Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 24.03.2003, Az.: 6 A 1974/00

Lebensmittelüberwachung; Planprobe; Planprobenkontingent; Verdachtsprobe; Verfolgsprobe

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
24.03.2003
Aktenzeichen
6 A 1974/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 47966
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung von Gebühren und Auslagen für lebensmittelrechtliche Probenahme- und Untersuchungsmaßnahmen.

2

Die Klägerin betreibt u.a. in C. einen Supermarktfilialbetrieb. Am 5. Mai 2000 beanstandete eine Kundin der Klägerin bei der Polizeistation C. eine Tetrapackung "M.-S. (30 %)“, die sie am 25. April 2000 in einer 10er-Packung zusammen mit weiteren Packungen Schlagsahne in der C. F. der Klägerin gekauft hatte. In dem Bereich, in dem das Mindesthaltbarkeitsdatum "04.07.2000" aufgedruckt war, war ein etwa zehn Millimeter langer, transparenter Plastiksticker eingebracht, an dessen vorderen Ende sich ein Pfeil und an dessen hinteren Ende sich eine Abdeckkappe befand. Die Kundin hatte das Produkt nach ihren Angaben bis zum 5. Mai 2000 im Kühlschrank gelagert; die anderen neun Packungen der 10er Packung seien bereits verzehrt worden, ohne dass dabei Besonderheiten festgestellt worden wären. Nachdem die Polizeistation C. die Klägerin unterrichtet hatte, nahm diese das Produkt mit dem o.g. Haltbarkeitsdatum in ihren Filialen in Schleswig-Holstein, Hamburg und Nord-Niedersachsen aus dem Verkauf. Am selben Tage wurden vom Beklagten zum einen zwei weitere Packungen Schlagsahne mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum "07.07.2000", welche die Kundin am gleichen Tage wie die von ihr beanstandete Packung in der C. F. der Klägerin erworben hatte, sowie zum anderen zwei Packungen aus der C.r Filiale der Klägerin mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum "04.07.2000" an das Staatliche Lebensmitteluntersuchungsamt Oldenburg gesandt.

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Das Lebensmitteluntersuchungsamt führte in einem Untersuchungsbericht hinsichtlich der als „G 83“ bezeichneten Schlagsahneprobe, welche die Kundin der Klägerin beanstandet hatte, aus, dass angenommen werden könne, dass der Inhalt der geschlossenen Fertigpackung durch das Einstechen des Plastikstickers mikrobiell verunreinigt worden sei und als Folge dieser Verunreinigung bei der weiteren Lagerung eine mikrobielle Zersetzung stattgefunden habe. Anzeichen dafür, dass durch die Öffnung eine Substanz eingebracht worden sei, habe die Untersuchung nicht ergeben. Der Befund gelte für die vorgelegte Einzelprobe, wobei ein Rückschluss auf die Gesamtpartie nicht möglich sei. Die weiteren an das Lebensmitteluntersuchungsamt übersandten und von diesem als Proben „G 84“ und „G 85“ bezeichneten Schlagsahnepackungen blieben bei der Untersuchung unbeanstandet, wobei ausgeführt wurde, dass der Befund für die vorgelegten Einzelproben auf die Gesamtpartie übertragbar sei.

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Mit drei Kostenmitteilungen vom 17. Mai 2000 stellte das Lebensmitteluntersuchungsamt dem Beklagten Kosten für die Durchführung der Untersuchungen in Höhe von insgesamt 1.637,30 DM in Rechnung (G 83 = 493,46 DM, G 84 und G 85 = jeweils 571,92 DM).

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Mit Kostenbescheid vom 13. Juni 2000 erhob der Beklagte von der Klägerin Gebühren und Auslagen in Höhe von insgesamt 2.192,46 DM; dabei wurden eine Verwaltungsgebühr mit dem Vermerk "133 km, 4 1/2 Stunden“ in Höhe von 555,16 DM sowie als Auslagen die Untersuchungskosten des Lebensmitteluntersuchungsamtes in Höhe von 1.637,30 DM ausgewiesen.

