Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 16.11.1978, Az.: 2 W 48/78

Frage der Einordnung des Streits um die Fortführung des Ehenamens als Familiensache; Erschleichen des Ehenamens und unbefugte Weiterverwendung zur ungestörten Begehung weiterer Straftaten; Anwendung der Grundsätze vom unredlichen Rechtserwerb auch im Namensrecht; Gleichstellung der Erschleichung eines Namens mit Anmaßung eines Namens bei Missbrauch der Namenswahl zu unlauteren Zwecken; Anspruch auf Untersagung einer Namensführung bei Beeinträchtigung konkreter Interessen des verletzten Namensträgers; Namensuntersagungsrecht eherechtlicher Natur in Abgrenzung zu den nach dem allgemeinen Namensrecht gegebenen Abwehrmöglichkeiten

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
16.11.1978
Aktenzeichen
2 W 48/78
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1978, 12651
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:1978:1116.2W48.78.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Braunschweig- AZ: 1 O 145/78

Fundstelle

  • NJW 1979, 1463-1464 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Verurteilung zur Ablegung des Ehenamens

Prozessführer

Hausgehilfin ... geb. ...

Prozessgegner

Möbeltischler ... geb. ... bei ..., z.Zt. unbekannten Aufenthalts,

Tenor:

Der Antragstellerin wird das Armenrecht bewilligt. Zur vorläufig unentgeltlichen Wahrnehmung ihrer Rechte wird ihr Rechtsanwalt ... beigeordnet.

wird der Beschluß des Landgerichts ... aufgehoben.

Gründe

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I.

Die Parteien haben am 30.09.1977 geheiratet. Bei der Eheschließung nahm der Antragsgegner den Familiennamen ... der Antragstellerin an und hieß seitdem ..., geborener ... Die Ehe ist am 21.04.1978 geschieden worden. Mit der beabsichtigten Klage begehrt die Antragstellerin von dem Antragsgegner, durch entsprechende Erklärung gegenüber dem Standesbeamten ihren Namen wieder abzulegen. Dazu trägt sie unbestritten vor: Der Antragsgegner habe ihr bei Eheschließung seine erheblichen Vorstrafen (vor allem Betrug und Urkundenfälschung) verschwiegen. Ihren Namen habe er allein zu dem Zweck angenommen, um unter dem neuen Namen ungestört weiter Straftaten begehen zu können. Alsbald nach der Heirat habe er sie unter tauschenden Angaben dazu überredet, mit ihm Verbindlichkeiten von mehr als 20.000,00 DM einzugehen. Außerdem habe er für das gemeinsame Konto ungedeckte Schecks in Zahlung gegeben. Da der Antragsgegner sich dem Zugriff der gemeinsamen Gläubiger entzogen habe, hafte sie praktisch allein. Durch den Mißbrauch ihres Namens fühle sie sich auch in ihrer Ehre gemindert.

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II.

Die Antragstellerin ist nach ihren Einkommensverhältnissen als arm i.S. des Gesetzes anzusehen.

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Die beabsichtigte Klage hat auch Aussicht auf Erfolg.

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Der Senat und ebenso das im ersten Rechtszug angerufene Landgericht sind für die beabsichtigte Klage zuständig. Diese ist keine Familiensache gem. §§ 23 b Abs. 1 S. 2 GVG, 621 ZPO. Der Katalog der in diesen Vorschriften aufgeführten Sachen ist abschließend. Schon dies steht einer rechtsähnlichen Anwendung entgegen. Zwar sollte beim Hervortreten eines Bedürfnisses zweckmäßigerweise bereits im Scheidungsverfahren auf eine Klärung auch der Namensfrage unter Hinweis auf die Möglichkeit des § 1355 Abs. 4 BGB hingewirkt werden (vgl. Münch. Komm.-Wacke, § 1355 RdNr. 39). Damit wird der Streit um die Fortführung des Ehenamens aber nicht zur Scheidungsfolgesache i.S.v. § 623 Abs. 1 ZPO. Weder gehören die wesentlichen Anspruchsgrundlagen des Klagebegehrens dem Gebiet das Familienrechts an (vgl. unten Ziff. III) noch erscheint eine Einbeziehung von Namensstreitigkeiten unter geschiedenen Ehegatten in den Entscheidungsverbund der Familiensachen nach dem Sinn und Zweck der Zuständigkeitskonzentration vor den Familiengerichten geboten.

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III.

