Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 08.11.1976, Az.: 2 Wx 33/76

Beteiligung an durch eine Wohneigentumsgemeinschaft beschlossenen Rücklagenbildung

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
08.11.1976
Aktenzeichen
2 Wx 33/76
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1976, 10992
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:1976:1108.2WX33.76.0A

Tenor:

Wird die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß des Landesgerichts ... vom 8. November 1976 auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.

Gründe

1

Die Beschwerdekammer des Landgerichts ... hat die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß des Amtsgerichts ... vom 02.08.1976 zurückgewiesen. Der Antragsgegner hat gegen den landgerichtlichen Beschluß, der ihm am 16.11.1976 zugegangen ist, am 24.11.1976 sofortige Beschwerde erhoben. Dieses Rechtsmittel ist zulässig, in der Sache jedoch erfolglos.

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Dem Antragsgegner ist aufgrund der Abrechnung für die Zeit vom 01.10.1974 bis 10.09.1975 und aufgrund des anschließenden Wirtschaftsplans auferlegt, den für die Zeit vom 01.10.1974 bis 31.12.1975 zur Einziehung ermächtigten Antragsteller 14.040,00 DM nebst Zinsen zu zahlen. Die Abrechnung, die u.a. einen Posten "Zuweisung Rücklagen für Außenanlagen" (Bl. 113 d.A.), und der Wirtschaftsplan, der u.a. einen Posten "Außenanlagen 1/3 (Rest)" von 6.000,00 DM versieht (Bl. 112 d.A.), sind in der Eigentümerversammlung vom 08.11.1973 beschlossen worden. Das Amtsgericht ... hat den Antrag des Antragsgegners, die Beschlüsse der Gemeinschafter vom 08.11.1975 aufzuheben, durch Beschluß vom 03.03.1976 (1 UR II 53/75) unangefochten zurückgewiesen.

3

Im vorliegenden Fall hat das Landgericht u.a. offengelassen, ob es sich bei den baulichen Veränderungen um Maßnahmen im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG handelt und der Antragsgegner sich gemäß den §§ 22 Abs. 1, 16 Abs. 3 WEG auf Kostenbefreiung berufen kann. Es hat ausgeführt, jedenfalls könne der Antragsgegner sich der Bildung von Rücklagen, die einer ordnungsgemäßen Verwaltung, nicht entziehen.

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Auf die §§ 16 Abs. 3, 22 Abs. 1 WEG könne er sich allenfalls erst dann berufen, sobald über die Verteilung von Kosten oder Lasten aus der Rücklage beschlossen werde und der Antragsgegner die Maßnahmen für solche aus § 22 Abs. 1 WEG ansehe. Weder die Beschlüsse über die Abrechnung für das Wirtschaftsjahr 1974/75 und den Wirtschaftsplan 1975/76 noch der ebenfalls am 08.11.1975 gefaßte Beschluß, den Verwalter zur Ausführung von Nachbesserungsarbeiten (einschließlich der Befestigung und Planierung des hinteren Abstellplatzes für Kraftfahrzeuge, der Befestigung der Zufahrt und der Isolierung der Grundmauern des Gebäudes durch Anlage einer Drainage) zu ermächtigen, enthielten eine Beschlußfassung darüber, für beschlossene Maßnahmen angefallene Kosten auf die Wohnungseigentümer umzulegen, aus Rücklagen zu entnehmen oder derartige Lasten zu tragen.

5

Ob es sich bei den Baumaßnahmen, um die es bei der Rücklagenbildung geht, um die Erhaltung und Wiederherstellung des gemeinschaftlichen Eigentums (vgl. z.B. BayObLG 1971, 273, 280) oder um Neuerungen und Veränderungen handelt, die über die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentum hinausgehen, konnte dahingestellt bleiben. Jedenfalls muß der Antragsgegner sich an der von der Mehrheit der Gemeinschafter beschlossenen Rücklagenbildung für Außenanlagen aufgrund der Abrechnung 1974/75 und den Wirtschaftsplans 1975/76, der freilich bloß eine Vorausschätzung darstellt (OLG Hamm OLGZ 1971, 96, 100; BayObLG 1974, 173), im ausgesprochenen Umfang beteiligen. Der weiteren sofortigen Beschwerde ist lediglich einzuräumen, daß es bei fortbestehender Anfechtbarkeit der Beschlüsse vom 08.11.1975 an einen rechtfertigenden Grund dafür fehlen würde, von den Antragsgegner für etwaige von ihm nicht gewünschte bauliche Veränderungen im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG Einzahlungen in einen Rücklagefonds zu fordern (§ 16 Abs. 3 WEG). Indes sind die der Heranziehung des Antragsgegners zugrundeliegenden Beschlüsse vom 08.11.1975 unanfechtbar. Haben Gemeinschafter einen Mehrheitsbeschluß über eine Angelegenheit gefaßt, welche einem Mehrheitsbeschluß nicht zugänglich war, sondern Einstimmigkeit erfordert hätte, so ist ein solcher Beschluß grundsätzlich nur dann ungültig, wann er auf einen binnen 1 Monats seit der Beschlußfassung gestellten Antrag hin für ungültig erklärt wird (BGHZ 54, 65 mit zustimmender Anmerkung Pick, NJW 1970, 2061). Das Amtsgericht ... wies aber den Anfechtungsantrag des Antragsgegners zurück, ohne daß dieser den amtsgerichtlichen Beschluß fristgemäß angefochten hat. Daß die Beschlüsse vom 08.11.1975 etwa gegen eine Rechtsvorschrift verstoßen, auf deren Einhaltung rechtswirksam nicht verzichtet werden kann (vgl. § 23 Abs. 4 Satz 2), ist nicht ersichtlich.