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Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 19. Juni 2000 Widerspruch ein. Es habe sich bei der Probenahme der beanstandeten Verpackung um eine nicht kostenpflichtige allgemeine Verwaltungstätigkeit der Lebensmittelüberwachung gehandelt. Die Aufwendungen hätten allein dem Schutz der Allgemeinheit gedient, die Lebensmittelüberwachung habe keine der Klägerin individuell zurechenbare öffentliche Leistung erbracht. Auch eine weitere Untersuchungsmaßnahme sei nicht erforderlich gewesen, da es für die Vermutung eines Sabotageakts an ausreichenden Tatsachen gefehlt habe. Auch die zweite und dritte Untersuchung seien unverhältnismäßig erfolgt. Die Untersuchungen hätten sich darauf beschränken müssen, im Ladenlokal weitere Packungen Sahne auf ihre äußerliche Unversehrtheit zu untersuchen, da das Labor bei der ersten Probe Fremdeinflüsse habe ausschließen können und festgestellt habe, dass das Lebensmittel lediglich aufgrund der Beschädigung der Verpackung und des Kontakts zur Luft verdorben sei. Nach dem Gesetz gebe es keine Differenzierung zwischen Planprobenentnahmen und Verdachtsprobenentnahmen; die hier vorgenommenen Untersuchungen hätten dem Planprobenkontingent des Beklagten zugerechnet werden müssen. Es habe hier ausgeschlossen werden können, dass andere Substanzen in andere Verpackungen eingebracht worden seien, weil dies zu äußerlich sichtbaren Beschädigungen geführt hätte. Es wäre daher nur gerechtfertigt gewesen, im Ladenlokal weitere Sahnepackungen auf ihre äußerliche Unversehrtheit zu untersuchen. Konkrete Tatsachen für weitergehende Untersuchungen hätte gerade nicht vorgelegen. Einen entsprechenden Beweis dafür liefere der Untersuchungsbericht der ersten Probe, wonach Fremdeinflüsse ausgeschlossen worden seien. Ein Gefahrenverdacht sei auch nicht dadurch begründet worden, dass die Klägerin nach Mitteilung des Sachverhalts die Schlagsahneprodukte mit dem gleichen Mindesthaltbarkeitsdatum vorsorglich aus dem Verkauf herausgenommen habe.

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Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Lüneburg vom 15. Dezember 2000 zurückgewiesen. Eine Erhebung von Kosten komme lediglich für allgemeine Überwachungsmaßnahmen der amtlichen Lebensmittelüberwachung nicht in Betracht, was insbesondere bei der Entnahme von Planproben der Fall sei. Bei Verdachts-, Beschwerde- und Verfolgsproben handele es sich hingegen um besondere, im Einzelfall individuell anfallende Überwachungsmaßnahmen, die kostenpflichtig seien, wenn ein ausreichender Anlass für ein weiteres behördliches Tätigwerden bestanden habe. Das sei hier der Fall gewesen. Es sei zunächst nicht feststellbar gewesen, ob allein der eingebrachte Plastikstift in die von der Kundin erworbene Verpackung zum Verderb des Lebensmittels geführt habe, oder ob zusätzlich durch die Öffnung eine Substanz eingebracht worden wäre. Dies gelte auch für die weiteren in der C.r Filiale der Klägerin und bei der Kundin der Klägerin entnommenen Verpackungen. Ein Sabotageakt habe nicht von vornherein ausgeschlossen werden können und eine Sicherstellung der Proben aufgrund des anstehenden Abverkaufs bzw. Verbrauchs sei nur innerhalb eines begrenzten Zeitraums möglich gewesen. Zudem sei der entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Klägerin zum Anlass genommen worden, das Produkt mit dem entsprechenden Mindesthaltbarkeitsdatum vom Markt zu nehmen. Aus dem Umstand, dass die zweite und die dritte Probe ohne Befund geblieben seien, könne nicht geschlossen werden, dass die Entnahme keinen Sinn gehabt habe. Die Entnahme von weiteren Proben sei daher verhältnismäßig gewesen.