Die Antragstellerin hat gem. § 12 BGB gegenüber des Antragsgegner einen Anspruch auf Ablegung des Ehenamens ...

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1.)

Der Gebrauch des Namens ... durch den Antragsgegner ist unbefugt i.S. des § 12 BGB. Gemäß § 1355 Abs. 2 §. 1 BGB hat er zwar den Namen der Antragstellerin als eigenes Persönlichkeitsrecht erworben. Auch kann die Antragstellerin ihre Einwilligung in die Namenswahl nicht gemäß §§ 119, 123 BGB anfechten (vgl. Münch. Komm.-Wacke, § 1355 Rd.Nr. 16).

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Dennoch stellt sich die Weiterverwendung des Familiennamens (Ehenamens) durch den Antragsgegner nach Ehescheidung unter den gehobenen Umständen als unbefugt dar. Dar Antragsgegner hat den Ehenamen erschlichen. Nach den unbestrittenen Sachvortrag der Antragstellerin hat er unter Täuschung über seine wahren Absichten ihren Namen allein zu dem Zweck angenommen, um ungestört weitere Straftaten begehen zu können. Die Ausübung einer rechtswidrig erlangten Rechtsposition zum Nachteil eines anderen ist unzulässig, auch wenn der Erwerb des Rechts selbst nicht oder nicht mehr anfechtbar ist (vgl. Soergel-Siebert, BGB, 10. Aufl. 1967, § 242 RdNr. 193, Palandt, BGB, 36. Aufl. 1977, § 242 Anm. 4 C a). Diese Grundsätze vom unredlichen Rechtserwerb gelten auch für das Namensrecht . Deshalb steht das eigene Namensrecht des Verletzers einem Unterlassungsanspruch nicht entgegen, wenn die Namenswahl in unlauterer Weise zu dem Zweck mißbraucht wird, um Verwechslungen hervorzurufen oder um dem Interesse des klagenden Namensträgers sonst Eintrag zu tun (vgl. dazu - unentschieden - BGHZ 29, 256, [263] - NJW 1959, 1029, [103]. In solchen Fällen ist die Erschleichung eines Namens der Anmaßung eines Namens gleichzustellen.

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Nach den Umständen ist auch eine Beeinträchtigung konkreter Interessen der Antragstellerin anzunehmen. Eingetreten ist die Interessenverletzung hier schon mit der Erschleichung des Ehenamens in der Absicht, unter diesem Namen ungestört Straftaten zu begehen. Die Antragstellerin hat ein schutzwürdiges Interesse daran, daß der Antragsgegner den Ehenamen nicht mehr führt. Denn es besteht die Gefahr, daß der flüchtige Beobachter, der von der zwischenzeitlichen Scheidung der Parteien nichts weiß, die Antragstellerin mit den Antragsgegner und der nicht auszuschließenden Begehung von Straftaten durch diesen in Verbindung bringt. Das gleiche gilt für die Besorgnis der Antragstellerin, daß ihr in der Vorstellung Außenstehender auch sonstige von dem Antragsgegner im Rechtsleben begangene Unregelmäßigkeiten zugerechnet werden. Auf eine fortdauernde Labilität des Antragsgegners in dieser Richtung läßt bereits der Umstand schließen, daß er noch nach Eheschließung trotz mangelnder Zahlungsfähigkeit Verbindlichkeiten von 30.000,00 DM eingegangen ist und außerdem ungedeckte Schecks in Zahlung gegeben hat. Ebenso läßt die Art, in der er den Ehenamen erschlichen hat, auf eine innere Einstellung schließen, die auch in Zukunft die Gefahr eines die Antragstellerin diskriminierenden Auftretens besorgen läßt. Ein Anspruch auf Untersagung einer Namensführung kann über Fälle einer echten Verwechselungsgefahr hinaus schon dann gegeben sein, wenn der verletzte Namensträger ein Interesse daran hat, sich nicht in eine fehlerhafte Familienbeziehung gebracht zu sehen (Münch.Komm-Schwerdtner, § 12, Rd.Nr. 122). Insoweit genügt bereits ein bloßes Affektionsinteresse (vgl. BGB§, 318 [322], Palandt, BGB, 36. Aufl. 1977, § 12 Anm. 4 b), wie es angesichts des Zustandekommens des Ehenamens hier ohne weiteres anzunehmen ist.

