auf das Gesamtergebnis des Gutachtens und nicht auf Einzelpositionen abzustellen (vgl. Johannsen, in: Bruck/Möller, VVG, 9. A., § 84, Rdnr. 59). Bei der Nichtbewertung oder krasser Falschbewertung einzelner Schadenspositionen, die als offensichtliche Fehlentscheidungen anzusehen sind, ist das Gutachten unverbindlich, auch wenn die Sachverständigen zu anderen Teilbereichen unrichtige Ergebnisse zu Lasten der anderen Vertragspartei erzielt haben, die eine Kompensation zuließen (vgl. Johannsen, a. a. O.)

Nach den - wie oben dargelegt - überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen ist hier von einer krassen Falschbewertung der streitgegenständlichen Produktionshalle auszugehen. Während der Sachverständige W. hierfür einen Zeitwert von 192.968,61 EUR angesetzt hat, hat der Sachverständige K. einen Zeitwert von 96.195,- EUR und damit eine Abweichung von 49,85 % bezogen auf diese Position errechnet. Bezogen auf den von dem Sachverständigen W. insgesamt errechneten Zeitwert von 294.957,32 EUR liegt eine Abweichung von knapp 33% vor. Berücksichtigt man, welche Auswirkungen die Höhe des Zeitwertes nach den obigen Ausführungen auf den Entschädigungsanspruch der Klägerin als Versicherungsnehmerin gegenüber der Ö. Sachversicherung hat, ist hier auch unter der Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls von einer erheblichen Abweichung auszugehen.

Es ist auch von einer offenbaren Unrichtigkeit des Obmann-Gutachtens auszugehen.

Die Entscheidung, ob ein Schiedsgutachten offenbar unrichtig ist, darf dabei nicht davon abhängig gemacht werden, ob es gelingt, dem Richter die offenbare Unrichtigkeit auch in tatsächlich schwierig gelagerten Sachen so klar darzulegen, dass er sie jedenfalls auch ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen beurteilen kann (vgl. Urteil des BGH vom 25.01.1979, Az.: X ZR 40/77). Vielmehr liegt eine offenbare Unrichtigkeit dann vor, wenn sie sich einem sachkundigen Beobachter sofort aufdrängt (vgl. Urteil des BGH, a. a. O.).

Der Sachverständige K. hat hierzu in seiner mündlichen Anhörung erklärt, dass es für das, was die drei außergerichtlichen Sachverständigen gemacht hätten, keine ihm bekannte Grundlage gebe. Für ihn sei die prozentuale Abwertung nicht nachvollziehbar. Die Ausführungen des Sachverständigen sind aus den vorgenannten Gründen auch insoweit überzeugend. Aus seiner Sicht als sachkundiger Beobachter lag somit eine offenbare Unrichtigkeit im vorgenannten Sinne vor, so dass das Obmann-Gutachten bereits aus diesem Grund keine Bindungswirkung mehr entfalten konnte.

2. Mangels Hauptforderung kann die Klägerin weder Ersatz ihr entgangener Vertragszinsen für den Zeitraum vom 03.07.2008 bis zum 25.06.2011 gem. § 16 Nr. 2 AFB 2002 noch den Ersatz von Verzugszinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit dem 26.06.2011 gem. §§ 286, 288 Abs. 1 BGB fordern. Die Klägerin hat darüber hinaus nicht vorgetragen, dass sich die Beklagte ab dem 26.06.2011 im Verzug befunden hat. Weiterer Vortrag hierzu ist auch trotz Hinweises seitens des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 06.07.2016 nicht erfolgt. Auch ein Schadensersatzanspruch gem. § 280 Abs. 1 BGB ist insoweit mangels Hauptforderung nicht gegeben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Eine Zulassung der Revision kam nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen für eine Zulassung gem. § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Soweit die Frage, ob ein Obmann-Gutachten gegenüber einem Versicherungsmakler grundsätzlich Bindungswirkung entfaltet oder nicht, von grundsätzlichem Interesse sein könnte, kann hierauf dennoch nicht die Zulassung der Revision gestützt werden. Die Zulassung der Revision kommt nur in Betracht, wenn die Rechtsfrage, wegen der die Zulassung erfolgt, entscheidungserheblich ist (vgl. Heßler, in: Zöller, ZPO. 31. A., § 543, Rdnr. 6a). Daran fehlt es, wenn ein anderer rechtlicher Gesichtspunkt die Entscheidung trägt (vgl. Heßler, a. a. O.). Wie oben dargelegt, kann das Obmann-Gutachten im vorliegenden Fall bereits deshalb keine Bindungswirkung entfalten, weil insoweit eine offenbare und erhebliche Abweichung von der wahren Sachlage vorliegt. Die Voraussetzungen, unter denen § 84 Abs. 1 S. 1 VVG zur Anwendung kommt, sind bereits vom Bundesgerichtshof in einer Vielzahl von Entscheidungen dargelegt worden.

Der Berufungsstreitwert war ausgehend von der geltend gemachten Hauptforderung gem. §§ 47, 48 GKG i. V. m. § 3 ZPO auf 113.916,95 EUR festzusetzen.