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Die Klägerin hat am 22. Dezember 2000 Klage erhoben. Für die Durchführung von Probenahmen und -untersuchungen nach dem Lebensmittel- und Bedarfgegenständegesetz könne grundsätzlich keine Gebühr erhoben werden. § 46a des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes - LMBG - solle nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers keine Rechtsgrundlage für eine Gebührenerhebung in diesem Bereich darstellen. Nach § 46a Abs. 2 LMBG würden die nach Abs. 1 der Vorschrift kostenpflichtigen Tatbestände durch Landesrecht bestimmt, wobei die Gebühren nach Maßgabe der von den Organen der Europäischen Gemeinschaft erlassenen Rechtsakte zu bemessen seien. Diese Bestimmung setze voraus, dass ein zugrunde liegender europäischer Rechtsakt eine Aussage über die Gebührenerhebungen enthalte, was nicht der Fall sei. Die vom Beklagten verwendete Terminologie der Differenzierung zwischen Planproben, Verdachtsproben und Verfolgsproben finde im europäischen Gemeinschaftsrecht keine Grundlage und beruhe allein auf dem Runderlass des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 8. Februar 2000, welcher jedoch keine gesetzliche Regelung darstelle und daher keine allgemein verbindliche Typisierung von zu entnehmenden Proben etablieren könne. Im Übrigen verwende der Beklagte die Terminologie willkürlich, weil etwa die im Haushalt der Kundin entnommene Probe zum einen als Verdachtsprobe und zum anderen als Verfolgsprobe bezeichnet worden sei. Der Beklagte könne bei einer solchen Verwendung der Terminologie keine Abgrenzung zu den unstreitig gebührenfreien Planproben vornehmen. Die vorgenommenen Amtshandlungen seien hier zudem nicht durch einen Anlass gedeckt gewesen. Eine bloße Inaugenscheinnahme der Vergleichsprodukte in der C.r Filiale der Klägerin hätte ausgereicht. Durch die weiteren kostenintensiven chemischen Produktanalysen sei in die falsche Richtung ermittelt worden. Es hätte vorliegend ausgereicht, nur die betroffene Produktpackung einer chemischen Analyse zu unterziehen, um sich Klarheit über die Ursache der Verderbnis zu verschaffen. Auf der Grundlage dieses Untersuchungsbefundes hätten dann gezielt weitere Maßnahmen zur Erforschung des Sachverhalts oder zum Schutze der Verbraucher eingeleitet werden können.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 13. Juni 2000 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Lüneburg vom 15. Dezember 2000 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Ein Rechtsakt der Europäischen Gemeinschaft sei für die Möglichkeit der Gebührenerhebung in den Fällen des § 46a Abs. 1 LMBG nicht erforderlich. Es habe sich bei der erfolgten Probenahme und -untersuchung nicht um eine regelmäßige Überwachungsmaßnahme, sondern um eine Überwachungsmaßnahme aus besonderem begründeten Anlass im Sinne des § 46a Abs. 1 Nr. 2 LMBG gehandelt. Die Proben seien nicht im Rahmen eines Überwachungsplans systematisch entnommen worden, sondern nach einer festgestellten Beanstandung. Amtshandlungen gingen dann über allgemeine Überwachungsmaßnahmen hinaus, wenn sie in Verdachts- und Beschwerdefällen erfolgten, in denen Tatsachen einen ausreichenden Anlass für die Verfolgung böten. Die aufgrund hinreichender Tatsachen erfolgte Anlassuntersuchung könne durch das negative Untersuchungsergebnis nicht im Nachhinein wieder in eine allgemeine Überwachungsmaßnahme uminterpretiert werden. Es sei erforderlich gewesen, die von der Kundin erworbene Beschwerdeprobe lebensmitteltechnisch untersuchen zu lassen. Es sei anschließend nicht ausreichend gewesen, lediglich eine Untersuchung der gleichartigen Produkte auf Fremdeinwirkungen vorzunehmen. Es sei nicht offensichtlich gewesen, dass die Versehrtheit des Lebensmittels allein mit der Beschädigung der Verpackung im Zusammenhang gestanden habe. Durch die Entnahme von weiteren Proben bei der Kundin und in der C.r Filiale der Klägerin sei es am effektivsten und kostengünstigsten möglich gewesen, Sicherheit über die Ursache der Verderbnis der Beschwerdeprobe zu erlangen. Eine solche Feststellung wäre nicht mehr möglich gewesen, wenn mit der Probenahme gewartet worden wäre, bis der Untersuchungsbefund für die Beschwerdeprobe vorgelegen hätte. Bei einem Verdacht auf einen möglichen Sabotageakt bzw. Abfüllmängel oder auf Lagerungs- oder Transportfehler sei es erforderlich, umgehend und zügig zu reagieren. Auch die Rücknahme der restlichen Verpackungen der beanstandeten Sahne habe die lebensmitteltechnische Untersuchung der weiteren Proben nicht obsolet werden lassen. Es entziehe sich der Kenntnis des Beklagten, ob die Produkte nicht nach Vorliegen des Untersuchungsbefundes der Beschwerdeprobe wieder in den Verkauf gebracht worden wären. Es sei daher erforderlich gewesen, alle Proben sofort untersuchen zu lassen. Die unglückliche Wahl der Bezeichnung als Verfolgs- bzw. Verdachtsprobe sei für die Kostenfolge unschädlich.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Bezirksregierung Lüneburg verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat keinen Erfolg.