6

Auch Mehrheitsbeschlüsse über bauliche Veränderungen und Aufwendungen, die über die ordnungsgemäße Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen (§ 22 Abs. 1 WEG), sowie über diesbezügliche Kosten (§ 16 Abs. 3 WEG) sind grundsätzlich nicht nichtig, sondern innerhalb einmonatiger Ausschlußfrist anfechtbar (§ 23 Abs. 4 WEG). Mangels einer Regelung in der Teilungserklärung und einer späteren Vereinbarung können die Gemeinschafter "eine der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Eigentums entsprechende ordnungsmäßige Verwaltung durch Stimmenmehrheit beschließen" (§ 21 Abs. 3 WEG). Nach § 21 Abs. 3 Nr. 2 und 4 WEG gehören zu einer ordnungsmäßigen, dem Interesse der Gesamtheit der Gemeinschafter entsprechenden Verwaltung insbesondere "die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums" (Nr. 2) und "die Ansammlung einer angemessenen Instandhaltungsrückstellung" zu enthalten. Im vorliegenden Fall beschloß die Mehrheit der Gemeinschafter eine solche Ansammlung. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG können bauliche Veränderungen und Aufwendungen, die über die ordnungsmäßige Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen, nicht gemäß § 21 Abs. 3 WEG beschlossen werden, d.h. die Mehrheit kann die Minderheit nur im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung verpflichten. Aber es steht allen Gemeinschaften frei, sich selbst zur Beteiligung zu verpflichten, sei es ausdrücklich, sei es durch die Hinnahme eines möglicherweise erfolgreich anfechtbaren Mehrheitsbeschlusses.

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Bei Palandt/Bassenge heißt es zwar in Anmerkung 4 zu § 16 WEG unter Bezugnahme auf BayObLG 1973, 78, daß ein Gemeinschafter auch dann von Kosten für bauliche Veränderungen oder nicht notwendige Aufwendungen befreit sei, wenn ein gemäß § 22 Abs. 1 WEG unzulässiger Mehrheitsbeschluß im Falle des § 22 WEG nicht nichtig, sondern nur anfechtbar ist, so daß der Ablauf der Anfechtungsfrist den etwaigen Mangel seines Zustandekommens behebt (BayObLG 1973, 78, 81). Dort ging es allerdings u.a. um die - mangels Beschlußanfechtung bejahte - Duldungspflicht einzelner Wohnungseigentümer gegenüber der von der Mehrheit beschlossenen und von dieser allein auch finanzierten Errichtung von gemeinschaftlichem Eigentums (Garagen), an dem den einzelnen Mitgliedern der Mehrheit jeweils ein - für nicht ausgleichspflichtig erachtetes - Alleingebrauchsrecht zusteht. Im vorliegenden Fall hingegen hat die Mehrheit der Gemeinschafter - unangefochten - die Heranziehung aller Gemeinschafter zur Bildung einer Rücklage für Arbeiten an gemeinschaftlichem Eigentum (Außenlagen) beschlossen, die mangels Anfechtung auch dann rechtswirksam ist, falls sie bauliche Veränderungen und Aufwendungen im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG und dementsprechende Kosten (§ 16 Abs. 3 WEG) betreffen sollte. Der Mehrheitsbeschluß, der im vorliegenden Fall nicht bloß eine finanzielle Beteiligung der beschließenden Mehrheit, sondern aller Gemeinschafter - allerdings nur für eine Rücklagenbildung - vorsieht, ist jeweils mangels Anfechtung verbindlich. Anders verhielte es sich bei einem Eingriff in das Sondereigentum einzelner Wohnungseigentümer, der nicht der Entscheidung durch Stimmenmehrheit unterläge (BayObLG 1973, 78, 83), hier aber auch nicht gegeben ist.

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Im übrigen bleibt es den Antragsgegner unbenommen, zu gegebener Zeit die Freigabe seines zweckgebundenen Rücklagenanteils zu beanspruchen, soweit nicht etwa ergibt, daß der Antragsgegner sich an den Ausgaben für die sog. Außenanlagen letztlich nicht zu beteiligen braucht.

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Die Kostenentscheidung entspricht § 47 Satz 2 WEG i.V.m. § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG.

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Braunschweig, den 22. Februar 1977

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Richter am Oberlandesgericht

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Richter am Amtsgericht