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Auch unter der erforderlichen Abwägung der entgegenstehenden Belange der Parteien erscheint das Interesse der Antragstellerin an der begehrten Unterlassung schutzwürdig. Die Beeinträchtigung, die der Antragstellerin durch die Möglichkeit einer Wiederholung von Straftaten und anderen Normverstößen durch den Antragsgegner unter dem Ehenamen erwächst, ist auch erheblich. Demgegenüber erscheint es nach erfolgter Ehescheidung für den Beklagten zumutbar, einen Namen abzulegen, den er auf unredliche Weise angenommen und nur kurze Zeit getragen hat.

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Da das Klagebegehren schon aufgrund des allgemeinen Namensrechts nach § 12 BGB Aussicht auf Erfolg hat, kann dahinstehen, inwieweit ein Mißbrauch des Ehenamens in besonders schweren Fällen auch nach den Regeln über die Verwirkung einen Unterlassungsanspruch rechtfertigen kann (so Palandt-Diederichsen, BGB, § 1355 Anm. 4; Münch. Komm.-Wacke, § 1353, RdNr. 47).

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2.)

Der Grundsatz der Unwandelbarkeit des Familiennamens steht dem Klagebegehren nicht entgegen. Auch nach der ersatzlosen Aufhebung des (auf den Ehemann beschränkten) Namensuntersagungsrechts der §§ 56, 57 EheG durch Art. 3 Nr. 1 und Art. 12 Nr. 13 b des 1. EheRG ist ein auf das allgemeine Namensrecht gestützter Beseitigungsanspruch nicht ausgeschlossen. Zwar gewährt das neue Scheidungsrecht (vgl. § 1355 BGB) Geschiedenen keine Ansprüche auf Untersagung der Führung des Ehenamens (vgl. Münch. Komm.-Wacke, § 1355 RdNr. 39, 46 f). Damit ist aber nur das Namensuntersagungsrecht eherechtlicher Natur entfallen, nicht auch die nach dem allgemeinen Namensrecht des § 12 BGB gegebenen Abwehrmöglichkeiten (so auch - für "besonders schwere Mißbrauchsfälle" - Palandt-Diederichsen, BGB § 1355 Anm. 4). Dies folgt aus den unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen der beiden Untersagungsrechte und ihrer unterschiedlichen Zwecksetzung. Ausgehend von dem inzwischen aufgehobenen Verschuldensprinzip im Scheidungsrecht sowie der Vorstellung nachehelicher Treuepflichten ließen die §§ 56, 57 EheG aufgrund einer patriarchalisch-ständischen Gesinnung den allgemeinen Schuldspruch des Scheidungsurteils für das Untersagungsrecht genügen oder knüpften dieses an einen "ehrlosen" oder "unsittlichen" Lebenswandel nach der Ehe, ohne darüber hinaus zu erfordern (vgl. dazu Münch. Komm.-Wacke, § 1355 RdNr. 46). Gegenüber einem solchen weitgehenden Schutz des Ehenamens dient das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitete Namensrecht des § 12 BGB dem grundlegend anders gearteten Zweck, eine konkrete Interessenbeeinträchtigung des geschützten Namensträgers abzuwehren. Im Unterschied zu dem Untersagungsrecht nach §§ 56, 57 EheG verlangt ein Anspruch aus § 12 BGB deshalb eine konkrete Beeinträchtigung der schutzwürdigen Interessen des Namensträgers sowie eine Wiederholungsgefahr. Darüber hinaus weichen die tatbestandlichen Voraussetzungen der aufgehobenen Vorschriften und des § 12 zumindest in Fällen der Erschleichung des Ehenamens voneinander ab. Dann geht nämlich der Untersagungsanspruch auf ein Verhalten des anderen Ehegatten vor Eheschließung zurück, während die §§ 56, 57 EheG sich auf ein bestimmtes Verhalten nach Eheschließung - während oder nach der Ehe - bezogen. Inwieweit in besonders schweren Fällen auch ein Verhalten während oder nach der Ehe [xxxxx]Untersagungsrecht trotz Aufhebung der §§ 56, 57 EheG gewähren kann, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.

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3.)

Da dem Begehren der Antragstellerin nur durch Ablegung des Ehenamens seitens des Antragsgegners Genüge getan werden kann und da die erforderliche Namensänderung nur durch Wiederannahme des Geburtsnamens erfolgen kann, richtet sich der Beseitigungsanspruch der Antragstellerin auf Abgabe der in §§ 1355 Abs. 4 S. 2 BGB, 15 c PersStG vorgesehenen Erklärung gegenüber dem Standesbeamten.