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Der Bescheid des Beklagten vom 13. Juni 2000 und der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Lüneburg vom 15. Dezember 2000 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, wie es für eine erfolgreiche Klage erforderlich wäre (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -). Die Erhebung von Gebühren und Auslagen in Höhe von 2.192,46 DM erfolgte zu Recht.

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Nach § 46a Abs. 1 LMBG werden Gebühren und Auslagen für nach dem LMBG und auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen vorzunehmende Amtshandlungen erhoben, die - erstens - in die Zuständigkeit der Länder fallen, - zweitens - über die allgemeinen Überwachungsmaßnahmen hinausgehen und - drittens - zur Durchführung von Rechtsakten der Organe der Europäischen Gemeinschaft erforderlich sind.

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Die Voraussetzung der Länderzuständigkeit für Amtshandlungen im Rahmen der Überwachungsmaßnahmen insbesondere nach dem hier in Betracht kommenden § 42 LMBG ist mangels einer anderweitigen bundesrechtlichen Regelung im Sinne des Art. 83 Grundgesetz - GG - gegeben; auch sind die Amtshandlungen nach dem LMBG zur Durchführung von Rechtsakten der Organe der Europäischen Gemeinschaft erforderlich, da die Richtlinie 89/397/EWG des Rates vom 14. Juni 1989 über die amtliche Lebensmittelüberwachung gerade durch die Vorschriften der §§ 40 ff. LMBG in nationales Recht umgesetzt worden ist.

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Bei den hier erfolgten Amtshandlungen der Lebensmittelüberwachung liegen auch die Voraussetzungen des § 46a Abs. 1 Nr. 2 LMBG vor. Diese Norm setzt eine Unterscheidung zwischen nicht gebührenpflichtigen "allgemeinen“ und gebührenpflichtigen Überwachungsmaßnahmen "aus besonderem Anlass" voraus. Nur die Amtshandlungen aus besonderem Anlass können zu einer Gebührenpflicht führen (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 22. Mai 2000 - 11 LA 100/02 -). Die Differenzierung zwischen "allgemeinen“ und "besonderen“ Überwachungsmaßnahmen ist bereits in der Richtlinie 89/397/EWG des Rates vom 14. Juni 1989 angelegt. Art. 4 Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt, dass die Überwachung zum einen regelmäßig und zum anderen bei Verdacht der Nichtübereinstimmung (mit lebensmittelrechtlichen Vorschriften) erfolgt. Der Runderlass des Nds. Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 8. Februar 2000 (Nds. MBL., S. 230) enthält normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften zur Abgrenzung von allgemeinen - nicht kostenpflichtigen - Überwachungsmaßnahmen und besonderen Überwachungsmaßnahmen. Nach Nr. V. 1.3 des Erlasses umfassen die allgemeinen Überwachungsmaßnahmen die nach Art. 5 der Richtlinie 89/397/EWG vorzunehmenden Kontrollen, also Inspektionen, Probenahmen und Analysen, Hygieneuntersuchungen des Personals, Prüfungen der Schrift- und Datenträger und die Untersuchungen der ggf. von dem Unternehmen eingerichteten Kontrollsysteme und der damit erzielten Ergebnisse. Amtshandlungen in Verdachtsfällen und in Beschwerdefällen, in denen Tatsachen einen ausreichenden Anlass für die Verfolgung bieten, gehen nach Nr. V. 1.3 des Erlasses über die allgemeinen Überwachungsmaßnahmen im Sinne der Richtlinie hinaus, so dass § 46a Abs. 1 Nr. 2 LMBG nach dem Erlass als erfüllt angesehen wird. Nach Nr. V. 1.3 Satz 3 gilt Entsprechendes für die Verfolgung von Beanstandungen. In dem Erlass wird zudem zwischen Planproben, Verdachtsproben, Beschwerdeproben und Verfolgsproben unterschieden, wobei die Planproben der allgemeinen Überwachung und die sonstigen Proben der besonderen Überwachung zugerechnet werden (vgl. Nr. II. 4.2.7 bis 4.2.11 sowie Nr. V. 1.4 des Runderlasses).

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Die hier durchgeführten Probenahmen und -untersuchungen gehen nach den vorgenannten Bestimmungen über allgemeine Überwachungsmaßnahmen hinaus. Alle Probenahmen und -untersuchungen sind auf die Beanstandungen einer Kundin der Klägerin zurückzuführen. Für die Einstufung der Probenahmen und -untersuchungen als besondere Überwachungsmaßnahmen ist es unschädlich, wie die Proben im Laufe des Verwaltungsverfahrens bezeichnet worden sind. Maßgeblich ist im Hinblick auf § 46a Abs. 1 Nr. 2 LMBG entgegen der Auffassung der Klägerin nur, dass eine Abgrenzung zwischen allgemeinen und besonderen Überwachungsmaßnahmen vorgenommen werden kann. Das ist hier der Fall, weil ein offensichtlich begründeter Beschwerdefall gegeben war. Demgemäß handelte es sich im Sinne der Bestimmungen des Erlasses bei der von der Kundin beanstandeten Schlagsahnepackung um eine Beschwerdeprobe nach Nr. II. 4.2.9 und bei den weiteren Proben aufgrund der beabsichtigten abschließenden Beurteilung der Angelegenheit um Verfolgsproben nach Nr. II. 4.2.11 des Erlasses.

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Die Beanstandung der Kundin rechtfertigte entgegen der Auffassung der Klägerin sowohl die Entgegennahme und Untersuchung der Beschwerdeprobe als auch die Entnahme der zwei (weiteren) Verfolgsproben bei der Kundin und in der C.r Filiale der Klägerin sowie die Untersuchung derselben. Es handelte sich dabei um rechtmäßige Maßnahmen nach § 42 Abs. 1 LMBG, so dass eine zur Kostenpflicht führende Amtshandlung "nach diesem Gesetz" im Sinne des § 46a Abs. 1 LMBG zu bejahen ist. § 42 Abs. 1 LMBG stellt Probenahmen und -untersuchungen unter den Vorbehalt der Erforderlichkeit zur Durchführung der Vorschriften über den Verkehr mit Erzeugnissen im Sinne des LMBG. Diese Vorschrift knüpft an die Norm des Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 89/397/EWG an, die bestimmt, dass die Überwachung unter Wahrung eines angemessenen Verhältnisses zum angestrebten Ziel durchzuführen ist. Der Gedanke der Verhältnismäßigkeit wird im Erlass des Nds. Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 8. Februar 2000 im Hinblick auf die sich ergebenden Kostenfolgen aufgegriffen. Nach Nr. V. 1.4 des Erlasses ist Voraussetzung für eine Kostenerhebung in jedem Fall, dass Tatsachen bekannt sind, die ein weiteres Vorgehen begründen. Nach Nr. V. 1.6 Satz 2 sind nur Kosten für die Amtshandlungen und Leistungen zu erheben, die für die Verfolgung der Verdachts- und Beschwerdefälle oder Beanstandungen erforderlich sind, soweit es sich nicht um generell kostenpflichtige Veterinärkontrollen oder andere kostenpflichtige Amtshandlungen und Leistungen handelt, die keine Überwachungsmaßnahmen sind.

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Die Vorgehensweise des Beklagten ist als erforderlich und verhältnismäßig anzusehen. Das Lebensmitteluntersuchungsamt und der Beklagte brauchten sich insbesondere nicht auf eine chemische Untersuchung der Beschwerdeprobe und eine bloße Sichtkontrolle der weiteren Verpackungen in der Filiale der Klägerin auf äußere Beschädigungen beschränken. Eine auch im besonderen Gefahrenabwehrrecht gebotene effektive Gefahrerforschung war vielmehr nur durch die erfolgten weiteren Probenahmen und -untersuchungen in der Filiale der Klägerin und bei der Kundin möglich. Nur durch die erfolgte Probenahme und -untersuchung konnte mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass in die übrigen Packungen durch einen Sabotageakt oder beim Produktionsprozess zum Verderbnis führende Stoffe eingebracht worden sind. Eine bloße "Sichtkontrolle“ sämtlicher Verpackungen hätte keine hinreichenden derartigen Schlüsse zugelassen. Der Beklagte war auch nicht etwa gehalten, dass Ergebnis der Untersuchung der Beschwerdeprobe abzuwarten, um erst anschließend ggf. weitere Proben zu nehmen und untersuchen zu lassen. Dies hätte eine hinreichend schnelle und effektive Gefahrerforschung nicht ermöglicht. Die Klägerin kann insoweit nicht mit Erfolg einwenden, sie habe vorsorglich die Produkte mit dem entsprechenden Mindesthaltbarkeitsdatum aus dem Sortiment genommen. Dadurch konnte nämlich nicht die notwendige Gefahrerforschung - die auch in Anbetracht des bereits erfolgten Abverkaufs erforderlich war - ersetzt werden. Die Klägerin kann auch nicht mit Erfolg einwenden, dass die Untersuchungsberichte des Lebensmitteluntersuchungsamtes erst unter dem 18. Mai 2000 datieren. Die Untersuchung selbst erfolgte nämlich bereits am Montag, dem 8. Mai 2000, und damit unmittelbar nach dem Wochenende, welches auf den Tag der Beanstandung und der Probenahmen - Freitag, der 5. Mai 2000 - folgte. Es kann davon ausgegangen werden, dass bei einem Befund, der zu einer gravierenden Beanstandung geführt hätte, auch umgehende Maßnahmen ergriffen worden wären. Dass bei dem konkreten Untersuchungsergebnis eine Mitteilung an den Beklagten telefonisch erst am 17. Mai 2000 und schriftlich erst unter dem 18. Mai 2000 erfolgte, stellt eine schnelle und effektive Gefahrerforschung und die Rechtmäßigkeit der Kostenerhebung nicht in Frage. Es kann insoweit auch nicht etwa dahingehend argumentiert werden, dass der erste Untersuchungsbefund gezeigt habe, dass weitere Entnahmen und Untersuchungen von Verfolgsproben nicht erforderlich gewesen seien. Ein Rückschluss vom Untersuchungsergebnis auf die Notwendigkeit der Untersuchung verbietet sich nämlich.

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Nach § 46a Abs. 2 LMBG werden die nach Abs. 1 der Vorschrift kostenpflichtigen Tatbestände durch Landesrecht bestimmt. Die Gebühren sind nach Maßgabe der von den Organen der Europäischen Gemeinschaft erlassenen Rechtsakte zu bemessen. Eine landesrechtliche Bestimmung der nach § 46a Abs. 2 LMBG kostenpflichtigen Tatbestände ist durch die Bestimmungen des Nds. Verwaltungskostengesetzes - NVwKostG - i.V.m. der Gebührenordnung für die amtliche Lebensmittel- und Bedarfsgegenständeuntersuchungen (GO-LebensmBG) vom 8. Juli 1997 (Nds. GVBl. S. 347) erfolgt. Der Umstand, dass es in Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft nicht wie etwa im Bereich der Gebührenerhebung für Amtshandlungen nach dem Fleischhygienegesetz Bestimmungen gibt, nach denen die Gebühren bemessen werden könnten, steht entgegen der Auffassung der Klägerin einer Kostenerhebung nicht entgegen. Die von der Klägerin vertretene Auffassung, dass es für eine Kostenerhebung aufgrund der Vorschrift des § 46a Abs. 2 Satz 2 LMBG in jedem Falle eines Rechtsakts von Organen der Europäischen Gemeinschaft bedarf, trifft nicht zu. Es ist vielmehr Zweck der Vorschrift des § 46a Abs. 2 LMBG, klarzustellen, dass der Landesgesetzgeber an etwaige höherrangige gemeinschaftsrechtliche Vorgaben gebunden ist. Existieren solche gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften nicht, bedeutet dies nicht, dass den Ländern ihre (ohnehin originäre) Gesetzeskompetenz zum Kostenrecht für den Regelungsbereich des LMBG damit entzogen wäre. Vielmehr fehlt lediglich eine Bindung an gemeinschaftsrechtliche Vorgaben, so dass der Landesgesetzgeber insoweit keinen Einschränkungen unterworfen ist. Kostenrechtliche Bestimmungen sind im Nds. Verwaltungskostengesetz sowie in der genannten Gebührenordnung enthalten. Die Kammer teilt vor dem Hintergrund dieser Normzusammenhänge nicht die Bedenken, die in Bezug auf die Frage nicht vorhandener gemeinschaftsrechtlicher Regelungen vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (Urteil vom 26. Mai 2000 - 25 B 96.1735 -, GewArch 2001, 173) angeschnitten worden sind, zumal das Nds. Oberverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 22. Mai 2002 (- 11 LA 100/02 -, NVwZ-RR 2002, 834) offenbar eine solche Problematik als nicht gegeben angesehen hat.

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Die Voraussetzungen insbesondere der §§ 1, 3, und 5 NVwKostG für die Kostenerhebung liegen vor. Anlass zu den Amtshandlungen im Sinne der §§ 1 Abs. 1, 5 NVwKostG hat die Klägerin gegeben, da sie das Produkt in Verkehr gebracht hat; daher ist sie auch als Kostenschuldnerin anzusehen. Hinsichtlich der Berechnung der Höhe der Kosten wird auf die detaillierten Ausführungen im Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Lüneburg vom 15. Dezember 2000 verwiesen. Fehler bei der Gebührenbemessung sind nicht ersichtlich und auch nicht geltend gemacht. Zutreffend wurde hinsichtlich des Kostenansatzes in Höhe von 555,16 DM auf § 13 Abs. 2 f) NVwKostG sowie auf Abschnitt IX B Nr. 8 des Gebührenverzeichnisses der Anlage der Gebührenordnung für die Veterinärverwaltung (GOVet) vom 22. März 1995 (Nds. GVBl. S. 63) verwiesen, da im Rahmen der Lebensmittelüberwachung das Veterinäramt des Beklagten in Anspruch genommen worden ist.